Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Die Frage, ob wir einen neuen Forschungsreaktor in Nordrhein-Westfalen bekommen, sollten Sie klar und transparent beantworten. Es hilft nicht, wenn Herr Baganz sagt, das plane niemand. Denn Sie schaffen gerade die rechtlichen Voraussetzungen dafür. Schauen wir uns die unterschiedlichen Formulierungen in den beiden Entwürfen des LEP aus dem Kabinett an.

Sie haben am 14. Dezember formuliert: Die Nutzung von Standorten durch Kernkraftwerke, die überwiegend der allgemeinen Energieversorgung dienen, ist in Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen. – Man fragt sich dann sofort, was „die überwiegend der allgemeinen Energieversorgung dienen“, heißt.

Das haben Sie noch einmal geändert. Der jetzige Kabinettsbeschluss, der den Energieteil des LEP ersetzt und damit bindende Wirkung entfaltet, lautet: Kernkraftwerke für die Energieversorgung sind in Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen. – Sie haben kalte Füße bekommen.

In den Erläuterungen heißt es: Die Nutzung der Kernenergie zu Forschungszwecken ist davon unberührt. – Sprich: Im Moment werden von Ihnen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für einen weiteren Forschungsreaktor geschaffen.

Weil Herr Staatssekretär Baganz im Wirtschaftsausschuss zunächst etwas ausweichend geantwortet hat, wurde noch einmal nachgefragt, ob es richtig ist, dass Sie damit die planungsrechtlichen Voraussetzungen schaffen. Er hat ja gesagt. Dann sollten Sie das auch offen zugeben.

Dazu gehört auch das, was Minister Pinkwart macht. Er legt ein Forschungsprojekt mit 100 Millionen € auf, was auch „die Nutzung von Hochtemperatur-Prozesswärme in Verbindung mit fossiler, nuklearer und solarer Kraftwerkstechnik“ umfasst. An der Stelle ist wieder von der nuklearen Kraftwerkstechnik und der Hochtemperaturwärme die Rede.

Ich weiß, in Ihren Reihen gibt es einige Leute, die traurig darüber sind, dass der Forschungsreaktor in Jülich und der Hochtemperaturreaktor in HammUentrop technisch gescheitert sind, und das gerne noch einmal neu probieren möchten. Wir wollen das nicht, weil wir klar sagen: Das kostet uns noch Milliarden. Alleine der Abriss des Forschungsreaktors in Jülich wird noch Jahrzehnte dauern. Die Kosten belaufen sich auf 500 Millionen €, die Endlagerung der Abfälle noch nicht eingeschlossen. HammUentrop wird noch einmal deutlich teuer. Es ist auch noch nicht klar, ob das überhaupt geht. Das werden

wir zu relevanten Teilen aus dem Landeshaushalt bezahlen müssen, weil sich die Energieversorger in beiden Fällen vom Acker machen.

Deswegen sollten Sie ganz klar und eindeutig Position beziehen. Was planen Sie an der Stelle? Warum machen Sie ein solches Programm? Warum führen Sie ein mit 100 Millionen € bestücktes Projekt für nukleare Prozesswärme durch?

Für die von allen gewünschte Kraftwärmekopplung ist kein Geld vorhanden. In diesem Punkt kommen wir nicht voran. Für nukleare Prozesswärme ist Geld vorhanden. Das sollten Sie ehrlich kundtun. Dann können diejenigen, die sich für diese Art von Politik interessieren, das am 9. Mai mit in ihre Entscheidung einfließen lassen. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Wittke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ganz klar und unmissverständlich: Wir wollen keine neuen Kernkraftwerke zur Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen. – Anders als Bündnis 90/Die Grünen und Sozialdemokraten haben wir auch den Mut, das in die entsprechenden Gesetzeswerke zu schreiben.

(Beifall von der CDU)

Lieber Herr Kollege Priggen, obwohl Sie dieses Land zehn Jahre lang mitregiert haben, waren Sie nicht in der Lage, die friedliche Nutzung der Kernenergie für die Energieversorgung in NordrheinWestfalen auch nur an einer einzigen Stelle auszuschließen. Sie haben das zehn Jahre lang nicht hinbekommen. Wir werden das mit dem neuen Landesentwicklungsplan erstmalig in NordrheinWestfalen machen. Wir bekommen damit einen Quantensprung hin.

Wir bleiben auch nicht die Antwort schuldig, wie wir die Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sicherstellen wollen.

