Protocol of the Session on November 7, 2012

Login to download PDF

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass wir damit am Ende der Besprechung angelangt sind. Damit haben wir den Punkt c der Aktuellen Stunde erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 d auf:

Die Isolation Niedersachsen beenden - Studiengebühren abschaffen, und zwar sofort - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/5361

Dazu hat Frau Flauger für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer an der Universität Hannover studieren will, muss dafür 822 Euro Eintritt zahlen. An keiner anderen öffentlichen Hochschule in der Republik sind die Semesterbeiträge so hoch wie in der Landeshauptstadt Niedersachsens.

Der Grund für diesen hohen Eintritt liegt auf der Hand: es sind die Studiengebühren. 500 Euro Extraeintritt verlangt derzeit außer Niedersachsen nur noch Bayern. Aber was passiert gerade in Bayern? - Diejenigen, die die Studiengebühren zum Sommersemester 2007 eingeführt haben, schaffen sie nun auch wieder ab. Thomas Goppel, ehemaliger Wissenschaftsminister Bayerns und einst oberster Gebührenverfechter, hat gegenüber dem Münchener Merkur gesagt: „Die werden fallen.“ - Und das werden sie auch, meine Damen und Herren. Aktuell ist ja zu lesen, dass Bayern am Wochenende darüber entscheiden wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dann, meine Damen und Herren, sind die Studiengebühren eine reine NiedersachsenSteuer, dann gibt es diese Campusmaut nur noch hier.

Alle anderen Landesregierungen haben es begriffen, und die, die es nicht begriffen haben - wie in NRW, Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg oder im Saarland -, wurden abgewählt.

(Björn Thümler [CDU]: In Hessen ab- gewählt?)

Studiengebühren sind ein Auslaufmodell. Sie sind ungerecht, sie sind diskriminierend, sie sind bildungsfeindlich, sie gehören endgelagert.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Sie müssen Ihr Manuskript einmal überarbeiten!)

Denn eines ist klar: Studiengebühren machen Bildung zur Ware. Sie muss gekauft werden wie ein Päckchen Butter im Supermarkt, und wer sich die Bildung nicht leisten kann, der hat dann eben Pech gehabt.

Aber Bildung ist kein Päckchen Butter, meine Damen und Herren. Der Zugang zur Bildung muss unabhängig vom Geldbeutel möglich sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Als es in Nordrhein-Westfalen noch Studiengebühren gab, wurde ihre Abschreckungswirkung wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis war so fatal, dass Bundesforschungsministerin Annette Schavan die Resultate unter Verschluss halten wollte. Fast 20 000 Schulabgänger haben sich allein wegen der Studiengebühren gegen ein Studium entschieden.

Meine Damen und Herren, es kann ja sein, dass für den einen oder anderen CDU- oder FDPHaushalt 822 Euro pro Semester nicht viel Geld sind. Aber in vielen Familien sieht das ganz anders aus, und da helfen dann auch keine Studienkredite oder vage Stipendienprogramme. Es bleibt dabei: Jedes Semester mit Studiengebühren ist ein Semester des Bildungsausschlusses für junge Menschen. Deshalb gehören die Studiengebühren abgeschafft, und zwar sofort!

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem Wort „sofort“ bin ich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen. Einerseits sagen Sie: Ja, die Gebühren sind Unfug. - Andererseits sagen Sie aber: Eine komplette Stu

dierendengeneration soll sie noch zahlen. - Das passt doch nicht zusammen!

(Beifall bei der LINKEN)

Sie wollen die Studiengebühren erst zum Wintersemester 2014/2015 abschaffen - in zwei Jahren! Das ist für viele ein vollständiges Masterstudium.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wäre aber flott!)

Nein, liebe SPD, liebe Grüne, tun Sie Butter bei die Fische! Machen wir es wie in Hessen oder Nordrhein-Westfalen: Lassen Sie uns die Gebühren so schnell wie möglich abschaffen!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, in beiden Ländern war es der Druck von links und der Fraktion der Linken, der dafür gesorgt hat, dass dort nicht noch eine ganze Studierendengeneration abgewartet wurde. So werden wir es auch hier halten. Wenn wir es aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse mit diesem Landtag nicht mehr schaffen, so müssen wir es gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode machen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Vielleicht kommen Sie gar nicht rein!)

