Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Meine Damen und Herren, die Landesregierung bedauert außerordentlich, dass sich die FDP-Fraktion nicht in der Lage sah, dem Antrag, der heute zur Verabschiedung vorliegt, beizutreten. Wir werden aber insbesondere die eben von Herrn Brockes dargestellten sechs Punkte sehr genau prüfen und in unsere Überlegungen einbeziehen.

Ein einmütiger Beschluss des Landtags ist nicht zustande gekommen. Umso wichtiger ist jetzt, dass alle Fraktionen und die Landesregierung gemeinsam handeln, um die Möglichkeiten unseres Bergbaus zu verbessern und die Geschädigten in ihrer Rechtssituation zu stärken.

Die Bedeutsamkeit eines modernen Bergbaus mit moderner Bergbautechnologie zeigt das fatale Unglück, das gestern in der Türkei passiert ist. Hier wird deutlich, wie wichtig es ist, dass unser Bergbau weiterhin weltweit technologisch führend ist. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Schneider. – Weitere Wortmeldungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen erstens über den Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piraten Drucksache 16/5750 ab. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Piraten, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt dagegen? – Die FDP-Fraktion. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der gemeinsame Antrag Drucksache 16/5750 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.

Ich lasse zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/5851 abstimmen. Wer möchte dem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben? – FDP-Fraktion, Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete Stein. Wer stimmt dagegen? – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer möchte sich der Stimme enthalten? – Die CDU-Fraktion. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 16/5851 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14.

Ich rufe auf:

15 Fehlerhafter Erfassung rechter Gewalt ein

Ende setzen: Die Notwendigkeit einer Reformierung des Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität-rechts“ (PMK-rechts) anerkennen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/5748

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Frau Kollegin Rydlewski das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Wie viele Muslime wurden in NRW Opfer rechter Gewalt? Wie viele Sinti und Roma wurden in NRW Opfer rechter

Gewalt? Wie viele Menschen wurden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Opfer rechter Gewalt? Wie viele Menschen wurden aufgrund ihrer sozialen Stellung oder einer Behinderung Opfer rechter Gewalt? Wie viele Menschen wurden in NRW von Neonazis ermordet? Wir wissen es nicht.

Warum wir das nicht wissen, dafür gibt es viele Gründe, die ich hier kurz vorstellen möchte.

Seit vielen Jahren reißt die Kritik am polizeilichen Meldewesen zur Erfassung von politisch motivierten Straftaten nicht ab. Einerseits wird zivilgesellschaftlicher Protest in Form von Sitzblockaden zum Beispiel gegen Neonazi-Demos akribisch erfasst und als PMK-links gebrandmarkt.

Andererseits beklagen Verbände für Opfer rechter Gewalt, dass für Menschen wirklich bedrohliche rechtsideologisch motivierte Gewalt unentdeckt und unerfasst bleibt. Besonders erschreckend anschaulich wird dies bei der Diskrepanz zwischen der Zählung von Todesopfern rechter Gewalt durch die staatlichen Behörden und durch unabhängige Organisationen und Journalistinnen und Journalisten.

Die offizielle Polizeistatistik spricht von 63 rechtsextrem motivierten Tötungsdelikten seit 1990. Recherchen durch die Amadeu Antonio Stiftung ermittelten eine weitaus höhere Zahl, nämlich 182 Todesopfer. Das führt in NRW dazu, dass 14 der 21 entdeckten Fälle aus NRW keine Berücksichtigung in der PMKrechts fanden.

Nach dem Bekanntwerden der Morde des NSU wurde allen klar, dass die Dunkelziffer von Morden durch Neonazis sehr hoch sein muss. Deshalb überprüfen die Landeskriminalämter zurzeit 746 Tötungsdelikte mit 849 Opfern auf ein rechtes Tatmotiv. Das ist ein Anfang, reicht aber nicht.

(Beifall von den PIRATEN)

Denn nicht nur bei den rechtsideologisch motivierten Tötungsdelikten wird das Ausmaß verzerrt. Hassdelikte werden seit Jahrzehnten nicht ausreichend als solche erkannt. Im Antrag wird schon auf die Auswertung von Gerhard Piper zu Anschlägen auf Moscheen verwiesen. Er zählt wesentlich mehr Anschläge als die Polizeistatistik.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie zum Beispiel der Soziologe Roland Eckert sagen, dass die Zahlen, die von Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter ermittelt, vom Bundeskriminalamt zusammengestellt und von der Bundesregierung bekanntgegeben werden, einfach nicht realistisch seien.

