Protocol of the Session on January 20, 2010

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Mitteilungen des Präsidenten

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 10 - Aktuelle Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort mit Ausnahme des Tagesordnungspunktes 16, dessen Behandlung entfällt, nachdem die antragstellenden Fraktionen den Antrag auf Durchführung einer ersten Beratung im Plenum zurückgezogen haben.

Die heutige Sitzung soll gegen 17.25 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Frau Bertholdes-Sandrock von 10.45 Uhr bis zur Mittagspause und Herr Thümler, von der Fraktion der SPD Frau Somfleth und Herr Schminke und von der Fraktion DIE LINKE Frau Flauger.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 10 auf:

Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können. Nach der Änderung unserer Geschäftsordnung im vergangenen Tagungsabschnitt weise ich besonders darauf hin, dass wir die Anträge heute erstmals in der Reihenfolge der Fraktionsstärken behandeln, wobei, wie Sie wissen, der Anspruch, den ersten Antrag stellen zu dürfen, zwischen den

Fraktionen von Tagungsabschnitt zu Tagungsabschnitt wechselt. Nach wie vor gilt, dass die einzelnen Redebeiträge nicht länger als fünf Minuten sein dürfen. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die Regelungen allen Beteiligten und damit auch der Landesregierung bekannt sind.

Ich halte das Haus damit einverstanden, dass wir die Anträge unter den Buchstaben a und d des Nachtrags zur Tagesordnung zusammen behandeln. Das ist so zwischen den Fraktionen besprochen. Wie Sie wissen, ändert dies aber nichts an der soeben erwähnten Einzelredezeit. Sie bleibt bei fünf Minuten. - Ich stelle dazu das Einverständnis des Hauses fest.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu den Tagesordnungspunkten a und d

Richtungsweisende Entscheidung für die Asse - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/2093

Wer A sagt und Atommüll produziert, muss auch B sagen und bezahlen - Atomindustrie muss Asse-Sanierung finanzieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2094

Zu Punkt 1 a erteile ich dem Kollegen Oesterhelweg von der CDU-Fraktion das Wort.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Ruhig und gelassen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Wird jetzt alles gut?“ fragt Stefan Dietrich in der FAZ vom 19. Januar zu Asse II, diesem Schacht, den er als den größten Umweltskandal der Republik bezeichnet.

Meine Damen und Herren, BfS und BMU haben Wort gehalten. Der Optionenvergleich ist durchgeführt worden. Ich bin froh darüber, dass es jetzt zu einer Entscheidung gekommen ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Rahmen des Optionenvergleichs standen zur Auswahl: Umlagerung, sogenannte Flutung und Rückholung.

Meine Damen und Herren, Rückholung wird empfohlen. Die Rückholung ist der teuerste und schwierigste Weg. Darüber sind wir uns sicherlich

alle einig. Aber nur hierdurch kann man zumindest im Ansatz Langzeitsicherheit gewährleisten. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern es geht jetzt um das Wie. Es geht um die Rückholung. Das war und ist der Wunsch vieler Menschen in der Region.

Aber man sollte auch darauf hinweisen, dass es ganz so einfach nun doch nicht ist. Herr König, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, sagt selbst: Keine der drei Varianten ist optimal, alle bergen Unsicherheiten. - Das ist so. Auch Herr König hält sich hier natürlich ein Hintertürchen offen.

Meine Damen und Herren, Asse II: Die Entscheidung für die Rückholung ist der einzig sichere Weg, schreibt die Braunschweiger Zeitung in Wolfenbüttel. Es gibt aber zu Recht Bedenken, was die Frage der Sicherheit angeht. Ich halte es für richtig, dass wir weiter prüfen und weiter kritische Fragen stellen. Ich denke, da liegt Bundesminister Röttgen genau auf unserer Linie und auf der Linie der Menschen im Landkreis Wolfenbüttel und darüber hinaus. Es ist richtig, einige Kammern zu öffnen. Es ist richtig zu prüfen, ob und in welcher Größenordnung Fässer beschädigt sind; denn die Frage, ob Fässer defekt sind, und die Frage nach dem Inhalt der Fässer sind entscheidend, um festzustellen, in welcher Größenordnung Material zurückgeholt werden muss. Sind es 50 000 m3, oder sind es 100 000 m3, über die wir hier reden, möglicherweise zuzüglich Verpackung? Die Fragen, ob der Zeitfaktor realistisch beurteilt ist und ob es realistisch ist, dass man 4,8 Minuten für ein Fass ansetzt, sind berechtigt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Andere Gutachter, beispielsweise Fichtner schon vor einigen Jahren, haben davon gesprochen, dass die Rückholung 25 Jahre dauern würde. Heute sprechen wir über zehn Jahre. Es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn es in zehn Jahren gelänge, aber es ist nicht sicher. Vor dem Hintergrund der Standsicherheit, die bis 2020 prognostiziert wird, müssen wir schon genau hingucken.

