Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

(Angela Freimuth [FDP]: Herr Kollege Rem- mel, das können Sie gerne in den Protokollen über die Debatten des Parlaments zum Haushalt nachschauen!)

Wie wollen Sie als Land diese strukturelle Unterfinanzierung, wenn sie schon zu Zeiten optimaler Rahmenbedingungen vorhanden ist, denn dauerhaft in den Griff bekommen?

Die letzten fünf Jahre sind wegen dieser Landesregierung und dieser Koalitionsfraktionen hier verlorene Jahre; denn eigentlich hätten wir, von Ihnen angestoßen, eine Diskussion über die Frage führen müssen, wie man die Unterfinanzierung der Länder insgesamt, aber insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen strukturell angeht und in den Griff bekommt. Das hätte geschehen müssen.

An dieser Stelle ist meines Erachtens eine andere Aufstellung des Landes, auch der Fraktionen, fraktionsübergreifend, gegenüber dem Bund notwendig.

Die strukturellen Fragen sind im Rahmen der Föderalismusreform nicht geklärt worden; denn die Länder sind nicht entsprechend den Aufgaben ausgestattet, die sie erfüllen müssen. Das ist die Grundsatzfrage. Meines Erachtens haben Sie es in den letzten Jahren auch versäumt, diese Frage richtig anzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die entsprechende Problematik wird uns nämlich dauerhaft beschäftigen. Wenn schon in dem goldenen Jahr 2007, wie Sie es darstellen, der Ausgleich nicht gelingt, wie soll er dann unter den jetzigen schwierigeren Rahmenbedingungen gelingen? Das ist die Grundsatzfrage, die übrigens nicht nur die Aufgaben der Länder, sondern auch die Aufgaben der Kommunen betrifft. Hier sind wir unter Ihrer Ägide leider kein Stück vorangekommen. An dieser Stelle wäre eine gemeinschaftliche Aufstellung sinnvoll gewesen.

Damit komme ich zu dem von Ihnen angesprochenen Instrument der Schuldenbremse, Herr Hüsken.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Herr Weisbrich, Sie waren bei der Anhörung dabei. Ihr Vorgehen mit der Strukturierung ist ein Weg, der zulasten der Kommunen und der Länderfinanzen gehen wird. Es wird nicht funktionieren.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Das hat die Anhörung in großer Klarheit gezeigt. Hier ist eine andere Aufstellung nötig – und deshalb auch eine andere Politik. Herr Hüsken, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Wir werden eine solche andere Politik nach dem 9. Mai 2010 in diesem Land und diesem Landtag brauchen.

Ich will mich aber auch der deutlichen Kritik an zumindest der CDU-Fraktion anschließen, die Herr Gatter hier vorgetragen hat. Wir müssen feststellen – und das bedaure ich sehr; das sage ich nicht, weil ich die CDU kritisieren möchte, sondern weil ich dies institutionell für wichtig halte –, dass es bei uns eine Zerrüttung des Verhältnisses der großen Regierungsfraktion zum Landesrechnungshof gibt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Diese Zerrüttung und Erschütterung liegt nicht in der Tradition dieses Hauses und darf auch nicht zur Tradition dieses Parlaments werden; denn der Landesrechnungshof ist auch eine wichtige Institution zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit. Es ist unsere Aufgabe als Parlament, die Landesregierung zu kontrollieren. Dieses Verhältnis ist durch das Agieren Ihrer Fraktion, aber auch des Finanzministers erheblich in Misskredit geraten und zutiefst zerrüttet.

Auch das müssen die nächste Landesregierung und der nächste Landtag besser machen. Das Ganze darf nicht so fortgeführt werden, wie Sie es in dieser Legislaturperiode angegangen sind; denn es muss eine Grundkonstante unseres demokratischen Miteinanders sein, dass der Landesrechnungshof hier seine Position wahrnehmen kann,

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

ohne in dieser Weise sowohl in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit als auch vom Verfassungsinhalt her angegangen zu werden. Das muss sich dringend verändern.

Wir werden gerne dem Antrag der SPD folgen, getrennt abzustimmen; denn wir wollen einerseits den Beschlussvorschlägen des Haushaltskontrollausschusses zustimmen und uns andererseits bei der Abstimmung über die Entlastung der Landesregierung gerne enthalten. Deshalb bitte auch ich um getrennte Abstimmung. – Vielen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herzlichen Dank. – Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Die SPD hat getrennte Abstimmung beantragt. Das werden wir dann auch so machen.

