Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

innerhalb von sechs Wochen eine Zuschrift des Landesverbandes Theater in Schulen in eine Landtagsdrucksache gießen zu lassen. Das ist schon mal nicht schlecht.

(Zuruf Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich denke – oder hoffe auch für Sie –, dass Sie das mit Frau Winkler-Kalbas so weit alles abgestimmt haben, dass Sie sich hier im Fundus der Textbausteine entsprechend bedienen konnten.

In der Sache hat diese Koalition der Erneuerung wie keine andere in den letzten Jahren bewiesen, welchen Stellenwert Kunst, Kultur und kulturelle Bildung insbesondere für Jugendliche für uns haben.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Es gab ja leider keine andere!)

Keine andere Landesregierung hat in diesem Bereich jemals so viel getan: Der Kulturhaushalt mit mittlerweile 73 Millionen € ist mehr als verdoppelt worden. Das haben wir zugesagt und entsprechend eingehalten. Denkt man da an die Zeiten des früheren Kulturministers Vesper, kann es einem nur kalt den Rücken herunter laufen, wie schlecht das Feld bei Ihnen bestellt war.

(Zuruf von den GRÜNEN: Wir hatten wenigs- tens noch einen!)

Wir haben eine Vielzahl neuer Programme für unser Land gestartet, die gerade Jugend als Zielgruppe im Blick hat, etwa das Landesprogramm „Kultur und Schule“ mit einem Budgetvolumen von mittlerweile 4,5 Millionen €. Dort haben wir inzwischen über 1.500 teilnehmende Schulen und über 1.000 mitwirkende Künstler.

Viel breiter aufgestellt sind wir nicht nur beim Theater, sondern auch bei Musik, Tanz, kreativer Darstellung und Film, aber auch durch das Programm „Jedem Kind ein Instrument“, JeKi. All das sind Initiativen dieser Landesregierung, getragen von diesem Landtag. An die durfte man unter rot-grünen Zeiten nie denken. Wir haben sie so organisiert, dass es nicht zu einem Verdrängungswettbewerb mit bestehenden schulischen Angeboten kommt, sondern sie zu einer Bereicherung werden – auch durch eine gute Abstimmung mit dem Unterricht.

Nun haben wir eine Oberstufenreform, die nicht aufgehoben, sondern aus zeitlichen Gründen verschoben worden ist, um die Länderkoordination über Bildungsstandards abzuwarten. Es ist bedauerlich, dass dieses retardierende Momentum eingetreten ist.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Gut für die Schulen, die freuen sich!)

Die Entscheidung für die Oberstufenreform ist in der Sache politisch richtig, verabredet und insofern auch nicht aufgehoben worden. Deshalb benötigen wir eine Stärkung der Kernfächer und müssen die Ausbildungs- und Studierfähigkeit Jugendlicher

erhöhen. Dazu ist eine Schwerpunktsetzung über die Kernfächer notwendig. Allerdings bedeutet dies auf gar keinen Fall, dass Aktivitäten der kulturellen Bildung unter die Räder geraten. Diese hat weiterhin einen hohen Stellenwert für uns.

Es muss aber die Frage gestellt werden, wie man es organisiert. Theater ist eine Facette, sicherlich auch eine des Deutunterrichtes dort, wo es nicht an jeder Schule ein Literaturangebot gibt.

Auch wenn wir es ausdrücklich begrüßen, dass hier spezielle Literaturangebote gemacht werden, gibt es an immer mehr Ganztagsschulen eine Vielzahl von Möglichkeiten – darunter freiwillige Arbeitsgemeinschaften, wie sie zu unserer Schulzeit üblich waren –, jenseits eines festen Fächerkanons Theaterarbeitsgemeinschaften einzuführen und Angebote für diejenigen zu machen, die sich hier einbringen wollen.

Die allgemeine These der Stresshysterie der Grünen teilen wir ausdrücklich nicht. Kinder, die für das Gymnasium geeignet sind, kommen auch gut mit dem Unterrichtsstoff klar und haben eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich in ihrer Freizeit vielen sonstigen Interessen zu widmen. Uns würde es sehr freuen, wenn das auch im Bereich kultureller Bildung das Interesse der Jugendlichen findet.

Insofern stehen wir ausdrücklich zu dem Ziel, dass auch zukünftig Theaterspielen Teil einer lebendigen Schulgemeinde ist, sind aber nicht so pessimistisch, wie von anderer Seite vorgetragen wurde, und glauben, dass wir hier eine gute Entwicklungsperspektive haben, dies auch wegen der letzten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom März 2009, die nicht einmal ein Jahr her ist. Darin ist in § 11 klargestellt worden, dass in der Kursbelebung in der gymnasialen Oberstufe anstelle eines künstlerischen Faches auch das Angebot zweier, wie es dort heißt, instrumentalpraktischer oder vokalpraktischer Grundkurse alternativ möglich ist.

