Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

Deshalb legen wir Ihnen heute unseren Antrag „Wohnen braucht Sicherheit“ zur direkten Abstimmung vor. Damit geben wir der Landesregierung und den Koalitionsfraktionen ein Beispiel für eine gute und soziale Wohnungspolitik in NordrheinWestfalen, eine Politik, die die Interessen der Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Renditeinteressen von Immobilienfonds, von Heuschrecken auf dem Wohnungsmarkt.

Die Landesregierung macht aber leider mit ihrer unverantwortlichen, mit ihrer unsozialen Wohnungspolitik weiter. Jetzt legt sie sogar die Axt an den gesamten sozialen Wohnungsmarkt. Denn mit der Vollintegration des Landeswohnungsbauvermögens in die NRW.BANK und mit der Aufhebung der Zweckbindung dieses Vermögens für den sozialen Wohnungsbau wird eine 50-jährige gute Tradition in Nordrhein-Westfalen zerstört.

(Beifall von der SPD)

Damit wird das Grundbedürfnis von Mieterinnen und Mietern auf gute und bezahlbare Wohnungen dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen. Das ist fatal; das weist in die falsche Richtung. Deshalb sollten Sie Ihre Politik ändern.

(Beifall von SPD und Horst Becker [GRÜNE])

Denn die Ergebnisse der falschen Wohnungspolitik dieser Landesregierung sind inzwischen eindeutig:

Erstens. Auf der Agenda des Ministerpräsidenten spielt der Schutz der kleinen Leute keine Rolle. Mieterrechte werden eingeschränkt. Mieterinnen und Mieter haben jetzt weniger Schutz als vorher.

Zweitens. Die Zeche zahlt die Allgemeinheit, weil Staatseigentum ohne soziale Bindung verscherbelt wird und die Gewinne privatisiert werden. Die von Ihnen viel gerühmte LEG-Sozialcharta schützt die Mieterinnen und Mieter nicht. Sie wissen das.

(Christof Rasche [FDP]: Sie haben keine Ah- nung!)

Drittens. Die Landesregierung dereguliert den Wohnungsmarkt, um damit Nordrhein-Westfalen für Immobilienspekulanten interessanter zu machen. Dass dies negative Folgen für die Kommunen und die Mieterinnen und Mieter hat, ist für Schwarz-Gelb offensichtlich nur zweitrangig. Angekündigt jedenfalls – das will ich Ihnen gerne zugestehen – haben CDU und FDP eine solche Politik; das ist in ihrem Koalitionsvertrag nachzulesen. Und bei den Mieterrechten hat die schwarz-gelbe Landesregierung

dieses Vorhaben konsequent umgesetzt. Sie hat die Mieterrechte massiv beschnitten.

Sie hat die Zweckentfremdungsverordnung gestrichen. Jetzt darf Wohnraum nach Belieben zu Gewerbezwecken umgewandelt werden. Sie – Schwarz-Gelb – haben die Kündigungssperrfristverordnung aufgehoben. Mieterinnen und Mieter haben jetzt weniger Schutz, wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Und Sie haben die Belegungsbindungsverordnung nicht verlängert. Das bedeutet: Die Kommunen haben jetzt nur noch Belegungsrechte an den wenigen neuen Sozialwohnungen. Bald wird es ja überhaupt keine neuen Sozialwohnungen mehr geben, wenn es nach dem Willen dieser Landesregierung geht.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, das alles haben Sie doch nur getan, um die LEG meistbietend verkaufen zu können. Zuerst sollte der Markt für Heuschrecken interessant gemacht werden, und dann erst wurde die LEG verkauft. So ließ sich der Preis in die Höhe treiben.

(Christof Rasche [FDP]: Sie wollten die doch schon verkaufen! – Bodo Wißen [SPD]: Das ist aber nicht passiert!)

Diese Landesregierung betreibt, meine Damen und Herren, Haushaltssanierung auf dem Rücken der LEG-Mieterinnen und -Mieter. Das werden wir immer wieder deutlich machen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Barer Unsinn!)

Die Kommunen, für die Sie ja auch Verantwortung haben, sollten ja bei diesem Deal nicht zum Zuge kommen.

(Bodo Wißen [SPD]: Siehe Neuss!)

Denn es ging ausschließlich darum – Sie haben es hier ja auch gesagt –, einen Höchstpreis zu erzielen.

(Christof Rasche [FDP]: Sozialcharta!)

Und den bekommt man nur von denen, Herr Rasche, die das Äußerste aus den Wohnungen und den Mieterinnen und Mietern herauspressen.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie haben die Verträge doch gar nicht gelesen!)

Die LEG ging an anonyme Fondsgesellschaften. Über deren Strukturen, deren Interessen und deren Eigentumsverhältnisse ist wenig bekannt. Herr Finanzminister Linssen, Sie verweigern hartnäckig die nötigen Informationen. Welche Goldman-SachsFonds genau die LEG gekauft haben, wissen Sie offensichtlich selbst nicht, oder Sie verschweigen das.

(Bodo Wißen [SPD]: Jetzt erzählt er wieder etwas von Plural und Singular! – Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Ja, genau. – Fest steht aber: Es sind sogenannte opportunistische Fonds, also solche, Herr Finanzminister – Sie wissen das –, die sich immer nur kurz engagieren, die aber durchaus 20 % und mehr Rendite im Jahr verlangen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Berliner Art!)

