Vielen Dank, Frau Kollegin Gottschlich. – Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Ellerbrock das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man muss bei diesem Antrag der Grünen eines sagen: Die haben gelernt. Normalerweise ist das doch eine staatstragende Partei. Ich dachte, die wollen eine neue Behörde aufbauen. Nein, sie haben das Staatsversagen im Rahmen der Finanzkrise erkannt und sagen: Das soll jemand anders als Dienstleister machen, nämlich die Verbraucherzentrale. – In der Hinsicht fand ich den Antrag der Grünen ausgesprochen interessant. Nur, Kollege Remmel, wir entlassen die Banken und Sparkassen im Gegensatz zu Ihnen nicht aus der Verantwortung.
Es ist sicherlich richtig, dass es bedingt durch die Finanzkrise bei den Verbrauchern eine Menge Unsicherheiten gibt. Deshalb sind aber Augenmaß statt Apokalypse und ein kühler Kopf statt operativer Hektik gefordert. Wir dürfen die Finanzkrise nicht zu einer Beratungskrise hochstilisieren.
Welche Situation haben wir? Es ist durch ein europäisches Gesetz auf 44 Seiten gesetzlich geregelt: MiFiD-Richtlinie – Markets in Financial Instruments Directive, Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. Das ist auf Deutsch in einen griffigen Titel umgesetzt worden: Finanzmarktrichtlinieumsetzungsgesetz – 14 Artikel, 9 Seiten – innerhalb des Wertpapierhandelsgesetzes. Darin ist festgelegt, die Banken haben eine Beratungspflicht, die auch in den meisten Fällen – davon bin ich fest überzeugt – verantwortungsbewusst wahrgenommen wird. Sonst hätten wir viel mehr Beanstandungen und Kontenwechsel. Das ist nicht der Fall.
Aber man muss auch jedem Bürger sagen – das ist offensichtlich –: Mit zunehmender Rendite steigt das Risiko. Die Banken tun einiges. Inwieweit das genug ist, darüber müssen wir nachdenken; da bin ich bei Ihnen. Eine differenzierte Betrachtung tut not.
Heute gibt es bei der Finanzberatung zuerst einen Finanzcheck von ungefähr vier Seiten. Ich weiß nicht, wie viele Fragen da gestellt werden.
Außerdem gibt es die Basisinformation für Banken. Das sind rund 30 Seiten, ausführlich, klein gedruckt, die der Bankkunde mit seinem Berater durchgehen muss. In dem Zusammenhang wird auch individuell festgelegt, welche Vorstellungen der einzelne Kunde hat und welches Risiko er zu tragen bereit ist. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen. Als ich einmal ein paar Papiere kaufen wollte, die eine höhere Risikoklasse hatten, rief die Bankberaterin an und sagte: Herr Ellerbrock, das geht nicht, das ist
eine andere Risikoklasse; das können wir nicht so machen. Geben Sie mir bitte per Fax Bescheid, dass Sie für den Fall eine andere Risikoklasse wählen!
Ich gehe davon aus, dass der allergrößte Teil der Banken und Bankberater und -beraterinnen, der Sparkassenwirte und -wirtinnen ordnungsgemäß beraten. Es gilt, die schwarzen Schafe herauszufiltern. Daran müssen wir arbeiten.
Der Bedarf an unabhängiger Beratung – das sehe ich genauso wie Sie – ist unstrittig. Aber wir reden doch auch im Bereich der Qualitätssicherung immer von der Eigenverantwortung der Betriebe. Natürlich sind die Banken selbst an erster Stelle verantwortlich für ihr Produkt, und sie müssen eine sinnvolle Produkt- und Qualitätssicherung aufbauen. Sie müssen eine Qualitätssicherung im Sinne des Kunden über eine Beratung aufbauen, die natürlich anbieterunabhängig ist – selbstverständlich. Wenn die Banken nicht fähig sind, dieses aufzubauen, und sich eines Dienstleisters bedienen, wie zum Beispiel der Verbraucherzentrale – Frau Gottschlich, ich gebe Ihnen völlig recht, die Verbraucherzentralen haben einen guten Ruf –, haben wir überhaupt nichts dagegen. Nur: Die Banken müssen es bezahlen. Wir sind doch nicht dafür da, die Banken aus ihrer Verpflichtung zu entlassen. Die Banken müssen die Qualitätssicherung durchführen, nicht wir mit öffentlichen Mitteln.