Ich sage ebenfalls sehr deutlich: Wir müssen mit der Stabilisierung dieses Bergwerkes fortfahren. Ich denke, da sollte man auch einmal auf die Mitarbeiter hören, die vor Ort seit Jahrzehnten arbeiten und praktische Erfahrung haben. Die sagen uns ganz klar, es ist eigentlich schon viel wichtige und notwendige Zeit verstrichen. Wir müssen da weitermachen.

Meine Damen und Herren, ich finde es richtig, dass der Bundesminister sagt: Wir müssen schauen, wie es mit dem Mitarbeiterschutz in der Asse II aussieht. - Das ist eine ganz wichtige Frage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es notwendig sein wird, den Technikeinsatz zu maximieren, um diesen Mitarbeiterschutz zu gewährleisten. Das muss man mit den Mitarbeitern zusammen machen und nicht, wie in der letzten Zeit öffentlich berichtet wurde, über die Köpfe der Mitarbeiter hinweg.

Meine Damen und Herren, genauso wichtig ist es, über die öffentliche Sicherheit, die Sicherheit von Mensch und Umwelt, nachzudenken. 100 000 m³

werden zurückgeholt. Sie werden verpackt und durch den Landkreis Wolfenbüttel transportiert. Aber wohin sie transportiert werden, wissen wir noch nicht genau. All das ist zu beachten. Wir haben es mit Strahlenbelastungen zu tun, aber auch mit Gefährdungen durch die toxische Belastung des Materials. Entsprechende Warnhinweise aus Salzgitter und Wolfenbüttel gibt es bereits.

Mir bereitet die Tatsache Sorgen - ich denke, dabei sollten wir uns auf den sicheren Weg begeben, und das BfS sollte das auch tun -, dass es keine konkrete Notfallplanung gibt.

Meine Damen und Herren, was passiert eigentlich, wenn Asse II während der Rückholung zusammenbricht, teilweise zusammenbricht oder, wie man so schön sagt, absäuft? Damit müssen wir rechnen. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Auch noch nicht beantwortet sind die Fragen, was genau mit dem Material passiert und wohin dieses Material verbracht wird, wenn es neu konditioniert ist. Auch darum geht es.

Zehn Jahre Rückholung heißt noch nicht, dass das Thema in zehn Jahren erledigt ist. Die Bürgerinitiativen sprechen davon, dass wir erst in 20 Jahren mit diesem Verfahren am Ende sind. Es könnte aber noch länger dauern. Auch danach wird es wegen Restkontaminationen interessant sein, den Schacht Asse II richtig zu schließen.

Meine Damen und Herren, über die Finanzierung und die Maßnahmen in diesem Zusammenhang sprechen wir nachher. Ich sage nur eines: Wir sind noch lange nicht am Ende der Diskussion über die Rückholung. Wir sind noch lange nicht am Ende, was die sichere Schließung von Asse II angeht, sondern wir sind erst am Anfang.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich erteile der antragstellenden Fraktion zu Punkt 10 d und damit dem Kollegen Wenzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entscheidung zur Rückholung des Atommülls aus der Asse ist ein Fanal. Sie ist ohne Alternative, Herr Oesterhelweg. Deswegen würde ich mir auch nicht zu viele Hintertürchen öffnen, weil niemand die Langzeitsicherheit des Flutungs- und Verfüllungskonzepts garantieren kann und schon kurzfristig eine Trinkwasserbelastung erwartet werden muss.

Wir können andererseits innerhalb von vier bis fünf Jahren 70 % des Mülls, des radioaktiven Inventars herausholen und damit das Gefährdungspotenzial auch innerhalb einer relativ kurzen Frist erheblich mindern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Am 20. Mai 1969 schrieb die Hannoversche Allgemeine Zeitung, dass die Schachtanlage Asse für die nächsten 100 Jahre den radioaktiven Müll aus Kernreaktoren, Forschungslabors und Krankenhäusern gefahrlos für alle Zeiten aufnehmen sollte. Heute wissen wir, dass 90 % des Inventars aus abgebrannten Brennelementen von Leistungsreaktoren der Industrie stammen, die über die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe hier angeliefert worden sind.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Unglaublich!)

Mit dem Beschluss zur Rückholung des Atommülls aus der Asse gerät die gesamte Atommüllentsorgung in Deutschland ins Wanken, meine Damen und Herren. Die Endlagerung von mittel- und schwach radioaktivem Müll ist auf ganzer Linie gescheitert. Auch für hoch radioaktiven Müll gibt es bislang keine Lösung. Seit 50 Jahren produziert Deutschland Atommüll. Nach 41 Jahren endete die versprochene Ewigkeit.

Herr Wulff, Sie haben aus der Asse offenbar nichts gelernt. Sie wollen in Gorleben weitermachen, obwohl die Asse das Versuchsendlager für Gorleben war und obwohl es in Gorleben um Müll geht, der vieltausendfach stärker strahlt als der Müll in der Asse. Sie fordern eine offensivere Gangart bei

den Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke und würden damit noch mehr Müll produzieren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Unver- antwortlich!)

Die CDU und die FDP machen Niedersachsen zum Weltatomerbe. Meine Damen und Herren, das wollen wir aber nicht.