Sie haben den Fahndungserfolg bei Moshammer gelobt. Das ist schon tausendmal gesagt worden. Auch dies ist geschehen bei bestehender Rechtslage.
Das Einzige, das an der Gesamtdebatte in der Öffentlichkeit, in Fernsehdiskussionen bemerkenswert ist, ist, dass es den Fans der Erweiterung von DNAAnalysen gelungen ist, diesen Fall, der nicht für diese Diskussion taugte, für diese Diskussion zum Anlass zu nehmen. Das ist bemerkenswert, sonst gar nichts.
Warum ich nach vorn gegangen bin und was mich ärgert, insbesondere in öffentlichen Diskussionen auch im Fernsehen, die sonntags, auch noch schlecht geleitet, stattfinden, ist, wie mit der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts umgegangen wird. Es stimmt nicht, wenn Sie sagen, dass die DNA-Analyse nach jetziger Gesetzeslage die informationelle Selbstbestimmung nicht einschränkt. Das stimmt nicht. Hier werden Leitsätze des Bundesverfassungsgerichts verletzt. Ich muss sie nicht noch einmal zitieren. Das Bundesverfassungsgericht ist das höchste Organ in unserem Staat, der so genannten dritten Gewalt; es ist unabhängig; es gilt für alle, für alle Politiker, egal welcher Couleur, für alle Fachminister und auch für alle Verbände.
Ich finde es schrecklich, wenn es in einer öffentlichen Diskussion - ich meine jetzt nicht diese hier, sondern ich meine die Fernsehdiskussion vom Sonntag - fast nur noch einem Rechtsprofessor obliegt, dieses Verfassungsgericht mit seinen Leitsätzen zu verteidigen. Dann sind wir weit gekommen, meine Damen und
Die Strafprozessordnung ist eine Regelung des Staates für den Umgang mit Verdächtigen, Angeklagten, mit Straftätern, und zwar auf dem Wege zu einer rechtskräftigen Verurteilung. Wir als Parlament sollten auch nie vergessen: Rechtskräftig verurteilen nur unsere Gerichte und sonst niemand, nicht die „Bild“Zeitung und auch keine anderen Medien. Und es ist eine Frage der Qualität von gelebter Demokratie, wie wir die Strafprozessordnung gestalten. Damit müssen wir sehr vorsichtig sein.
Wohin führen diese emotional geführten Debatten, wo der Verstand nicht ganz vorn mit dabei ist? - Sie verunsichern die Bevölkerung - das können Sie in allen Umfragen lesen -, sie bereiten den Boden für weitere Öffnungen, ohne dass man Gelegenheit hat, alle Dinge gründlich zu diskutieren. Schauen Sie doch nach England. Dort ist seit 1995 schon alles möglich. Und was fordern sie jetzt? - Die DNA von allen Menschen. Das ist nämlich die logische Konsequenz, wenn man alles öffnet.
Abschließend möchte ich sagen, dass ich es sehr bemerkenswert gefunden habe, dass ein Brief die Aktuelle Stunde herbeigeführt haben soll. Das glauben Sie doch selber nicht! Bemerkenswert an dieser Aktuellen Stunde fand ich auch, dass sich noch einmal sehr deutlich der Unterschied zwischen CDU und FDP dargestellt hat. Herr Kubicki ist zwar nicht mehr da, aber er hat sein Statement hier abgegeben. Das einzig Beruhigende an diesem Thema hier heute in der Aktuellen Stunde ist: Sie werden keine Chance bekommen, meine Damen und Herren von der CDU, diesen Konflikt austragen zu lassen, Sie werden in der Opposition weitermachen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Frage der DNA-Analyse und der Trennung zwischen den Aufgaben der Justiz und der Polizei geht es nicht um Täterschutz, sondern es geht um den Schutz von Millionen Menschen in diesem
Land, die unschuldig sind. Es ist ein historisch wertvolles Gut, dass wir diese Trennung haben. Von vielen Ländern der Welt und auch aus unserer Vergangenheit wissen wir, dass diese Trennung nicht immer funktioniert, funktioniert hat und dass es immer wieder vorgekommen ist und auch heute noch in vielen Ländern der Welt vorkommt, dass Unschuldige unter Verdacht geraten, dass Ermittlungen ohne rechtsstaatliche Kontrollen geführt werden und dass es keine rechtsstaatlichen prozessualen Richtlinien gibt, die gewährleisten, dass der Einzelne, das Individuum, vor unbotmäßiger Verfolgung geschützt ist. Deshalb ist es ein hohes Gut, das wir in diesem Land seit über 50 Jahren solche rechtsstaatlichen Prinzipien haben. Wir sind stolz darauf und sollten daran festhalten.
