Protokoll der Sitzung vom 25.06.2010

Es ist Herr Abgeordneter Clemens Hoch vorgeschlagen. Wer stimmt für Herrn Clemens Hoch? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist der Abgeordnete Clemens Hoch mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU gewählt.

Ich danke Ihnen.

Wir kommen zu Punkt 17 der Tagesordnung.

Zur Geschäftsordnung hat Herr Kollege Bracht von der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf noch einmal auf die Entscheidung des Präsidenten im Zusammenhang mit der Aussprache zur Mündlichen Anfrage Bezug nehmen und will hier erklären, dass die CDU-Fraktion Einspruch gegen die Entscheidung des Präsidenten einlegt.

Wir beziehen uns dabei auf § 132 Abs. 2 der Geschäftsordnung. Unsere Mitglieder des Rechtsausschusses haben eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragt. Ich bitte darum, dass diese Sondersitzung unmittelbar stattfindet.

Herr Kollege Bracht, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, wir sind bei einem anderen Tagesordnungspunkt. Es ist Ihnen unbenommen, Sie können natürlich

Widerspruch einlegen, nur hier passt es nicht in die Debatte.

(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf des Abg. Baldauf, CDU)

Deshalb bitte ich Sie, das zu tun, was Sie tun wollen, aber das nicht mehr hier zu begründen.

Sie haben sich zur Geschäftsordnung gemeldet und nicht zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Zurufe von der CDU – Pörksen, SPD: Er hat den Punkt aufgerufen!)

Ich lege Wert auf die Feststellung, dass man an einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung nicht erkennen kann, zu welchem Tagesordnungspunkt gesprochen wird. Ich habe Sie sprechen lassen, jetzt erachte ich die Sache als erledigt.

Wir kommen zu Punkt 17 der Tagesordnung:

Situation der Diabeteskranken in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 15/4366/4592/4646 –

(Unruhe im Hause – Mehrere Abgeordnete der CDU-Fraktion verlassen den Saal)

Wenn der Lärmpegel nicht nachlässt, kann ich Sie warten lassen, so ist das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich bitte Sie auch im Interesse des Redners, den Lärmpegel zu senken; denn sonst kann man hier keine vernünftige Debatte führen.

Herr Abgeordneter Enders, ich gehe davon aus, dass Sie jetzt durchdringen mit Ihrer Stimme. Ich bitte noch einmal um mehr Ruhe.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Enders von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde etwas lauter reden, damit das alle hören bei dem Lärmpegel.

Wir besprechen heute die Große Anfrage der CDUFraktion zur Situation der Diabeteskranken in RheinlandPfalz.

Meine Damen und Herren, es gibt mittlerweile in Deutschland 7,5 Millionen Menschen mit Diabetes.

Jedes Jahr kommen 300.000 hinzu, allein mit Diabetes Typ 2. Somit existieren in Deutschland mit die höchsten Raten an diagnostizierten Diabetikern.

Die Intention unserer Großen Anfrage war eine grundlegende Bestandsaufnahme der Thematik. Wir gingen nicht davon aus, dass es in Rheinland-Pfalz fundamentale Defizite in der Versorgung der Diabetikerinnen und Diabetiker gibt, und diese Annahme wurde auch durch die Antwort der Landesregierung bestätigt. Das heißt aber nicht, dass es keinen Verbesserungsbedarf gibt. In Rheinland-Pfalz rechnen wir mit 200.000 bis 280.000 Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind. Die häufigste Diabetesart, Diabetes Typ 2, ist eng mit einer ungesunden Lebensweise, mit Fehl- und Überernährung sowie mit Bewegungsmangel assoziiert und tritt natürlich häufig bei Menschen auf, die übergewichtig sind, die Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck haben. Insoweit ist diese Erkrankung der Prävention besonders zugänglich.

Diese Prävention ist als Investition anzusehen, da aufgrund der Begleiterkrankungen erhebliche Kosten für die Volkswirtschaft und die Krankenkassen und damit für uns alle entstehen. Schätzungen gehen davon aus, dass pro Jahr und pro Patient aufgrund von Diabetes und diabetesbedingten Erkrankungen Mehrkosten in Höhe von 2.000 Euro entstehen. Bezogen auf Deutschland bedeutet das 6,8 %, also knapp 7 % der Gesundheitsausgaben. Wir können also zu Recht von einer Volkskrankheit sprechen.

Nach der Todesursachenstatistik sind im Jahr 2008 in Rheinland-Pfalz insgesamt 966 Menschen an Diabetes mellitus verstorben. Es fehlt an einem zielgerichteten System zur Früherkennung. Dies ist aber keine rein politische Frage, sondern dabei müssen alle mitmachen. Im Durchschnitt wird die Erkrankung erst zehn Jahre nach ihrem Ausbruch diagnostiziert. Wenn man den Präventionsgedanken stärken will, lässt sich die Zuckerkrankheit um Jahre bis Jahrzehnte nach hinten verschieben, und viele Kosten lassen sich vermeiden.

