Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen einen schönen guten Morgen und eröffne die Sitzung. Auf der Tribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer der Realschule Tellingstedt. - Herzliches Willkommen Ihnen allen!
Ich teile mit, dass der Herr Abgeordnete Peter JensenNissen und Frau Ministerin Moser erkrankt sind. Beiden von hier aus gute Genesung!
Dienstlich abwesend sind Herr Landtagspräsident Arens, Frau Ministerin Lütkes, Herr Minister Buß und - wenn ich es richtig sehe - auch der Herr Oppositionsführer wegen seiner Teilnahme am Föderalismuskongress in Berlin.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Nach Absprache zwischen den Geschäftsführern behandeln wir jetzt Tagesordnungspunkt 28:
Ich darf zunächst in Vertretung für die erkrankte Frau Ministerin Moser der Frau Ministerin Erdsiek-Rave für die Landesregierung das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im Dezember 2001 das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Landtag verabschiedet wurde, hat das hohe Haus auf Initiative des SSW gleichzeitig beschlossen, nach Ablauf von zwei Jahren über die ersten Erfahrungen mit der Umsetzung des Gesetzes zu berichten und sich in dem Bericht insbesondere mit der Frage zu beschäftigen, wie die Träger des öffentlichen Gesundheitsdienstes die Vorgaben des neuen Gesetzes umgesetzt haben. Begründet und motiviert wurde der Antrag für diesen Bericht damals mit der Befürchtung, die Neuregelung könnte möglicherweise zu einem Rückzug der Kommunen führen.
Das Gesundheitsministerium hat zur Vorbereitung des Berichts eine Umfrage bei den Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführt; deren Ergebnisse sind in
der Drucksache, die Ihnen vorliegt, umfassend dargestellt. Das Ergebnis belegt - damit will ich den Bericht zusammenfassen -: Die Befürchtungen waren im Wesentlichen unbegründet.
Schon damals war klar: Für eine abschließende Beurteilung, ob die Novellierung ihre Ziele tatsächlich erreicht, ist ein Berichtszeitraum von zwei Jahren natürlich nicht ausreichend. Das muss man konzedieren. Ich bitte, den Bericht mit dieser Haltung zu lesen. Es konnte insbesondere nicht auf vergleichende Vorerhebungen zurückgegriffen werden, weil der Berichtsauftrag zeitgleich mit der Verabschiedung des Gesetzes erteilt wurde. Deswegen liefern die vorliegenden Daten auch kein vollständiges Abbild der öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen und ihrer Entwicklung in allen Einzelheiten. Trotzdem kann man wohl sagen, der Bericht zeigt einige Entwicklungstendenzen auf, die anhand ausgewählter Beispiele dargestellt werden.
Zurück zur Debatte vor zwei Jahren und zu den Zielen der Novellierung. Es wurde ja eine umfängliche Neuorientierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes angestrebt. Insbesondere formuliert das Gesetz diese Aufgaben konsequent als kommunale Selbstverwaltungsaufgaben, und zwar viel konsequenter - wenn man das im Bundesvergleich einmal sieht -, als es in anderen Ländern bislang geschehen ist. Man kann sagen, formuliert ist das Ziel einer regionalen Gesundheitspolitik, weil es eine Verknüpfung gibt zwischen Wohnen, Verkehr, Umwelt, sozialen Bereichen. Da trifft es sich auch mit den Aufgaben meines Ressorts, mit der Schulversorgung, mit der Schulsituation. Nicht umsonst haben wir damals auch über die schulzahnärztlichen und Schulgesundheitsdienstfragen ausführlich gesprochen.
An diese regionale Zuständigkeit und diese regionale Verknüpfung soll angeknüpft werden im Zusammenwirken aller Partner. Ich finde, das ist ein sehr moderner Ansatz, der damals gewählt worden ist.
