Man kann aber sicherlich sagen, dass der Untergang des Abendlandes wahrlich nicht eingetreten ist. Wenn wir uns darauf einigen, dass wir uns das in Nordrhein-Westfalen noch ein bisschen anschauen, kann ich Ihnen zumindest die Zahlen für Nieder
sachsen nennen: Die hatten nach einem Hoch von 23.400 Klageeingängen 2005 mittlerweile eine Absenkung auf 14.200 trotz Abschaffung des Widerspruchsverfahrens.
Also, vielleicht sollten Sie an dieser Stelle ein bisschen abrüsten. Das hat am Ende mit Rechtschutz nichts zu tun. Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Praxis ein Beispiel nennen. Viele Bürger haben immer schon gesagt: Ich möchte lieber direkt klagen gehen, weil ich nämlich ahne, dass der Widerspruchsbescheid nicht anders als der Ausgangsbescheid aussieht.
Wenn Sie eine solche befriedende Wirkung nicht haben, und das ist ja empirisch festgestellt worden, dann kann man nur erwidern, dass es sinnvoll ist, ein solches Mittel abzuschaffen. Das ist Modernisierung und Entbürokratisierung. Keiner wird an dieser Stelle gehindert, sein Recht vor Gericht zu suchen. Recht sprechen tut am Ende das Gericht, Frau Düker. Alle vorherigen Verwaltungsinstanzen können zu einer Befriedung führen, haben aber in der Regel nicht zu einer Befriedung geführt. Deswegen ist es der richtige Weg. Wir werden uns dann in den nächsten Jahren auch anschauen, wie das mit den Klageeingangszahlen ist. Ich bin da ganz optimistisch.
Danke schön, Herr Präsident! Herr Minister, Ihr Ministerium hat bereits im Innenausschuss behauptet, dass das Bürokratieabbaugesetz II die Regelung enthalte, dass im Disziplinarverfahren das Widerspruchsverfahren entfällt. Ich habe Ihnen bereits im Innenausschuss nachgewiesen, dass Ihre Behauptung falsch ist. Ihre Behauptung wird nicht dadurch richtiger, dass Sie diese jetzt zum zweiten Mal hier falsch wiederholen.
Ich stelle noch einmal fest, dass das Bürokratieabbaugesetz II keine Regelung zum Abbau des Widerspruchsverfahrens im Disziplinarverfahren enthält.
Das will ich nun als Frage nehmen und sagen: Sie liegen zum zweiten Mal falsch. Wir können das gerne bilateral noch einmal austauschen. Es ist klargestellt und auch vom Gericht bereits so anerkannt worden. Ganz entscheidend ist aber, dass Sie sich in der Sache noch einmal gegen die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens gestellt haben. Deswegen glaube ich Ihnen eben sehr deutlich gemacht zu haben, dass das in weiten Bereichen ein Popanz ist.
Mir kommt es darauf an – das haben die Regierung und auch die sie tragenden Fraktionen aufgezeigt –, dass wir gute Ausgangsbescheide bekommen. Wenn im Rechtsgespräch in der ersten „Instanz“, in der Entscheidungsbehörde, der Sachbearbeiter mit dem Bürger zu weitgehend befriedigenden Ergebnissen kommt – Sie wissen doch, wie oft es nur an kleinen Zahlendrehern gelegen hat, dass irgendwelche Unschärfen im Bescheid waren, die dann zu weiteren Verfahren Anlass gegeben haben – und wir da eine Verbesserung erzielen können, dann wird sich am Ende bei den Klagezahlen auch etwas in positiver Hinsicht tun.
Ich sage Ihnen, das ist Erfahrung vor Ort. Je mehr man sich am Anfang um eine einvernehmliche Lösung bemüht, umso weniger Ärger gibt es am Ende und umso weniger Belastung haben wir für die Gerichte.
