Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Herr Nettelstroth, ich will nicht auf Ihre Rede eingehen, sondern nur eines klar und deutlich sagen: Diese Landesregierung steht zu der Vereinbarung aus dem letzten Jahr mit den kommunalen Spitzenverbänden. Wir werden den Kommunen in Nordrhein-Westfalen aus dieser Vereinbarung nichts schuldig bleiben. Derartige Unterstellungen, Herr Nettelstroth, sind unredlich.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vieles haben meine Vorredner schon gesagt. Das Land unterstützt die Kommunen bei der Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme mit fast 2 Milliarden €. Wir sind dabei, mit den Kommunen die tatsächliche Zahl der Flüchtlinge zum 1. Januar gerade abzustimmen. Der Betrag wird sich noch einmal erhöhen. Wir stehen zu dem, was wir gesagt haben: Dieses Flüchtlingsaufnahmegesetz ist das kommunalfreundlichste Flüchtlingsaufnahmegesetz aller Zeiten, Herr Nettelstroth.

Zukünftig werden Kommunen auch nicht irgendwelche Summen vorfinanzieren müssen. Das Geld folgt den Köpfen. Das macht deutlich: An diesem Gesetz können Sie es erkennen, Herr Nettelstroth: Das Land ist ein fairer Partner der Kommunen in NordrheinWestfalen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich dann die Debatte zum Tagesordnungspunkt 8 schließen.

Wir kommen zur Abstimmung. Erstens. Der Innenausschuss empfiehlt in Drucksache 16/11904, den Gesetzentwurf Drucksache 16/11251 anzunehmen. Deshalb führen wir jetzt die Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst und nicht etwa über die Beschlussempfehlung durch. Wer also dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die Piraten. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis der Gesetzentwurf Drucksache 16/11251 angenommen und in zweiter Lesung verabschiedet.

Damit kommen wir dann – zweitens – zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11228. Wer dem Antrag selbst und nicht etwa der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDU. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten.

Demzufolge frage ich jetzt nach den Enthaltungen, die bei der FDP zu verzeichnen sind. Mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis ist damit der Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11228 abgelehnt.

Wir kommen zur dritten und letzten Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Dieser trägt die Drucksachennummer 16/11310. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Piraten. Wer enthält sich? – Demzufolge die CDU-Fraktion.

Mit dem eben festgestellten Abstimmungsergebnis ist der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11310 ebenfalls abgelehnt, und wir sind am Ende des Tagesordnungspunktes 8.

Ich rufe auf:

9 Steuergerechtigkeit herstellen – Taten statt

Worte – mehr Betriebsprüfer jetzt!

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/11886

Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion hat Herr Kollege Schulz das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und daheim! Der Titel unseres Antrags „Steuergerechtigkeit herstellen – Taten statt Worte – mehr Betriebsprüfer jetzt!“ spricht für sich. Da braucht es im Prinzip keine weitere Erläuterung. Man muss den Antrag lesen, aber vielleicht noch die eine oder andere Begründung für die geneigten Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Saal, insbesondere, warum wir Piraten das so sehen, wie dargestellt.

In unserem Antrag haben wir besonders herausgearbeitet, worauf es nämlich in der aktuellen Debatte ankommt. Was macht die SPD daraus? Gut, sie muss sich nicht drum kümmern. Sie kann aber dann wie gestern nach der Klausurtagung der Fraktionen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verkünden: „Wiedereinführung der Vermögenssteuer“, und dann die Koketterie mit dem alten Wahlspruch der Linken: Reiche mehr besteuern. – Die

Bundestagswahl wirft ihre Schatten voraus, selbstverständlich auch die Landtagswahlen in NordrheinWestfalen und Schleswig-Holstein.

Aber das ist eben Bundespolitik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Bleiben Sie doch einfach im Land und unterstützen Sie unseren Antrag! Denn wenn Sie unseren Antrag unterstützen, dann tun Sie etwas Gutes.

Selbst der Abgeordnete Abel mit seinen Grünen forderte genau das – zumindest etwas in diese Richtung Gehendes –, ausgehend von einer konkreten Zahl – er sprach von 2.000 – im Februar dieses Jahres. Er ist damit wesentlich näher an dem Problem als die Koalitionspartnerin SPD und allemal näher als die Landesregierung, wie es im Moment zumindest, vorbehaltlich der abschließenden Vorlage eines Haushaltsentwurfs für 2017, aussieht.

