Protocol of the Session on September 24, 2004

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Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und möchte Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen.

Erkrankt ist Herr Abgeordneter Klaus-Dieter Müller, dem wir von hier aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind Frau Ministerin Lütkes, Herr Minister Müller und Herr Minister Dr. Stegner beurlaubt.

Wir beginnen heute mit dem Tagesordnungspunkt 7, einem Tagesordnungspunkt ohne Aussprache.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes und zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Tierseuchengesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3648

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich möchte jetzt auf der Tribüne unsere Besuchergruppen begrüßen, die Besuchergruppen des CDUOrtsverbandes Norderstedt und der Stadtverwaltung Kappeln mit Auszubildenden. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12:

Universalwerft HDW in Kiel

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3633

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/3674

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen entscheidet sich die Zukunft von HDW und damit das berufliche Schicksal Hunderter Menschen auf dem Kieler Ostufer. Entschieden wird das nicht hier im Landtag. Aber es steht uns gut an, denke ich, wenn wir Anteil daran nehmen, wie sich das größte Industrieunternehmen Schleswig-Holsteins entwickelt, und dass wir heute - ich hoffe, durch eine gemeinsame, von allen getragene Entschließung - deutlich machen, dass alle politischen Kräfte dieses Landes HDW als Universalwerft, als Werft mit mehr als nur einem Standbein, erhalten wollen - und das völlig unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit.

(Vereinzelter Beifall)

Da es darum geht, auch ein Signal nach Essen zu senden, werde ich mich erheblicher polemischer Erklärungen in Richtung Landesregierung - das kennt man ja von mir - enthalten, was mir nicht schwer fällt. Aber einige Erinnerungsposten - das erklärt, warum in unserem Antrag auch eine Aufforderung an Heide Simonis als Ministerpräsidentin persönlich enthalten ist - müssen doch noch genannt werden.

Es waren Banker der WestLB, die zumindest zugelassen haben, dass Industriebeteiligungen von ihnen, wie beispielsweise Preussag, durch den Verkauf von HDW-Wohnungen - ohne die Erlöse dem Unternehmen selbst wieder zuzuführen - eine bestimmte Form von Cash-Management betrieben haben. Es waren Banker der WestLB, die im Rahmen ihrer Industriebeteiligung bei Babcock zugelassen haben oder es sogar wollten, dass frei liquide Mittel der Werft HDW, die sie für ihre Weiterentwicklung hätte sinnvoll einsetzen können, im Rahmen des Cash-Managements abgezogen worden sind. Dazu hat die Ministerpräsidentin erklärt, das sei schlau gewesen.

Ich sage einmal, einer der Hauptfinanziers von ThyssenKrupp in Essen ist die Westdeutsche Landesbank. Deshalb appelliere ich auch an die politisch Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen, auch an den ehemaligen schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister Peer Steinbrück, sich der Verantwortung bewusst zu sein, die Nordrhein-Westfalen als Anteilseigner der WestLB auch für die Weiterentwicklung des Standortes HDW in Kiel hat.

(Vereinzelter Beifall)

Ich denke, das Signal, das von hier in Richtung ThyssenKrupp ausgehen sollte, ist: Wir wohnen zwar hinter dem Deich, aber wir schlafen nicht auf dem Baum.

(Beifall bei der FDP)

(Wolfgang Kubicki)

Wir wollen uns betriebswirtschaftlich nicht in die Fragestellung einmischen, wie man eine ordentliche Rendite erwirtschaftet, aber wir wollen uns in die vorgestellten Pläne einmischen - soweit wir sie überhaupt öffentlich diskutieren wollen -, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, die künftige Entwicklung des Standortes Kiel ausschließlich der Politik zu überantworten. Wenn es nur noch den U-Boot-Bau in Kiel geben sollte, dann wird die Bundesregierung unmittelbar dafür verantwortlich, ob es mit HDW weitergehen wird oder nicht. Denn entweder gibt sie selbst Aufträge für den U-Boot-Bau an HDW oder sie erlaubt, dass HDW exportiert. Damit wird die unternehmerische Verantwortung ausschließlich auf den öffentlichen Sektor übergeleitet. Das ist etwas, was wir unter privatwirtschaftlichen Aspekten nicht wollen können. Ich sage auch hier, Nachtigall, ik hör dir trapsen. Bis 2008 oder 2010 haben wir keine Probleme, aber was dann?

Dass wir den zivilen Schiffbau bei HDW dringend benötigen - in welcher Form auch immer -, leuchtet jedem ein, der weiß, dass man auf einem Bein auf Dauer nicht stehen kann, jedenfalls dann nicht, wenn die rauen Winde des Wettbewerbs noch stärker pfeifen als gegenwärtig.

Eine Erklärung derart, wir gliedern einen bestimmten Teil des Schiffbaus aus in eine GmbH, ist nichts anderes als der Versuch, die Abwicklung künftig außerhalb des Konzerns vorzunehmen - machen wir uns doch nichts vor -,

(Vereinzelter Beifall)

vor allen Dingen dann, wenn man weiß, dass das, was das Wesentliche für den Fortbestand einer Werft ist, nämlich die Konstruktion, von Kiel nach Hamburg und woanders hin verlagert werden soll.

