Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der neuen Landesbauordnung ist ein weiterer Aspekt ist zu nennen: Meines Erachtens gehört eine spezielle Förderung nicht in die Landesbauordnung. Die Landesbauordnung ist Baurecht, sie ist Ordnungsrecht, und sie ist Gefahrenabwehr – sie ist jedenfalls kein beliebiges politisches Gestaltungsinstrument.

Es gibt jedoch einen Punkt, den man durchaus einmal ansprechen kann. Herr Kollege Klocke hat ja auf die Frage abgehoben, was wir denn für die Landesbauordnung vorschlagen würden. Die Genehmigungsfreistellung wird herausgenommen. Jetzt bin ich als Architekt selbst kein großer Freund der Genehmigungsfreistellung.

Diejenigen Bauträger jedoch, die viele Reihenhäuser für Familien bauen, könnten, wenn es die Genehmigungsfreistellung weiterhin gäbe, nach wie vor viel kostengünstiger und schneller arbeiten. Das würde pro Haus eine Ersparnis in Höhe von 700 € bis 1.000 € bedeuten – 700 € bis 1.000 €, die eine Familie weniger für ihr Eigenheim zahlen müsste.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was bei allen Zahlenspielereien leider immer wieder verschwiegen wird – darauf habe ich vorhin schon hingewiesen –, ist die Absenkung der Eigentumsförderung. Die Eigentumsförderung wurde im Jahr 2015 drastisch auf 32,4 Millionen € gesenkt. Das ist ein historischer Tiefstand und nur noch ein Bruchteil der 566,8 Millionen €, wie sie im Jahr 2010 unter der CDU-geführten Landesregierung zur Verfügung standen.

Wenn Sie uns schon nicht als Vorbild nehmen wollen, dann nehmen Sie doch zumindest sich selbst als Vorbild. Während der Alleinregierungszeit der SPD

im Jahr 1991 betrug die ach so böse Eigentumsförderung noch 467 Millionen €. Wir können auch die Grünen dazu nehmen und sie mit verhaften: Unter der rot-grünen Regierung im Jahr 2005 waren die Grünen noch mit 435 Millionen € dabei. Bei alledem, was Sie heute für böse erklären, waren Sie selbst seinerzeit mit dabei. Heute existiert nur noch ein ganz kläglicher Faktor dessen; man kann noch nicht einmal den Faktor 10 anlegen.

Es ist meiner Meinung nach mehr als fahrlässig, wenn wir hier ständig über Wohnungsknappheit reden und dabei bestimmte Förderungen wie die Eigentumsförderung ganz außen vor lassen. Alleine mit der Sozialwohnungsförderung werden wir es nicht schaffen. Deshalb ist es fahrlässig, das Instrument der Eigentumsförderung als Entlastung außen vor zu lassen.

Wir wissen natürlich, dass Sie im Zusammenhang mit der Eigentumsförderung immer gern Ihr Feindbild von dem Häuschen auf der grünen Wiese kultivieren. Aber damit verkennen Sie die vielfältigen Möglichkeiten, die in der Eigentumsförderung auf dem Wohnungsmarkt gerade für Familien mit Kindern bestehen. Wir müssen neue kreative Ansätze suchen, die wir im Ausschuss erarbeiten können.

Ich möchte Ihnen ein paar konkrete Beispiele nennen. Dazu zählt die Umnutzung von ererbtem Wohneigentum und Grundstücken; das haben wir im Antrag eindeutig formuliert. Dazu zählen weiterhin die Beteiligung an Bauherrengemeinschaften, der Erwerb von größeren oder kindergerechten Eigentumswohnungen in den Ballungsräumen, die Sie so gerne thematisieren – dort werden wir demnächst übrigens gute CDU-Erfolge erzielen, weil das den Leuten wirklich nahegeht –, sowie der Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Wenn all das nicht mehr als Eigentum gefördert werden soll – was denn dann?

Hinzu kommt noch eine besondere Problematik, und darüber kann eine verantwortliche Politik nicht hinwegsehen. In unseren Gemeinden – auch in den größeren – wohnen immer weniger Familien mit Kindern in den inneren Ortslagen. Familien mit Kindern gehören aber in die Mitte der Gesellschaft, und nicht an den Rand. Es kann uns in vielerlei Hinsicht eben nicht gleichgültig sein, dass diese Entwicklung voranschreitet.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Der Verlust des sozialen Gefüges und die schlechtere Ausnutzung schon vorhandener Infrastruktur sprechen dabei Bände. Bei diesen inneren Ortslagen, die durchaus auch in größeren Städten anzutreffen sind, ist aber das Wohneigentum traditionell im kleinteiligen Privatbesitz.