Natürlich sind solche Umstellungsphasen und grundlegenden Veränderungen nicht ohne Abstimmungsprobleme zu vollziehen. So ist etwa bei Themen, die sich erst danach ergeben haben, wie beim Thema Bioterrorismus, die konsequente Trennung der Verantwortungsbereiche zwischen Land und Kommunen nicht immer stringent durchzuhalten. Das ist bei solch übergreifenden Themen wohl auch klar. Aber der generelle Kurs für eine selbstbewusstere und eigenständigere kommunalverantwortete Gesundheitsdienstleistung stimmt.
Die grundlegenden Veränderungen in den Strukturen und in den Arbeitsweisen erfordern von allen Akteuren und allen Beschäftigten im öffentlichen Gesundheitsdienst sowohl auf kommunaler als auch auf Landesseite eine erhebliche Bereitschaft zu Veränderungen, zum Umdenken und auch persönliches Engagement. Ein Beispiel dafür, dass dieses Umdenken vielleicht noch nicht überall vorhanden ist, ist die Forderung, die von mancher kommunalen Seite erhoben worden ist, das Land möge doch in bestimmten Bereichen mehr Vorgaben machen. Nicht in allen, aber doch in bestimmten Bereichen sind dahin gehende Forderungen gestellt worden. Sie können das im Bericht nachlesen. Solcher Vorgaben bedarf es in Zukunft aber gerade nicht mehr. Es ist ja gerade der Sinn des neuen Gesetzes, dass die Eigenverantwortung der kommunalen und der regionalen Seite hiermit gefordert und gefragt ist.
Ich bin der Auffassung, der Bericht lässt erkennen, dass die neue Rollenverteilung und das neue Zusammenspiel noch nicht von allen Beteiligten realisiert worden sind. Das ist sicherlich richtig. Vielen Akteuren ist aber für die Bereitschaft zu danken, diesen Weg zu gehen und den bestmöglichen Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung in der jeweiligen Region, insbesondere was die präventive Seite angeht, zu leisten.
In diesem Sinne stellt der vorliegende Bericht natürlich noch keine abschließende Bilanz dar. Er ist aber doch so etwas wie ein Ansporn, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu beschreiten.
Ich eröffne die Aussprache. Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag und damit für die antragstellende Fraktion - wenn ich so sagen darf - erteile ich zunächst der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor zwei Jahren das neue Gesundheitsdienstgesetz beschlossen haben, hatte der SSW gleichzeitig vorgeschlagen, einen solchen Bericht wie den, über den wir jetzt debattieren, zu erstellen. Wir taten dies, weil wir sehr skeptisch waren, ob das Gesetz seine Ziele wirklich erreichen würde. Wir befürchteten vor allem, dass es kontraproduktiv wirken könnte, die Stan
dards in diesem Bereich freizugeben, ohne dass den sehr klammen Kommunen mehr Geld für diesen Bereich zur Verfügung steht. Unsere Bedenken konnten damals viele hier im hohen Hause nachvollziehen. Jedenfalls hat sich damals, soweit ich mich entsinne, nur die CDU der Stimme enthalten. Mittlerweile können wir feststellen, dass der Untergang des Abendlandes, den der Kollege Kalinka in einer seiner kühnen Visionen vorhergesehen hat, ausgeblieben ist.
Der Bericht der Landesregierung bestätigt aber auch, dass wir mit unseren moderaten Befürchtungen teilweise richtig lagen. Die Aufhebung der Standards hat zu einem Flickenteppich geführt, bei dem jeder Kreis und jede Stadt eigene Schwerpunkte setzt. Die Vielfalt in diesem Bereich ist ja auch erwünscht - aber bitte auf sehr hohem Niveau, könnte man sagen. Ich habe meine Zweifel, ob die kommunale Gesundheitspolitik überall dieses Prädikat verdient hat. Es ist deutlich erkennbar: Wo der Landrat nicht willig ist, gibt es nur einen öffentlichen Gesundheitsdienst light. Weil das Land auf Vorgaben verzichtet hat, kommen die kommunalen Träger der Gesundheitspolitik dieser Pflichtaufgabe in sehr unterschiedlicher Weise nach. Manche haben schon immer ein höheres Niveau bei der Gesundheitsförderung angestrebt. Andere entwickeln gerade eine eigene Politik in diesem Bereich. Wiederum andere geben unumwunden zu, dass sie ihre gesetzlichen Pflichten nach dem alten GDG schon nicht erfüllt haben, und sehen nicht ein, was sie nun mit einem neuen Gesetz anfangen sollen. Es ist erschreckend, dass fünf Kreise gar keine Verbesserungen erkennen können.
