Protokoll der Sitzung vom 04.12.2014

Die Unterschiede sind vorhanden. Pisa hat uns das vor Augen geführt. Jedoch zeigen die Ergebnisse von Iglu auch, dass die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen beispielsweise bei der Lesekompetenz in den letzten Jahren abgenommen haben. Ich gehe davon aus, dass dies auf die bisherigen Maßnahmen zurückzuführen ist.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Fahrlässig!)

Die Suche nach Perspektiven jenseits der klassischen Lebensentwürfe kann mit Verunsicherungen einhergehen. Wichtig ist, dass auch dies bereits erkannt wurde. Auch in diesem Fall sind planvolle Instrumentarien installiert worden. Mir fehlt die Zeit, sie alle aufzuführen.

Frau Kollegin Kieninger, trotzdem würde Herr Kollege Dr. Stamp Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ja, bitte.

Frau Kollegin, vielen Dank, dass Sie das zulassen. – Ich wollte nur nachfragen: Wenn Sie sagen, dass das im Schulgesetz alles prima abgebildet ist, wie erklären Sie sich, dass dann in der Praxis beispielsweise an der Grundschule meiner Töchter das Kollegium ausschließlich weiblich ist und dass man dort keine männlichen Lehrer als Identifikationsfiguren findet?

(Ministerin Barbara Steffens: Das hat doch damit nicht zu tun! – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Herr Dr. Stamp, das hat sicherlich ganz andere Gründe, etwa die Bezahlung.

(Ministerin Barbara Steffens: Ja, klar!)

Zu diesem Punkt komme ich gleich.

Sie fordern die Landesregierung auf, sich dafür stark zu machen, dass künftig ein möglichst ausgewogenes Geschlechterverhältnis der Lehrkräfte in der Bildungskette vertreten ist. Ich frage Sie: Wie hätten Sie es denn gerne? Vielleicht mit einer Quote? Die betrifft immer beide Geschlechter. Möchten Sie, dass wir Anreize schaffen, um mehr Männer für diese Berufe zu interessieren? Vielleicht mit einer Bonuszahlung oder unterschiedlichen Gehältern? Denn das ist der Hauptgrund, warum wir da so wenige Männer finden.

Das haben wir schon. Entgeltgleichheit ist immer noch nicht hergestellt. Denn Frauen erhalten immer noch 22 % weniger Lohn als Männer. Oder wollen Sie, wie einige Richter es gefordert haben, Qualifikationsanforderungen senken? Bravo – das ist doch absurd. Denn bei jeder Frau wird immer die Frage der Qualifikation gestellt, obwohl wir wissen, dass sie alle besser qualifiziert sind als die Männer.

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

Daher brauchen wir weiterhin Frauenförderung und Gender-Mainstreaming.

(Zustimmung von Ministerin Barbara Stef- fens)

Die Redezeit.

In Ihrem Antrag, Jungen fit für die Zukunft zu machen, haben Sie, Frau Schneider, einen guten Ansatz gebracht, den wir im Ausschuss gemeinsam überarbeitet haben. Ich finde, das ist gut und richtig. Den werden wir bei der nächsten Plenarsitzung einbringen und verabschieden. Das ist eine gute Sache. Das ist wegweisend.

Aber über Ihren jetzigen Antrag lassen Sie uns besser im Ausschuss weiter reden. Ich kann ihm jedenfalls nicht viel abgewinnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kieninger. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kern das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir alle können eine veränderte und erweiterte Rolle bei beiden Geschlechtern feststellen. Wo aber gibt es eine erkennbare, transparente, eigenständige und der Bedeutung angemessene Jungen- und Männerpolitik in Nordrhein-Westfalen?

Weil neue männliche Lebensentwürfe eine Anerkennung von Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitgebern – das muss man hier deutlich sagen – brauchen, ist eine ganzheitliche und zeitgemäße Gleichstellungspolitik in Nordrhein-Westfalen erforderlich.

Natürlich müssen wir die Gleichstellung der Frauen, weiterhin initiativ im Fokus haben, Frau Kieninger – aber die Gleichberechtigung von Mann und Frau hat nichts mit der Gleichheit von Mann und Frau zu tun.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Überhaupt nicht!)

Schon seit Adam und Eva gibt es einen kleinen Unterschied.

Meines Erachtens verdeutlicht schon die Reihenfolge der Zielgruppen in der Bezeichnung des Ausschusses die starke Betonung der frauenrelevanten Themen; das bleibt eine dauernde Herausforderung. Aber Gleichstellung hat aber auch sehr viel mit Männern zu tun, und deshalb sollten wir in den nächsten Jahren auch hier gründlicher hinsehen.

(Lachen von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich möchte das – schließlich bin ich Mitglied dieses Ausschusses – am Beispiel „Gesundheit“ festmachen. Die Tatsache, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von uns Männern gut fünf Jahre weniger beträgt, hat nichts – wie in einem Witz – damit zu tun, dass wir unseren Frauen immer die schweren Einkaufstaschen tragen,

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist doch nicht wahr!)

sondern mit der uns Männern eigenen ungesunden Lebensweise, unserer stärkeren Risikobereitschaft, den höheren beruflichen Belastungsfaktoren, der geringeren Aufmerksamkeit in der Gesundheitsvorsorge,

(Zurufe von den GRÜNEN)

unseren Ess- und Trinkgewohnheiten und auch mit der Bereitschaft, mehr zu rauchen. Männer sind eben anders als Frauen.