Da stört es mich auch nicht, dass Kollege Abel bei der Anhörung zum Haushalt 2016 sicher genau zugehört hatte, als ich genau dieses Thema, nämlich mehr Betriebsprüfer, beim Chef der Deutschen Steuergewerkschaft Nordrhein-Westfalen, Lehmann, intensiv hinterfragt hatte.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Deswegen weiß ich eigentlich die Grünen an unserer Seite. Das finde ich besonders gut.

Egal, Herr Finanzminister, ob Panama Papers, LuxLeaks oder Steuer-CDs – die ganze Welt redet jetzt über Steuergerechtigkeit, Sie, Herr Finanzminister, schon länger, hier im Landtag immer schon. Das ist auch gut. Nur: Steuergerechtigkeit ist keine Sache von Leaks, sondern eine Frage des Steuervollzugs. Steuergerechtigkeit bedeutet nämlich nicht, dass es durch willkürliche und teils mutige Taten von Einzelpersonen zur Aufdeckung von Straftaten wie zum Beispiel Steuerhinterziehung kommt, sondern dass sich Bürgerinnen und Bürger eines Landes sicher sein können, dass der Rechtsstaat auch Recht durchsetzt, in diesem Fall Steuerrecht.

Es sind nicht die Beamtinnen und Beamten in der Steuerverwaltung – sie leisten das in ihren Kräften stehende Mögliche, und das sogar in einem als gut zu bezeichnenden, vielleicht sogar als sehr gut zu bezeichnenden Umfang, aber sie kämpfen auf verlorenem Posten. Rund 45.000 Betriebsprüfungen in einem Jahr, stehen fast 1,8 Millionen Betriebe in Nordrhein-Westfalen gegenüber. Das heißt, mehr als 95 % aller Betriebe werden nicht geprüft, weil sie mangels ausreichenden Personals nicht geprüft werden können.

Bei dieser Quote reicht der Dreisatz, um die im Antrag erwähnten Zeiträume von Betriebsprüfungen zu errechnen und zu wissen, dass Jahr für Jahr zig Milliarden Euro Steuern dem Fiskus in Nordrhein-Westfalen entgehen.

Da nützt es eben nicht, wie Anfang 2015 in einer Pressemitteilung des Finanzministeriums geschehen, die gute Rolle NRWs bei den Betriebsprüfungen im Ländervergleich hervorzuheben. Da muss es einfach heißen, Herr Finanzminister: „Das Bessere ist der Feind des Guten“, oder ausnahmsweise an dieser Stelle: „Mehr bringt mehr.“ Denn jeder Prüfer erbringt ein Mehrfaches seiner hierfür aufzuwendenden Personalkosten, selbst bei Beachtung von Grenznutzen.

Bevor man also Weltfinanzpolizei spielt, sollte man seine Hausaufgaben machen. Sorgen Sie, Herr Finanzminister, für mehr Personal im eigenen Haus! Wir brauchen größere Ausbildungskapazitäten. Wir waren mit dem Haushalts- und Finanzausschuss in Nordkirchen und wissen, dass auch die dort in der Ausbildung am Anschlag arbeiten. Bauen Sie daher Ausbildungskapazitäten auf! Wir brauchen flexible Lösungen, ergänzend und parallel dazu, weil Menschen, die eigentlich in Pension oder Rente gehen würden und die Qualifikation aufweisen, zur Verfügung stehen können. Hier bedarf es der Herstellung von Anreizsystemen.

Gerade hier haben wir zuletzt gesehen, wie leicht das möglich ist. Ich erinnere an das Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes, verabschiedet am 16. März dieses Jahres hier in diesem Plenum. Gerade gestern wurde auf Bundesebene gemeinsam mit der SPD die Flexi-Rente beschlossen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, erklären Sie den Menschen heute einmal, wie die regelmäßige Prüfung der von Ihnen beschlossenen Vermögensteuer durchgeführt werden soll, …

Die Redezeit.

… während wir schon heute ohne die Vermögensteuer grüne Wochen in den Finanzämtern haben. Wir brauchen mehr Personal – das steht im Antrag. Stimmen Sie ihm zu!

