das kommt manchmal in Ihren Debattenbeiträgen vor –, wie angemessen, wie verhältnismäßig, wie sinnvoll das eine oder andere Mittel ist. – Das ist doch eine etwas komplexere Frage. Nichtsdestotrotz haben Sie durchaus immer wieder Anlass geboten, darüber zu diskutieren.
Ich meine, man sollte diese Debatte auch auf einer übergeordneten Ebene fortführen, wo dann diese Fragen durchaus instruktiv sein können.
Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern, dass wir uns im Innenausschuss mit einem eigenen Antrag zur Aufstellung einer Erhebungsmatrix zur Erfassung zusätzlicher Daten bemüht haben, Grundlagen für die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit von Funkzellenabfragen zu schaffen. Sie haben das, glaube ich, leider mit abgelehnt.
Lieber Kollege Herrmann, selbstverständlich erinnere ich mich an alle Anträge der Piratenfraktion, die wir in dieser Legislaturperiode im Innenausschuss beraten haben,
an einige lieber und an andere weniger gerne. – Jetzt konkret zur Erhebungsmatrix: Sie haben den Antrag ja schon nach dem ersten Durchgang dieser Großen Anfrage gestellt, und er ist kürzlich noch einmal aufgerufen worden. Auch das war letzten Endes wieder der Versuch – wenn auch auf einer etwas anderen Datengrundlage, zugestanden –, über quantitative Erhebungen die Wirksamkeit dieser verschiedenen Instrumente, die hier in Rede stehen, jeweils zu beleuchten. Das, glaube ich, geht tatsächlich nicht. Denn bei der Komplexität in so einem Verfahren können Sie nicht sagen: Dadurch, dass wir vielleicht nur 100 Ortungsimpulse geschickt haben, aber nicht 1.000 Ortungsimpulse geschickt haben,
ist das jetzt zu dem einen oder anderen Erfolg gekommen oder nicht gekommen. – Das ist einfach schwierig, zumal man die Realität nicht unter Laborbedingungen untersuchen kann und auch nie die Alternativhypothese verfolgen kann. Von daher: Auch bei anderer Erhebungsgrundlage, muss ich da einfach sagen, ist das schwierig.
Wenn wir uns jetzt die Zahlen im Einzelnen angucken, sehen wir ja auch, dass die Volatilität zum Teil in den einzelnen Bereichen sehr, sehr groß ist. Wir haben uns die Schwankungen gerade bei Funkzellenabfragen angeguckt. Da gibt es eine gewisse Zunahme vom letzten Jahr auf dieses Jahr. Die kann man aber im Grunde genommen an einem Deliktsbereich, nämlich beim Bandendiebstal, festmachen. Bei allen anderen sind die Entwicklungen einigermaßen ausgeglichen. Da bieten sich Nachfragen durchaus an.
Es gibt deutlich weniger Stille SMS. Das lässt sich möglicherweise schlicht durch Veränderungen bei anhängigen Verfahren erklären, gerade die großen Schwankungen in den großen Zahlen. Das zeigt aber nichtsdestotrotz, dass dieses Mittel durchaus verant
wortungsvoll eingesetzt wird bei der nordrhein-westfälischen Polizei, dass man sich eben fragt: Bringt dieses Mittel jetzt etwas oder bringt es nichts?
Es ist ein guter Zeitpunkt, unter dem Aspekt des Datenschutzes zurückzuschauen. Die letzten fünf Jahre waren nach meiner Einschätzung gut für den Schutz der informationellen Selbstbestimmung in unserem Land. Wir haben die LDI weiter gestärkt. Wir haben im Telekommunikationsbereich Freiheiten geschützt. Wir haben an verschiedenen Stellen Klarstellungen gerade in diesem Bereich herbeigeführt. Es hat sich auch gezeigt, dass das durchaus notwendig war, was IMSI-Catcher angeht, was Bestandsdatenabfragen angeht und Ähnliches. Da haben wir die Prüfungsvoraussetzungen hochgesetzt und die Einsatzbedingungen konkretisiert. Ich glaube, das war im Großen und Ganzen durchaus im Sinne der bürgerlichen Freiheitsrechte. Das zeigt aber auch, dass es wichtig ist, diese Debatte stets weiterzuführen.