Im Bereich der Prävention führt die Landesregierung in ihrer Antwort zahlreiche Projekte auf, die von ihr selbst oder von anderen Trägern unterstützt und durchgeführt werden. Es wird aber in der Antwort nicht ganz deutlich, inwieweit diese Projekte über eine abgestimmte Gesamtstrategie miteinander verbunden sind. Deshalb schlägt auch die Landesregierung eine stärkere Vernetzung und Abstimmung der Angebote der einzelnen Anbieter im Sinne eines konzertierten Vorgehens vor. In diesem Bereich gibt es also noch Handlungsbedarf. Insbesondere müssen die Präventionsaktivitäten noch zielgerichteter auf bestimmte Bevölkerungsgruppen ausgerichtet werden.

Meine Damen und Herren, ich denke aber, dass spezielle Konzepte auch für Menschen mit Migrationshintergrund notwendig sind, da aufgrund von Sprachbarrieren und anderen Kulturen ein Bedarf gegeben ist. Auch die stärkere Einbindung der Ärzte in die Prävention ist zugestandenerweise notwendig.

Insgesamt kann man sagen, dass die diabetologische und medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz gut ausgebaut ist und flächendeckend sichergestellt wird; allerdings ist die Menge diabetologisch qualifizierter pädiatrischer Behandlungseinrichtungen vergleichsweise gering. Je nach Wohnsitz können zu einem wohnortna

hen pädiatrischen Diabetologen möglicherweise nicht unerhebliche Entfernungen bestehen. Dies sollte gerade im Bereich der Pädiatrie verbessert werden.

Meine Damen und Herren, der Landesdiabetesbeirat hat ein Krankenhauspapier verabschiedet, das Vernetzungsstrukturen vorgibt, die noch umgesetzt werden müssen. Nach eigenen Angaben der Landesregierung ist dies noch nicht geschehen.

Auch im stationären Bereich gibt es noch Möglichkeiten der Verbesserung. Viele von Ihnen kennen die Behandlungsleitlinien der Deutschen Diabetesgesellschaft, die beschreiben, wie eine optimale Versorgung von Diabeteskranken aussehen sollte. Aufgrund von Gesprächen mit Interessensverbänden weiß ich, dass diese Leitlinien im Alltag nicht immer so umgesetzt werden, wie es notwendig wäre. Dies liegt nach Expertenmeinung häufig an der mangelnden Vernetzung der Behandlungen.

Meine Damen und Herren, Diabetiker brauchen einen Hausarzt, der sie betreut. Von Zeit zu Zeit müssen sie in eine Spezialpraxis, um gegebenenfalls neu eingestellt und geschult zu werden. Gelegentlich sind auch Krankenhausaufenthalte notwendig.

Etwas undifferenziert fällt die Antwort der Landesregierung zur Forschungssituation und diesbezüglichen Defiziten und Handlungsbedarfen aus. Die Landesregierung räumt ein, dass die Diabetesforschung in der Universitätsklinik Mainz nicht im Mittelpunkt der Fokussierung steht. Auch Möglichkeiten der Kooperation im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung in München scheinen noch nicht abschließend geklärt zu sein. Es sollte auf eine stärkere Vernetzung der wissenschaftlichen Akteure gedrängt werden.

Ich darf zusammenfassend sagen, es gibt keine fundamentalen Defizite in der Diabetesversorgung in Rheinland-Pfalz. Den Verbesserungsbedarf habe ich aufgezeigt. Ich nenne noch einmal abschließend die Vernetzung und die Prävention.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Ebli von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, und wir wissen es nicht erst seit der Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation der Diabeteskranken in Rheinland-Pfalz: Diabetes mellitus wurde zur Volkskrankheit Nummer eins. Schätzungen sprechen von 200.000 bis 280.000 Menschen in Rheinland-Pfalz. Zu ähnlichen Ergebnissen ist auch Herr Dr. Enders gekommen. Bricht man die Zahlen von der Bundes- auf die Landesebene herunter, so sind sie wesentlich höher. Wir wissen auch, dass es eine hohe Dunkelziffer von Menschen mit Diabetes gibt, die es

nicht wissen und die nicht zur Behandlung gehen, die aber behandlungsbedürftig sind.

Das Besorgniserregende dabei ist, dass man künftig mit einem weiteren Anstieg der Erkrankungsfälle rechnen muss. Wenn die Krankheit früh erkannt wird und die Patientinnen und Patienten gut eingestellt sind und wenn sie selbst durch gesundheitsbewusstes Verhalten dazu beitragen, müssen sie nicht zwingend Lebensqualität oder gar Lebenserwartung einbüßen. Wenn dies allerdings nicht der Fall ist, können insbesondere bei an Diabetes Typ 2 erkrankten Menschen schwere Begleit- und Folgeerkrankungen auftreten, die die Lebensqualität, ja sogar die Lebenserwartung gravierend einschränken können. Als einige gravierende Beispiele nenne ich Herzinfarkte, Schlaganfälle, Amputationen, Nierenversagen, Erblindung und neurologische Erkrankungen.

