Meine Damen und Herren, worüber man in dieser Zeit wirklich ernsthaft reden könnte und müsste - darüber haben Sie aber leider kein Wort verloren -, ist die Frage, ob der von Ihnen beschlossene und von der Gesetzestechnik her immer noch merkwürdige Ausstieg aus der Atomenergie nicht ernsthaft den Klimaschutz behindert, ausschließt oder unmöglich macht. Das ist doch die Frage, über die wir möglicherweise wirklich ernsthaft zu reden haben.
Gegenwärtig läuft die Klimaschutzkonferenz in Buenos Aires. Lesen Sie einmal die FAZ vom letzten Sonnabend. Dort hat Herr Höppe von der Münchner Rück sehr klar gesagt: Von 2013 bis 2017 muss im Klimaschutz noch sehr viel mehr passieren, als bisher passiert ist. Europa hat seine Hausaufgaben bisher nicht zufriedenstellend gemacht.
Wir stehen nur deshalb so gut dar, weil die Dreckschleudern in den 90er-Jahren von Töpfer abgestellt worden sind. Nur deshalb verzeichnen wir eine gute CO2-Bilanz. Es ist nicht etwa die große Leistung der Bundesregierung, dass wir bei der CO2-Reduktion ein bisschen besser dastehen.
(Beifall bei der CDU - Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt ihr doch selber nicht!)
Das heißt doch, Europa kommt nicht hinterher. Belgien, Finnland, Österreich, Italien, Irland, Spanien, Portugal haben einen höheren CO2-Ausstoß, obwohl sie Minderungen zugesagt haben. Das ist doch die Realität in Europa. Wir stehen allein auf weiter Flur mit einer Energiepolitik, der keiner in Europa folgt. Dies geschieht unter dem Motto: Am deutschen Wesen soll die Energiepolitik der Welt genesen.
Meine Damen und Herren, das ist der falsche Weg. So werden wir nicht weiterkommen und das bürdet unserer Wirtschaft Zusatzkosten auf, die die wirt
schaftliche Dynamik hemmen, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft dramatisch einschränken und die Arbeitsplätze freisetzen. All das ist inzwischen auch gutachtlich belegt und bekannt. Ich verweise auf den wirtschaftspolitischen Beirat Ihres Wirtschaftsministers, der das auch ausgewiesen hat.
- Selbstverständlich! Das ist überhaupt nichts Neues und Sie haben mich schon oft genug dafür beschimpft, dass das unsere Politik ist.
Was Sie hier machen, ist umweltpolitische Kleinstaaterei nach dem Motto: Kopf in den Sand und keiner sieht mich. - Sie versuchen trotzdem, dies als einen großen Erfolg einer Energiepolitik zu verkaufen. Dieser Erfolg ist wirtschaftlich absolut kontraproduktiv und energiepolitisch absolut ineffektiv.
Meine Damen und Herren, schauen Sie sich die Zahlen an! Der primäre Energieverbrauch mag in Deutschland möglicherweise sinken. In Europa steigt er bis 2020 an. Aber das Problem liegt doch darin, dass nach allen Prognosen - ich habe erst kürzlich eine Prognos-Studie gelesen - auch in Deutschland der Stromverbrauch bis zum Jahr 2020 von 592 Terrawattstunden auf 608 Terrawattstunden ansteigt.
Meine Damen und Herren, daran können Sie doch erkennen, dass wir diesen Strombedarf mit regenerativen Energien, mit Windenergie, mit Biomasse nicht decken können. Wie wollen Sie das machen? Wer soll das denn bezahlen? Wollen Sie das alles zulasten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft dem Verbraucher aufdrücken? - Dann dürfen Sie sich über höhere Arbeitslosenzahlen nicht wundern. Das ist einfach nicht machbar.
Und wir werden dabei die Klimaschutzziele verfehlen. Sie wollen den Atomausstieg. Das heißt, dass Sie aus fossilen Energiequellen 170 Millionen t CO2 zusätzlich in die Luft blasen. Das ist einfach die Zahl, die nach wie vor steht.
Ich weiß, dass Sie das nicht gern hören. Aber es regt mich auf, dass wir ständig gegen eine Wand reden. Es wird hier so getan, als könnte niemand auf den anderen in der Sache eingehen. Das ärgert mich. Das finde ich schade.