Herr Minister, Kollege Stüttgen hat in seinen Ausführungen vermeintliche Einschränkungen von Mitbestimmungsrechten beklagt und im Nachgang dazu darauf hingewiesen, dass das wohl im Zusammenhang mit der Entlassung eines leitenden Polizeimitarbeiters stehen könnte, der Hausaufgaben der SPD-Landtagsfraktion gemacht hat. Ist da irgendeine Beziehung zwischen diesem Gesetz, der Mitbestimmung und dieser Entlassung zu sehen?
Ich glaube, Kollege Orth hat das aus meiner Sicht schon zutreffend dargestellt. Wir haben an dieser Stelle Mitbestimmungsfragen auch nicht nur annäherungsweise berührt. Es ist eine technische Vorschrift, die wir
hier ändern, die sich mit Fragen beschäftigt, die schon längst geklärt sind. Genauso ist es in anderen Bundesländern seit längerer Zeit dazu gekommen, dass entsprechende Widerspruchsverfahren nicht mehr stattfinden und es de facto keinen Eingriff in den Rechtsschutz gibt.
Am Ende wird der Rechtsschutz – das hat der Kollege Orth auch noch einmal klargemacht – über die Gerichte sichergestellt. Das andere sind Verwaltungsvorfahren. Dafür gibt es keine Notwendigkeit. Ich verrate kein Geheimnis, dass ich mir wünschte, dass wir zur Ausschaltung überflüssiger Verfahren auch von der Bundesebene Rückenwind bei der Stärkung der Eingangsinstanz bekämen. Damit wären mehr Schutz für die Bürger, weniger hinterher notwendige Klagen und eine Entlastung der Justiz verbunden. Das ist das, was dahinter steht. Ich hoffe, dass das eine breite Wirkung findet – nicht nur in unserem Land, sondern letztendlich in der gesamten Bundesrepublik. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Innenminister. – Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Wir sind am Ende der Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/9808, den Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/9308 unverändert anzunehmen. Wer stimmt dem so zu? – CDU und FDP. Wer stimmt dagegen? – SPD und Grüne. Enthält sich jemand im Raum? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen in zweiter Lesung angenommen.
35 Jahre bundesdeutsche Einwanderungsdebatte haben gezeigt, dass Zuwanderungspolitik in Deutschland mehrheitlich, vor allen Dingen von den konservativen Kräften im Land, unter dem Aspekt Zuwanderungsbegrenzung diskutiert und umgesetzt wird. Der traurige Höhepunkt – wir erinnern uns – war 1999 die Debatte zum rot-grünen Staatsange
hörigkeitsgesetz, gegen das die CDU-geführten Länder – Herr Koch in Hessen hat sich da besonders hervorgetan – ausländerfeindliche Parolen nicht gescheut haben und sogar eine ausländerfeindliche Kampagne initiiert haben. Ein weiterer trauriger Höhepunkt war die unter Schwarz-Rot eingeführte Begrenzung des Ehegattennachzuges.
Die Botschaften, die von solchen Gesetzen, von solchen Kampagnen an die Migrantinnen ausgehen, ist: Das Boot ist voll, wir wollen euch hier nicht haben. Es wird Zugewanderten vermittelt, dass sie in Deutschland nicht willkommen sind.
Meine Damen und Herren, auch wenn es nicht unbedingt Ihre Aufmerksamkeit besonders fesselt – ich finde es schon sehr unruhig hier im Raum –: Ganz aktuell haben wir heute wahrnehmen müssen, dass die schwarz-gelbe Koalition im Bund in die Koalitionsvereinbarung hineinschreiben möchte, das Grundgesetz möge geändert werden mit dem Zusatz: Die Sprache in Deutschland ist Deutsch.
Meine Damen und Herren, man kann sich leicht vorstellen, welche Botschaften, vor allen Dingen welche ausgrenzenden Botschaften von einer solchen Formulierung im Grundgesetz wiederum an Migrantinnen und Migranten ausgehen. Ich glaube, das ist ein Rückfall in Zeiten, von denen man längst gehofft hatte, dass sie überwunden waren.
