Protokoll der Sitzung vom 17.09.2020

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit rund sechs Monaten leben wir in Nordrhein-Westfalen, bundes- und weltweit mit den Herausforderungen, Risiken und Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Unsere Landesregierung hat in dieser nie dagewesenen außergewöhnlichen Situation jederzeit, unverzüglich, angemessen, verantwortungsvoll und entschlossen gehandelt.

(Beifall von der CDU und der FDP )

Beispiele hierfür sind die Nachtragshaushaltsgesetze mit dem NRW-Rettungsschirmgesetz über 25 Milliarden Euro mit Hilfen für Klein- sowie Kleinstunternehmen, das Nordrhein-Westfalen-Programm I oder das heute hier zur Beratung anstehende Corona-Isolierungsgesetz. Letzteres ist genau das, was es in der aktuellen Situation braucht, um die Handlungsfähigkeit unserer Kommunen zu erhalten

und abzusichern. Wichtig war und ist es dabei, die jeweiligen Landesmaßnahmen in Abstimmung und Ergänzung von Bundesprogrammen und in einem konstruktiven Dialog mit der Bundesregierung vorzunehmen.

Der Handeln der Landesregierung war bisher sehr erfolgreich. Die Maßnahmen entfalten ihre Wirkung. Dies belegen die aktuellen Infektionszahlen in Nordrhein-Westfalen ebenso wie die ersten ermutigenden Signale einer leichten konjunkturellen Belebung.

Trotzdem, die pandemiebedingten direkten und indirekten Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte sind beachtlich. Die sinkende Wirtschaftsleistung lässt Gewerbe- und Umsatzsteuer und wegen der Kurzarbeit auch die Einkommensteuer einbrechen. Nach Angaben des Statistischen Landesamts lagen die Einnahmen aus Gewerbesteuern von April bis Juni insgesamt bei knapp 2 Milliarden Euro, rund 1,5 Milliarden Euro oder 43,5 % unter denen des zu vergleichenden Vorjahresquartals.

Daher hat das nordrhein-westfälische Kabinett gemeinsam mit dem Bund grünes Licht für eine Kompensation der drastisch gesunkenen Gewerbesteuern gegeben. Hierzu befindet sich bereits ein Referentenentwurf aus dem Haus von Kommunalministerin Ina Scharrenbach in der Verbändeanhörung.

Es ist Ausdruck einer ehrlichen, transparenten und seriösen Politik, sich darauf vorzubereiten, dass viele unserer Kommunen über einen längeren Zeitraum erhebliche finanzielle Hilfen benötigen, um ihre Pflichtaufgaben sowie die übertragenen Aufgaben vor Ort zu erfüllen, um notwendige Investitionen zu tätigen, auch um den Investitionsstau in Folge der Fehlentscheidungen unserer Vorgängerregierungen weiterhin konsequent abbauen zu können.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden wir die ansonsten vorhersehbare haushalterische Schieflage unserer Kommunen abmildern und die kommunale Handlungsfähigkeit auch perspektivisch absichern. Die durchgeführte Expertenanhörung bestätigt uns, hierfür ein geeignetes Mittel vorgelegt zu haben. Steuererhöhungen oder der Rückgang kommunaler Investitionen werden dadurch vermieden.

Die Kernpunkte des vorliegenden Gesetzentwurfes: die Isolierung coronabedingter Schäden bzw. der Mindererträge und Mehraufwendungen in den kommunalen Haushalten. Vergleichen Sie hierzu Ziffer 8 des Acht-Punkte-Plans, zu dem ich im Hohen Hause schon mehrfach reden konnte. Damit bleiben die kommunalen Haushalte auch in dieser Krisenzeit tragfähig und stabil.

Selbstverständlich halten wir das Transparenzgebot ein, indem künftig klar ersichtlich sein wird, welche konkreten kommunalen Mindererträge bzw. Mehraufwendungen im Haushalt jeder nordrhein-westfälischen Kommune pandemiebedingt angefallen sind.

Damit ist die finanzwirtschaftliche Situation jeder einzelnen Kommune in Nordrhein-Westfalen transparent.

Alle am Stärkungspaket teilnehmenden Kommunen erhalten eine Sonderzuweisung bzw. Sonderhilfe zur Abmilderung der pandemiebedingten wirtschaftlichen Folgen in Höhe von insgesamt 342 Millionen Euro.

