Protocol of the Session on December 15, 2004

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(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

sehr verehrten Damen und Herren, merken es die Menschen, wenn so etwas aus Wahlkampfgründen als verzerrtes Thema dargestellt wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da sind wir si- cher!)

Wir wissen aus einer Umfrage, aus der man jetzt - die Sperrfrist war zwölf Uhr - zitieren kann, dass eine große Mehrheit der befragten Bevölkerung in Schleswig-Holstein ablehnt, dass die Justizministerin zurücktritt. Das müsste Ihnen zu denken geben. Diese Frage ist ausdrücklich gestellt worden. Die Menschen sehen sehr wohl, dass das eine parteilpolitisch, wahlkampfpolitisch beeinflusste Frage von Ihnen gewesen ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich spreche an dieser Stelle der Justizministerin ausdrücklich mein Vertrauen aus. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich am Ende der Diskussion in dem zuständigen Ausschuss und von mir aus auch gern hier im Parlament herausstellen wird, dass die Ministerin keinen Fehler gemacht hat, der sie zum Rücktritt zwingen würde.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus Schlie.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerpräsidentin, ich bin, wie ich den Bemerkungen der Regierungsmitglieder, als ich hierher gekommen bin, entnommen habe, in diesem Hause sicherlich nicht als einer derjenigen bekannt, die bei Argumentation und Diskussion in der Form sehr zurückhaltend sind. Aber zu Ihrem Beitrag will ich eingangs Folgendes sagen. Ich habe in den Jahren seit 1996 viele Beiträge von Ihnen erlebt, die mir auch Respekt abverlangt haben, bei denen ich gesagt habe: Okay, trotz aller politischen Kontroversen hat sie da doch richtig gelegen. Der Beitrag, den Sie hier heute von sich gegeben haben, schließt sich leider nahtlos an das an, was Ihre Justizministerin getan hat, nämlich alle Verantwortung wegzudrücken, alle politische Verantwortung, die sie trägt, die Sie als Ministerpräsidentin tragen, und sie nur auf die Handelnden vor Ort abzuschieben. Wer von uns hat denn gesagt, dass es keine disziplinarischen Untersuchungen auch ge

gen diejenigen geben soll, die vor Ort verantwortlich sind? Aber dass Sie, Frau Ministerpräsidentin - falls Sie mir zuhören könnten -, hier auch noch sagen, dass an einer möglichen Personalnot und -knappheit in der Justizvollzugsanstalt Lübeck möglicherweise der Personalrat Schuld hat, weil er Ihnen das nicht gemeldet hat, schlägt dem Fass den Boden aus.

(Beifall bei CDU und FDP) - Ursula Kähler [SPD]: Das hat sie nicht gesagt!)

Genauso einfach machen Sie es sich auch, Frau Justizministerin, wenn Sie das, was am Wochenende auf der Tagung der innenpolitischen Sprecher gesagt wurde - das haben Sie auch der Presse gegenüber kundgetan -, als billigen Populismus statt Fakten bezeichnen und anschließend sofort sagen: Soweit aber die innenpolitischen Sprecher fordern, dass im Strafvollzug jede Resozialisierungsmaßnahme unterbleiben müsse, welche die Flucht oder die Gewaltanwendung durch einen gefährlichen Strafgefangenen begünstigen könne, beschreiben sie lediglich die Rechtslage. - Das ist die Rechtslage. Diese Rechtslage, Frau Ministerin, hätten Sie als Fachaufsicht kontrollieren müssen. Das wäre Ihre Pflicht gewesen. Sie haben nämlich die Pflicht, die Anstaltsleiter und die Beamtinnen und Beamten der Justizvollzugsanstalten durch Unterstützungs- und Kontrollmöglichkeiten - ich sage: auch durch Unterstützungs- und Kontrollpflichten - bei der Fachaufsicht zu unterstützen und zu überprüfen. Das haben Sie nicht gemacht. Warum haben Sie den Vollzugsplan bei diesem gefährlichen Strafgefangenen denn nicht überprüfen lassen?

Ich will mich auf einen Punkt konzentrieren, der - wie ich finde - ungeheuerlich ist. Warum ist denn dieses Gebäude, diese Lagerhalle abgerissen worden? Die räumliche Erweiterung der Schlosserei haben Sie zu verantworten. Das Ministerium hat doch die Aufsicht darüber, wie gebaut wird, welche Maßnahmen dort durchgeführt werden, welche Investitionen getätigt werden. Sie sagen in Ihrem Bericht jetzt lediglich, dass sei alles nicht in Ordnung, das sei von den Aufsichtsräumen her gar nicht einsehbar gewesen. Ich frage Sie: Was hat denn nach Nummer 1 Absatz 1 der Verwaltungsvorschrift zu § 151 Strafvollzugsgesetz die Aufsichtsbehörde der Anstalt - also Sie - getan? Wie häufig sind Sie denn da gewesen? Haben Sie sich das angesehen? Wussten Sie über diese Situation Bescheid?

