Eben kam von Herrn Kollegen Baldauf der Vorwurf an die Landesregierung. Er passt ganz gut zu dem, was ich als Nächstes sagen möchte. Es wird auf weltpolitische Fragen mit kommunalpolitischen Antworten reagiert. Das kann ich gar nicht als Vorwurf empfinden; denn wenn man sich das Motto der Agenda 21 noch einmal vor Augen führt – global denken, lokal handeln –, ist es genau das, wofür diese 20 oder dann in Zukunft 21 Konferenzen stehen, dass es nicht nur die globale Brille sein darf, die Sonntagsreden, sondern ganz konkret vor Ort gehandelt werden muss, teilweise auch sehr kleinteilig, aber so konkret, dass es ein Ergebnis zeitigt.
Deswegen ist Ihr Vorwurf im Prinzip eines der größten Komplimente, das Sie uns machen können; denn ja, auch jede Fahrgemeinschaft, jeder Mitfahrerparkplatz schützt das Weltklima. Wir nutzen Energie ständig, nicht nur im Arbeitsleben, nicht nur in der Industrie, sondern auch jeder Einzelne für sich, auf dem Weg zur Arbeit, schon morgens, wenn er seinen Kaffee kocht.
Deswegen ist genau das, was gefordert ist, dass wir jeden Lebensbereich, in dem wir Energien nutzen, durchforsten und nach kleinen Verbesserungen schauen, das, was uns immer wieder abverlangt wird.
Ich will gar nicht die großen Fragen ausklammern. Natürlich würde ich mir wünschen, dass Paris beim Thema, wie wir die Treibhausgasemissionen reduzieren, sehr konkre
te und sehr verbindliche Lösungen findet, zum Beispiel beim Thema Zertifikate, eines der wichtigsten Instrumente, die es gibt, ein Instrument, das unser Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel immer wieder vorgeschlagen hat, immer wieder gepusht hat, das auch hier im Plenum regelmäßig diskutiert wurde, dass wir dazu kommen, dass derjenige, der Rohstoffe nutzt, Treibstoff verbrennt, der Energie zum Beispiel aus Öl, Kohle oder Gas gewinnt, weiß: Wenn ich jetzt nicht nur den reinen Preis für das Öl sehe, sondern auch noch das Zertifikat obendrauf, habe ich in meiner Kalkulation ungefähr das an Kosten, was gesamtwirtschaftlich auch an Kosten anfällt.
Wenn wir dort hinkämen, wären unsere Probleme ein gutes Stück kleiner. Dann könnten wir die CO2-Ziele, die Treibhausgasziele und damit mittelbar auch die Ziele hinsichtlich des Weltklimas, die wir haben, viel besser erfüllen.
Deswegen hoffe ich sehr stark darauf, dass Paris ein Signal in diese Richtung setzt. Ich glaube aber – so realistisch muss man sein –, es kann nur ein erstes Signal sein. Dieses Thema wird uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte verfolgen.
Es ist aber wichtig, dass wir uns dahinter nicht verstecken. Nur weil die großen Antworten ausbleiben, dürfen wir uns nicht zurückhalten. Ich habe eben angesprochen, dass es eine moralische, eine ökologische, aber auch eine wirtschaftliche Verantwortung ist, weil der Umgang mit Ressourcen, den wir aktuell an den Tag legen, nicht wirtschaftlich effizient ist, sondern er ist ineffizient, er ist verschwenderisch, auch aus unserer eigenen Brille gesehen.
Ich habe eben gesagt, dass Energiepolitik, die Art und Weise, wie wir Energie gewinnen, nutzen, schon immer Auswirkungen auf unser Wirtschaftsleben hatte, nicht nur in der Produktion – denn Energie ist immer eine wichtige Vorleistung für nahezu jedes Produkt –, sondern auch in der Art und Weise, wie Produkte transportiert werden.
Das heißt, die Globalisierung so, wie wir sie heute kennen, setzt ganz maßgeblich darauf auf, dass Mobilität von produzierten Gütern günstig verfügbar ist. Die Globalisierung wäre ein gutes Stück weit unmöglich ohne Energie als Treibstoff, insbesondere ohne Öl und dann in der Folge Benzin, Diesel und Kerosin. Das heißt, wir haben hier schon eine ganz wichtige Beeinflussung, die über die reine Vorleistung hinausgeht.