Aber wieso wird rechtsideologisch motivierte Gewalt nicht erkannt und spezifiziert? Und wie können wir das Ausmaß von Hasskriminalität genauer erfassen?

Zunächst einmal fehlt es oft an der Sensibilisierung der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in den Bereichen Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und generell gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Es kommt noch wesentlich zu oft zu Fällen, bei denen Gerichte und/oder Ermittlungsbehörden den rassistischen Hintergrund nicht erkennen. Da wird zum Beispiel munter behauptet, rassistische oder antiziganistische Äußerungen seien ausschließlich auf Alkoholeinfluss zurückzuführen. Aber in vielen Fällen ist Alkohol lediglich der Auslöser, nicht aber das Motiv. Warum wurde gerade diese Tat begangen? Warum wurde gerade dieses Opfer ausgewählt? Diese Fragen werden oftmals nicht gestellt. Deshalb werden solche Fälle somit nicht als für die PMK-rechts relevant betrachtet.

Auch die Opferperspektive findet kaum Berücksichtigung. Die Aussage des Täters nimmt oft eine höhere Priorität ein als die Aussage von Opfern und Zeuginnen und Zeugen. Dies führt auch dazu,

(Vorsitz: Präsidentin Carina Gödecke)

dass sich Opfer rechter Gewalt eher an zivilgesellschaftliche Organisationen und Opferberatungsstellen wenden als an die Behörden. Deshalb müssen staatliche Behörden zukünftig enger mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammenarbeiten und deren Fachwissen und Erfahrung in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen der Polizeibeamtinnen und beamten einbezogen werden. Das Hinzuziehen externer Expertise kann dafür sorgen, dass Hasskriminalität besser erkannt, spezifiziert und ihr Ausmaß richtig erfasst wird.

Der Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner von Exit vertrat gegenüber der „Berliner Zeitung“ die Auffassung, dass die Zahlen der PMK-rechts von Anfang an nach unten gedrückt würden und die politische Führung die Zahlen immer gerne niedrig gehalten habe. Zusammenfassend kann man sagen, das geschönt niedrige Mordzahlen aus PMK-rechts in Bezug gebracht werden mit aufgebauschten Zahlen aus PMK-links, welche sich beim genauen Hinsehen in hohem Umfang als Ordnungswidrigkeiten herausstellten.

Zeigen wir der Öffentlichkeit, dass es auch anders geht. Erkennen wir endlich die ganz reale tägliche Bedrohung für viele Menschen durch rechte Gewalttäter in diesem Land an und tun wir etwas dagegen. Bitte stimmen Sie deshalb für unseren Antrag. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Rydlewski. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Lüders.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Rydlewski, Sie haben viel ausgeführt, nur leider nicht zu Ihrem Antrag. Denn das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, sind die Ergebnisse und die Empfehlungen des PUA zur NSU.

Ich glaube, wir sind uns alle hier einig, dass uns die Aufdeckung des Terrortrios zur NSU alle schwer schockiert hat und wir alle aufgefordert sind, uns diese Empfehlungen genauer anzugucken, um sie dann auch umzusetzen.

Aber vieles ist schon gemacht worden oder wird selbst in Ihrem Antrag beschrieben, zum Beispiel die Aufklärung der noch nicht bewerteten Mordfälle. Sie fordern aber, dass sich genau dafür der Innenminister einsetzen soll. Ich glaube, so ganz haben Sie die Entwicklung in NRW nicht mitverfolgt.

(Beifall von der SPD)

Mit Aufdeckung hat der Innenminister sofort veranlasst, eine besondere Organisation gegen rechts aufzubauen. Wir haben eine Statistik, in der explizit alle Straftaten, alle Allgemeindelikte, die durch Rechtsextreme verwirklicht werden, ausgewertet und aufgeführt werden. Das, was Sie hier darlegen, ist ein wenig anders als das, was Sie in Ihrem Antrag fordern.

Ich glaube, wenn man sich diesem Thema ernsthaft, nicht nur plakativ widmen will, dann sollte man das Ganze im Blick haben. Und das Ganze ist – das rufe ich für Sie auch noch einmal in Erinnerung –, dass unser Innenminister Ralf Jäger – er wird es vielleicht gleich auch noch einmal klar und deutlich sagen – die Verbote der Kameradschaften und des Nationalen Widerstands in Dortmund angeordnet hat. Das waren mit die ersten Maßnahmen im Rahmen des Acht-Punkte-Programms, das Ihnen bekannt sein sollte.