Nun weiß ich nicht, was der Finanzminister gleich hier verkündet. Aber ich glaube, die Grünen sind da dem Finanzminister etwas voraus. Ich hoffe doch sehr, dass Herr Kollege Abel, der auch gleich reden wird, hier nicht gleich eine Rolle rückwärts gegenüber seiner Forderung aus Februar vollziehen wird.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Das kann ich gar nicht!)

Der Beschlussteil unseres Antrags ist bewusst …

Die Redezeit.

… weich gehalten. Wir fordern nichts, was der Finanzminister nicht einhalten könnte. Dieser Antrag wäre ein wichtiges Zeichen für die Menschen in diesem Land, das aufzeigt, wie wichtig uns das Wort „Steuergerechtigkeit“ ist, dem nunmehr Taten folgen müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Schulz. – Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Gebhard das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Als ich Ihren Antrag, Kollege Schulz, in den Händen hielt und die Überschrift gelesen habe, dachte ich: Steuergerechtigkeit herstellen? – Ja, natürlich. Taten statt Worte: immer gut. Mehr Betriebsprüfer jetzt? – Ja, gerne, zum Beispiel in Bayern.

In Ihrer Sachverhaltsdarstellung im Antrag, anders, als Sie es vorhin versucht haben, beziehen Sie sich einerseits auf die bundesweite Betriebsprüfungsstatistik und andererseits auf ein Interview in der „SZ“ mit Dieter Ondracek, dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft.

Schaut man in das Interview, fällt einem zunächst die Überschrift ins Auge. Sie lautet: Bayern wird zur Steueroase.

Außerdem gibt es eine interessante Passage, die herausstellt, dass die bayerische Praxis konsequente Bundesländer wie – aufgemerkt! – NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz bestrafe. Die Bundesregierung müsse per Gesetz harte Kontrollen von allen Ländern einfordern und Bayern das von der Bund-Länder-Kommission geforderte Stellensoll in der Finanzverwaltung um 15 %aufstocken.

Auf die Situation in Nordrhein-Westfalen gehen Sie in Ihrem Antrag mit keinem Wort ein, nur in Ihren Forderungen. Dabei würde es sich doch lohnen, auf Nordrhein-Westfalen einzugehen, zumal NordrheinWestfalen seit dem Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung der aktivste, erfolgreichste und entschlossenste Kämpfer für Steuergerechtigkeit in Deutschland ist.

Seit Regierungsantritt 2010 haben wir die Zahl der Ausbildungsplätze in der Finanzverwaltung für den mittleren und gehobenen Dienst von 620 im Jahr 2010 auf jetzt 977 erhöht. Das ist eine Steigerung um 57 %.

Gleichzeitig haben wir 200 zusätzliche Stellen der Betriebsprüfung zugewiesen – aus genau den Gründen, die Sie vorhin hergeleitet haben. Das bringt

ganz konkrete Mehreinnahmen für Deutschland und für Nordrhein-Westfalen.

Durch Betriebsprüfungen wurden im Jahr 2014 in Deutschland knapp 18 Milliarden € mehr Steuern inklusive Zinsen eingenommen. Von diesen 18 Milliarden wurde mehr als ein Drittel in Nordrhein-Westfalen erzielt. Wir haben also bei einem Bevölkerungsanteil von großzügig gerechneten 22 % an der Gesamtbevölkerung über 33 % der besagten Steuermehreinnahmen durch gute und flächendeckende Betriebsprüfungen generiert. Davon profitieren der Bund und die anderen Länder – auch Bayern.

Mit mehr als 3.600 Steuerprüfern für die allgemeine Betriebsprüfung stellen wir übrigens auch mehr als 27 % der 13.000 Prüfer im gesamten Bundesgebiet. Hinzukommen mehr als 1.000 Stellen bei der steuerlichen Außenprüfung.

Obwohl Sie nur die bundesweite Situation reflektieren und nicht die in NRW formulieren Sie nicht etwa Anforderungen an den Bund, sondern an NordrheinWestfalen. Offenbar wollen Sie, dass sich NordrheinWestfalen noch mehr von den anderen Bundesländern absetzt.