Protocol of the Session on September 26, 2012

Login to download PDF

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ehe uns bei diesem Gesetzentwurf wieder der Vorwurf gemacht wird, das sei eine „ver.diAuftragsarbeit“, will ich Ihnen etwas über die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzentwurfes erzählen.

Wir haben dieses Thema bereits in unserem alten Landeswahlprogramm gesetzt und gesagt: Wir gehen in diesen Landtag mit dem Ziel, das Personalvertretungsgesetz zu verbessern und die Mitbestimmung der Personalräte zu stärken. Wir haben dazu einen Kongress durchgeführt und mit Personalräten darüber gesprochen. Wir haben auch mit ver.di und mit der GEW gesprochen und dann unseren eigenen Gesetzentwurf entwickelt, der im Übrigen in vielen Punkten über die Vorstellungen von ver.di hinausgeht. Anschließend haben wir unseren Gesetzentwurf den Gewerkschaften vorgestellt und von dort viel Zuspruch und Zustimmung erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen auch sagen, nach welcher Methode wir vorgegangen sind. Wir haben uns die Personalvertretungsgesetze der anderen Bundesländer angesehen und von allem das Beste herausgesucht - nach dem Prinzip „best of“. Ihnen liegt also im Grunde ein Best-of der Personalvertretungsgesetze der Bundesländer vor mit einigen spezifischen Ideen, die wir zusätzlich eingebracht haben.

Bei Durchsicht des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes ist mir eines besonders aufgefallen, was ich in dieser krassen Form in anderen Gesetzen nicht gesehen habe: Und zwar wird in einem Absatz 1 ein Recht gewährt, das in Absatz 2 gleich wieder eingeschränkt wird. Dieses Prinzip durchzieht das gesamte Gesetz wie ein roter Faden. Das geht schon bei der Zahl der Wahlberechtigten los. Da werden kurzzeitig Beschäftigte, nebenberuflich Tätige, sogar ganze Berufsgruppen ausgenommen. Ich verstehe z. B. nicht, warum eine Erzieherin in einem kirchlichen Kindergarten kein Mitbestimmungsrecht haben soll, während die Kollegin im städtischen Kindergarten das Recht der Mitbestimmung nach dem Personalvertretungsgesetz hat. Diese Ausnahmen gibt es auch für Polizeibeamte in der Ausbildung, für die Beschäftigten öffentlich-rechtlicher Versicherungsanstalten und Sparkassen. Massive Einschränkungen

gibt es im Bereich der Hochschulen und Schulen; es gibt z. B. Einschränkungen bei Schulen für Hörbehinderte usw. usf. Das durchzieht das gesamte Gesetz. In unserem Gesetzentwurf haben wir diese Einschränkungen an allen diesen Stellen gestrichen.

Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf die Arbeitsbedingungen der Personalräte verbessern. Deswegen sehen wir bessere Regelungen mit Blick auf Freistellungen vor sowie die Möglichkeit, Gutachten einzuholen. Wir haben auch die Mitbestimmungsrechte ausgeweitet und z. B. Wirtschaftsausschüsse nach dem Vorbild des Betriebsverfassungsgesetzes eingeführt.

Eine der wichtigsten Änderungen ist, die kuriose Regelung über die Benehmensherstellung aufzuheben. Es gibt bestimmte Tatbestände im Sinne des Personalvertretungsgesetzes, bei denen es eine echte Mitbestimmung gibt, bei denen die Personalräte immerhin die Möglichkeit haben, die Einigungsstelle anzurufen und so Druck zu erzeugen. In anderen Fällen gibt es nur die abgeschwächte Form der sogenannten Benehmensherstellung. Aufgrund welcher Kriterien die Personalräte mal die starke und mal die schwache Rechtsstellung haben, ist überhaupt nicht ersichtlich. Wir haben deshalb auch an dieser Stelle einmal in die Personalvertretungsgesetze anderer Bundesländer geschaut. Im Personalvertretungsgesetz von Bremen z. B. gibt es diese Regelung über die Benehmensherstellung überhaupt nicht. Da gibt es entweder richtige Mitbestimmung oder gar keine, und das ist auch konsequent.

Ganz wichtig sind für uns - ich denke, da sollte man auch einmal in das Personalvertretungsgesetz von Bremen schauen - die Rechte der Jugendvertretung. Die Rechte der Jugendvertretungen sind im bestehenden Personalvertretungsgesetz völlig unterbelichtet. In Bremen gibt es immerhin die Regelung, dass die Jugendvertretungen bei einer Entlassung von Jugendlichen oder Auszubildenden angehört werden müssen. Außerdem gibt es eine Regelung über die Anwesenheit bei Prüfungen. Das sind immerhin Rechte, aufgrund derer es sich für einen Jugendlichen dann auch wirklich lohnt, sich für eine Jugendvertretung aufstellen und wählen zu lassen.