Auch die Art und Weise, wie unser Land gestaltet ist, wie sich Städte gebildet haben, wie ländlicher Raum aussieht, wird ganz maßgeblich in allen Regionen der Welt, aber gerade in Rheinland-Pfalz, davon geprägt, dass die Mobilität des Faktors Arbeit von Treibstoffen, insbesondere natürlich von Pkw, aber auch von Bahn und anderen Formen der Mobilität beeinflusst wird.
Das heißt, es fängt wirklich morgens schon bei der Tasse Kaffee an. Es fängt damit an, dass Menschen sich 80 km zu ihrem Arbeitsplatz auf den Weg machen.
haben hier schon ganz unmittelbar enge Verknüpfungen, die über die reine Vorleistung hinausgehen und die ganz maßgeblich nicht nur unser Wirtschaftsleben und die Ökologie, sondern auch unser Sozialleben prägen. Das ist die Art und Weise, wie unsere Dörfer aussehen; das ist die Art und Weise, wie unsere Städte aussehen.
gleich werden wir auch noch in die Zukunft schauen –, dann können wir feststellen, dass viele der Wachstumsimpulse, die unsere Gesellschaft hat, sehr stark daran festzumachen sind, wie wir Energie genutzt haben. Das fängt spätestens bei der Nutzung, der Übernutzung der Wälder vor knapp 300 Jahren an. Da hat der Energiehunger, der Energiebedarf, der Rohstoffbedarf der Gesellschaft dazu geführt, dass wir Wälder der Gegenwart übernutzt haben und unsere Landschaft und damit auch unsere Gesellschaft ganz maßgeblich verändert haben. Durch diese Übernutzung haben wir entsprechende Nöte verursacht. Eifel und Hunsrück waren nahezu entwaldet.
Die sozialen Probleme, die daran gehangen haben, konnten erst aufgelöst werden, als wir nicht mehr die Wälder der damaligen Gegenwart, sondern die Wälder der Vergangenheit genutzt haben. Wieder wurde ein riesiger Wachstumsschub dadurch ausgelöst, dass insbesondere die Kohle nutzbar gemacht wurde. Dies mit all den positiven Auswirkungen – Stichwort „Industrielle Revolution“ –, aber auch mit all den Problemen, die für die Ökologie und die auch im Sozialen damit verbunden waren. Wenn man sich die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts ansieht, kann man das auch sehr stark an der Form der Energienutzung, an der Bildung von großen Städten, die ohne diese Form der Energienutzung gar nicht möglich gewesen wären, erkennen.
Insofern war schon in dieser frühen Phase der großen Wachstumspotenziale der Wirtschaft Energie immer ein ganz wesentlicher Faktor, der diese Entwicklung beeinflusst hat. Auch in der neueren Zeit kann man festhalten, dass die Ölkrisen in der Form, wie sie aufgetreten sind, ganz maßgeblich zeigen, wie stark die Abhängigkeit der Wirtschaft von der Energiepolitik ist.
Wir haben in den 1970er-Jahren, aus einer zumindest in Westdeutschland heilen wirtschaftlichen Welt kommend, die Folgen des Ölpreisschocks sehr unmittelbar gespürt. Die erste Entwicklung hin zu hoher Arbeitslosigkeit, zu einer Inflation in den 1970er-Jahren und zu einem einbrechenden Wirtschaftswachstum wurde ganz maßgeblich dadurch ausgelöst, dass wir in der Folge des Jom-KippurKriegs 1973 einen Anstieg der Ölpreise von damals drei Dollar auf fünf Dollar hatten. 1974 waren es in der Spitze dann zwölf Dollar.
Zwei Dollar mehr hört sich bei den heutigen Verhältnissen putzig an, aber wenn man das auf die heutigen Dimensionen realwirtschaftlich übertragt, wird man sehen, dass das ungefähr mit den Schocks vergleichbar ist, die wir 2000 in der Folge hatten. Die Preisanstiege waren also real sehr viel größer. Insofern waren auch die Auswirkungen natur
Wir können gerade an diesem Kontrast zur Situation in diesem Jahrtausend feststellen, dass die Abhängigkeit vom Öl damals noch viel größer war, weil unsere Wirtschaft nicht so darauf eingestellt war, wie das heute der Fall ist. Viele der Dinge, die ich zum Beispiel nur aus den Geschichtsbüchern kenne, wie der autofreie Sonntag und ähnliche Dinge oder wie mittelbar in der Konsequenz auch die Einführung der Sommerzeit und der Winterzeit, waren daran geknüpft. Das heißt, wir haben schon einmal erlebt, wie endlich unsere Ressourcen sind und welche Auswirkungen für unser aller Leben aus der Energiepolitik resultieren können.