Fest steht auch: Die Sozialcharta ist ein Text für das Poesiealbum. Sie schützt die Mieterinnen und Mieter in der Praxis überhaupt nicht. Und die Begrenzung von Mieterhöhungen bezieht sich auf den Gesamtbestand, nicht auf die einzelne Wohnung. Schon jetzt gibt es drastische Mieterhöhungen. Das ist überall nachzuprüfen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Nein, nicht überall!)

Im Übrigen gilt das auch für Instandhaltungsausgaben. Der einzelne Mieter hat kein Anrecht auf Instandhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen. Sie wissen das ganz genau.

Das Angebot des Mieterbundes, an der Erstellung der Sozialcharta mitzuwirken,

(Gerhard Lorth [CDU]: So ein Quatsch!)

haben Sie doch deshalb nicht angenommen, damit Sie dies so umsetzen konnten, wie Sie es eingestielt und gewollt haben.

Es zeichnet sich also schon jetzt ab, dass im Bereich des Mieterschutzes die neuen Eigentümer tun und lassen können, was sie wollen. Die Sozialcharta – ich wiederhole das – ist nur geduldiges Papier, ein Glanzbildchen, das soziales Engagement vortäuschen soll. Alle Renditen, die die Whitehalls, die Vendettas und ihre Amigos versprechen, müssen sie doch zwangsläufig auf dem Rücken der Mieterinnen und Mieter erwirtschaften.

Das Ergebnis dieser „Privat vor Staat“-Politik ist: Die Zeche zahlen die Mieterinnen und Mieter. Die Zeche zahlen die Kommunen. Privates Gewinninteresse anonymer Anleger wurde von der Landesregierung über Gemeinwohlinteressen gestellt. Die Wohnungsbestände, die der öffentlichen Hand gehören, sind damit weiter geschrumpft. Und in Verbindung mit der Einschränkung der Mieterrechte wird so der Boden für maximalen Profit für Private bereitet. Das ist doch genau das, was sie unter Ihrer Überschrift „Privat vor Staat“ wollen. Sie sollten das dann auch eingestehen und zu Ihrer Handlung stehen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Landesregierung geht jetzt aber noch weiter, meine Damen und Herren. Ich wiederhole es: Sie legt jetzt auch die Axt an den sozialen Wohnungsbau. Den wird es in Nordrhein-Westfalen nämlich bald nicht mehr geben.

(Christof Rasche [FDP]: Meine Güte!)

Die Landesregierung plant, das Landeswohnungsbauvermögen in Höhe von 18,5 Milliarden € zu ge

wöhnlichem Stammkapital der NRW.BANK zu machen. Zur Erinnerung: Heute ist dieses Vermögen ausschließlich für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden. Der bislang geschützte Fonds wird dann gefleddert werden; das wissen wir doch. Diese Mittel müssen dann nicht nur für andere Förderbereiche der NRW.BANK, sondern auch für deren risikoreiche Finanzierungsgeschäfte bürgen – ganz zu schweigen davon, dass die Landesregierung Lasten, die vormals aus dem Landeshaushalt bedient worden sind, dann ebenfalls der NRW.BANK übertragen wird.

Sozialer Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren, der war dann mal. Auch wenn die Landesregierung dies vehement bestreitet und immer wieder zu beschwichtigen versucht – die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung macht deutlich: Genau das hat sie geplant. Ich zitiere aus dieser Koalitionsvereinbarung:

Innerhalb der Wohnungsbauförderung wollen wir einen Systemwechsel: Die bisherige Objektförderung im Mietwohnungsbau soll durch eine einkommensabhängige Subjektförderung ersetzt werden.

Der soziale Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen wird demnächst der Vergangenheit angehören. Da helfen alle vollmundigen Bekundungen nichts.

Strich drunter: Vier Jahre Wohnungs- und Immobilienpolitik à la Schwarz-Gelb bedeuten: Der Markt ist privat, die Schutzrechte der Mieterinnen und Mieter sind beschnitten, staatliche Rahmensetzungen sind auf ein Mindestmaß zurückgeführt worden, die Finanzierungssicherheit für den sozialen Wohnungsbau ist bald futsch, die Landesregierung hat sich aus ihrer politischen Verantwortung zurückgezogen – Privat vor Staat wollten Sie ja auch; geben Sie es zu! –, das Soziale auf dem Wohnungsmarkt ist weitgehend abgeräumt, und hohe Renditen für private Investoren sind gesichert.

Herr Minister Lienenkämper, ich spreche Sie mal ganz persönlich an:

(Horst Becker [GRÜNE]: Das nützt aber nichts!)

Ich verstehe nicht, warum Sie es ohne irgendeine Gegenwehr zulassen wollen, dass die Ideologie „Privat vor Staat“ jetzt den gesamten sozialen Wohnungsmarkt zerstören soll. Ich verstehe nicht, dass Sie zulassen wollen, dass immer mehr Menschen dabei unter den Schlitten geraten.

(Ralf Witzel [FDP]: Ideologie!)

Noch ist Zeit, Herr Minister. Noch können Sie umkehren. Deshalb mein Angebot an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam den sozialen Wohnungsbau – in Nordrhein-Westfalen 50 Jahre Tradition – in Nordrhein-Westfalen verteidigen und seine Zukunft sichern. Dabei hätten Sie dann auch die SPDFraktion und – ich bin sicher – auch viele andere in diesem Hohen Haus an Ihrer Seite. Ich bin ge

spannt, wie Sie sich dazu stellen. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Römer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Sahnen.