Bis auf die Lobby der niedergelassenen Ärzte möchte wohl niemand bestreiten, dass es sinnvoll ist, den öffentlichen Gesundheitsdienst neu auszurichten, von alten Aufgaben zu entlasten und diese teilweise auch für private Anbieter zu öffnen. Es gibt aber ein finanzielles Problem der Kommunen, das dem Umbau des öffentlichen Gesundheitsdienstes enge Grenzen setzt. Nicht umsonst umfasst der Bericht auch eine lange Reihe von Aufgaben und Planstellen, die von den kommunalen Trägern mittlerweile aufgegeben worden sind. Dazu gehören leider auch Arbeitsfelder, die dem neuen Leitbild entsprechen. Deshalb stellt sich sehr wohl die Frage danach, unter welchen Umständen und wie weit die Landesregierung den Kommunen freie Hand geben darf, ohne dass entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Ein Problem ist offensichtlich auch die im GDG vorausgesetzte Kooperation der Kreise und kreisfreien Städte. Sinn der Sache war auch, dass sie arbeitsteilig
tätig werden und dass sie dort einen fachlichen Dialog anstreben, wo sie gleiche Aufgaben erledigen. Die Ministerin hatte sich bei der zweiten Lesung des Gesetzes gewünscht, dass die Kommunen gemeinsame Standards zur Aufgabenerfüllung erarbeiten. Dieser Wunsch ist ihr bis heute leider nicht erfüllt worden. Die kreisfreien Städte haben sich einerseits zwar zusammengetan, wenn es um die Gesundheitsberichterstattung geht. Andererseits wurde beziehungsweise wird aber von mehreren Seiten beklagt, dass die Kooperation der kommunalen Träger insgesamt nicht gut läuft. Hier muss das Ministerium eine moderierende Rolle übernehmen, denn durch die fehlende Abstimmung können Ungleichheiten entstehen, die über das hinausgehen, was wir zu akzeptieren bereit sind.
Unser Berichtsantrag war mit der Absicht verknüpft, dass wir umlenken müssen, falls das Gesetz seinen Zweck nicht erfüllt oder kontraproduktiv wirkt. Ich kann zwar nicht in allen Fällen die Argumentation des Ministeriums nachvollziehen, dass der Berichtszeitraum von zwei Jahren zu kurz ist, um etwas über die Wirkung des Gesetzes auszusagen. Das wenigste, was man feststellen kann, ist, dass es schwierig wird, dass es noch viel mehr zu tun gibt und dafür wenig Geld vorhanden ist. Trotzdem gebe ich der Landesregierung insgesamt Recht: Wir müssen noch etwas abwarten, bevor wir endgültig über die praktische Tauglichkeit dieses Gesetzes urteilen können.
Auch der Verweis auf die schlechten Finanzen bedeutet keinen Blankoscheck für die Kommunen, sich aus diesem Bereich zurückzuziehen. Der öffentliche Gesundheitsdienst hängt, wie gesagt, auch von den politischen Prioritäten der Politiker auf Kreisebene ab. Bevor das Land wieder eingreift und einen engeren Rahmen vorgibt, sollten wir deshalb alle anderen Möglichkeiten nutzen, die Kreise und kreisfreien Städte zu einer besseren kommunalen Gesundheitspolitik zu bewegen.