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Die Fachaufsicht ist nicht durchgeführt worden. Das Schlimmste ist - dies gestatte ich mir mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zum Schluss zu sagen -:

(Klaus Schlie)

Der Vorwurf, den Sie in dem „KN“-Interview erhoben haben, dass der rechte Rand der CDU hier der NPD in die Hand spielen würde, ist in dieser Debatte so ungeheuerlich, dass ich erwarte, dass Sie sich persönlich dafür entschuldigen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben wahrlich die Pflicht, als Demokraten in diesem Hause bei der bevorstehenden Landtagswahl zusammenzustehen, um zu verhindern, das Rechte hier eintreten. Sie haben durch diese billige dumme Polemik dazu beigetragen, die Solidarität der Demokraten an dieser Stelle infrage zu stellen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich jetzt dem Herrn Oppositionsführer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Versäumnisse der Ministerin sind überdeutlich. Dass Frau Simonis nicht reagiert, kennen wir von ihr hinlänglich. Ausreden helfen nicht weiter.

Ich finde es unglaublich, Frau Simonis, wenn Sie uns auf der einen Seite unterstellen und hier suggerieren, wir vermuteten, unterstellten eine Komplizenschaft der Justizministerin mit dem Ausbrecher. Das ist an keiner Stelle geschehen. Im Gegenteil, wir haben zu Recht Versäumnisse der Justizministerin deutlich gemacht.

Ich finde es empörend und weise ausdrücklich und mit aller Schärfe zurück, dass Sie hier unterstellen, entweder ich persönlich oder wir hätten Ihnen im Untersuchungsausschuss einen Mord oder Morde in die Schuhe schieben wollen. Wer so etwas tut, ist ein politischer Brandstifter; der versucht Geschichtsklitterung.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP - Zuru- fe von der SPD)

Demjenigen kann man Vertrauen nicht mehr schenken.

Sich dahinter zu verstecken, Sie könnten Frau Lütkes nicht entlassen, weil wir das gefordert hätten, ist doch geradezu albern. So ein Unsinn. Das ist juristisch nicht nachvollziehbar, leuchtet aber jedem Pragmatiker ein. Das ist einer Ministerpräsidentin schlichtweg unwürdig.

Eine letzte Bemerkung! Sie setzen so auf die Bevölkerung, dass eine Entlassung von Frau Lütkes nicht

gefordert worden sei. Ich sage Ihnen: Erstens kennen die meisten Frau Lütkes vielleicht gar nicht. Zweitens. Wie erklären Sie dann, dass die Grünen deutlich abgenommen haben und die CDU in der von Ihnen zitierten Umfrage immer noch an erster Stelle liegt? Wir werden nach dem 20. Februar dafür sorgen, dass dieser Saustall aufgeräumt wird.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP - Ur- sula Kähler [SPD]: „Saustall“ ist kein parla- mentarischer Ausdruck, Herr Kollege! - Mar- tin Kayenburg [CDU]: Das muss ausgerech- net von Ihnen kommen! - Heiterkeit bei der CDU)

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir uns noch mitten in der Debatte befinden, und bitte, die Worte entsprechend zu wählen. - Frau Kollegin Heinold!

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die kennt sich da auch aus!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kayenburg, ich bin Ihnen für Ihren letzten Beitrag ganz dankbar. Sie haben damit deutlich gemacht, dass für Sie die ganze Debatte schlicht Wahlkampf ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war Ihr Beitrag.

(Zurufe von CDU und FDP)

Sie haben aus einer Mischung von NDR-Umfragen - -

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer hat aus der Umfrage zitiert? - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

- Dass Sie sich aufregen, zeigt mir, dass ich nicht so ganz daneben liege.

Ich sagen Ihnen: Wenn die Umfrage anders ausgegangen wäre, wenn 66 % der Bevölkerung gesagt hätten, diese Ministerin solle zurücktreten, wären Sie die Ersten gewesen, die dies heute als Argument rauf und runter benutzt hätten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das fragen wir in zehn Wochen noch einmal!)

Wir haben uns an dieser Stelle sehr zurückgehalten,

(Zuruf von der CDU: Schade!)

weil wir wissen: Tausend Leute sind tausend Leute. Aber wir sind natürlich froh über das Ergebnis.

(Monika Heinold)

Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Ihre Zitate nachzulesen.

(Holger Astrup [SPD]: Oder Pressemittei- lungen!)

- Oder Ihre Pressemitteilungen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Welche Herren der Opposition meinen Sie? - Holger Astrup [SPD]: Die CDU!)