Sie sagen, was Sie alles nicht wollen: Sie wollen keine neuen Steinkohlekraftwerke, Sie wollen keine neuen Braunkohlekraftwerke, Sie wollen keine neuen Kernkraftwerke. – Sie bleiben die Antwort schuldig, wie Sie das größte Industrieland der Bundesrepublik Deutschland – im globalen Vergleich stehen wir an 16. Stelle – mit Energie versorgen wollen. Bei uns ist das völlig klar: Wir wollen die regenerativen Energien massiv ausbauen. Wir werden da in den nächsten Jahren deutlich weiterkommen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Dazu werden allein die ambitionierten Klimaschutzziele von Bundesregierung und Landesregierung ihren Beitrag leisten.

Aber wir sagen genauso deutlich: Wir brauchen, bis in die erneuerbaren Energien über 50 %, ja vielleicht sogar annähernd 100 % der Energieversorgung in unserem Land übernehmen, quasi als Brückentechnologie in der Tat eine neue Generation von konventionellen Kraftwerken, von neuen, effizienten, umweltfreundlicheren Kohle- und Steinkohlekraftwerken. Kurz gesagt: Wir brauchen das Kraftwerkserneuerungsprogramm dringend, damit wir endlich die alten ineffizienten Dreckschleudern in unserem Land abschalten können.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Reiner Prig- gen [GRÜNE])

Es ist natürlich einfacher, sich hierhin zu stellen, wie Sie das schon seit einigen Jahren tun, und zu erklären, was Sie alles nicht wollen. Viel schwieriger ist es, eine sichere Perspektive in diesem Land zu geben. Denn in einem sind wir uns in der Tat einig: Wir wollen keine neuen Kernkraftwerke zur Energieerzeugung bei uns im Land.

Ich möchte ein Zweites sagen: Sie versuchen, den untauglichen Anlauf zu unternehmen, eine bundespolitische Debatte über die Verlängerung von Kernkraftwerken, von denen kein einziges bei uns in Nordrhein-Westfalen steht, hierher in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf zu führen.

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Ich warte nur darauf, dass Sie demnächst noch eine Debatte über den Irak-Krieg anfangen und fragen, wie sich denn die nordrhein-westfälische Landesregierung dazu positioniert, nur weil Sie glauben, damit vielleicht noch ein paar Wählerinnen und Wähler auf Ihre Seite ziehen zu können. Auf dem Niveau bewegt sich Ihre Argumentation, wenn Sie sagen, es ginge bei dieser Landtagswahl darum, ob die Atomkraftwerke, die heute noch in Deutschland außerhalb Nordrhein-Westfalens am Netz sind, in ihrer Laufzeit verlängert werden oder nicht. Falsch: Die Reihenfolge ist eine andere.

Die Reihenfolge ist die, dass sich zuerst einmal der Bund klar darüber werden muss, wie er heute mit den am Netz befindlichen Kernkraftwerken in Deutschland umgehen will. Mir liegen bis zum heutigen Tage außer Meinungsäußerungen von einzelnen Energiepolitikern, von einzelnen Wirtschaftspolitikern, von einzelnen Umweltpolitikern keine belastbaren Aussagen der Bundesregierung, der Bundesebene vor. Wenn Sie andere Informationen haben, seien Sie bitte so gütig, sie hier vorzutragen.

(Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE])

Wenn sich der Bund positioniert hat und wir wissen, worüber wir reden, dann werden wir uns auch in Nordrhein-Westfalen positionieren. Das ist doch völlig klar und selbstverständlich. Es gibt nur eine

einzige Messlatte, einen einzigen Maßstab, von dem wir uns werden leiten lassen. Wir werden fragen: Was nutzt uns in Nordrhein-Westfalen, was nutzt den Menschen in Nordrhein-Westfalen bei dieser wichtigen Entscheidung? Da – so würde ein großer rheinischer Philosoph an dieser Stelle wahrscheinlich sagen – alles mit allem zusammenhängt, werden wir abzuwägen haben und werden wir schauen, welche Interessen wir bei der Sicherstellung der Energieversorgung dieses wichtigen Industriestandortes Nordrhein-Westfalen haben und wo die Interessen anderer Bundesländer liegen. Dann wird es eine Diskussion, eine Debatte geben. Aber es macht überhaupt keinen Sinn, jetzt in Panikmache zu verfallen und eine so unseriöse Diskussion zu führen, wie Sie sie an dieser Stelle vom Zaun zu brechen versuchen.

Herr Kollege Wittke.

Frau Präsidentin, ich erlaube gern eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen.

Danke sehr. – Bitte schön, Herr Kollege Priggen.

Herr Kollege Wittke, ich kenne Sie gar nicht so ängstlich. Die präzise Frage ist doch – das habe ich in der Rede deutlich gemacht –: Schaffen Sie die planungsrechtlichen Voraussetzungen für einen neuen Forschungsreaktor, und wollen Sie das? Wollen Sie ein solches Projekt auch mit dem Programm, das bei Herrn Pinkwart aufgelegt wird?