Das heißt: Hier kann ich nur dann fördern, wenn ich mich auch zum Eigentum bekenne. Die rot-grüne

Landesregierung aber vernachlässigt zurzeit das Instrument der Eigentumsförderung und vernachlässigt damit auch diese Entwicklung. Die Tendenz, von der Frau Philipp bereits gesprochen hat, wird dadurch eher befördert als bekämpft.

Damit verspielt Rot-Grün den entscheidenden Hebelfaktor für die Schaffung und Erhaltung von gut erschlossenem Wohnraum, der ohne weiteren Flächenverbrauch, Herr Klocke,

(Beifall von Werner Lohn [CDU])

und ohne die Schaffung zusätzlicher neuer Infrastruktur möglich wäre.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Was nutzt uns hier das Gerede von Dörfern in der Vertikalen, wenn unsere Dörfer und Gemeinden in der Fläche aussterben?

Der weitaus größte Teil des nordrhein-westfälischen Wohneigentums ist in Privat- und damit im Familienbesitz. Das beinhaltet Zukunftsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und private Vermögensbildung für Generationen. Wir erwarten, dass die Landesregierung diese Tatsache nicht weiter ignoriert, und hoffen auf eine konstruktive Diskussion in den Ausschüssen.

Ich spüre bei Ihnen einen tiefen Ärger darüber, dass Sie diesen Antrag nicht selbst gestellt haben. Das klang so ein bisschen durch.

(Beifall von der CDU)

Das ist, glaube ich, das Resümee dieser ganzen Geschichte. Das sage ich aber durchaus mit einem Augenzwinkern. Da schenken wir uns nichts. Ich hoffe trotzdem, dass aus dem Ärger auch eine Motivation erwachsen kann und wir in der Ausschussdebatte, vielleicht auch bei einer Anhörung, vertiefter in die Thematik einsteigen können; denn die kinderreichen Familien haben es verdient. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Hausmann. – Dann wollen wir mal sehen, ob der nächste Redner das auch so sieht. Für die SPDFraktion spricht Herr Kollege Ott. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Wilhelm, wir sind beide Väter von jeweils drei Kindern. Mit drei Kindern ist man vielleicht noch nicht ganz kinderreich, aber die Situation ist oft schon ähnlich. Von daher haben wir da eine gemeinsame Lebenserfahrung.

Ich will jedoch ganz am Anfang beginnen. Herr Kern, Sie haben scheinbar Ihre eigene Zeitung nicht gelesen. In der „Lippischen Landes-Zeitung“ vom 12./13.

März stand: NRW fördert den sozialen Wohnungsbau: Viele Bundesländer haben die Wohnungskrise verschärft, NRW dagegen hat die meisten Neubauten und die Förderkonditionen verbessert.

(Beifall von Minister Michael Groschek)

Hätten Sie mal Ihre eigene Zeitung gelesen, Herrn Kern, dann wären Sie auch informiert! So viel erst mal dazu.

(Zurufe von der CDU)

Zurück zu den Mehrkindfamilien. Ich finde, dass unser Kollege von den Piraten vollkommen recht hat. Wenn Sie nämlich wirklich etwas für die Mehrkindfamilien tun wollen, dann sollten wir uns mal darüber unterhalten, welche Probleme es da gibt. Dazu kann ich Ihnen einiges sagen.

Erster Punkt. Sobald man das dritte Kind hat, fangen die Probleme beim Auto an. Die meisten Autos nennen sich „Fünfsitzer“, sind aber gar keine Fünfsitzer. Dann geht es weiter: Welche Gebühren zahlt man in der Kita und später im schulischen Bereich, egal ob das den Ganztag betrifft oder die Studiengebühren? Das hat auch schon der Minister gesagt: Gerade beim Thema „Beitragsfreiheit“ ist die CDU ganz vorn.

Ein weiterer Punkt: Sportvereine. Wissen Sie eigentlich, wie lange man allein in meiner Stadt mittlerweile warten muss, um als Familie überhaupt einen Platz im Sportverein oder im Schwimmverein zu bekommen?

Das sind die Probleme, über die sich Menschen mit mehreren Kindern aufregen. Wer erst mal in einem der Zoos in Nordrhein-Westfalen den Eintrittspreis für eine fünfköpfige Familie berappt hat, der weiß, dass man zu einer Mittelschichtsfamilie gehören muss; denn ansonsten kann man sich das gar nicht leisten.