Es gibt außerdem eine jährliche Berichtspflicht der Landesregierung gegenüber dem Kommunalausschuss im Landtag. Dies ermöglicht zeitnah Anpassungen des Gesetzes an veränderte Rahmenbedingungen.

Ein Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf sichert und schützt die kommunalen Haushalte aktuell und in den Folgejahren.

(Zuruf von der SPD)

Er sichert die kommunale Handlungsfähigkeit. Er gewährleistet die kommunale Selbstverwaltung. Er trägt dazu bei, pandemiebedingte Erhöhungen kommunaler Steuern zu verhindern. Er trägt erheblich zu einer Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in die Funktionsfähigkeit der Kommunen bei, und er ermöglicht zeitnah Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen. Möglich wird dies durch die Einführung der jährlichen Berichtspflicht.

Ich freue mich über eine breite Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf sowie zu dem damit im Zusammenhang stehenden Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Wohle unserer landesweit 396 Kommunen, 31 Landkreise und 2 Landschaftsverbände. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Déus. – Jetzt spricht Herr Göddertz für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Folgen der Pandemie sind bis heute nicht in Gänze abzuschätzen – weder gesellschaftlich noch ökonomisch.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Herr Ott kann das aber!)

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen leisten seit vielen Jahren eine herausragende Arbeit. Trotz chronisch knapper Kassen stellen sie die grundlegende Infrastruktur in diesem Land.

Deshalb ist es aus Sicht der SPD-Fraktion umso wichtiger, die Expertenmeinungen der Kommunalverbände auch wirklich ernst zu nehmen. Die Vertreter des Städtetags haben zwar darauf hingewiesen,

dass eine Isolierung ein geeignetes Mittel sei, um die Haushalte genehmigungsfähig zu halten. Aber – ich zitiere Herrn Holler –:

„Andere Länder haben gezeigt, dass man auch etwas knapper gehaltene, weniger komplexe Haushaltsregelungen treffen kann, um mit der Krise umzugehen.“

Ohne Frage: Die Regelung der Landesregierung ist sehr komplex. In der Anhörung war von Luftbuchungen die Rede. Es wird hier ein Aktivposten geschaffen, der keiner ist. Hier werden Mehrbelastungen und Mindereinnahmen zusammengefasst und aktiviert.

(Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Stimmt doch gar nicht!)

In der Anhörung hat es Herr Hamacher vom Städte- und Gemeindebund deutlich auf den Punkt gebracht. Ich zitiere:

„Letztlich tun wir so, als hätten wir einen Vermögensgegenstand... Das geht wider die Intention des NKF, der Haushaltsklarheit und -wahrheit.“

Ja, es geht eigentlich gegen jede ordentliche Buchführung.

Die hier vorgeschlagene Isolierung ist nur eine Hilfe, den Haushalt auf dem Papier auszugleichen. Die Kommunen haben dadurch aber keinen Cent mehr auf dem Konto. Und die Landesregierung weigert sich beharrlich, Verantwortung für die Finanznöte der Kommunen zu übernehmen.

(Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung: Ist auch Quatsch!)

Ganz anders handelt der Bund, der beim Ausgleich der Gewerbesteuer das Land zum Jagen tragen musste. Mit der Erstattung der Kosten der Unterkunft geht der Bund einen großen Schritt in Richtung einer strukturell verbesserten Finanzierung der Kommunen. Allein für meine Heimatstadt Bottrop macht das 8 Millionen Euro pro Jahr aus. Bei den Haushaltsplanberatungen in den Städten wird oft um wenige Tausend Euro gestritten – nur um einmal eine Größenordnung danebenzusetzen.

Und wo bleiben denn die Lösungen der Landesregierung? Eine Einmalzahlung für die Kommunen des „Stärkungspakts Stadtfinanzen“ gewährt lediglich kurzfristig Luft zum Atmen. Sie ersetzt aber keine auskömmliche Finanzierung. Und was ist mit den Städten und Gemeinden, die nicht im Stärkungspakt sind?

Die Altschuldenproblematik ist hinlänglich bekannt. Andere Bundesländer sind das Problem bereits angegangen. Ich frage die Vertreter der Landesregierung: Warum unternehmen Sie nichts, um dieses Problem zu lösen? Sie lassen die wichtigsten Fragen

unserer Städte unbeantwortet. Sie geben den Städten und Kommunen nur die Möglichkeit, die Coronaschäden in der Bilanz zu isolieren. Das Problem der Kassenkredite wird dadurch flächendeckend noch größer. Das haben Ihnen alle Sachverständen ins Stammbuch geschrieben.