Wir müssen noch einmal über Folgendes nachdenken: Wer den Klimaschutz will und ihn als erste Priorität sieht - ich glaube, in diesem Punkt sind wir uns möglicherweise einig -, der kann den Atomausstieg so nicht wollen. Dann müssen wir eben doch über eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke nachdenken.
„Es bleibt […] das Ziel und die Leitlinie der Politik der Landesregierung, [den] Ausstieg [aus der Atomenergie] bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode erreicht zu haben.“
Dies sagte Björn Engholm im Jahre 1988 in seiner Regierungserklärung. Tatsächlich ist die Politik das Einzige, woraus er als Ministerpräsident ein paar Jahre später ausstieg, und damit war der Lack von der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie ab.
Interessant ist übrigens, dass ausgerechnet Engholm später bei der PreussenElektra eingestiegen ist, obwohl - wenn ich mich richtig erinnere - die PreussenElektra zu dem Zeitpunkt Kernkraftwerke betrieben hat. Ich fand das immer ein wenig merkwürdig.
Auch in der Energiepolitik ist die Landesregierung kaum weitergekommen: Der Ausstieg aus der von ihr so bezeichneten Atomenergie sei immer noch die vorrangige Aufgabe der Energiepolitik, heißt es in dem heutigen Antrag. Diesen Unsinn will Rot-Grün heute beschließen,
Unsinn ist das, weil es nur eine untergeordnete Aufgabe der Energiepolitik sein kann, die Wege einzuschränken, wie Menschen und Unternehmen mit Energie versorgt werden. Die vorrangige Aufgabe der Energiepolitik ist es selbstverständlich, dafür zu sorgen, dass Menschen und Unternehmen zuverlässig und ausreichend mit Energie versorgt werden können und auch versorgt werden.
Meine Damen und Herren, unsinnig ist der Antrag auch aus folgendem Grund: Nach Satz 3 - ich empfehle jedem die sorgfältige Lektüre dieses Antrages - solle der Landtag beschließen, dass die Landesregierung seit Jahren etwas betone.
Mit der Musikalität der rot-grünen Landesregierung mögen sich dereinst Historiker auseinander setzen. Aber zu beantragen, der Landtag möge beschließen, dass die Landesregierung in der Vergangenheit etwas betont habe, meine Damen und Herren, finde ich einfach lächerlich.
Dass die Antragsteller solch offensichtlichen Unsinn einbringen, liegt vermutlich daran, dass sie Folgendes eingesehen haben: Vor dieser Landesregierung liegt nur noch ihre Vergangenheit und die soll der Landtag jetzt schon mal beschwören.
Zur Energiepolitik! Der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland ist beschlossen. Ich bin überzeugt, dass jedenfalls auf absehbare Zeit niemand in Deutschland eine Mehrheit für den Ausstieg aus dem Ausstieg organisieren kann. Denn das würde den Bau neuer Kernkraftwerke bedeuten und dafür finden sich in Deutschland zurzeit keine Mehrheiten mehr, und zwar völlig unabhängig davon, ob wir das begrüßen oder nicht begrüßen oder ob Sie das begrüßen oder nicht begrüßen. Es finden sich dafür zurzeit keine Mehrheiten. Aber ich gebe dem Kollegen Graf Kerssenbrock ausdrücklich Recht, dass das Thema diskutiert werden muss. Er hat alles Wesentliche dazu gesagt.
Ich erinnere auch an Aussagen zum Beispiel von Herrn Vahrenholt - er ist Sozialdemokrat -, der in diesem Zusammenhang immer wieder gern zitiert wird.
Meine Damen und Herren, ich bin im Übrigen gespannt, wann und von welcher Seite dieses Thema Kernkraft möglicherweise mit einer völlig anderen Richtung wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden wird.
Der Rest des Antrages beschränkt sich auf die Wiederholung allgemeiner Tendenzen in der Energiewirtschaft: Dezentraler, ressourcenschonender, erneuerbarer soll die Energie gewonnen werden. Das wird sie übrigens, und zwar schon seit Jahrtausenden. Aber seitdem sich die Politik immer wieder einmischt, findet dieser Fortschritt bedeutend langsamer statt.
Wir brauchen ferner leistungsfähige Netze. Deshalb müssen die Betreiber genügend Anreize haben, ihre Netze zu erhalten und anzupassen. Das gilt insbesondere auch für die Netzertüchtigung - wir werden morgen einen entsprechenden Antrag sowohl von SPD als auch von CDU behandeln -, die aufgrund der zusätzlichen und subventionierten Einspeisung von Windstrom notwendig wird.