Protokoll der Sitzung vom 20.01.2010

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Stüttgen?

Auch das.

Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Dr. Petersen, räumen Sie ein, dass der Vorschlag des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück gerade an Ihren Parteifreunden von der CDU in der damaligen Großen Koalition gescheitert ist und deshalb nicht weiterverfolgt werden konnte?

(Beifall von der SPD – Bodo Wißen [SPD]: Sehr richtig! So war das!)

Die Frage, woran dieser Vorschlag gescheitert ist, möchte ich an dieser Stelle deswegen nicht beantworten, weil es eine Ge

mengelage aus den unterschiedlichsten Gründen gab, warum es damals nicht so weit gekommen ist.

(Gisela Walsken [SPD]: Ganz klare Haltung!)

Aber richtig ist auch – jetzt komme ich wieder zu dem, was Frau Brunn angesprochen hat –: Wenn man die internationale Lösung haben möchte, dann stellt man doch nicht als Erstes einen Antrag im Landtag Nordrhein-Westfalen,

(Beifall von der CDU – Bodo Wißen [SPD]: Bei der UNO, oder was?)

sondern dann macht man das, was am Montag passiert ist.

(Zuruf)

Nein. Was ist am Montag passiert? Die Bundeskanzlerin hat gesagt: Es ist richtig, dass der Ministerpräsident dieses Thema angesprochen hat. Deshalb versucht die Bundeskanzlerin jetzt, es auf der G20-Ebene, auf der EU-Ebene, auf der Ebene der Eurozone voranzubringen. Genau dort gehört es auch hin. Wenn wir etwas auf G20-Ebene einvernehmlich regeln wollen, ist es offen gestanden Blödsinn, als Erstes eine Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen zu ergreifen.

Erst einmal muss die Regierung auf Bundesebene sagen: Das ist unser Thema; das ist passiert. Wir hatten am Dienstag eine bemerkenswerte Berichterstattung in den Medien, wie Bundeskanzlerin und Ministerpräsident das Thema Hand in Hand voranbringen wollen. Deswegen ist Ihr Vorpreschen völliger Unsinn und klassischer Aktionismus.

Unter dem Strich: Wir werden Ihren Eilantrag selbstverständlich ablehnen.

(Gisela Walsken [SPD]: Wieso selbstver- ständlich?)

Er kommt zur falschen Zeit und betrifft die falsche Ebene. Wenn Sie ihn auf Bundesebene gestellt hätten, hätte man darüber – auch inhaltlich – sprechen können, aber auf Landesebene über Dinge zu reden, die auf G20-Ebene zu regeln sind, ist völlig verkehrt. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Aber dann ist Rüttgers nicht mehr Mi- nisterpräsident in Nordrhein-Westfalen!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Petersen. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Frau Kollegin Freimuth.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Eilantrag ist ein leicht durchschaubarer, aber untauglicher Versuch, einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen zu trei

ben. Ich will es vorwegnehmen: Das wird Ihnen mit Sicherheit nicht gelingen.

(Gisela Walsken [SPD]: Der ist doch schon vorhanden!)

Meine Damen und Herren, wir sind uns ganz sicher einig, dass Wege gefunden und Maßnahmen getroffen werden müssen, die eine Wiederholung einer derartigen Finanz- und Weltwirtschaftskrise, wie wir sie im Augenblick erleben, verhindern.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Über viele Ansätze, wie man eine wirksame Lösung erreichen kann, wird diskutiert. Es ist gut, dass sich jeder von uns an der Debatte, wie man zu den besten und effizientesten Lösungen zur Verhinderung solcher Wirtschaftskrisen kommt, aktiv beteiligt. Wenn ich mir aber die Forderungen in dem Eilantrag der Kollegen der Sozialdemokratie anschaue – Einführung einer Börsenumsatzsteuer und Besteuerung von Boni –, komme ich zu dem Ergebnis: Sie sind weder effizient noch sinnvoll und viel zu kurz gedacht.

Ich will das auch begründen und beginne mit der Börsenumsatzsteuer; denn sie scheint die Gemüter am heftigsten zu erregen. Die Frage der Urheberschaft will ich gar nicht stellen. Sie wird nicht bei Peer Steinbrück liegen. Seit es Börsen gibt, hat es schon eine Börsenumsatzsteuer gegeben. Mit steigenden internationalen Handelsvolumina sind die Börsenumsatzsteuern aber nach und nach wieder abgeschafft worden, weil sie sich eben nicht als effizient herausgestellt, sondern den internationalen Handel mit Aktien und Wertpapieren eher behindert haben. So ist die Börsenumsatzsteuer in Deutschland zum Beispiel im Jahr 1991 abgeschafft worden.

Die Frage, wer der Erste gewesen ist, der die Idee einer Börsenumsatzsteuer hatte, kann keine der gerade genannten Persönlichkeiten, die ich alle sehr schätze, für sich in Anspruch nehmen.

