Protokoll der Sitzung vom 22.01.2004

Ich sagte damals in der zweiten Lesung, dass dieses neue Gesundheitsdienstgesetz ein gelungener Meilenstein ist. Es ist wahrlich ein Stück gelebtes Gesundheitsmanagement - so habe ich mich ausgedrückt -, das mit Leben erfüllt ist. Der Bericht zeigt dieses deutlich auf. Ich wiederhole mich gern, wenn ich noch einmal sage: Moderne Zeiten erfordern modernes Handeln. - Das Ergebnis liegt vor.

Für uns sind die beispielhaften Aufzählungen und Darstellungen der Erfahrungen und Bewertungen der kommunalen Träger wichtig und beratenswert. Ich erspare es mir, hier einzeln auf die Punkte einzugehen. Die kreisfreien Städte und die Kreise selbst haben die Möglichkeit, sich anhand dieses Berichts zu orientieren, sich zu vergleichen, und zwar - darauf hat Frau Hinrichsen schon hingewiesen - über eine gemeinsame Gesundheitsberichterstattung hinaus - da gibt es Etliches -, und mitzuhelfen, eventuell vorhandene Defizite abzubauen.

Auch dieser Bericht macht deutlich: SchleswigHolstein ist ein Gesundheitsland, das selbst in Form dieser Gesetzgebung deutlich macht, wie fortschrittlich, innovativ und beweglich es ist. Ich danke ausdrücklich dem zuständigen Ministerium für diesen Bericht und beantrage, wie anfangs angekündigt, die

(Arno Jahner)

Überweisung in den Fachausschuss zur weiteren Beratung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bericht ist eine Zustandsbeschreibung zwei Jahre nach In-Kraft-Treten des Gesetzes. In der Zustandsbeschreibung werden häufig Worte wie „suboptimal“, „anlassbezogen“, und „unterschiedlich wahrgenommen“ verwendet. Am allerdeutlichsten wird es auf der Seite 6, auf der es unter dem Punkt „Gesundheitsziele“ heißt - ich zitiere, Herr Präsident -:

„Der Bearbeitungsstand ist sehr unterschiedlich. Konkrete Ziele wurden benannt von Neumünster, Lübeck, Ostholstein und Schleswig-Flensburg. In Flensburg, Plön und Rendsburg-Eckernförde sind Gesundziele in der Planung beziehungsweise Beratung. Kommunalpolitische Gremien wurden bereits eingebunden in Flensburg, Lübeck, Ostholstein, Plön und Rendsburg-Eckernförde.“

Auch bei den schulärztlichen Untersuchungen stellt sich die Situation sehr unterschiedlich dar. Ich denke, das ist im Grunde genommen richtig. Das Zwischenergebnis, das wir heute bekommen, sollte uns dazu ermuntern, weitere Aufgaben auf die Kommunen zu übertragen. Die Kommunen können selbst entscheiden, was sie in den verschiedenen Bereichen, wie den Gesundheitszielen, als notwendig ansehen und wie sie es wahrnehmen wollen.

Es gibt wenige, aber entscheidende Aufgaben - ich nenne als Beispiele: Verbraucherschutz, Abwehr bioterroristischer Gefahren und die Wasseruntersuchungen -, die weiterhin in einem verpflichtenden Rahmen wahrzunehmen sind, damit da gar kein Zweifel entsteht. Für alle anderen Aufgaben, die freiwillig wahrgenommen werden, sollten wir den Kommunen die Verantwortung geben. Dann können sie darüber entscheiden, ob und wie sie diese wahrnehmen wollen. Die Frage beispielsweise, ob eine kommunale Gesundheitskonferenz durchgeführt werden muss, muss nicht Bestandteil der Vorgaben von oben sein. Die Entscheidung darüber sollte man den Kommunen selbst überlassen. Ich sage dies auch unter dem Gesichtspunkt der knapper werdenden öffentlichen Mittel. Überall werden Personal und Aufgaben reduziert.

In dem Bericht wird besonders die Stadt Lübeck erwähnt. Dort gibt es meines Wissens einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Bürgermeister!)