Die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben, so glaube ich, in den letzten Jahren gezeigt, dass es auch in sicherheitspolitisch sehr, sehr schwierigen Zeiten möglich ist, einen hohen Grundrechtsschutz und die Verhältnismäßigkeit von Polizeiarbeit zu gewährleisten. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Piraten unterstellen Polizei und Strafverfolgungsbehörden in der Vorbemerkung zur Großen Anfrage einen extensiven Gebrauch von Funkzellenabfragen und IMSI-Catchern. Dabei gilt es zunächst zu unterscheiden, ob es sich um polizeiliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr nach dem Polizeigesetz NRW oder um Maßnahmen der Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung handelt. Daneben stehen noch Maßnahmen nach dem Verfassungsschutzgesetz. Will man betrachten, wie sich die Fallzahlen entwickelt haben, muss man das auch nebeneinanderstellen, um einen Gesamtüberblick zu erhalten.
Erstens. Im Juli 2013 wurden die Paragrafen 20a und 20b in das Polizeigesetz NRW aufgenommen. Zu den Maßnahmen hat die Landesregierung dem Landtag jährlich zu berichten. Nach drei Jahren sollte eine Evaluierung erfolgen. Obwohl die Berichte der Halbjahre 2013/14 und 2014/15 jeweils vor dem 15. März des nächsten Jahres vorlagen, konnte ich den Bericht zu 2015/16 bisher nicht finden, ebenso wenig wie die fällige Evaluierung.
Die bisher bekannten Zahlen und Zwecke der Datenabfrage – weit überwiegend Vermissten- und Suizidfälle – geben bisher keinen Anlass, an der Rechtskonformität zu zweifeln. 4,1 Maßnahmen pro Tag bei 47 Kreispolizeibehörden erscheinen in der Summe noch im Rahmen.
Zweitens. Zum Bereich der Strafverfolgung: Die Gesamtzahl von 258 Einsätzen von IMSI-Catchern entsprechend der gesetzlichen Vorgabe in § 100i Abs. 1 StPO ausschließlich zur Aufklärung von Straftaten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung erscheint im Rahmen – auch wenn es hier Steigerungen gibt. Der Einsatz von sogenannten WLANCatchern ist verschwindend gering.
Die Zahl von fast 179.000 verschickten Stillen SMS im Jahr 2016 erscheint dagegen hoch, ist im Vergleich zu den Vorjahren jedoch deutlich geringer. Die Crux dabei: Aus der Anzahl der versandten Ortungsimpulse kann weder auf die Anzahl der von dieser Maßnahme betroffenen Mobilfunkanschlüsse noch auf die Zahl der tatsächlich aus der Versendung des Ortungsimpulses erzeugten Verkehrsdaten geschlossen werden – so das Innenministerium in der Vorauflage der Antwort.
Mangels konkreter Angaben zur Verwendungspraxis bleibt die Antwort der Landesregierung allerdings inhaltsleer. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist es angezeigt und kann man erwarten, dass Sie die Anzahl der Beschlüsse und Tatverdächtigen sowie Straftatbestände benennen können, nach denen eine Überwachung durch Versendung von Ortungsimpulsen erfolgt. Es muss doch auch in Ihrem Interesse sein, darzulegen, dass nur eine gewisse Zahl an Tatverdächtigen entsprechender Straftaten auf klarer Rechtsgrundlage von solchen Maßnahmen betroffen ist und nicht eine breite Masse.
Nichtindividualisierte Funkzellenabfragen gab es in NRW im Jahr 2016 7.249, also knapp 20 pro Tag. Das entspricht einer Verdreifachung gegenüber 2011. Auffällig ist, dass insbesondere die Anträge wegen Bandendiebstahls massiv angewachsen sind: von 527 im Jahr 2011 auf 2.203 im Jahr 2016. – Kurz: Sie haben sich vervierfacht.
Ist die Mobilfunknummer oder die sonstige Kennung einer Zielperson noch nicht bekannt, können durch eine nichtindividualisierte Funkzellenabfrage die Verkehrsdaten aller Mobilfunkteilnehmer erhoben werden, die sich zu einer bestimmten Zeit im Raum einer näher bezeichneten Mobilfunkzelle aufhalten oder aufgehalten haben. Dabei werden nur aktiv gewordene Endgeräte erfasst. Durch eine nichtindividualisierte Funkzellenabfrage können schnell eine Vielzahl von Personen erfasst werden oder zufällig an
wesende Personen in Rechtfertigungsbedarf kommen. Funkzellenabfragen unterliegen daher dem Richtervorbehalt.
