lepsiekrank. Die Mutter leidet unter starken Depressionen, weswegen sie auch schon häufig in stationärer Behandlung war.
Aber das alles interessiert die Ausländerbehörde nicht. Atteste unabhängiger – ich betone: unabhängiger – Ärzte, von Fachmedizinern, werden offenbar ignoriert. Auch hier geht es wieder nach Schema F. Wie kann die Familie flugfähig gemacht werden?
Dass der Junge während der Abschiebung einen epileptischen Anfall bekommen wird oder die Mutter im Flugzeug einen Suizid begeht, ist eher unwahrscheinlich. Was in der vermeintlichen Heimat, einem Land, das die Kinder noch nie gesehen haben, einem Land, das den Eltern viel Leid angetan hat, geschieht, kann uns ja auch egal sein.
Nein, meine Damen und Herren, das kann es nicht und darf es nicht sein. Wir müssen diese Menschen, schwer kranke, traumatisierte Flüchtlinge, schützen. Das ist unsere Pflicht als Mensch wie auch als Politiker. Solche Menschen dürfen nicht abgeschoben werden.
Die Reisefähigkeit von Flüchtlingen muss ausschließlich auf der Grundlage unabhängiger, fachärztlicher und aktueller Gutachten beurteilt werden. Ärztinnen und Ärzte, die diese Kriterien nicht einhalten, dürfen von den Ausländerbehörden nicht mehr beauftragt werden, Gutachten zur Feststellung der Reisefähigkeit von Flüchtlingen auszustellen. Dass es dazu eines Antrages hier im Hause bedarf, ist eigentlich beschämend.
Aber da dem nun einmal so ist, werden wir dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen selbstverständlich zustimmen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schneppe. – Jetzt hat für die FDPFraktion Herr Kollege Engel das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit dem Jahre 2002 steht dieser Punkt auf der tagespolitischen Agenda. Bereits 2002 hatte die Innenministerkonferenz das Thema, einen Pool von Ärzten zu schaffen, die sich auf Abschiebung spezialisieren, diskutiert.
In einem Artikel der „TAZ“ vom 07. Dezember 2002 mit der Überschrift „Innenminister einig: Bei Abschiebungen soll nur die ‚Flugtauglichkeit’ untersucht werden.“ wird Ihr rot-grüner ExBundesinnenminister Schily, Frau Düker, Frau Schneppe, wie folgt zitiert:
„Bundesinnenminister Schily betonte, allein die Ausländerbehörden dürften über etwaige Abschiebehindernisse entscheiden, auch wenn diese in der Gesundheit der Betroffenen begründet liegen. Ärzte könnten lediglich die Reisetauglichkeit attestieren. Das werde leider mitunter von Ärzten verwechselt und müsste der Bundesärztekammer deutlich gemacht werden.“
Der von Ihnen kritisierte Kriterienkatalog ist übrigens von 2004 und auch von der IMK. Damals war bekanntermaßen Fritz Behrens Innenminister.
Bereits im Jahre 2004 brachte Pro Asyl das Papier „Objektive Gutachter – oder willfährige Abschiebeärzte?“ – „Zur Qualität von Gutachten zweier Fachärzte, die im Auftrag nordrheinwestfälischer Ausländerbehörden erstellt wurden“, heraus.
Das Thema „Bescheinigung der Reisefähigkeit“ wurde zudem im Jahre 2005 hier im Landtag erörtert. Laut Arbeitsprogramm 2008 gehört es zu den Arbeitsschwerpunkten des Flüchtlingsrates Nordrhein-Westfalen e. V. im Jahre 2008, gezielt auf Landesebene die Rolle der Abschiebeärzte zu thematisieren. Ich füge ganz schlicht hinzu, Frau Kollegin Düker: Das machen sie. – Dies vorweg.
Liberale Innen- und Rechtspolitik setzt sich für die Bürgerrechte aller Menschen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen ein. Recht und Gerechtigkeit ist objektiv von den zuständigen Institutionen der Legislative und Exekutive sicherzustellen, auch wenn subjektiv der eine oder andere die Entscheidung in bestimmten Fällen bedauern mag.
Für die FDP ist klar, dass, soweit es gesetzlich normierte rechtsstaatliche Vorgaben und Verfahren gibt, diese einzuhalten und Vorbehalte grundsätzlich in dafür vorgesehenen Rechtsverfahren geltend zu machen sind.
Für besondere Härtefälle gibt es als zusätzliche Instanzen die Härtefallkommission beim Innenministerium Nordrhein-Westfalen und den Petitionsausschuss beim Landtag Nordrhein-Westfalen.
Werden gesundheitliche Beeinträchtigungen in einem Asylverfahren geltend gemacht, so ist zu unterscheiden zwischen sogenannten zielstaatsbezogenen Abschiebehindernissen, die in der Regel auf Bundesebene vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abschließend und für die Ausländerbehörden verbindlich festgestellt und gegebenenfalls gerichtlich überprüft werden.
In allen hier in Rede stehenden Fällen – in allen! – wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge festgestellt, dass im Zielstaat keine konkrete und erhebliche Gesundheitsgefahr besteht.
Daneben sind sogenannte inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen, also ob vom Vorgang der Abschiebung selbst Gesundheitsgefahren ausgehen, also insbesondere, ob Flugreisetauglichkeit für die Dauer des Fluges besteht.
Allein Letzteres obliegt den Ausländerbehörden. Es ist ihnen freigestellt – dies war auch unter RotGrün so –, ob sie sich an Mediziner im öffentlichen Gesundheitswesen oder an frei praktizierende Ärzte, an Allgemeinmediziner oder Fachärzte, wenden. Es sind schwierige Entscheidungen, vor die die Mitarbeiter der Ausländerbehörde gestellt werden, wenn es um sogenannte inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse geht. Wohl wahr!