- Bürgermeister! Ich wollte euch ein bisschen befördern! - Es ist also ein Sozialdemokrat an der Spitze. Die dort vorgenommene Aufgabenreduzierung wäre ohne Probleme auch in anderen Bereichen möglich.

Die Lockerung von Standards, über die wir im Land Schleswig-Holstein nicht nur im Zusammenhang mit dem zur Diskussion stehenden Thema diskutiert haben, sollten wir mutig weiter in Angriff nehmen. Wir sollten in Bezug auf das Gesundheitsdienstgesetz entsprechend verfahren. Die von mir genannten Bereiche sollten - auch in den Ausschüssen - zur Diskussion gestellt werden, um das Gesetz zu verschlanken. Die Arbeitskapazitäten in den Ämtern sollten auf die wirklich notwendigen Aufgaben, wie ich es beschrieben habe, konzentriert werden. Dann gehen wir einen mutigen Schritt in Richtung mehr Freiheit vor Ort. Dennoch werden die Aufgaben dort, wo es zwingend notwendig ist, wahrgenommen. Ich schlage Ihnen für die CDU-Fraktion vor, zu einer Lockerung von Standards und zu mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort zu kommen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Veronika Kolb.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen Gesundheitsdienstgesetz sollte das bisherige öffentliche Gesundheitswesen in Schleswig-Holstein grundsätzlich neu ausgerichtet werden. Im Bereich des Gesundheitswesens sollte es den Kommunen ermöglicht werden, ein modernes, flexibel agierendes und für den Bürger attraktives Dienstleistungs- und auch Servicezentrum aufzubauen.

Dazu gehörte der Anspruch, den Kommunen die Freiheit zu geben, auf der Basis von neu zu erstellenden Gesundheitsberichten die Gesundheitsziele vor Ort selbst zu definieren. Nur dadurch können die besonderen Verhältnisse vor Ort besser berücksichtigt werden.

Als Folge daraus ist es natürlich auch nur konsequent, den Weg, wie das jeweilige Gesundheitsziel erreicht werden soll, den Kommunen zu überlassen. Der darüber hinausgehende Ansatz, dass die Umsetzung

(Veronika Kolb)

dieser Ziele nicht notwendigerweise durch den öffentlichen Gesundheitsdienst selbst erfolgen muss, ist dabei nur folgerichtig.

Wie aber hat sich die Umsetzung dieses Gesetzes vor Ort ausgewirkt? Konnten die gewünschten Freiheiten tatsächlich zugunsten der Bürgerinnen und Bürger genutzt werden oder wurden schlicht zu hohe Erwartungen an die Kommunen und das Gesetz gestellt, die in der Praxis nicht umsetzbar waren und auch nicht umsetzbar sind?

Um überprüfen zu können, ob die selbst gesteckten Ziele erreicht worden sind, ist es nur folgerichtig, diese nach einem Zeitraum von zwei Jahren in der Praxis genauer zu überprüfen. Deshalb bedanke ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für den uns vorgelegten Bericht. Der Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Gesundheitsdienstgesetzes zeigt, dass die neue Zielrichtung des Gesetzes von den meisten Kommunen positiv bewertet wird; das ist zu begrüßen. Tatsächlich eröffnet dieses Gesetz größere eigenverantwortliche Handlungsspielräume. Die neuen Freiheiten im Bereich des Gesundheitswesens bedeuten für die Kommunen bessere und neue Möglichkeiten, die gesundheitliche Gesamtsituation vor Ort zu beeinflussen. Dabei können die Beteiligten endlich selbst entscheiden, was sie im Rahmen der Gesundheitsförderung leisten können und was sie leisten wollen. Eines der Grundziele des Gesetzes wurde insoweit erfüllt.

Der vorgelegte Bericht zeigt aber, dass die Chance, die Selbstverwaltungsaufgabe Gesundheit effektiv und sinnvoll zu gestalten, durch die miserable finanzielle Situation in den Kommunen konterkariert wird.