Drittens. Die Zahlen für den Verfassungsschutz können Sie in Vorlagen an das PKG offen nachlesen. Überraschend ist, dass der Einsatz von IMSICatchern oder Stillen SMS zur Überwachung von Gefährdern sehr gering ausfällt und hier die Angaben, die bei der Strafverfolgung zu Stillen SMS fehlen, erfolgen. Im Jahr 2015 waren insgesamt 26 Personen von diesen Maßnahmen betroffen. In sieben dieser Fälle wurden zudem Maßnahmen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 12 Verfassungsschutzgesetz NRW angeordnet. Im Rahmen von drei Maßnahmen wurden IMSI-Catcher eingesetzt, und in zwei dieser drei Maßnahmen erfolgte zusätzlich der Versand von insgesamt 25 Stillen SMS. Diese Darstellung sollte zum Vorbild genommen werden. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Wedel. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Herrmann, Ihre Sorge, dass die nordrhein-westfälische Polizei das Land flächendeckend mit Funkzellenabfragen, Stillen SMS und sonstigen Maßnahmen überflutet, ist unbegründet. Ich hoffe, ich werde Ihnen diese Sorge mit meinen nächsten Worten nehmen.
Die Sorge ist schon deshalb unbegründet, weil die Frage, ob solche Mittel zum Einsatz kommen oder nicht, nicht alleine von der Polizei beantwortet wird. Wir haben das schon bei der Großen Anfrage 10 vor drei Jahren ausdrücklich diskutiert. Das gilt alles auch heute noch; ich werde es stichpunktartig wiederholen.
Die von Ihnen genannten Maßnahmen werden nur auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses oder bei Gefahr im Verzug durchgeführt. Wenn sie wegen der Gefahr im Verzug durchgeführt werden, muss dafür eine Eilanordnung der Staatsanwaltschaft vorliegen. Diese Eilanordnung muss wiederum innerhalb von drei Tagen richterlich bestätigt werden. Diese Anordnung ist im Übrigen, Herr Herrmann, grundsätzlich nur bei schweren Straftaten möglich. Und bei allen Maßnahmen gilt: Inhalte der Kommunikation werden nicht erfasst.
Fakt ist: Das digitale Verbrechen ersetzt peu à peu analoge Begehungsformen. Darauf müssen sich unsere Ermittlungsbehörden einstellen können. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität sind die in der Großen Anfrage genannten Maßnahmen unerlässlich,
Herr Herrmann. Ein Beispiel ist für mich die Bekämpfung der Bandenkriminalität. Zur Identifizierung und Überführung von Banden, die durch NRW bzw. Deutschland reisen, um beispielsweise Einbrüche oder Diebstähle zu begehen, sind Funkzellenabfragen unerlässlich. Fast 40 % der Funkzellenabfragen wurden im Zusammenhang mit Bandenkriminalität und schwerer Bandenkriminalität angeordnet.
Wir müssen ständig mit der Zeit gehen. Die technische Entwicklung aufseiten der Kriminellen schreitet voran. Unsere Sicherheitsbehörden müssen damit Schritt halten können. Die meisten Straftäter haben von SMS-Diensten oder Internet-basierten Diensten wie WhatsApp oder Skype umgeschwenkt.
Das ist insofern ein Problem, als es bei diesen Plattformen um Daten geht, die verschlüsselt sind. Polizei und Staatsanwaltschaften haben da bisher kaum eine Handhabe. Das muss der Gesetzgeber im Bund dringend regeln. Es kann nicht sein, dass in der Online-Welt andere Gesetze gelten als in der OfflineWelt. Zukünftig sollte es möglich sein, dass Sicherheitsbehörden den notwendigen Zugriff auf Kommunikation bekommen – und das, Herr Herrmann, bevor sie verschlüsselt wird.
Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass die Große Anfrage 23 der Piratenfraktion erledigt ist.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Kollegen van den Berg das Wort. – Da eilt er auch schon herbei, auf verschlungenen Wegen. Hallo, Herr van den Berg!
der Einbringung dieses Gesetzentwurfs der Piraten haben wir schon einige Ausführungen dazu hier im Hause gemacht und auch Bewertungen vorgenommen.
Sie konnten dem Bericht des Innenausschusses entnehmen, dass es dort nur eine sehr kurze Beratung geben konnte. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich entsprechend eingelassen und deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht dieser Gesetzentwurf entbehrlich ist. Es sind dort viele kritische Fragen gestellt worden, die nicht beantwortet werden konnten. Insbesondere ging es um die Frage, inwieweit das eigentlich nach Bürgerrecht konzipierte Informationsfreiheitsgesetz jetzt auf juristische Personen auszuweiten ist.