Meine Damen und Herren, Börsenhandel ist inzwischen – das weiß jeder – das Öl im Getriebe unserer Wirtschaft. Es hat wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgaben bei der Zuordnung von Kapital für die jeweils produktivsten Zwecke. Erhebt man eine Steuer auf Börsentransaktionen, so ist das, als würde man Sand in das Getriebe streuen; denn bestraft werden nicht nur die, die in der Diskussion vermeintlich als strafwürdig erachtet werden – Finanzjongleure, Zocker, wie es im Jargon heißt –, sondern damit wird die gesamte volkswirtschaftliche Entwicklung in Mitleidenschaft gezogen.

In der gegenwärtigen Phase der allgemeinen Wachstumsschwäche, am Ende einer der tiefsten Rezessionen, die wir in der Nachkriegsgeschichte feststellen müssen, wäre dieser Sand in unserem Wirtschaftsgetriebe Gift für die Konjunktur und in

besonderer Weise auch für die Beschäftigung in unserem Land.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist auch ein Irrtum

(Anke Brunn [SPD] meldet sich zu Wort.)

nein, Frau Kollegin Brunn, ich möchte gerne zu Ende führen –, zu glauben, Aktivitäten an den Kapitalmärkten seien nur etwas für milliardenschwere Investoren; manchmal hat man in der Diskussion ja den Eindruck. Zahlreiche Lebensversicherungen, Riester-Sparverträge und andere Sparpläne basieren auf Fonds. Gerade die Bürgerinnen und Bürger betreiben durch solche Aktivitäten ihre Altersvorsorge und sichern so ihre individuellen Lebensrisiken eigenverantwortlich mit selbst verdientem, hart erarbeitetem Geld, ab.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Brunn?

Nein. Ich habe gerade schon gesagt, Herr Präsident, dass ich gerne weiter ausführen möchte. Ich habe der Kollegin Brunn schon direkt geantwortet.

Deswegen halte ich eine Börsenumsatzsteuer nicht für sinnvoll. Auch in Großbritannien, wo es diese Börsenumsatzsteuer wieder gibt, hat sich gezeigt, dass sie nicht sinnvoll und ertragreich ist. Denn damit verdrängen wir letztlich Geschäfte in den Offshore-Bereich, und das kann keiner von uns wirklich wollen.

(Beifall von der FDP)

Eine Bemerkung noch zu den Bonizahlungen und zu der gesonderten Besteuerung auf Bonuszahlungen. Wir haben im Landtag schon häufig deren Sinnlosigkeit diskutiert. Ich bleibe dabei: Wir brauchen international effiziente Mittel. Das, was sich bereits in der Diskussion befindet, ist nicht wirklich sinnvoll. Die Abschaffung der steuerlichen Absetzbarkeit von Bonuszahlungen oder eine gesonderte Besteuerung von Boni bieten eben keine Garantie dafür – bei allem Missbrauch, der getrieben wurde –, dass solche Wirtschaftskrisen auf Dauer vermieden werden können.

Tatsächlich brauchen wir eine Stärkung der Ratingagenturen, wir brauchen mittelständische Ratingagenturen und dass Unternehmen präzise Klarheit darüber haben, dass nur eine realistische Abbildung und Bewertung ihrer Risiken sie auch langfristig gegen exogene Schocks absichert. Wir brauchen natürlich stärkere Mitwirkungsrechte in den Hauptversammlungen, den demokratischen Gremien einer Aktiengesellschaft. Denn dort haben die Eigentümer ein sehr unmittelbares Interesse daran, auch langfristig die Sicherung ihres In

vestments, ihres Eigentums zu betreiben. Auch die Einführung eines verpflichtenden Selbstbehalts bei Managerversicherungen brauchen wir.

All das sind Ansätze, die aus meiner Sicht zwingend zu der international zu führenden Diskussion gehören, wie solche Krisen auf Dauer vermieden werden können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und Christian Weisbrich [CDU])

Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Becker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer die Reden von Dr. Petersen und Frau Freimuth mit der genügenden Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen hat, konnte feststellen, dass die Wand, von der Dr. Petersen gesprochen hat, gegen die das fahren könne, aber nicht solle, offensichtlich hier sitzt. Zuvorderst sitzt sie beim Chefideologen der FDP, Herrn Dr. Papke,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

aber auch bei Frau Freimuth und anderen der FDP.

(Zuruf von der SPD: Weisbrich!)

Sie sitzen offensichtlich deswegen auf einem falschen Gaul, weil Sie sich ansonsten überhaupt keine Sorgen darüber machen, dass ein Handwerker, ein Malermeister, ein Schreiner oder irgendjemand anders seine Umsatzsteuer bezahlen muss. Sie machen sich die Sorgen immer nur beim Finanzmarkt und im Zweifelsfall vielleicht noch bei Hoteliers.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Gisela Walsken [SPD]: Ganz genau!)

Das ist die falsche Politik auch deshalb, weil selbstverständlich auch außerhalb der Bundesrepublik über diese Fragen diskutiert wird. Dass auch außerhalb der Bundesrepublik darüber diskutiert wird, ist sogar mit einer Bundeskanzlerin Merkel möglich gewesen und war international auch unter der damaligen Entwicklungshilfeministerin möglich, der allerdings jetzt ein großartiges ideologisches und intellektuelles Licht nachgefolgt ist, nämlich Herr Niebel.