Wir müssen aber nicht nur die allgemeinen Studiengebühren in Höhe von 500 Euro, sondern auch die sogenannten Langzeitstudiengebühren von bis zu 800 Euro abschaffen, die vor allem diejenigen zusätzlich bestrafen, die neben ihrem Studium noch arbeiten müssen, um Studium und Gebühren zu finanzieren.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Oder die vie- le Dinge einheimsen, die ihnen gar nicht mehr zustehen!)

Dazu, liebe Kollegin Andretta, würde ich mir von Ihnen gleich mal ein paar Worte wünschen.

Last, but not least, würde ich mir auch mal ein paar Sätze von der Landesregierung dazu wünschen. Außer dröhnendem Schweigen haben wir bislang weder von Ihnen, Frau Wanka, noch von Ihnen, Herr McAllister, irgendetwas zu diesem Thema gehört.

(Editha Lorberg [CDU]: Das stimmt ja gar nicht! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie müssen mal lesen!)

Hier können Sie nicht Pressesprecher oder Staatssekretäre vorschicken, hier müssen Sie selbst Rede und Antwort stehen. Und die Botschaft muss

lauten: Lassen Sie uns konsequent sein! Beenden wir die Isolation Niedersachsens! Schaffen wir sämtliche Studiengebühren ab - sofort!

(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ein bisschen differenzier- ter wäre schön gewesen! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich feststellen, dass es hier zu laut ist. Gerade kamen zwar nicht so viele Zwischenrufe, aber dafür gab es umso mehr Gespräche. Beides ist der Debatte nicht unbedingt zuträglich; denn die Redner wollen Ihnen hier ja etwas sagen. Können wir uns darauf einigen, jetzt Frau Heinen-Kljajić zuzuhören? - Danke schön.

Frau Heinen-Kljajić, Sie haben jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Traum schwarz-gelber Landesregierungen, Kürzungsrunden an den Hochschulen mit Studiengebühren zu kompensieren, ist geplatzt. Sogar die CSU in Bayern ist inzwischen klüger geworden. Aber selbst das Ausscheren des letzten Verbündeten scheint CDU und FDP in Hannover nicht aus dem hochschulpolitischen Tiefschlaf wecken zu können. So geistert Ministerin Wanka inzwischen als solitäres Gebührenfossil durch die Medienlandschaft

(Heiterkeit und Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

und verfestigt Niedersachsens Ruf als ewigem bildungspolitischem Nachzügler.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Studiengebühren sind nicht gescheitert, weil sie im deutschen Bildungsföderalismus dank starker politischer Polarisierung zwangsläufig nicht lange überleben konnten.

Studiengebühren sind gescheitert, weil sie als Zugangshürde zum Studium nach dem Motto „Nur wer zahlt, kommt hier rein“ genau das Gegenteil von dem erreichen, was wir brauchen: Sie schrecken junge Menschen vom Studium ab. Alle Umfragen zeigen das.

Bei der Entscheidung für oder gegen das Studium ist die Finanzierungsfrage von zentraler Bedeutung. Darauf mit der Wiedereinführung von Stu

diengebühren zu reagieren, war und bleibt bildungspolitisches Harakiri.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD sowie bei der LINKEN)

Der rasante Anstieg der Studierendenzahlen in den 1970er- und 1980er-Jahren konnte nur deshalb gelingen, weil der Staat erkannte, dass die sogenannten Bildungsreserven in den bildungsfernen und einkommensschwachen Familien zu finden sind, und weil er erkannte, dass die Kosten eines Studiums das Zugangshindernis sind. Deshalb wurde seinerzeit das erfolgreiche BAföG auf den Weg gebracht.

Heute haben wir exakt die gleiche Ausgangssituation: Wir brauchen mehr Akademiker; und wenn 77 % aller Akademikerkinder ohnehin studieren, sind es wieder die Bildungsfernen und die eher Einkommensschwachen, die wir erreichen müssen. Aber statt aus der Erfolgsgeschichte des BAföG zu lernen und finanzielle Hürden weiter abzubauen, haben Sie eine neue Hürde eingezogen.

(Lutz Stratmann [CDU]: Das hat doch die Mobilität gar nicht verbessert!)

Was für ein Irrsinn:

(Zustimmung bei der LINKEN)