Änderungen in diesem Sinne zu erreichen ist natürlich in erster Linie Aufgabe der Kommunalpolitik auf Kreisebene. Dort, wo der SSW die Möglichkeit hatte, haben unsere Kommunalpolitiker sich als treibende Kraft dafür eingesetzt, dieses Gesetz mit Leben zu erfüllen. Am Montag hat man zum Beispiel in Flensburg beschlossen, eine Stelle für eine Gesundheitsplanerin einzurichten, die auch die Mitarbeit im Gesunde-Städte-Netzwerk intensivieren und grenzüberschreitende Projekte in der Gesundheitsförderung unterstützen soll.
Ich finde es vorbildlich, dass eine Stadt trotz ihrer schwierigen finanziellen Lage ihre Verantwortung für die Gesundheitspolitik übernimmt.
Wenn alle Kolleginnen und Kollegen im Landtag - insbesondere in der Kommunalpolitik Aktiven - sich in ihrem Heimatkreis dafür einsetzen würden, diesem Beispiel zu folgen, wäre sehr viel erreicht. Insofern wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Möglichkeiten des GDG in den nächsten Jahren noch besser genutzt werden. Sollte es mittelfristig nicht gelingen, auf freiwilliger Basis das Niveau der kommunalen Gesundheitspolitik zu heben, werden wir hier die Frage aufwerfen, wie die Landespolitik für gleichartige Lebensverhältnisse sorgen kann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will meinen Redebeitrag mit einem Zitat aus dem Landtagsprotokoll über die Sitzung am Freitag, dem 14. Dezember 2001, mit freundlicher Genehmigung des Präsidiums beginnen. Dort heißt es in dem Redebeitrag der Kollegin Hinrichsen aus Anlass der zweiten Lesung des GDG:
„Wir haben dann noch einen Berichtsantrag gestellt - darauf sind die Kolleginnen und Kollegen ja schon eingegangen -, weil wir meinen, dass der Landtag in zwei Jahren nachsehen muss, was die kommunale Ebene aus dem neuen Regelwerk gemacht hat und ob weiterer Regelungsbedarf seitens des Landes besteht.“
Um es deutlich zu sagen: Vielen Dank, Frau Kollegin Hinrichsen, für den damaligen Antrag. Er hätte eigentlich auch von uns kommen können, ja müssen. Er macht deutlich, dass es doch etliche Dinge gibt, über die wir noch reden müssen. Der Antrag wurde - darauf wurde schon hingewiesen - mit Ausnahme der CDU von allen Fraktionen dieses hohen Hauses angenommen. Wie sich die CDU dazu gestellt hat, wurde von meiner Vorrednerin gerade treffend beschrieben. Der Antrag macht deutlich, dass ein Bericht wie der vorliegende gebraucht wird. Wir wollen diesen Bericht anschließend zur weiteren Beratung an den Fachausschuss überweisen.
Es lässt sich allerdings jetzt schon sagen, dass die Berichterstattung anhand von Beispielen deutlich macht, wie wichtig eine Novellierung dieses Teils des öffentlichen Gesundheitsdienstes gewesen ist. Ich selbst kann nach Gesprächen mit meinem örtlichen Gesundheitsamt feststellen, dass dieses Gesetz die Eigenverantwortung gestärkt hat. Man ist in diesem Bereich ein Stückchen weitergekommen. Der Bericht zeigt, dass die in der damaligen Zeit eingeworbenen Änderungsanträge der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richtig und richtungweisend waren. Es war gut, die Aufgaben nach § 6 betreffend die Gesundheitsberichterstattung zu präzisieren. Hinsichtlich der in § 7 festgelegten Handlungsanweisung für den Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit war es wichtig, auf die regelmäßige Untersuchung zur Feststellung von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen in Kindertagesstätten und Schulen hinzuweisen und klare Richtlinien einzubauen. Gerade dieser Bereich ist auf der Seite 7 des Berichts positiv hervorgehoben worden. Für die hier in den Fraktionen verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen hat der nunmehr geänderte § 8 mit seiner Ergänzung im Bereich der Migrantinnen und Migranten, der Obdachlosen und der Unterstützungsbedürftigen seine Berechtigung gefunden.