Die Frau Ministerin hat es deutlich gesagt, deswegen lassen sich gute Energiepolitik und gute Wirtschaftspolitik nicht voneinander trennen. Es ist auch klar, dass wir bereit sein müssen, an der einen oder anderen Stelle einzelwirtschaftlich einen Preis für das zu bezahlen, was gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist. Wir müssen auch manchmal Industrievertretern und Bürgerinnen und Bürgern sagen: Ja, es kann sein, dass Strom aufgrund unserer Handlungen teurer wird. – Das ist aber der Preis, den wir dafür bezahlen müssen, dass wir das machen, was gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist und damit künftige Generationen eine vernünftige Situation vorfinden und nicht in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.
Deswegen haben wir spätestens seit 1998 in Deutschland immer wieder Versuche insbesondere der Bundespolitik erlebt, eine nachhaltige Energiepolitik und damit auch Wirtschaftspolitik einzuleiten. Das ist sehr stark mit dem EEG verknüpfbar. Nach meinem Empfinden ist das einer der großen Erfolge der ersten rot-grünen Bundesregierung, die mit der Förderung erneuerbarer Energien ernst gemacht hat. Dinge, die damals utopisch erschienen, wie zum Beispiel das 100.000-Dächer-Programm, sind nach heutigem Standard – daran sieht man, wie Utopien und Visionen sich relativieren – kalter Kaffee. Damals war das ein großer und wichtiger Schritt, aber heute wissen wir, es war noch sehr viel mehr möglich. Auch das, was damals vermeintlich revolutionär war, war nur ein evolutionärer Schritt, ein erster Schritt, aber das war damals ein sehr, sehr wichtiger Schritt, auf den wir alle zusammen – zumindest Rot-Grün in diesem Haus – sehr stolz sein können.
Auch das Energiewirtschaftsgesetz von 1998 zeigt den Zeitenwandel auf, dass man Energiepolitik in einem Dreieck sieht, nämlich nicht nur die günstige Verfügbarkeit von Energie, sondern auch die ökologischen Auswirkungen und die Versorgungssicherheit. Hier zeigt sich schon, dass man Energie eben nicht nur am Preis, den der Einzelne dafür zu bezahlen hat, ausrichten kann, sondern man auch die anderen Aspekte, die gesellschaftlichen und die ökologischen Auswirkungen, berücksichtigen muss. Ich glaube, dass sich deswegen dieses Gesetz und insbesondere sein Zieldreieck nicht nur auf die damals angesprochene lei
tungsgebundene Energie anwenden lässt, sondern es eine Richtschnur für alle energiepolitischen Entscheidungen sein muss. Ich glaube, davon wird diese Koalition, diese Landesregierung, ein gutes Stück weit getragen.
Auch für Rheinland-Pfalz gesprochen kann man aber sehen, dass mit diesen Fragestellungen immer wieder eine Beschäftigung stattgefunden hat und immer wieder Auswirkungen spürbar wurden. Wir haben aus historischen Gründen in Rheinland-Pfalz eine Situation – das will ich jetzt gar nicht bewerten –, wobei mit historisch nicht die ganz lange Schiene gemeint ist, sondern ich nehme jetzt einmal das Jahr 2005, dass wir in Rheinland-Pfalz so gut wie keine eigene Erzeugung von Strom hatten. Wir hatten im Jahr 2005 die Situation, dass zwei Drittel des Strombedarfs von Rheinland-Pfalz nicht im Land, sondern in anderen Bundesländern erzeugt wurden. Das macht sich dann sehr stark an den Themen Braunkohle und Atomenergie fest.
Die Ministerin wurde eben kritisiert, dass sie sich mit der Braunkohle so auseinandersetzt. Das ist höchst beachtlich. Herr Kollege Baldauf sagt, das darf sie gar nicht. Nein, meine Meinung ist, sie muss das tun und hat das zu Recht getan;
denn wir haben über Jahre und Jahrzehnte hinweg die Belastungen, die mit Energieerzeugung immer und unabweislich verbunden sind, anderen aufgebürdet. Das fängt im rheinischen Braunkohlerevier an, über das ein Großteil unseres Energiebedarfs gestillt wurde. Dort haben Menschen nicht nur die Aussicht aus dem Garten verloren, sondern Zehntausende haben dort durch entsprechende Umsiedlungen und Braunkohletagebau-Projekte ihre Heimat verloren. Da fängt es an.