Der Ausschuss für Haushaltskontrolle empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/10563 Ziffer 1, die festgestellten Sachverhalte, die Beschlüsse über einzuleitende Maßnahmen und die dafür gesetzten Termine sowie die ausgesprochenen Missbilligungen gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung zu bestätigen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Zweitens. Der Ausschuss für Haushaltskontrolle empfiehlt in Ziffer 2 der Beschlussempfehlung, der Landesregierung für die Landeshaushaltsrechnung 2007 Drucksache 14/8135 im Zusammenhang mit dem Jahresbericht 2009 des Landesrechnungshofs über das Ergebnis der Prüfungen im Geschäftsjahr 2008 Drucksache 14/9391 gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit Art. 86 der Landesverfassung Entlastung zu erteilen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – SPD und Grüne. Damit ist die Empfehlung in Ziffer 2 angenommen und der Landesregierung gemäß § 114 der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit Art. 86 der Landesverfassung Entlastung erteilt.

Wir kommen zu:

14 Ökologisch und ökonomisch verfehlt – Land muss das „newPark“-Projekt unverzüglich stoppen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10741

Als erstem Redner gebe ich Herrn Priggen das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Kreis Recklinghausen auf den Gebieten der Gemeinden Datteln und Waltrop soll ein neues industrielles Gewerbegebiet errichtet werden, der newPark. Dort sollen Betriebe der Energie- und Umwelttechnik, der Haus- und Gebäudetechnik auf einer Größe von insgesamt perspektivisch 330 ha angesiedelt werden. Die erste Teilfläche auf Dattelner Gebiet – insgesamt 68 ha – soll als Erstes erschlossen werden.

Die Planungen für das Gebiet laufen schon fast zehn Jahre. Die Grundfrage für mich heißt: Gibt es dort diesen Bedarf eigentlich, in eine neue, bisher

nicht genutzte Grünfläche hineinzugehen. Das Gebiet war ursprünglich für industrielle Großansiedlungen vorgesehen. Die letzte in der Art in NordrheinWestfalen war die Diskussion um die BMWAnsiedlung. Es leuchtet durchaus ein, dass man im Land ein, zwei Reserveflächen hat, falls ein derartiger industriepolitischer Jumbo landet.

Aber wir sehen jetzt, dass diese Fläche nicht für eine großindustrielle Ansiedlung genutzt, sondern zerstückelt wird. Der Mindestbedarf, um den es nachher geht, liegt bei 3 ha. Es geht also nicht mehr um eine industrielle Großansiedlung, sondern ein gewöhnliches Industrie- und Gewerbegebiet.

Im Gegensatz dazu, eine neue Fläche zu nehmen, steht eine aktuelle RVR-Analyse, die uns sagt: Im Umkreis von 30 km haben wir rund 370 ha nutzbare Brachflächen direkt verfügbar. Ich war vor wenigen Monaten bei der Montan-Grundstücksgesellschaft der RAG. Die haben im Ruhrgebiet rund 11.000 ha und bemühen sich, alte Bergbaubrachen in die Nutzung zu bringen. Die haben alleine in der Gemeinde Datteln 625 ha.

Aus meiner Sicht gibt es also überhaupt keine Notwendigkeiten, in einen solchen wertvollen, offenen Grünbereich reinzugehen, sondern es gibt gerade für diese kleinteiligen Ansiedlungen im Ruhrgebiet ausreichende nutzbare Gewerbeflächen auch mit einer guten Erschließung aus den verschiedenen bisherigen Nutzungen.

Die Landesregierung macht auf der einen Seite eine „Allianz für die Fläche“ und hat ambitionierte Ziele bei der Flächeneinsparung. Dabei ist es wie bei vielen Umweltzielen der Landesregierung: Das, was dabei herauskommt, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Hier wird bei der Einsparung von Flächen nichts geschafft, sondern man geht in Datteln, in Waltrop in die Rieselfelder, eine sehr schöne große Naturfläche, teilweise bis in die Lippeaue hineinreichend.

Die Flächen haben eine wichtige Klimafunktion für den Ballungsraum südliches Ruhrgebiet, weil sie eine Kaltluftschneise sind, die an den heißen Sommertagen Kaltluft in das Ruhrgebiet bringt. Das wird im Zuge des Klimawandels immer wichtiger werden. Diese Schneise wird natürlich, wenn dort 300 ha Gewerbe hinkommen, in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Wenn man sich das wunderschöne Gebiet ansieht, hat es auch eine Naherholungsfunktion. Das ist im südlichen Bereich Münsterland und im nördlichen Bereich des Ruhrgebietes eine sehr, sehr schöne Landschaft, die man nutzen kann.