Frau Kollegin Fasse hat schon darauf hingewiesen, wir haben es zum Glück geschafft, den Verbraucherzentralen erstmalig eine langfristig gesicherte Kalkulationsbasis im Finanziellen zu bieten. Dazu stehen wir auch. Aus diesen bisherigen Mitteln können und sollen diese Finanzdienstleistungsberatungen nicht bezahlt werden. Das ist Aufgabe der Banken. Dafür machen wir uns stark.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Es kommt darauf an, deutlich zu machen, dass heute schon umfangreiche verbindliche Regelungen bestehen und die allermeisten Bankberaterinnen und -berater vernünftig arbeiten. Es gibt gesetzliche Regelungen, die es abzuarbeiten gilt. Wir müssen die schwarzen Schafe herausfiltern. Wir dürfen die Banken nicht aus ihrer Produktverantwortung entlassen. Die Banken müssen eine angebotsorientierte und anbieterunabhängige Beratung sicherstellen. Wie sie das machen, ist zuerst ihre Aufgabe. Dazu können sie sich auch gerne der Verbraucherzentrale bedienen. Die Leistungen müssen sie allerdings bezahlen.
Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Für die Landesregierung hat Minister Uhlenberg das Wort. Bitte.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Vertrauen ist der Anfang von allem“, so lautete die Werbung einer großen deutschen Bank vor vielen Jahren. Ohne Vertrauen funktioniert das Zusammenleben nicht. Das ist in einer modernen Volkswirtschaft nicht anders als in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Das Banken- und Finanzsystem steckt in einer schweren Krise. Die Folgen dieser Krise reichen weit über das Banken- und Finanzsystem hinaus.
Zwischen Rhein und Weser verzeichnen die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen einen starken Anstieg der Verbraucherfragen. Die Menschen sind zum Teil persönlich sehr betroffen von den Folgen zusammengebrochener Banken und Anlagemodelle.
Die Fragen an die Verbraucherberater sind grundsätzlicher und spezieller Natur. Wie sicher sind die Banken in Deutschland überhaupt noch? Da muss ich in aller Deutlichkeit sagen, das, was die große Koalition am letzten Wochenende mit Unterstützung der FDP im Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht hat, hat auch dazu beigetragen, dass wieder Vertrauen einkehrt und Politik in der Lage ist, schnell und umfassend zu handeln.
Aber es gibt natürlich weitere Fragen für die Menschen vor Ort. Welche Anlageprodukte werden von den Einlagensicherungen abgedeckt? Was ist mit den Wertpapierdepots? Was ist mit Geldanlagen bei ausländischen Banken? Muss ich um meine Lebens- und Privatrentenversicherung fürchten? Was ist mit meinem Bausparvertrag? Was kann ich tun, wenn ich mich falsch beraten fühle?
Meine Damen und Herren, es gibt viele Informationen, es gibt einen enormen Bedarf an Beratung und Begleitung. Die Verbraucherzentrale erfüllt in diesem Zusammenhang in diesen Wochen eine ganz entscheidende Aufgabe. Das unterstreicht in ihrem Jubiläumsjahr, wie wertvoll die Arbeit der Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen ist. Ich bin gerade in den letzten Tagen in einigen Geschäftsstellen der Verbraucherzentralen in NordrheinWestfalen gewesen – ob das Paderborn, Hagen oder Münster war – und habe mich über die Arbeit der Verbraucherzentralen vor Ort informiert.
Meine Damen und Herren, diese Arbeit ist deshalb so wichtig, damit sie jetzt geleistet werden kann. Um dem erhöhten Informations- und Beratungsbedarf nachzukommen, bietet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zum Thema Finanzkrise ihre Dienste im Internet an und gibt auf die am häufigsten gestellten Fragen Antworten in Papierform. Mit finanzieller Unterstützung des Bundesverbraucherschutzministeriums ist eine kostenlose TelefonHotline freigeschaltet worden.
Das können Sie jetzt zeigen. Sie können mit einem eigenen Beitrag für eine starke unabhängige Verbraucherberatung zusätzliches Vertrauenskapital schaffen.