In NRW finanzieren wir mittlerweile zwei Opferberatungsstellen – eine für das Rheinland, die andere für Westfalen. Wir unterstützen die mobilen Beratungen finanziell, und wir koordinieren über das Landesnetzwerk die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten. Sie schreiben, man möge die Polizei in Aus- und Fortbildung dafür sensibilisieren. Es tut mir Leid, diese Aufforderung reicht mir nicht. Ich möchte den Bestand erhalten und daran festhalten, was wir tun. Das ist essenzieller Bestandteil der Aus- und Fortbildung der Polizei und des Verfassungsschutzes. In dieser Hinsicht verstehe ich Ihren Antrag nicht so genau.

Wir sollten da einmal genauer hinsehen und auf die Qualität der Straftaten eingehen, die der PMKrechts zuzuordnen sind. Welche Schlussfolgerungen ziehen wir denn daraus? Nur das Zusammenführen von Zahlenmaterial hilft doch in keiner Weise beim Kampf gegen Rechts. Ehrlich gesagt, da sind Sie für mich mit Ihrem Antrag wesentlich zu kurz

gesprungen. Ich habe auch ein wenig den Eindruck – das gebe ich offen zu –, dass sie jetzt noch einmal im Wahlkampf eine Schlagzeile setzen wollen; denn zum einen sind Sie auf keine der anderen Fraktionen zugegangen, um sich einmal ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen. Sie haben zum anderen die direkte Abstimmung hier gefordert, ohne sich intensiv mit der Definition der PMK-rechts – was es bedeutet, dort die Straftaten aufzunehmen – auseinanderzusetzen.

Frau Kollegin Lüders, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, Herr Kollege Sommer von den Piraten würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Danke Frau Präsidentin! Danke Kollegin Lüders, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, dass man nicht einfach die Zahlen der verschiedenen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zusammenführen dürfte. Ist Ihnen bewusst, dass Frau Kollegin Rydlewski genau das angemahnt hat? Sie sagte, dass diese Zahlen zurzeit einfach 1:1 nebeneinander gesetzt werden und dass eben nicht ordentlich differenziert wird, um welche Straftaten es sich dabei handelt. Zurzeit werden – durch einfache Kumulation der Zahlen – Straftaten mit Ordnungswidrigkeiten auf eine Stufe gesetzt werden. Genau das hat Kollegin Rydlewski gesagt. Ist das bei Ihnen nicht angekommen? Oder woran liegt das jetzt? – Danke schön.

Herr Sommer, darauf antworte ich gerne, weil anscheinend bei Ihnen etwas nicht angekommen ist. Das betrifft nämlich den Wortbeitrag Ihrer Kollegin und Ihren hier gestellten Antrag. Der Antrag sagt dazu in keiner Weise etwas aus, sondern er fordert die Landesregierung auf, etwas zu tun, was schon längst in Gang gesetzt worden ist und was demnächst, was die genaue Einordnung anbelangt, hoffentlich im Rahmen der Innenministerkonferenz zu ersten Ergebnissen führen wird.

Wie gesagt, die Rede Ihrer Kollegin hat mit Ihrem Antrag an der Stelle überhaupt nichts zu tun. Ehrlich gesagt: Unserer Fraktion ist dieses Thema einfach zu wichtig, um diesen, vorsichtig ausgedrückt, ein wenig als erledigt zu bezeichnenden Antrag anzunehmen. Das ist wirklich zu kurz gesprungen. Damit ist mir klar, dass Sie nicht wirklich ernsthaft an diesem Thema interessiert sind. Sie hätten diesen Antrag mit uns allen in Ruhe besprechen können, um an der Definition einzelner Punkten in Bezug auf die PMK-rechts zu arbeiten. Das hätten Sie tun sollen. Die Rede entspricht aber, wie gesagt, in keiner Weise Ihrem Antrag.

(Beifall von der SPD)

Man sollte zusätzlich, denke ich, eines berücksichtigen: Die Empfehlungen des NSU-Ausschusses gehen wesentlich weiter. Dazu verweise ich auf den Bund beziehungsweise unseren Bundesjustizminister Heiko Maas, der gerade die Gesetzesinitiative zu dem, worüber auch Ihre Kollegin gesprochen hat, ergriffen hat. Dabei geht es darum, § 46 des Strafgesetzbuches zu erweitern, um bei der Strafzumessung die Motivation berücksichtigen zu können.

Noch einmal ernsthaft: Der Antrag springt an dieser Stelle zu kurz. Die Beantragung der direkten Abstimmung zeigt: Sie wollen keine inhaltliche Diskussion. Wir hätten sie gerne geführt. Daher lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall von der SPD)