Ökonomisch muss man auch ganz klar sagen: Bei einer Kleinteiligkeit mit 3 ha ist das im Prinzip noch einmal so etwas wie das CentrO Oberhausen für Gewerbeflächen. Das heißt, es wird Kannibalisierungs- und Abzugseffekte aus den umliegenden Kommunen geben. Was letztlich arbeitsplatzmäßig

damit gewonnen wird, steht auch sehr infrage. Unklar ist auch, ob es sich wirtschaftlich trägt.

Wir möchten an der Stelle nur noch einmal festhalten: Das, was hier gemacht wird, steht in einem ganz eindeutigen Widerspruch zu anderen Zielen der Landesregierung. Es gibt ausreichende zur Verfügung stehende Flächen im Umland. Hier wird ohne Rücksicht auf die Landschaft und auf die wichtigen Erholungsfunktionen in wertvolle Grünbereiche hineingegangen, ohne dass es nötig wäre. Deswegen lehnen wir das Projekt ab. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die CDU spricht Kollege Hovenjürgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Priggen, normalerweise sind wir es gewohnt, dass Sie sehr gründlich recherchieren und wir dann einen wirklich fachlichen Dialog führen können. Die Informationen, die Ihnen vorliegen, entsprechen nicht den Sachverhalten, die wir dort in der Realität antreffen. Die Mengen an Flächen, die Sie beschrieben haben, stehen definitiv nicht zur Verfügung. Es gibt laut RAG Montan Immobilien GmbH im Emscher-LippeRaum nur drei Flächen, die größer sind als 10 ha und industriell nutzbar zur Verfügung stünden.

Letztendlich haben wir die Situation, dass 21 Städte und zwei Kreise das Vorhaben newPark unterstützen. Die von Ihnen beschriebene Kleinteiligkeit von 3 ha ist nur für einen eingeschränkten Bereich des Gebietes vorgesehen. Dort soll eine Modulhaftigkeit von Ansiedlungen erreicht werden. Es bilden sich Netze – das kennen wir heute bei großindustriellen Vorhaben –, indem Unternehmen andere Unternehmen mitbringen, die am Erzeugen des gemeinsamen Produktes beteiligt sind und dabei mitwirken, ein gemeinsames Produkt auf den Weg zu bringen. Diesen Ansiedlungen wollen wir dort eine Möglichkeit einräumen. Um nichts anderes geht es.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Eines ist auch korrekt: Seit dem Urteil zu Datteln wissen wir doch zumindest, dass industrielles Nutzen und Wohnen ein zumindest konfliktbeladener Bereich ist. Viele der Altflächen, über die wir reden, liegen im innenstädtischen Bereich, was die verkehrliche Erschließung, aber auch die Nutzbarmachung deutlich erschwert. Da dies so ist, stehen viele dieser Flächen definitiv zur industriellen Nutzung nicht zur Verfügung.

Wir brauchen diese Flächen des newParks, weil uns solch große Flächen im Ruhrgebiet definitiv nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach meinen Erkenntnissen, die vom Wirtschaftsförderer des Kreises Recklinghausen stammen, gibt es im Kreis

Recklinghausen keine 10 ha zusammenhängende Fläche zur industriellen Nutzung an einem Standort mehr. Das macht deutlich, dass wir den newPark brauchen, weil wir auch im Kreis Recklinghausen neue Arbeitsplätze brauchen.

73.000 Hartz-IV-Empfänger sind nicht etwas, worauf wir uns ausruhen sollten. Wir wollen sie nicht aufgeben, sondern neue industrielle Arbeit schaffen, gerade im Kreis Recklinghausen, im nördlichen Ruhrgebiet, wo der Strukturwandel jetzt bewältigt werden muss. Dort, wo er sich aktuell darstellt und stattfindet, brauchen wir diese Entwicklung.

Deswegen, meine Damen und Herren, ist der newPark für das nördliche Ruhrgebiet wichtig. Es ist einer von drei Standorten, die die Landesregierung für großindustrielle Entwicklungen lokalisiert hat. Da wir wissen, wie sich großindustrielle Entwicklungen heute entfalten – Zuliefererbetriebe müssen sich auch aus ökologischen Gründen direkt am Standort aufhalten –, haben die Beteiligten im Prozess gesagt: Ja, wir müssen auch Unternehmen von 3 ha und größer die Möglichkeit geben, sich an dem Unternehmenskomplex anzusiedeln, um an der Entwicklung teilhaben zu können.

Lange Rede, kurzer Sinn: Dieses Vorhaben, lieber Kollege Priggen, ist nicht überflüssig. Es ist zwingend für das Überleben in der Region.