Mit dem Weltklima geht es weiter. All die CO2-Emissionen, die sich insbesondere an der Braunkohle festmachen lassen, wurden anderen Menschen aufgebürdet. Das reicht hin bis zur Kernenergie, wenn ich die noch als drittes Beispiel nennen darf, durch die künftige Generationen mit unserem Energiebedarf Bürden auferlegt bekommen haben.
Ich glaube, deswegen ist es wichtig, dass man die Energiepolitik eben nicht nur auf Rheinland-Pfalz fokussiert und nach dem Muster verfährt, über Kohle darf man in Rheinland-Pfalz nicht reden, weil wir keine Kohlenutzung haben, sondern auch dieser Aspekt ist zu sehen. Wir müssen sehen, dass unseren Energiehunger zum Beispiel im rheinischen Braunkohlerevier viele Menschen bitter bezahlt haben. Deswegen ist es gut, dass die Ministerin das in aller Deutlichkeit angesprochen hat.
Herr Baldauf, deshalb auch an Sie der Appell: Beschäftigen Sie sich einmal mit den Entwicklungen in den Regionen. Fahren Sie einmal nach Garzweiler, und schauen Sie sich an, was dort an Landschaft entsteht und welche Auswirkungen Energiepolitik auch haben kann. Nicht in
weit entfernten Ländern, sondern ganz konkret bei uns in Deutschland nur wenige Kilometer von der Landesgrenze entfernt.
Deswegen ist es gut, dass wir unseren Eigenanteil an Erzeugung in Rheinland-Pfalz in den vergangenen zehn Jahren massiv erhöht haben. Wir haben ihn insbesondere durch die Windenergie und die Photovoltaik erhöht. Das finde ich richtig.
Dann ist es in Ordnung, dass wir die Belastungen, die mit der Energieerzeugung immer verbunden sind, jetzt auch ein Stück weit zu spüren bekommen und wir dann sauber darüber diskutieren, was zumutbar ist und was sinnvoll ist. Ich stelle mich diesen Diskussionen.
Windenergie ist eine Belastung, manchmal ökologisch, manchmal von der Landschaftsästhetik her. Da muss man mit den Menschen diskutieren und ihnen ehrlich sagen: Ja, diesen Beitrag müssen wir dir jetzt abverlangen. – Wer sich vor diesen Diskussionen wegduckt, der wird nach meinem Empfinden seiner Verantwortung nicht gerecht.
Wir haben in Rheinland-Pfalz deswegen einen guten Weg beschritten. Er ist schwierig, er ist anspruchsvoll, er ist mit sehr vielen Maßnahmen hinterlegt, aber er ist notwendig, und er ist auch erfolgreich. Es wird häufig in den Raum gestellt, wir können das Weltklima in Rheinland-Pfalz nicht retten. Die vergangenen Jahre zeigen aber, dass wir einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet haben.
Der Referenzzeitraum für CO2-Emissionen ist immer das Jahr 1990. Wir können feststellen, dass wir 1990 rund 50 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in Rheinland-Pfalz zu verantworten hatten. Wir sind dann zwischenzeitlich bis 1995 auf 57 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hochgegangen. Es gab also einen starken Anstieg. Wir können voller Stolz festhalten, dass wir von diesem hohen Niveau kommend heute auf 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente heruntergekommen sind. Das ist eine gigantische Reduzierung, die auf der anderen Seite nicht dazu geführt hat, dass uns Lebensstandard, Wirtschaftswachstum und andere Dinge verloren gegangen wären.
Nein, wir sind trotzdem erfolgreich gewesen. Wir haben einen höheren Lebensstandard. Wir haben eine viel höhere Produktion. Wir haben eine niedrige Arbeitslosigkeit. Genau das, was ich eben gesagt habe, nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich mit einem guten Beispiel voranzugehen, ist uns gelungen. Genau das ist die Blaupause, über die wir immer und immer wieder reden müssen, damit andere diesem Beispiel nacheifern.