Darüber hinaus wurde der bei der Neufassung des Gesetzes geäußerte Wunsch, die sozialpolitische Kompetenz der Kommunen zu stärken, schlicht unterlaufen. Zwar erhalten die Kommunen auf der einen Seite auf dem Papier mehr Freiheiten. Auf der anderen Seite wird ihnen aber gerade dieser Spielraum durch immer höhere Anforderungen und strikte Durchführungsanweisungen, gerade im Bereich der Seuchenvorsorge oder bei der Umsetzung von EURecht - wie die Verordnungen über Trinkwasser und Badestellen -, wieder genommen. Die Folge ist, dass die neuen Freiheiten des Gesetzes vor Ort faktisch viel zu wenig genutzt werden können.

Da ist es dann schön zu wissen, dass sich die Aufgaben des Landes konkretisiert haben. Den Kommunen hilft dies recht wenig; denn die Konkretisierung ihrer Aufgaben, über die dann das Land seine Aufsicht ausübt, müssen in diversen Arbeitskreisen zeitrau

bend und mit hohem finanziellem Aufwand koordiniert werden.

An dieser Stelle rächt es sich, dass im Gesundheitsdienstgesetz noch nicht einmal genau definiert worden ist, welche Behörden sich konkret untereinander abstimmen müssen. Natürlich braucht die Neudefinition von Aufgaben und deren Verteilung in einem Gesetz eine gewisse Vorlaufzeit. Der vorgelegte Bericht macht aber deutlich, dass die Abstimmungsprobleme der Kommunen untereinander unterschätzt worden sind. Viele Probleme sind auch nach zwei Jahren immer noch nicht ausreichend gelöst. Unsere Befürchtungen, die wir bereits in der zweiten Lesung zum Gesundheitsdienstgesetz geäußert haben, haben sich in einigen Teilen bewahrheitet. Die Gesundheitsvorsorge bleibt angesichts des desolaten Haushalts in den Kommunen in vielen Bereichen auf der Strecke. Wir werden und müssen deshalb im Ausschuss eingehend darüber beraten, wie vonseiten des Landes weitere Hilfestellung für die Kommunen gegeben werden kann und wie - Silke Hinrichsen hat es gesagt - die Aufgaben neu definiert werden müssen.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das moderne Gesundheitsamt vor Ort soll nicht nur bei Krisen intervenieren, sondern schon vorher präventiv tätig werden. Es soll nicht nur den Einzelfall im Blick haben, sondern verschiedene Akteure an einen Tisch bringen, um den Lebensraum einer Gemeinde gesünder zu gestalten und benachteiligten Gruppen Gesundheitsdienstleistungen zu eröffnen. Die Kommunen haben mehr Freiheit bei der Gesundheitsvorsorge erhalten. Bei der Festlegung von landesweiten Gesundheitszielen und entsprechender Gesundheitsberichterstattung sollen sie dennoch landesweit an einem Strang ziehen. Das haben wir im Dezember 2001 beschlossen.

Dann kam alles völlig anders. Die Vorsorgemaßnahmen gegen möglichen Terroranschläge wie zum Beispiel Pockenviren oder Milzbranderreger - wir alle erinnern die Aufregung um die weißen Pakete, wir erinnern die ausführliche Darstellung der Pockenvirenpräventionsmaßnahmen im Gesundheitsausschuss - kam für alle Beteiligten ziemlich überraschend. Damit standen die traditionellen Wege der

(Angelika Birk)

typisch amtlichen Seuchenprävention wieder im Vordergrund. Die Aufgaben wurde gut bewältigt, aber dabei wurde viel Personalkapazität gebunden. Die aus China kommende Grippe SARS beansprucht diese Aufmerksamkeit des Personals in den Gesundheitsämtern für Seuchenprävention zumindest teilweise weiter.