Fakt ist: Seit 2005 hat die Große Koalition in Berlin – im Übrigen mit Zustimmung der hiesigen Landesregierung im Bundesrat – die Hürden für die Einbürgerung ständig weiter erhöht. Mit der Überarbeitung des Zuwanderungsgesetzes und den Anwendungshinweisen zum Staatsangehörigkeitsrecht ist der Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse erheblich verschärft worden. Das bedeutet vor allen Dingen, dass ältere Migrantinnen und Migranten, die seit 40 Jahren hier in Deutschland leben, die aber letztlich nie die Möglichkeit und die Unterstützungen erhalten haben, durch Integrationskurse, durch angebotene und vor allen Dingen finanzierte Sprachkurse die deutsche Sprache zu lernen, nun besonders durch diese vorausgesetzte Sprachbeherrschung abgeschreckt sind.
Das heißt de facto, meine Damen und Herren, dass es besonders die erste Zuwandergeneration ist, die durch die damals fehlenden Integrationsangebote der deutschen Gastarbeiterpolitik bestraft werden.
Dazu kommen noch weitere Einbürgerungshürden. Ich kann Ihnen einmal einen Gastbeitrag aus der „Frankfurter Allgemeinen Sonntags-Zeitung“ vom 27. September dieses Jahres ans Herz legen. Es ist hanebüchen, was dort eine übrigens gebürtige Britin auf ihrer Odyssee zur Einbürgerung erlebt hat. Sie hat ungefähr anderthalb Jahre gebraucht, obwohl sie seit 35 Jahren in Deutschland lebt, obwohl sie perfekt Deutsch spricht, obwohl sie hier seit 35 Jahren arbeitet, bis ihr diese Einbürgerungsurkunde dann übergeben wurde.
Entschuldigung, Frau Kollegin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir klar, dass es Gesprächsbedarf gibt. Es ist hier aber permanent so unruhig, dass wir hier oben nicht in der Lage sind, der Rednerin zu folgen. Ich bitte darum, dass es ruhiger wird. Sie könnten sich leise unterhalten, aber die Frau Kollegin hat das Wort; Sie sollten ihr zuhören. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Anderthalb Jahre hat sie gebraucht, bis sie in einer sehr lapidaren Art und Weise ihre Unterschrift unter die Empfangsbestätigung der Einbürgerungsurkunde setzen konnte.
Wir stellen im Dialog mit Migrantinnen und Migranten auch immer wieder fest, dass die hohen Kosten dieses Einbürgerungsverfahrens ein Einbürgerungshinderungsgrund sind. Es ist auch leicht verständlich: Für Familien, die mehrere Kinder haben, summieren sich diese Kosten auch leicht auf über 1.000 €. Das ist für Familien mit einem kleineren Einkommen ein erheblich abschreckender Faktor.
Die Folge ist – das sehen wir alle, darauf regiert die Landesregierung in ihrer Weise –: In Deutschland findet Zuwanderung de facto nicht mehr statt. Auch die Zahl der Einbürgerungen ist in den letzten Jahren drastisch gesunken, sie lag im Jahr 2008 bei gerade 26.000.
Meine Damen und Herren, dieser Fakt ist angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Bedarfs an Fachkräften, den die Wirtschaft hat und auch sehr deutlich formuliert, eine fatale Situation für unser Land. Alle Länder, die mit uns im Wettbewerb um die Fachkräfte stehen, wie Kanada, die USA, aber auch andere europäische Länder, sind weitaus besser aufgestellt, was die Anzahl der Zuwanderung und der Einbürgerung angeht.
Wer immer sich im Dialog mit der Wirtschaft befindet, der bekommt das sehr deutlich gesagt. Ich hatte gerade vor ein paar Tagen Gelegenheit, mit der IHK Köln zu sprechen. Dabei wurde ich ein weiteres Mal auf dieses Problemfeld hingewiesen.
Meine Damen und Herren, insoweit ist es vollkommen richtig, wenn Herr Laschet als Integrationsminister eine Willkommenskultur in NRW einfordert. Jetzt lobe ich ihn einmal, und der Mann ist nicht da. Das ist ja geradezu