Mit der aus Landesmitteln gegründeten Verbraucherschutzstiftung Nordrhein-Westfalen haben wir dafür gute Voraussetzungen vonseiten der Kreditwirtschaft in diese Verbraucherschutzstiftung geschaffen. Das wäre jetzt ein überzeugendes Signal an die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass es im weiteren Prozess der Krisenbewältigung auch zu einer Verbesserung des Verbraucherschutzes im Finanzsektor kommen wird. Auch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat einen umfassenden Forderungskatalog zum Verbraucherschutz auf Finanzmärkten vorgelegt, aus dem einzelne Punkte Beachtung und Prüfung verdienen. Ich halte es für nötig, die Instrumente der Finanzaufsicht zu verbessern. Als Verbraucherschutzminister geht es mir vor allem um die Frage, wie bei den Entscheidungen der Aufsichtsbehörden in Zukunft verstärkt Verbraucherinteressen Berücksichtigung finden.
Verehrte Kollegen und Kollegen, wir brauchen mehr ökonomisches Wissen und Bildung in Finanzfragen. Deswegen gehe ich in die Schulen hinein. Deswegen diskutiere ich mit den Lehrern. Deswegen ist im Verbraucherschutzland Nummer eins in Deutschland, dem Land Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel das Schulprogramm „Alles im Griff!“ auf den Weg gebracht worden. Daher leistet das Thema Finanzkompetenz in der Arbeit der Familienzentren einen wichtigen Beitrag. Mit unserem zusammen mit den Genossenschaftsbanken gestalteten Angebot an Unterrichtsmaterial zum Thema „Fit fürs Geld“ für Berufsschulen sind diese Dinge auf den Weg gebracht worden. Das schließt Fortbildungstage von 500 Lehrerinnen und Lehrern ein.
Meine Damen und Herren, Sie merken, was hier auf den Weg gebracht worden ist; ich kann das aus Zeitgründen jetzt nicht alles aufzählen. Wir stehen nicht bei Null. Wir haben ein umfassendes Beratungskonzept. Wir haben eine gut aufgestellte Verbraucherzentrale.
Wenn ich mir die drei Forderungen des Antrags der Grünen ansehe, dann möchte ich zu den drei Punkten Folgendes sagen:
Die erste Forderung ist, kurzfristig eine Einstellung neuer Beratungskräfte finanziell abzusichern. Sie sprechen von 20 neuen Beratungskräften, die mal eben aus dem Landeshaushalt zur Verfügung ge
stellt werden sollen. Herr Abgeordneter Remmel, der Antrag, den Sie gestellt haben, ist ein klassischer Oppositionsantrag. Gesetzt den Fall, dass es nur Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen geben würde, hätten Sie einen solchen Antrag überhaupt nicht gestellt. Es ist jenseits aller Realität, mal eben zu sagen, 20 zusätzliche Kräfte sollen zur Verfügung gestellt werden.
Zweitens steht hier: Der Landtag fordert daher von der Landesregierung, statt der weiteren Kürzung von Mitteln des Verbraucherschutzes im Haushalt 2009 eine deutliche Stärkung der unabhängigen Finanzberatung der Verbraucherzentrale NRW so vorzunehmen, dass über dieses Sonderprogramm in einer ersten Stufe landesweit 20 neue Stellen zur Beratung von Finanzdienstleistungen eingerichtet werden.
In keinem anderen Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland haben die Verbraucherzentralen auch in finanzieller Hinsicht eine solche Planungssicherheit, wie das in Nordrhein-Westfalen der Fall ist,
nämlich zunächst bis zum Jahre 2010. Aber der Ministerpräsident hat neulich verkündet – das ist für den Verbraucherschutzminister sehr wichtig –, dass auch nach dem Jahr 2010 diese Arbeit weiterhin auf den Weg gebracht werden soll und dieser Vertrag dann verlängert wird.
Im Rahmen der Bewältigung der Finanzkrise auf Bundesebene und gleichzeitig für eine umfassende Stärkung des Verbraucherschutzes auf den Finanzmärkten haben wir dieses geschlossene Konzept mit der Verbraucherzentrale NordrheinWestfalen und mit Unterstützung des Bundes auf den Weg gebracht, diese Hotline jetzt einzurichten.
Das ist eine angemessene Antwort in einer schwierigen Zeit. Weil ich jetzt leider keine Redezeit mehr habe, bin ich auch gern bereit, diese Themen im Ausschuss weiter zu vertiefen und zu verstärken.
Pech gehabt, Herr Kollege Remmel! Das hat nicht geklappt. – Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Debatte. Weitere Wortmeldungen gibt es nicht mehr.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7682 an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung wird in diesem Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Sind Sie damit einverstanden? – Ist jemand dagegen? – Das haben wir einstimmig so beschlossen.