Herr Kollege!

Wir sehen das genauso. Wir wollen perspektivisch mit einer Oberstufenreform Kernfächer stärken, ohne dass anderes zu kurz kommt. Wir glauben, beides wird auch zukünftig vereinbar sein. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Landesregierung erhält jetzt das Wort Frau Ministerin Sommer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine

Damen und Herren! Dem Schauspiel in drei Akten des geschätzten Abgeordneten Solf ist eigentlich überhaupt nichts hinzuzufügen. Er hat das so charmant und letztlich so amüsant dargebracht, dass ich mir nur noch ein paar Bemerkungen erlauben will.

„Darstellen und Gestalten“ wird im Wahlpflichtbereich der Gesamtschulen unverändert ab Klasse 7 angeboten. Das war zu Ihrer Zeit so und wird weiter so sein. Am Gymnasium können ab Klasse 8 künstlerische Schwerpunkte gesetzt werden. In der Oberstufe kann das Fach Literatur ebenso unverändert als Ersatzfach für den Pflichtunterricht Kunst und Musik gewählt werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Theaterspiel kann zusätzlich – wir haben jetzt ja viel über Theaterspiel gesprochen – im Rahmen eines Projektkurses realisiert werden. Theaterspiel kann sogar als besondere Lernleistung wie ein fünftes Fach in die Abiturprüfung einbezogen werden. Hierfür gibt es sogar schon ein ganz interessantes Beispiel, nämlich ein Musical in englischer Sprache. Das steht im Bildungsportal; das kann man sich gerne einmal ansehen.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, hier ist aufgezeigt worden, dass das Theaterspiel für junge Menschen nicht nur in der gymnasialen Oberstufe eine künstlerische Bereicherung darstellt. Ich habe an vielen Orten gesehen, wie viele Lernkanäle über das darstellende Spiel und über Musik geöffnet werden können. Menschen, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig waren, haben es über das Theaterspiel gelernt, sich zu artikulieren und zu kommunizieren. Das können wir als wirklichen Schatz nehmen und selbstverständlich weiter in unseren Oberstufen etablieren.

Meine Damen und Herren, ich ziehe den Vorhang also noch mal hoch -Sie wollten ihn ja fallen lassen – für künstlerische Bildung, für Literatur in der Oberstufe – jetzt und in Zukunft. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen in diesem Hohen Hause.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/10739 beantragt. Wer stimmt diesem Antrag zu? – Die Grünen und die SPD. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – CDU und FDP. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Abgelehnt. Nach meinem Eindruck war die Mehrheit der Koalitionsfraktionen trotz knapper Anwesenheitszahlen gut gesichert.

(Zurufe: Oh!)

“Leider!“ muss ich bei diesem wunderbaren Antrag sagen. Aber es ist ja nicht meine Art, hier irgendetwas zu bewerten. Deswegen habe ich auch nichts gesagt und freue mich, dass wir nun zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen:

13 Gegen Bandenkriege energisch vorgehen und rechtsfreie Räume verhindern – Verbot der Rockervereine „Hells Angels“ und „Bandidos“ sorgfältig prüfen!

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10140

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses Drucksache 14/10658

Ich eröffne die Beratung und erteile Herrn Dr. Rudolph von der SPD das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über eine Angelegenheit, die ihren konkreten Ausgangspunkt in der Ermordung eines Mitglieds der sogenannten Bandidos am 8. Oktober in Nordrhein-Westfalen hatte. Der folgte, wie Sie vielleicht noch wissen, eine veritable Massenschlägerei zwischen Rockergruppen und wurde anschließend durch Anschläge auf diverse Vereinshäuser ergänzt.

Die Reaktionen auf diesen „Rockerkrieg“ oder „Bandenkrieg unter Rockern“, wie die Presse schrieb, fielen sehr unterschiedlich aus. Der frühere Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Wüst, hat sofort nach einem Verbot der Gangs gerufen. Der Innenminister hat sofort gerufen: Kein Verbot! – Der Kollege Engel hat im Innenausschuss kommentiert – ich zitiere aus dem Protokoll –: Zwar hinke die Polizei hinterher, aber am Ende habe sie die Lage im Griff. – Der Kollege Kruse hat immerhin gemeint, man müsse angesichts dieser Ereignisse in Nordrhein-Westfalen, aber auch der Geschehnisse in anderen Bundesländern eine bundespolitische Initiative ergreifen.