Dies alles klingt sehr tragisch, aber es sind Tatsachen. Wenn man sich darüber hinaus die Kostenseite dieser Volkskrankheit anschaut, dann überläuft es einen regelrecht. In einer europäischen Studie wurden erstmalig die Kosten für Diabetes Typ 2 in acht europäischen Ländern analysiert. Darin wird von Kosten in Höhe von 29 Milliarden Euro jährlich ausgegangen. Der größte Anteil fiel dabei auf die erforderliche stationäre Behandlung. Danach fallen diabetesbedingt pro Jahr und Patient rund 2.000 Euro Mehrkosten an. Für Deutschland wären es nach dieser Studie 14,6 Milliarden Euro und damit 6,8 % der Gesundheitsausgaben insgesamt.

Es wurde auch festgestellt, dass der Anteil der erkrankten Frauen höher liegt als der Anteil der Männer. Auch wurde verstärkt schon bei Kindern eine Erkrankung an Diabetes Typ 2, also der sogenannten Altersdiabetes, festgestellt. Auch dieser Anteil steigt kräftig an. Damit sind sehr hohe Kosten für die Volkswirtschaft und für die Solidargemeinschaft verbunden.

Es war gut und richtig, dass sich die Landesregierung bereits in den 90er-Jahren mit vielen Partnern auf den Weg begeben hat, um die Situation der an Diabetes erkrankten Menschen in Rheinland-Pfalz zu verbessern. Im Bereich der Forschung gibt es in Rheinland-Pfalz vier Einrichtungen, darunter die Johannes GutenbergUniversität in Mainz, ein privates Institut unter der Leitung von Herrn Professor Dr. Pfützner, die deutsche Vertretung von Novo Nordisk und das rheinlandpfälzische Unternehmen Boehringer Ingelheim. Daneben gibt es Forschungsaktivitäten auf ehrenamtlicher Basis von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wie das Pfalz-Fußnetz Südwest oder die Arbeitsgemeinschaft der Diabetologie und Endokrinologie – ADE –, die gerade ein Projekt zur Versorgungsforschung von Gestationsdiabetes, also Schwangerschaftsdiabetes, in mehreren rheinland-pfälzischen Praxen starten.

Hier höre ich, dass Screenings auf Schwangerschaftsdiabetes in gynäkologischen Praxen in Zusammenarbeit mit Diabetes-Schwerpunktpraxen durchgeführt werden und diese Zusammenarbeit im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr effektiv und sehr gut ist. Frau Morsblech nickt mir zustimmend zu.

Das ist eine der Vernetzungen, die Herr Dr. Enders auch angesprochen hat, die wichtig sind. Es ist wichtig, dass sich die Akteure untereinander vernetzen.

Frau Ministerin, ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit ein herzliches Dankeschön dafür sagen, dass es dank der Erschließungsanträge der Landesregierung im Gesundheitsausschuss des Bundesrates gelungen ist, dass Kinder mit Diabetes Typ 1 endlich mit einem GdB-Wert von 50 eingestuft werden. Das war ein ganz wichtiger Kampf. Es ist gut und richtig, dass es so gelungen ist. Ich weiß, dass beispielsweise Frau Neese von der AOK Rheinland-Pfalz, die wir sehr gut kennen, jetzt richtig aufatmen wird.

Wenn man die Beantwortung der Großen Anfrage genau liest – die Antworten sind dankenswerterweise sehr detailliert –, könnte man zu dem Schluss kommen, in Rheinland-Pfalz ist alles gut. Das ist es im Grunde auch. Wir haben eine gute medizinische Versorgung. Es wird geforscht. Es gibt Netzwerke unter den Haus- und Fachärzten und Fachärztinnen. Die Arbeit und das Engagement der Selbsthilfegruppen sind gar nicht hoch genug anzuerkennen und zu loben. Die finanzielle Unterstützung durch das Land ist gut eingesetzt. Sie bekommen ca. 30.000 Euro im Jahr.

Die größte Bedeutung kommt allerdings in der Tat der Prävention zu. Damit kann man in Bezug auf Diabetes mellitus gar nicht früh genug beginnen, also in Kindertagesstätten, in Schulen, in Vereinen, in Betrieben, in Unternehmen, Verwaltungen. Die Volkshochschulen engagieren sich, die Krankenkassen, Netzwerke, Adipositas-Netzwerk beispielsweise. Hier hat die Landeszentrale für Gesundheitsförderung schon Großartiges geleistet, muss es aber auch weiterhin tun, vor allem auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung.

Wir müssen dafür sorgen, dass es den Menschen überall bewusst gemacht wird, dass sie es selbst in der Hand haben, weitestgehend gesund zu leben, gesund alt zu werden, Lebensqualität zu haben und zu erhalten. Möglicherweise kostet uns die Fortführung oder Erweiterung von Präventionsmaßnahmen wie Schulungen, Öffentlichkeitsarbeit und Ähnliches noch eine Stange Geld. Ich meine, dass man in diesem Zusammenhang durchaus weiter auf die hohe Kompetenz und die Erfahrung der Landeszentrale für Gesundheitsförderung zurückgreifen kann.