Jeder hier im Raum weiß, dass der heutige Vorschlag zur Isolierung an den grundsätzlichen Problemen nichts ändert. Schlimmer noch: Er findet auch keine Lösung für die Probleme der Zukunft. Nach der Steuerschätzung ist von einem um rund 1 Milliarde Euro geringeren Kommunalfinanzausgleich für 2021 auszugehen, und auch Herr Professor Junkernheinrich hat diese Zahl bereits im Mai prognostiziert. Seitdem gab es von Ihnen jedoch keinen einzigen Vorschlag, wie damit umgegangen werden soll. Die Landesregierung lässt die Kommunen völlig im Unklaren darüber, ob es überhaupt eine Unterstützung gibt.

Ich halte fest: Es ist die eine Sache, mit einer Isolierung der Folgekosten die Haushalte der Kommunen zumindest genehmigungsfähig zu machen; das hilft unbestritten.

Der vorliegende Gesetzentwurf gibt aber keine Antwort auf die Probleme der Kommunen, die zusätzliches, echtes Geld benötigen.

Der vorliegende Gesetzentwurf gibt auch keine Antwort auf die Altschuldenproblematik. Die Landesregierung muss endlich auf die Experten, auf die Gutachten und auf die Vertreter der Kommunen hören. Die Kommunen brauchen Geld, sie brauchen die Unterstützung der Landesregierung, und sie verdienen sie auch.

Der Gesetzentwurf enthält einige sinnvolle Regelungen in Bezug auf die Nachtragssatzungen. Diese hätten nach unserer Vorstellung bereits mit dem Epidemiegesetz verabschiedet werden können. Die Landesregierung hat aber auf ein eigenständiges Gesetz bestanden. Sie hat damit eine Lösung um Monate verzögert. Das macht die Maßnahmen aber nicht weniger richtig. Daher werden wir den Gesetzentwurf nicht ablehnen, sondern uns enthalten. – Vielen lieben Dank und Glück auf!

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Herr Göddertz. – Jetzt hat die FDP das Wort, und es spricht Herr Abgeordneter Höne.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es hier schon oft diskutiert, natürlich auch im Ausschuss: Die Kommunen stehen bei der Bewältigung der Pandemie in der vordersten Reihe und spüren finanzielle Auswirkungen, so etwa sinkende Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Aufwendungen. Das kommt bei den kommunalen Haushalten schnell an, und darum besteht

die Gefahr, dass die vielfältigen Dienstleistungen und Angebote, die die Kommunen für unsere Bürgerinnen und Bürger erbringen, wegbrechen. Das betrifft die soziale Infrastruktur, die Bildung, den ÖPNV und die Kultur.

Kommunen sind aber auch große öffentliche Auftraggeber. Wenn Investitionen aus Finanznot heraus eingeschränkt oder sogar zurückgezogen werden, wären in der jetzigen wirtschaftlichen Situation noch deutlich größere Folgeeffekte im negativen Sinne zu erwarten.

Darum ist es notwendig, sich mit den finanziellen Folgen auf der kommunalen Ebene zu beschäftigen. Darum haben Landesregierung, Landtag und NRWKoalition zur Bewältigung der direkten und indirekten Folgen der Coronapandemie frühzeitig und umfassend reagiert.

Natürlich stehen die Kommunen unter dem NRWRettungsschirm, und zwar mit ganz unterschiedlichen Maßnahmen aus einem Maßnahmenpaket, das an unterschiedlichen Stellen ansetzt, um negative Auswirkungen aufzufangen.

Ein Baustein in diesem Maßnahmenpaket ist das hier vorliegende Gesetz zur Isolierung der Belastungen in den kommunalen Haushalten. Das Ziel besteht darin, die Genehmigungsfähigkeit der Haushalte zu erhalten. Diese ist nämlich zwingend notwendig, damit die Kommunen die gerade von mir skizzierten Dienstleistungen und Angebote auch weiterhin erbringen können.

Der vorliegende Gesetzentwurf tut das, indem er den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, finanzielle Schäden in den Bilanzen zu isolieren. Das ist in gewisser Art und Weise, wenn man so möchte, eine Analogie zum Rettungsschirm, den wir hier im Landtag mit breiter Mehrheit beschlossen haben. Schließlich laufen die Gelder aus diesem Rettungsschirm nicht über den Kernhaushalt, sondern sind als Sondervermögen abgebildet.