Sie haben jetzt viel gesagt, aber Sie haben zu der Frage nichts gesagt.

(Oliver Wittke [CDU]: Ich bin ja noch nicht fer- tig.)

Oh, Entschuldigung.

Herr Kollege Priggen, ich war mit meiner Rede ja noch nicht fertig. Selbstverständlich komme ich auch noch auf das Thema Forschungsreaktor zu sprechen. Denn es wird keine neue gesetzliche Grundlage in Nordrhein-Westfalen geben. Schon heute, auf der gesetzlichen Grundlage, die Sie – SPD und Bündnisgrüne – zu verantworten haben, wäre es möglich, einen Forschungsreaktor in Nordrhein-Westfalen neu zu bauen. Von daher verstehe ich die Debatte überhaupt nicht, die Sie hier vom Zaun brechen.

Es gibt keine Veränderung zu der Situation, als Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen noch Umweltministerin war. Es gibt keine Veränderung der Situation zu der Zeit, als Michael Vesper noch Bauminister in

Nordrhein-Westfalen war. Von daher verstehe ich die Debatte überhaupt nicht, die Sie hier rein theoretisch auf den Weg zu bringen versuchen.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Eines möchte ich aber klar und deutlich sagen: Wir, die CDU-Fraktion – ich denke, das wird für die FDPFraktion in ähnlicher Weise gelten –, sind dafür, dass Forschung in Nordrhein-Westfalen in allen Bereichen auch künftig möglich ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Denn wir wissen, dass die Zukunft nicht unter der Erde liegt, in Stein- und Braunkohle, sondern wir wissen, dass die Zukunft unseres Landes in den Köpfen der Forscherinnen und Forscher, in den Köpfen der jungen Akademiker, in den Köpfen der jungen Facharbeiter liegt, die Ideen zu Produkten entwickeln müssen. Und das gilt für alle Bereiche. Wir wissen, dass Sie da Scheren im Kopf haben. Wir wissen, dass Sie da bestimmte Bereiche in der Vergangenheit zu behindern versucht haben. Wir könnten im Bereich der grünen Gentechnologie heute deutlich weiter sein, wenn nicht die rot-grüne Landesregierung über Jahre hinweg diesen wichtigen Wirtschaftszweig benachteiligt und diskriminiert hätte.

(Svenja Schulze [SPD]: Was ist das für ein wichtiger Wirtschaftszweig mit 46 Arbeitsplät- zen in NRW?)

Wir könnten auch in anderen Bereichen deutlich weiter sein und hätten auch mehr Arbeitsplätze, wenn Sie nicht eine Forschungsverhinderungspolitik gemacht hätten, wenn Sie nicht eine Wirtschaftsverhinderungspolitik betrieben hätten. Diese Scheren gehören nicht in den Kopf. Wir werden in dem neuen Landesentwicklungsplan als Nachfolger des alten Landesentwicklungsplans aus rot-grüner Regierungszeit diese Festlegung nicht neu treffen, sondern wir werden das fortschreiben. Aber wir werden ein Klima in diesem Land schaffen, das Forschung und damit wirtschaftliche Entwicklung sich vernünftig entfalten lässt. Das ist der Unterschied zu der Politik, die Sie in der Vergangenheit in diesem Land gemacht haben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wittke. – Als nächster Redner hat für die FDP-Fraktion der Abgeordnete Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der Opposition ist einer, an dem man beispielhaft sehr gut erkennen kann, wie der Linksblock sämtliche Sachlichkeit über Bord wirft, um der ideologisch-fanatischen

Anti-Kernkraft-Ideologie wieder einmal freien Lauf zu lassen.

Meine Damen und Herren, ich möchte deshalb deutlich machen, dass es, anders als Grüne und SPD es hier behaupten, keine Planungen für Kernreaktoren in Nordrhein-Westfalen gibt. Es gibt im Übrigen auch kein Unternehmen, das dies in Deutschland beantragt hat und ein solches Anliegen derzeit vorträgt. Insofern entbehrt die Debatte heute jeglicher Grundlage.

Meine Damen und Herren, ja, wir als FDP stehen zur Kernkraft als Brückentechnologie. Eine Brücke muss aber auch so lang sein, dass sie die Schlucht überwinden kann. 15 % des Stroms werden heute von erneuerbaren Energien erbracht. Das heißt im Umkehrschluss, dass immer noch 85 % des deutschen Stromes aus konventionellen Energieträgern – Braunkohle, Steinkohle und Kernkraft – stammen. Niemand der eben hier aufgetretenen Weltverbesserer, die Kohlekraft- und Kernkraftwerke ablehnen, hat bislang erklären können, wie diese 85 % der Stromerzeugung ersetzt werden sollen.