Es ist völlig selbstverständlich, dass ein Rechtsstaat wie Deutschland die medizinisch-ethischen Standards bei der Abschiebung tatsächlich kranker Flüchtlinge gewährleisten muss. Es ist aber auch leider Fakt und sicher aus individueller Sicht auch nachvollziehbar, dass in einer gewissen Anzahl von Fällen eine Krankheit oder deren akute Schwere als letztes Mittel gegen eine drohende Abschiebung vorgebracht werden. Hier objektiv richtig zu entscheiden, ist eine verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe.
Der Arzt am Flughafen, der die Personen begutachtet, ist keine Superrevisionsinstanz, sondern hat lediglich zu prüfen, ob zum konkreten Zeitpunkt akute Reisefähigkeit von A nach B besteht, etwa wegen der Sitzdauer oder des zweimaligen Druckunterschieds. Wir reden also von einem Flug, wobei gegebenenfalls auch eine Liegendabschiebung in Betracht kommt. Ein Arzt muss völlig nüchtern und neutral nach ärztlichen Vorgaben und am Standesrecht orientiert beurteilen,
(Monika Düker [GRÜNE]: Abschiebung um jeden Preis ist das, Herr Engel! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Menschenverachtend!)
ob der Patient dies schadlos übersteht oder nicht. – Hier ist eine Rednerliste. Vielleicht tragt ihr euch da ein.
Wenn in den Medien ein Fall von Mitte 2007 genannt wird, bei dem ein türkischer Flüchtling im Toilettengang des Düsseldorfer Flughafens untersucht worden sein soll, so ist das Verhalten zu Recht vom Bundesgrenzschutz als völlig inakzeptabel gerügt worden.
Auch wenn hier durch Formulierungen eines bestimmten Arztes in einem Schreiben der Eindruck erweckt wird, er habe sich aus vorwiegend ökonomischen Gründen das Geschäftsfeld Flugreisebescheinigung ausgesucht und lege bei Reisefähigkeitsbegutachtungen einen fragwürdigen Maßstab zugrunde, wird das zu Recht von der zuständigen Ärztekammer kritisiert.
Auch wenn Vorwürfe im Raum stehen, er habe sich einen Patienten nicht aktuell, sondern zuletzt vor sieben Monaten angeschaut, so muss dies untersucht und gegebenenfalls geahndet werden.
Auch hier verteidigen die Liberalen den Rechtsstaat. Vorwürfe müssen belegt und bewiesen werden. Eine Aufarbeitung darf nicht im Wege einer öffentlichen, politischen und medialen Vorverurteilung erfolgen. Wenn jemand falsche Gutachten erstellt, ist das justiziabel. Wenn jemand gegen ärztliches Standesrecht verstößt, ist die Ärztekammer, hier von Nordrhein-Westfalen, gefragt. Diese betont aber in diesem konkreten Fall, dem Arzt sei bislang formal nichts anzulasten gewesen. Auch die Gerichte haben bislang die Gutachten des Arztes ausdrücklich als objektiv bewertet, wie Sie dem Bericht des Innenministeriums im Innenausschuss entnehmen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grünen stellen seit dem Regierungswechsel 2005 gerne Abschiebemaßnahmen pauschal und an sich als unmenschlich dar und unterschlagen dabei, dass die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Innenminister Schily und die rot-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalen in ihrer Regierungszeit einen strikten Abschiebekurs gefahren haben. Noch im April 2005 hatte die rot-grüne Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen in Drucksache 13/6430 die Auffassung vertreten, dass eine gesetzliche Ausreiseverpflichtung, soweit ihre Erfüllung nicht freiwillig erfolgt, von den zuständigen Ausländerbehörden durchgesetzt werden müsse, gegebenenfalls auch unter Anwendung unmittelbaren Zwangs und bei Jugendlichen selbst kurz vor dem bevorstehenden Schulabschluss.
Die in Rede stehende Person – ich nenne sie einmal H. – hat es allein zu verantworten, dass sie nicht nur einen Flug nach Armenien absolvieren musste, sondern, nachdem sie auf dem Flughafen in Armenien plötzlich einen russischen Reisepass vorlegte und daraufhin die dortige Behörde natürlich die Einreise verweigerte, einen weiteren Flug, nämlich zurück nach Deutschland. Hiergegen, Frau Düker, richtet sich Ihre Kritik leider nicht.
Mir ist auch nicht die Tatsache bekannt, dass sich die Person H. gegen den Rückflug nach Deutschland gewehrt hätte, weil sie eventuell reiseuntauglich gewesen wäre.
Ich zitiere noch einmal ganz kurz – ich habe nämlich nur noch ein paar Sekunden – aus dem vom Innenminister in der Sitzung des Innenausschusses gegebenen Bericht. Hier wird wieder von der Person H. gesprochen.
„Für die Person lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den gestellten Asylantrag mit Bescheid vom 22.01.2002 ab und forderte ihn unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise auf.“
Jetzt verkürze ich das Ganze. – Fünf Jahre lang haben alle Gerichte ausgeurteilt, und am Ende ist er nach fünf Jahren abgeschoben worden. Obwohl er wusste, dass die Abschiebung unausweichlich war, sind dann noch die Kinder und die Ehefrau nachgezogen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung für Herrn Innenminister Dr. Wolf, der an der Innenministerkonferenz teilnimmt, Frau Ministerin Müller-Piepenkötter.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In dem Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen wird behauptet, medizinisch-ethische Standards seien bei der Abschiebung in Nordrhein-Westfalen nicht gewährleistet.
durch ihre Entscheidungen auch bestätigen können, dass das Handeln der Ausländerbehörden nicht zu bestanden ist.