Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Er sagt weiter:

Und ich wähle jetzt meine Worte bewusst: Ich wäre nicht unglücklich gewesen, wenn der Dezernent der Staatsanwaltschaft Wuppertal im Rahmen seiner Sachleitungsbefugnis das Verfahren mitunter etwas enger, mit einer etwas kritischeren Distanz und vielleicht auch gelegentlich mit etwas mehr Sensibilität und Fingerspitzengefühl begleitet hätte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Es wird noch besser.

Bezeichnend ist die Kritik des Kriminaldirektors Hermanns am Leiter der Ermittlungskommission. Den möchte ich wirklich wortwörtlich zitieren. Das steht im Bericht des Ausschusses auf Seite 84:

Ich finde einen Bericht vor, der nahezu ausschließlich oder überwiegend mit Zitaten der Zeugin Delpino gespickt ist. Hat Frau Delpino die Ermittlungen geführt? Ist sie die einzige Quelle der bisherigen Ermittlungsergebnisse? Oder ist diese Ausarbeitung lediglich als Anzeige (von Frau Delpino) zu verstehen? Warum wird die Rolle von Frau Delpino so unkritisch gesehen?

Weiterhin schreibt er:

Mit Verlaub, ich habe den Eindruck, die Vielzahl der Zitate sollen die eklatanten Mängel an sorgfältiger kriminalistischer Beweisführung und Argumentation überdecken.

Sorry, aber dieser Ermittlungsbericht ist einfach nur schlecht!

Unter Punkt 10 schreibt er:

Ich habe teilweise den Eindruck, bestimmte gewünschte Wahrnehmungen sollen durch tolldreiste Spekulationen erzwungen werden!

Warum machen wir nicht einfach zügig unsere Hausaufgaben???

Aber das geht noch deutlich weiter.

Mit dieser Einschätzung möchte ich auf den Verursacher des gesamten Verfahrens kommen, das MUNLV und die dortigen mit der Angelegenheit beschäftigten Mitarbeiter. Damit kommen wir zu den vielen Ungereimtheiten dieser Angelegenheiten, die wahrscheinlich nie endgültig aufgeklärt werden können.

Abteilungsleiter I, also der Leiter der Hauptabteilung, regt im Januar 2006 in Bezug auf Dr. Friedrich den Ministerialrat Dr. Günther – das ist der Mann für Recht und Ordnung in diesem Ministerium und der Justitiar – offiziell zum Sammeln an. Da schreibt die Hauptzeugin, Ministerialrätin Delpino, an den Staatssekretär Dr. Schink im Juni 2006 – das möchte ich auch gerne zitieren –:

Sehr geehrter Herr Dr. Schink, Nach Auskunft von Herrn Dr. Günther heute Nachmittag scheint ein strafrechtliches Verfahren gegen Herrn F.

also Dr. Friedrich –

momentan nicht eingeleitet werden zu können. Er „sammelt“ mit Frau Wender und Frau MeierMönnich allgemeine Verfehlungen. Eine abschließende Bewertung konnte er mir noch nicht mitteilen.

Jetzt gehe ich etwas weiter:

Hierzu dient ja auch das Gespräch mit Ihnen. Und zwar möchte ich Ihnen folgende Informationen geben: Beim AC-Verfahren gibt Herr Dr. F. die Interviewfragen und – antworten vorher weiter …

Und zwar an Frau Delpino, behauptet sie. Übrigens hat sich herausgestellt: Das war kein AssessmentCenter-Verfahren. Das war ein ganz normales Bewerbungsgespräch. Auf diesen Vorwurf hin, es wäre ein Assessment-Center-Verfahren, wird ein riesiger Popanz aufgebaut, bei dem es heißt, es wären Geheimnisse verraten worden, es wäre jemand bevorzugt worden.

(Zuruf von Wolfgang Schmitz [CDU])

Aber dazu komme ich gleich noch.

Es geht noch weiter: Ministerialrat Dr. Günther, der Mann für Recht und Ordnung – vor allen Dingen für Ordnung –, ermittelt in der Frage der Nebentätigkeit, obwohl er nach eigenem Bekunden überhaupt nicht zuständig gewesen ist. In Fragen der arbeitsrechtlichen Prüfung der Angelegenheit wird Herr Dr. Günther tätig, obwohl eine Referatsleiterin dafür zuständig gewesen wäre. Er macht es, sie darf es nicht.

Im weiteren Verfahren im MUNLV wird der Korruptionsbeauftragte völlig außen vor gelassen, obwohl Gerüchte weitergegeben werden, die vom LKA als Hinweis auf Korruption verstanden werden.

Es treffen sich Fronleichnam 2006 Dr. Günther und zwei weitere Ministerialräte. Zufälligerweise ist Frau Delpino auch im Haus. Es ist ein hoher katholischer Feiertag. Ich möchte Ihnen zu Ihren Mitarbeitern gratulieren, Herr Minister, die an Feiertagen so rege im Ministerium sind.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU])

Und dann ist zufälligerweise auch noch die Hauptzeugin des LKA da und redet mit darüber, wie man gegen Dr. Friedrich vorgehen kann.