Wir haben uns außerhalb der Öffentlichkeit dieses Plenums über alle Parteigrenzen hinweg darüber unterhalten, was für die Sicherung des Standortes Kiel dringend notwendig wäre. Eine zentrale Frage ist: Wo ist die Konzernspitze, wohin geht das Headoffice? Wo ist die Ideenbörse, das Ideenbüro? Wir befürchten - weil die Entscheidung unmittelbar bevorsteht -, dass unsere Freunde - ich sage das einmal so, weil sie selbst das immer gern skizzieren -, die Pfeffersäcke in Hamburg, den Schnarchsäcken in Kiel den Rang ablaufen könnten.

Deshalb noch einmal der dringende Appell an uns alle, nicht nur durch dieses Haus, sondern auch durch den Einfluss, den wir auch auf anderen politischen Ebenen haben, den Restbestand an Einflussmöglichkeiten, den wir haben, durch Überzeugung, durch das Aufzeigen von Alternativen für den Konzern Thys

sen-Krupp auf anderen Feldern, dafür Sorge zu tragen, dass Kiel bei der Restrukturierung des Werftenverbundes nicht erkennbar hinten herunterfällt.

(Vereinzelter Beifall)

Wir werden morgen auch als FDP - obwohl wir nicht dazu aufrufen müssen, weil unsere Leute das von sich aus verstehen - an der Demonstration teilnehmen. Ich finde es sehr schön, dass die SPD-Fraktion jetzt zu einer Demonstration aufruft. Morgen schreiten wir Seite an Seite. Wir werden morgen an der Demonstration teilnehmen, weil wir durch unsere physische Anwesenheit dokumentieren wollen, dass wir nicht nur Reden halten, sondern uns tatsächlich für den Standort der HDW in Kiel und für möglichst viele Arbeitsplätze an diesem Standort - nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern auf Dauer - einsetzen. Ich wäre froh, wir könnten heute eine gemeinsame Entschließung möglichst einstimmig verabschieden.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hay.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Den Ausführungen des Kollegen Wolfgang Kubicki kann ich für die SPD-Fraktion uneingeschränkt zustimmen. Ich freue mich, dass sich hier im hohen Hause eine weitestgehende Einigkeit abzeichnet, was unsere Auffassung zum Erhalt des Werftenstandortes HDW betrifft.

Wir Sozialdemokraten stehen an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wissen, dass die Mitarbeiterschaft in den letzten Wochen und Monaten eine erheblich größere Verantwortung gezeigt hat, als dies bisher durch die Verhandlungen durch den Vorstand der HDW deutlich geworden ist. Wir fordern von ThyssenKrupp, dass HDW als Mehrspartenwerft erhalten bleibt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Man muss an dieser Stelle nennen, was in der Vergangenheit schon alles gemacht worden ist. Noch vor wenigen Monaten hat es eine Einigung zwischen Vorstand und Belegschaft darüber gegeben, wie das zweite Standbein Yachtbau durch ein gemeinsames Restrukturierungsprogramm sichergestellt werden sollte. Es gab Entlassungen. Die Belegschaft hat zum Teil auf Teile ihres Weihnachts- und Urlaubsgeldes verzichtet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ha

(Lothar Hay)

ben in erheblichem Umfang unbezahlte Mehrarbeit geleistet. Gleichzeitig sind 150 Millionen € investiert worden.

Da stellt sich die Frage, welchen Nutzen diese Investitionen haben sollten, wenn jetzt Entscheidungen getroffen werden, diesen Teil möglicherweise woanders hinzuverlagern. Man muss kein großer Kenner von Werften sein, um zu wissen: Dort, wo nicht mehr entwickelt und geforscht wird, dort ist das Ende einer Werft sehr nah.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Jetzt liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch. Ich teile die Bewertung, die vom Kollegen Kubicki und auch von der IG Metall vorgenommen worden ist. Wir sehen darin einen kleinen möglichen Schritt in die richtige Richtung. Entscheidend aber ist: HDW hat nur dann eine Perspektive, wenn der Überwasserschiffbau nicht nur in Form einer Schweißbude in Kiel betrieben wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Es gibt kein einziges erfolgreiches Beispiel in Europa, bei dem das alleinige Standbein der U-Boot-Bau, dass heißt, der militärische Schiffbau ist. Das gilt insbesondere, wenn man beim Militärschiffbau noch eine weitere Spezialisierung vornimmt, nämlich die Spezialisierung auf den U-Boot-Bau. Dann ist aus meiner Sicht sichergestellt, dass diese Werft keine große Zukunft hat, zumal wir wissen, dass - in Bezug auf den U-Boot-Bau - schon ganz andere ein Auge auf das Know-how geworfen haben, ob sie nun in Südkorea oder in den USA sitzen, denn durch ein teilweises Mitverschulden des Managements sind Kenntnisse transferiert worden.

Ich kann Ihnen als Flensburger sagen: Das Beispiel der Flensburger Schiffbaugesellschaft zeigt den einzig realistischen Überlebensweg. Bei der FSG besteht ein erhebliches Know-how für den Bau bestimmter Schiffstypen, unter anderem für RoRo-Fähren. Dies ist nur erreicht worden, indem der Betrieb immer wieder Geld in eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung gesteckt hat, die sicherlich in Europa in ihrem Bereich ganz weit vorn ist. Deshalb muss eine Forderung von uns allen sein, die wir auch in die Öffentlichkeit tragen: Forschung und Entwicklung - auch für die Bereiche Yachten und Handelsschiffbau - müssen weiter in Kiel betrieben werden. Das sichert in Zukunft auch den Standort HDW in Kiel.