Frau Erdsiek-Rave, vor diesem Hintergrund komme ich, anders als Sie, zu einem etwas kritischeren Fazit, was die kommunale Ebene und die neuen Aufgaben betrifft. Zu kritisieren ist allerdings der Trend der Kommunen, die größere Freiheit bei der sonstigen Aufgabenwahrnehmung vor Ort für Sparmaßnahmen zu missbrauchen. So zum Beispiel im Kreis Segeberg. Hier gibt es fast 20 % weniger Personal. Die meisten kreisfreien Städte - bis auf Neumünster - haben Personal abgebaut. Um es einmal konkret zu machen: Lübeck, meine Stadt, hat in verschiedenen Bereichen reduziert, Umweltmedizin, Aidsberatung, Suchtberatung, Infektionsschutz, Gesundheitsaufsicht, Gesundheitsberichterstattung, obwohl letzteres in Lübeck immer Schwerpunkt war und Lübeck sich damit zu Recht einen Namen gemacht hat.

(Zurufe von der SPD)

In Lauenburg, in Ostholstein werden auch Pflichtaufgaben nur eingeschränkt wahrgenommen. Nordfriesland hat zum Beispiel den jugendzahnärztlichen Dienst reduziert, Stormarn die Mütter- und Väterberatung und andere Überwachungstätigkeiten. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Wir haben auch erfreuliche Nachrichten. Lübeck, Kiel, Plön und Ostholstein haben Gesundheitsziele neu definiert und Schwerpunkte gesetzt. Sie richten runde Tische ein. Auch Nordfriesland möchte endlich mit einer Gesundheitsberichterstattung beginnen. Wir begrüßen dies ausdrücklich, denn wir wissen, dass den Kommunen finanziell das Wasser bis zum Hals steht.

Wir begrüßen auch die Einrichtung des Arbeitskreises kommunale Gesundheitsberichterstattung überregional und den geplanten Landesbericht zur landesweiten Auswertung der Schuleingangsuntersuchungen. Heute Morgen hat Renate Künast im „ZDF Morgenmagazin“ für gesunde Ernährung von Kindern und entsprechende Schulprojekte geworben. So etwas findet zum Beispiel in Lübeck statt. Natürlich kann ein solches bundesweites Signal nur ankommen, wenn es vor Ort Kapazitäten gibt, in den Schulen, in den Kindertagesstätten, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder nicht immer mehr fehlernährt werden. Wir sind ein sehr schwaches Glied. Sehen wir uns die großen Werbeetats von McDonald’s und ähnlichen Institutionen an.

Das, was ich aufgezählt habe, reicht allerdings nicht. Ich möchte besonders die Verbindlichkeit der Umweltvorgaben betonen. Das hat auch das Ministerium getan. Es unterstreicht auf Seite 12 des Berichtes, dass sich an der Verbindlichkeit der Standards zur Wasserüberwachung, der Trinkwasserverordnung, der Badestellenverordnung, nichts geändert hat. Ich zitiere:

„Trotz eines laufenden Klageverfahrens der EU gegen Deutschland und damit möglicherweise drohender empfindlicher Strafgelder sehen sich die Kreise im Hinblick auf die mit der Umsetzung verbundene finanzielle und personelle Belastung höchstens zu einem suboptimalen Vollzug der zwingenden gesetzlichen Vorschriften in der Lage.“

Das Ministerium schreibt, dass man dem nachgeht, weil es natürlich nicht so sein kann, dass gerade wir als Tourismusland wegen schlechter Wasserqualität in Verruf kommen.

Wenn es nicht gelingt, hier eine größere Verbindlichkeit durch die Kontrolle des Ministeriums zu erreichen, sehen wir uns als Landesgesetzgeber gefordert.

Ich hoffe auf eine sachliche Beratung im Ausschuss und danke dem SSW ausdrücklich für den Anstoß zu diesem Bericht. Er ist sehr aufschlussreich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich schließe die Beratung.

Es ist der Antrag gestellt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/3142 - zur weiteren Beratung oder zur abschließenden Beratung? -, zur weiteren Beratung an den zuständigen Sozialausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenlegung der „Energiestiftung SchleswigHolstein“ mit der „Technologiestiftung SchleswigHolstein“ zur „Innovationsstiftung SchleswigHolstein“ Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3133

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dem ist nicht so.