Deshalb: Wenn wir über Mehrkindfamilien reden, bin ich sehr gerne dabei. Was aber nicht geht, ist so ein vorgeschobenes „Blabla“ in der Überschrift, und nachher interessiert sich keiner mehr dafür.

Zweiter Punkt. Worum ihr euch wirklich kümmern solltet und wovor ihr euch als CDU die ganze Zeit gedrückt habt, ist die Klärung der Frage: Wo leben die meisten Großfamilien? Wo wohnen die meisten Kinder in Nordrhein-Westfalen?

Die meisten Kinder in Nordrhein-Westfalen wohnen nachgewiesenermaßen in den Quartieren, mit denen wir uns in der Enquetekommission – Stichwort: „Heuschrecken“ – intensiv beschäftigt haben, nämlich in Großsiedlungen, in denen bestimmte Vermieter das Eigentumsrecht mit den Füßen treten, die Wohnungen verkommen lassen und über Jahre nicht investiert haben.

Wir können das nachweisen. Das sind die Viertel mit der größten Vielfalt. Das sind die Viertel mit den

meisten Kindern und mit den meisten armen Menschen. Ihr habt hier wörtlich erklärt: Dieses eine Prozent des Wohnungsbestandes ist irrelevant. Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern. Das interessiert uns überhaupt gar nicht.

Dann stellt ihr euch hierhin und sagt: Wir müssen etwas für Familien mit vielen Kindern tun. – Aber: Wer A sagt, muss auch B sagen. Dann tut bitte etwas für alle Familien mit Kindern, nicht nur für die Kinder von Landtagsabgeordneten, sondern insbesondere für die Masse der Kinder in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Dritter Punkt. Ihr beklagt euch darüber, dass es zu wenige geförderte Wohnungen gibt. Aber was der Minister hier gesagt hat, ist doch die bloße Realität. Ich wette: Wenn wir heute in unseren Wahlkreisen nachfragen – und das gilt sicher auch für das Publikum auf der Tribüne –, werden wir hören, dass die meisten Menschen den sozialen Wohnungsbau mit Problemimmobilien verbinden, wo Asis wohnen und alle anderen terrorisieren.

Das ist das Bild, das über Jahre aufgebaut worden ist. Wir haben mühsam versucht, dafür zu kämpfen, dass man über den Begriff „geförderter Wohnungsbau“ eines deutlich macht: Preiswerter Wohnraum bedeutet, dass in einer Stadt wie Düsseldorf oder Köln und mittlerweile in vielen anderen Städten weit über 50 % der Einwohner einen Wohnberechtigungsschein haben. Das sind viele ältere Menschen; das sind Studierende; das sind Familien mit Kindern.

Wenn Sie als CDU-Fraktion jetzt mit auf unserer Seite kämpfen und sagen: „Ja, wir wollen geförderten Wohnraum; ja, es gibt bestimmt auch problematische Mieter, aber die Mehrheit derer, die einen Wohnberechtigungsschein haben, braucht preiswertigen Wohnraum“, – ja, dann halleluja! Dann wären wir einen riesigen Schritt weiter. Dann hätte die CDU endlich etwas kapiert. Insofern bitte ich Sie, hier der Wahrheit die Ehre zu geben.

Vierter Punkt. Herr Klocke hat es hier zu Recht angesprochen: Die christlich-demokratische Union regiert in vielen Kommunen des Landes. Überall hat man uns jahrelang erklärt – ich kann die Bürgermeister einzeln nennen –: Wir bauen nicht mehr. – Es gibt sogar Ratsbeschlüsse, wo es klar heißt: Nein, wir wachsen nicht. – Das ist doch der Wahnsinn! Das kann ein CDU-Bürgermeister ja ruhig sagen: Wir wachsen nicht. – Der kann ja einfach gegen die Realität Politik machen; das ist vollkommen klar.

Lassen Sie mich ein aktuelles Beispiel nennen: Die CDU in meiner Heimatstadt Lindenthal beschließt in der Bezirksvertretung: Ja, wir brauchen Wohnraum in Köln, aber nicht in Lindenthal. Überall kann man Wohnungen bauen, aber doch bitte nicht in Lindenthal! Unser Dorf soll bleiben, wie es ist. – Ein prominenter Vertreter dort – er heißt Konrad Adenauer und

ist der Vorsitzende des Haus- und Grundbesitzervereins – erklärt: Nein, überall kann man bauen, aber nicht in Köln-Lindenthal.

Solange ihr da nicht eine klare Positionen vertretet, auch vor Ort in den Kommunen, und sagt: „Wir sind für mehr Wohnraum“, könnt ihr euch nicht hierhinstellen und den Minister angreifen.