Wir haben damals gesagt und sagen auch heute, dass man alle Maßnahmen und Möglichkeiten sorgfältig prüfen muss. Wir haben uns damals nicht von vornherein dafür ausgesprochen, Vereine zu verbieten. Wir haben auch nicht gesagt, dass wir ein solches Verbot von vornherein ausschließen, sondern wir haben – so steht es auch in unserem Antrag – die Landesregierung gebeten, ein solches zu prüfen.

Nach mehreren Beratungen im Innenausschuss und diversen Maßnahmen der Landesregierung und der Polizei gegen die Rockergangs ist man inzwischen, glaube ich, zu dem Ergebnis gekommen, dass ein

Verbot nicht zu erreichen ist, selbst wenn es wünschenswert ist. Ich zitiere noch einmal aus dem Protokoll der Innenausschusssitzung vom 28. Januar dieses Jahres. Herr Ministerialdirigent von Bauer sagte, die Vereine seien eben „pfiffig“; deshalb könne man nicht zu einem Verbot schreiten.

Wir beobachten – ich hoffe, da sind wir uns einig –, dass die Vereine durchaus eine gewisse Struktur haben. Das Landgericht Münster hat in einer Entscheidung davon gesprochen, dass es eine hierarchische Struktur gibt, dass die Vereine als formale Organisation aber peinlich darauf bedacht sind, keinen Anlass für ein Verbot zu bieten, weil ein solches sie empfindlich treffen würde.

Unter dieser legalen oder vielleicht scheinlegalen Struktur dieses sogenannten Vereinswesens spielt sich jedoch – jedenfalls ist das unsere Beobachtung und Einschätzung – der Aufwuchs eines kriminellen und eng mit der organisierten Kriminalität verwandten Milieus ab. Es nutzt legale Vereinsstrukturen bzw. benutzt sie als Fassade dafür, dass sich ein solches Milieu längst herausgebildet hat.

Sowohl bei den Bandidos als auch bei den Hells Angels finden Sie inzwischen ein ausgedehntes Merchandisingwesen, in dem auch Geld verdient und gemacht wird. Es gibt offensichtlich eine eigene Biersorte, die in diesem kriminellen Milieu für Umsatz sorgt.

Ich lese Ihnen einmal aus den „BIKERS NEWS“, die auch über unsere Innenausschusssitzung berichtete, den Hinweis eines Rechtsanwaltes, dessen Namen ich hier gar nicht nennen will, vor. Unter der Überschrift „Telefonkultur“, Rubrik Leserbriefe, finden Sie folgende Hinweise – ich zitiere –: Seit Jahren – so schreibt er – weise ich meine Mandanten darauf hin, eine gewisse Telefonvorsicht walten zu lassen. – Und er schreibt weiter: Jeder auf dem Gebiet des Strafrechts tätige berufserfahrene Strafverteidiger wird heute über Voice over IP in der Kanzlei erreichbar sein. – Dann heißt es noch bezeichnenderweise – Zitat –: Es ist jedem freigestellt, rechtlich zulässig, die technischen Möglichkeiten zu nutzen, sich der Vorratsdatenspeicherung zu entziehen und seine Bürgerrechte aktiv wahrzunehmen.

Hier bietet sich also offenbar jemand mit seinen spezifischen Berufskenntnissen Rockerbanden an und erklärt, wie man jemanden über Skype und andere Dinge erreichen kann. Das legt natürlich auch den Verdacht nahe, dass wir es hier mit einem Milieu zu tun haben, das sich durchaus in einem kriminellen Fahrwasser befindet.

Wir glauben, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass man es in NordrheinWestfalen, aber auch in anderen Ländern nicht zulassen darf, dass unter diesen scheinlegalen Strukturen des Vereinsrechts rechtsfreie Räume

entstehen, weil wir der Auffassung sind, dass eines nicht sein kann: dass in bestimmten Räumen das Recht des Stärkeren gilt und nicht das Gesetz.

Wir glauben, dass die Landesregierung dabei gescheitert ist, die organisierte Kriminalität effektiv zu bekämpfen. Sie hat sie auch nicht zu einem wirklichen Schwerpunkt erklärt. Wir sind dafür und treten dafür ein, dass man die kriminalpolizeiliche Arbeit in diesem Bereich noch einmal überprüft und mit den Ressourcen versieht, die nötig sind, um einem solchen Phänomen, wie ich es gerade nur andeutungsweise beschreiben konnte, entgegenzutreten.