Lassen Sie uns als Land gemeinsam auch mit Gesundheits- und Krankenkassen sowie den Arbeitgebern daran arbeiten, dass Männer Präventionskonzepte in Gesundheitsfragen akzeptieren und ihr Verhalten reflektieren.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir werden uns in der nächsten Plenarwoche – das hat Frau Kieninger bereits angekündigt – über den

„Boys’Day“ unterhalten. Das ist eine gute Entwicklung. Fakt ist jedenfalls, dass die Jungen klare Bildungsverlierer sind. Das hat nichts mit dem Schulgesetz zu tun. Vielmehr muss hier einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass die männlichen Vorbilder fehlen. Der Kollege Stamp von der FDP hat das bereits sehr deutlich vermerkt.

Ich frage weiterhin: Weshalb haben Männer eine höhere Suizidrate, neigen eher zu Gewalt, sind in Sachen Kriminalität aktiver und sind vor allen Dingen auch von der Arbeitslosigkeit stärker betroffen? – Das sind viele Fragen, die wir klären müssen. Deshalb gilt: Nordrhein-Westfalen braucht eine eigene Jungen- und Männerpolitik mit einer unvoreingenommenen Berücksichtigung der unterschiedlichen Profile.

Wenn eine Frauenquote für Führungspositionen richtig ist – und dafür bin ich sehr –, dann ist zum Beispiel auch eine stärkere Berücksichtigung von Männern in sozialen, pflegerischen und erzieherischen Berufen genauso erforderlich. Das ist die kommunikative Herausforderung. Wir müssen mehr daran arbeiten, damit dies gelingt. Dafür tragen wir alle die politische Verantwortung.

Das alles hat nicht nur mit der Bezahlung, sondern auch viel mit Aufklärung zu tun. Fest steht: Die Initiative des Bundes, Perspektivwechsel in der Gleichstellung vorzunehmen, sollte auch in NordrheinWestfalen Konsequenzen haben. Jungen und Männer müssen mit ihren Lebensentwürfen in Nordrhein-Westfalen leben können. Deshalb ist ein neuer Schwerpunkt von Jungen- und Männerpolitik in unserem Land erforderlich. Ich bin sicher, dass die Ministerin das unterstützt.

Den Jungen und Männern müssen dabei auch Karrierechancen im Berufsleben aufgezeigt werden, die nicht zum verbreiteten Berufswahlmuster gehören. Hier passiert schon etwas, aber noch nicht genug.

Themenwechsel.

(Zuruf von der SPD: Gut so!)

Es gibt auch in Nordrhein-Westfalen Männer – das war das Thema unserer Reise nach Alkmaar –, die von Gewalt durch Frauen betroffen sind. Der ganzheitliche Ansatz unserer niederländischen Nachbarn – sie haben 1 Million Einwohner weniger als wir, aber vier landesgeförderte Männerhäuser und gehen mit dem Thema ehrlicher und praxisnäher um als wir – kann Vorbild für unser Bundesland sein.

Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, ich komme zum Schluss. Dort, wo objektiv feststeht, dass fehlende männliche Vorbilder zu Defiziten in der Entwicklung in gesellschaftsrelevanten Themen führen – zum Beispiel bei den Kitas, in den Schulen oder bei Studenten im Fach Medizin –, muss dringend über neue Ansätze und Konzepte nachgedacht werden. Die Gesundheitsaufklärung sowie Präventionsmaßnahmen für Männer müssen weiter ausgebaut, und auch die Forschungsmittel dafür müssen zur Verfügung gestellt werden.

Der heutige Antrag zeigt in eine wichtige, richtige Richtung. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss, wo wir diesen Antrag weiterentwickeln werden. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kern. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Paul.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es steht außer Frage, dass wir auch Männerpolitik brauchen und dass wir zudem eine Jungenförderung brauchen. Damit haben wir uns bereits im Ausschuss befasst. Allerdings fehlt mir bei diesem Antrag etwas Konkretes. Ich finde das alles sehr holzschnittartig. Viel wird auch mit Stereotypen und Unterstellungen gearbeitet, wenn zum Beispiel gesagt wird, es fehlten die Vorbilder.

Mir persönlich fehlt ein bisschen die Phantasie, wo denn diese Vorbilder fehlen könnten. Die meisten Unternehmen werden von Männern geführt, die meisten Nobelpreise werden an Männer verliehen, die meisten Länder werden von Männern regiert, die meisten Lehrstühle werden von Männern besetzt usw.

(Minister Barbara Steffens: Die meisten FDP- Abgeordneten sind Männer!)

Ich frage mich: Wo sind denn dann die fehlenden Vorbilder für die Jungs, die Sie gerade so breitflächig als Bildungsverlierer beschrieben haben?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Dr. Joachim Stamp [FDP]: In den Kitas und in den Grundschulen!)