Das hat übrigens auch der Mann für Recht und Ordnung, Herr Dr. Günther, noch viel besser beschrieben. Dr. Günther hat das Verhalten von Ministerialrätin Delpino zu der Frage „Anfrage des Landesrechnungshofs“ – das und ihre Hilfe für Dr. Friedrich dabei hat da gerade eine Rolle gespielt – zu ihren Gunsten als das Handeln eines Agent Provocateur qualifiziert. Da sagt der Mann für Recht und Ordnung: Die Frau durfte das ruhig machen, im Grunde genommen hat sie als Agent Provocateur gehandelt. – Also hallo, wenn das in diesem Ministerium Recht und Ordnung ist, …

(Lothar Hegemann [CDU] geht am Redner- pult vorbei Richtung Präsidium.)

Kommt er mich jetzt direkt hauen, oder was macht er jetzt da?

(Lothar Hegemann [CDU]: Keine Bange!)

Ist schon in Ordnung. Möchten Sie mitlesen? – Es wird noch besser:

Da bekommt Ministerialrätin Delpino durch das LKA Einsicht in Ermittlungsakten, die dem Rechtsbeistand von Dr. Friedrich nicht gegeben wurden. Das hat das Landgericht Wuppertal als rechtswidrig eingestuft.

Da bekommt der Staatssekretär Einsicht in seine Vernehmungsprotokolle beim LKA, bevor er vor dem PUA aussagt. Sehr ungewöhnlich, das hat sogar der Generalstaatsanwalt gesagt.

Da übermittelt Dr. Günther dem LKA Unterlagen, die gar nicht angefordert waren, und durchforstet persönlich 2.000 E-Mails im Ministerium.

Da informiert Dr. Günther das LKA unaufgefordert und unzuständigerweise über Gerüchte, die einen korruptiven Hintergrund beweisen sollen.

Da wird dem LKA von Dr. Günther unvollständiges und einseitiges Aktenmaterial zum arbeitsgerichtlichen Verfahren übermittelt. Obwohl vollständige Akten angefordert wurden, wurden die Entlastungsargumente nicht zugelassen.

Da gibt Ministerialrätin Delpino in der Frage der Finanzierung von MAPRO und der vorgeschriebenen Zweckbindung der Mittel der Abwasserabgabe – einem der Hauptpunkte der Ermittlungen – gutachterliche Stellungnahmen gegenüber dem LKA ab und wird für das LKA zur Hauptzeugin, ob

wohl sie später bei einer weiteren Vernehmung durch das LKA im Juni 2008 ihre bisherigen Aussagen einschränkt und bekundet, sie könne das nicht beurteilen, da sie keine Juristin sei.

Nebenbei bemerkt, die fachliche Beurteilung dieser Angelegenheit bezog das LKA aus Wikipedia und aus einem Gutachten einer noch nicht vollständig ausgebildeten Juristin, die zufälligerweise im LKA ihre Ausbildung vervollständigte.

All das sind die Grundlagen und die Ursachen dafür, dass am Schluss so ein Riesenaufwand betrieben worden ist. Es mag richtig sein, dass die Gerichte das auch so entschieden haben. Aber sind die Gerichte vom LKA und von der Staatsanwaltschaft eigentlich ordentlich informiert worden? Sind die Bedenken der Generalstaatsanwaltschaft und die Bedenken von Direktor Hermanns mit in die Ermittlungstätigkeit eingeflossen? – Ich glaube nicht.

Man muss einfach feststellen: Keiner hat die Mitarbeiter im MUNLV, ob als Einzelperson oder als Kommission Amtshilfe, mal gebremst. Keiner hat versucht, die handelnden Personen darauf hinzuweisen, dass sie sich eventuell rettungslos vergaloppieren. Keiner hat die Verhältnismäßigkeit geprüft. Keiner hat mal Verantwortung gezeigt. Keiner hat als Vorgesetzter so richtig Führung gezeigt. Keiner hat mal dafür gesorgt, dass das Disziplinarrecht angesetzt wird.

Aber auch im LKA wurden die Kritikpunkte an den Ermittlungen letztendlich nicht weiterverfolgt. Und bei der Staatsanwaltschaft Wuppertal hat die Generalstaatsanwaltschaft erst sehr spät Führung gezeigt.

Aber eines ist deutlich: Verantwortlich in diesem Ministerium sind mindestens Abteilungsleiter, Staatssekretär, aber politisch auch der Minister.

Lassen Sie mich noch ein paar andere Punkte dazu nennen:

Nicht nur, dass in dieser Angelegenheit im MUNLV ziemliches Chaos herrschte: Man muss feststellen, dass der Staatssekretär dem Parlament objektiv die Unwahrheit gesagt hat. Kollege Kutschaty hat als Ausschussvorsitzender die beiden Beispiele genannt.

Auch die Tatsache, dass dem LKA schon am Tag der Festnahme von Dr. Friedrich bekannt war, dass Kollege Remmel abgehört worden ist, ist bemerkenswert. Der Leiter der Ermittlungsgruppe will davon aber erst am 13. Juni 2008 erfahren haben. Aber erst nach Presseberichten Mitte August wurden die Gespräche angehört und ausgewertet. Trotz Löschungsverfügung waren noch in den PUAAkten Hinweise, Protokolle und Listen vorhanden. Das ist schon heftig.

Ich fordere den Innenminister auf, mal nachzuschauen, ob die gesamten Möglichkeiten, die er

technisch hat, danach juristisch wieder normal behandelt werden können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)