Ich will in der kurzen Redezeit jetzt nicht alle Änderungen vorstellen, die wir vorgeschlagen haben - es sind ja ziemlich viele -, sondern nur noch einen Punkt ansprechen.

In § 81 Abs. 1 des bestehenden Gesetzes ist geregelt, dass die oberste Landesbehörde mit den Gewerkschaften Vereinbarungen treffen kann. In § 81 Abs. 2 wird davon wieder eine Ausnahme gemacht: Wenn diese Vereinbarungen nicht zustande kommen, trifft die oberste Dienstbehörde die entsprechende Regelung. - Was ist das denn für ein Gesetz? - Im ersten Absatz heißt es, man will partnerschaftlich eine Regelung herbeiführen, und im zweiten Absatz wird dann festgelegt: Aber wenn ihr es nicht so macht, wie wir wollen, dann können wir das selbstständig regeln. - So etwas ist völlig undemokratisch. Das hat mit Mitbestimmung überhaupt nichts zu tun. Eine solche Regelung muss deshalb gestrichen werden. Gewerkschaften brauchen auch Durchsetzungsmacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur dann können sie auch wirklich Mitbestimmung erreichen. Das gilt genauso für die Betriebsräte und Personalräte. Das ist uns ein Anliegen, und dafür setzen wir uns ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Einbringung des Entschließungsantrages der SPD hat nun der Kollege Will das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der öffentliche Dienst braucht ein zeitgemäßes, ja ein zukunftsfähiges niedersächsisches Personalvertretungsrecht. Die beiden letzten Legislaturperioden waren durch Verschlechterungen der Bedingungen gekennzeichnet. Das neue Gesetz muss den unterschiedlichen und vor allen Dingen neuen Herausforderungen des öffentlichen Dienstes gerecht werden und personalvertretungsrechtliche Antworten auf politische, soziale, organisatorische und technische Veränderungen im öffentlichen Dienst geben.

Das gilt gleichermaßen für den Bereich der allgemeinen Verwaltung des Landes und der Kommunen in Niedersachsen wie für den Bereich von Polizei, Schulen und Hochschulen. Angesichts der Vielzahl von Umstrukturierungen und Privatisierungen muss man feststellen, dass es im Personalvertretungsgesetz an effektivem Schutz inzwischen an vielen Stellen fehlt.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Umstrukturierungen, Privatisierungen oder Verlagerungen von Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes an privatwirtschaftliche Unternehmen lösen Probleme für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aus, die der Gestaltung durch die Personalvertretung inzwischen entzogen sind. Immer mehr Lücken tun sich auf, die mitbestimmungsfrei geworden sind. Das betrifft vor allem Gemeinschafts- und Mischbetriebe des öffentlichen Dienstes und private Unternehmen sowie die Frage des Übergangs bzw. des Restmandats z. B. bei organisatorischen Veränderungen.

Meine Damen und Herren, Verwaltungsmodernisierung macht es notwendig, eine prozessbegleitende Mitbestimmung der Personalräte und eine verstärkte Einbeziehung der Beschäftigten auf Augenhöhe einzuführen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Personalvertretungsgesetz soll den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Auftrag der Dienststellen und der Mitbestimmung der Personalvertretungen zukünftig wieder gewährleisten. Dabei geht es einerseits um den berechtigten Wunsch einer zeitgemäßen Beteiligung der Personalvertretungen. Andererseits geht es aber auch um die Verantwortung, die die Behördenleitung für eine effektive Erledigung öffentlicher Aufgaben hat.

Gute Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen erreicht man durch gute Arbeit. Gute Arbeit erreicht man durch gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch die zeitgemäße Mitbestimmung der Beschäftigten durch ihre Vertretungen in den Dienststellen. Und das nennen wir Teilhabe.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Demokratie kostet Geld, und Mitbestimmung kostet Geld. Aber beides sind unverzichtbare Kernelemente unserer Gesellschaft, die nicht wegzudenken sind. Es ist rentierlich investiertes Geld in den Betriebsfrieden und die Motivation der Beschäftigten innerhalb der Dienststellen.

Es kostet auch Zeit; denn Mitbestimmung ist immer ein Prozess. Aber dieser Prozess soll zukünftig gemeinsame Entscheidungen weiter verbessern und die Dienstleistungen für den Bürger optimieren.

Natürlich verhindert die Mitbestimmung nicht die notwendigen Entscheidungen, aber beteiligt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer qualitativ am

Entscheidungsfindungsprozess. Darauf legen wir besonders Wert. Sie unterläuft nicht die Entscheidungsbefugnisse und Grundsätze von Räten und Kreistagen in Niedersachsen.

Die SPD-Landtagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die Mitbestimmungsrechte der Personalräte, die Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, die Stärkung der Personalvertretungen in den Dienststellen und auch die Stärkung der Jugendvertretungen in einem neuen Personalvertretungsgesetz geregelt werden. Wir wollen, dass es den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Auftrag der Dienststellen und der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichert. Wir möchten, dass die Personalräte in den Dienststellen vor Ort deutlich verbesserte Rahmenbedingungen für ihre Mitwirkung bekommen. Wir erwarten von einem neuen Personalvertretungsgesetz auch die Möglichkeit, Prozesse in den Dienststellen anzustoßen und sich initiativ für die Interessen der Beschäftigten zu betätigen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, unsere Überzeugung ist: Personal ist keine Kostenstelle mit zwei Ohren, und Personalräte sind keine Bremser, sondern kreative Mitgestalter in unseren Behörden.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in unserem Entschließungsantrag zunächst die wesentlichen Eckpunkte benannt, die in ein neues Personalvertretungsgesetz aufgenommen werden sollen. Wir wollen eine neue Qualität der Zusammenarbeit. Diese neue Qualität der Zusammenarbeit haben die vielen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die den Gemeinwohlauftrag mit Leben und Kompetenz füllen, verdient. Dabei bedarf es auch der von der Linken angestoßenen umfassenden Diskussion des Gesetzentwurfes und einer sorgfältigen Prüfung.

Eine sachgemäße und ohne Zeitdruck stattfindende Beratung darüber wird allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode abschließend möglich sein. Dazu wird es sinnvoll sein, betroffene Personalräte, die kommunalen Spitzenverbände sowie Gewerkschaften zu beteiligen und intensiv zu hören.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung von Hans-Henning Adler [LINKE])

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Frau Janssen-Kucz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schauen wir uns einmal den Gesetzentwurf der Linken zur Stärkung der Mitbestimmung der niedersächsischen Personalvertretung an!

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Darum bitten wir!)

Ein Großteil des Gesetzentwurfs wurde von der rot-grünen Landesregierung in NRW übernommen. Das dortige rot-grüne Personalvertretungsgesetz trat am 16. Juli 2011 in Kraft. Aber das Personalvertretungsgesetz in NRW sowie das entsprechende Gesetz in Niedersachsen haben eigentlich eine traurige schwarz-gelbe Geschichte. Auf Initiative der damaligen - und hier hoffentlich nur noch für vier Monate regierenden - schwarz-gelben Landesregierung wurden die Landesgesetze im negativen Sinne geändert.

Vor allem die Änderungswünsche der FDP gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spielten dabei eine entscheidende Rolle. Die FDP wollte weniger Mitbestimmung und mehr Freiheit für die Arbeitgeber. Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit in NRW genauso wie hier in Niedersachsen sehr konsequent zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgesetzt. Ich glaube, der Kollege Adler hat sehr deutlich gemacht, welche - - -

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Wir re- den doch über den öffentlichen Dienst!)

- Wir reden über den öffentlichen Dienst, genau. Da ist man auch Arbeitgeber, lieber Kollege Oetjen.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Jetzt komme ich noch einmal auf Ihre Wortwahl zurück. Wie ich in der HAZ gelesen habe, sehen Sie „Verbesserungsbedarf“ im Personalrecht. Da frage ich Sie doch: Was haben Sie vor? Wollen Sie das Ganze noch weiter aushöhlen? Wollen Sie Ihre notorische Mitbestimmungsfeindlichkeit noch weiter vorantreiben? - Ich bin gespannt, in welche Richtung Ihre Änderungen gehen; denn ich habe Ihre Äußerungen zur Mitbestimmung sonst immer nur im negativen Sinne wahrgenommen.

(Björn Försterling [FDP]: Das ist doch nur eine Behauptung von Ihnen!)

Meine Damen und Herren, wir Grüne wollen das Personalvertretungsgesetz ändern und modernisieren. Wir wollen die Grundlagen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und Verwaltungen wiederherstellen.

Schwarz-Gelb hat ein Klima des Gegeneinanders geschaffen. So werden Verwaltungsabläufe blockiert. So werden Mitarbeiter demotiviert.

Die öffentlichen Verwaltungen in Niedersachsen stehen in den kommenden Jahren vor weiteren Veränderungen und Belastungen. Doch das kann man nicht im Gegeneinander, sondern nur im Miteinander bewältigen. Das müssen Sie vielleicht einmal lernen.