Ich glaube, die Debatte, ob man an dieser Stelle eine Öffnung herbeiführen sollte oder nicht, sollte sehr ernst genommen und nicht leichtfertig geführt werden. Ich bedauere, dass das hier vonseiten der CDU immer wieder versucht wird.
Gesetze sind nicht dazu da, den normalen, regelmäßigen Alltag zu regeln, sondern Gesetze sind für die Fälle erforderlich, in denen Missbrauch geschieht. Sie schützen immer vor dem Missbrauch in Krisen- und Konfliktsituationen, dann setzen Gesetze ein und regeln etwas. Deshalb ist natürlich ein Gesetz niemals ein Vorwurf gegen die Masse der Menschen, die sich rechtsstaatlich und anständig verhalten, sondern Gesetze sollen immer dem Missbrauch vorbeugen. Dazu sind sie da. Das sollten wir nicht vergessen.
Wir haben in Schleswig-Holstein die Situation, dass sich die Menschen sicher fühlen. Der Innenminister ist beliebt und die Justizministerin genießt große und breite Anerkennung gerade in der Justiz.
In dieser Situation vertritt hier im Landtag eine Partei eine Position, die von niemand anderem geteilt wird. Auch das muss man festhalten.
Das, was die CDU hier vertritt, findet bei keiner anderen Partei in irgendeiner Weise Unterstützung. Selbst wenn die CDU an die Regierung kommen würde, hätte sie keine Chance, mit dieser Position irgendetwas auszurichten. Deshalb ist es eine Phantomdebatte, die wir hier führen. Sie wollen sie führen, weil Sie hoffen, im Landtagswahlkampf aus dem Fall Moshammer in Bayern vielleicht noch ein bisschen Kapital schlagen zu können. Ich finde das nicht in Ordnung.
(Roswitha Strauß [CDU]: Das ist doch rich- tiger Quatsch! - Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])
- Ich finde das nicht in Ordnung, dass Sie in dieser Art und Weise versuchen, hier das Thema zu diskutieren. Sie haben die Bildungsdebatte in SchleswigHolstein losgetreten und die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger hat deutlich gemacht, dass sie Ihre Auffassung nicht teilt. Jetzt versuchen Sie, eine Aktuelle Stunde zu einem Thema, an dem nichts aktuell ist, vom Zaun zu brechen, und legen dem eine Zeitungsmeldung über einen Fall in Bayern zugrunde, aus dem sich in keiner Weise etwas Neues ergibt - nur, weil Sie glauben, Sie könnten daraus wahlkampfmäßig Kapital schlagen.
Das ist nicht in Ordnung. Das sollten Sie sein lassen, meine Damen und Herren. So etwas geht nach hinten los.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Wadephul, mich hat etwas die Aussage gewundert, dass die Ausweitung der DNA-Analyse den Bürger wirksam vor Verbrechen schützen kann. Die DNA-Analyse ist nach meiner Ansicht ein Aufklärungsinstrument bei Verbrechen. Der Kollege Kubicki hat vorhin schon wunderbar ausgeführt, dass dadurch kein Verbrechen verhindert wird, sondern die DNA-Analyse lediglich bei der Aufklärung hilft, genauso wie die weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahmen.
Darüber hinaus möchte ich aus einer Pressemitteilung des Bundesvorstandes der GdP zitieren, in der Herr Freiberg ausdrücklich noch einmal gesagt hat - und das hat mich wirklich gewundert -, die Abnahme einer DNA-Probe sei kein schwerwiegenderer Eingriff in die Persönlichkeit als die bisherigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Das wundert mich, weil ich denke, dass die Bundesverfassungsgerichtsurteile in dieser Sache auch dem Vorsitzenden der GdP bekannt sein dürften.
Er geht aber noch weiter und damit nehme ich auch das auf, was der Kollege Kubicki gesagt hat. Herr Freiberg sagte weiter:
„Je mehr genetische Fingerabdrücke von mutmaßlichen Tätern registriert sind, umso mehr Verbrechen können aufgeklärt werden.“
Er sagte, das würde tatsächlich zu Effizienz führen. Das heißt, alle Bundesbürger sollten doch gern registriert werden, einschließlich der möglichen Einwanderer oder wer hier sonst über die Grenze wechselt.
(Widerspruch bei der CDU - Peter Lehnert [CDU]: Das stimmt doch nicht! Das hat er doch nicht gesagt!)
- Also, ein mutmaßlicher Täter ist doch - ehrlich gesagt - jeder. Das muss doch einmal gesagt werden.
„… gleichzeitig schützt der genetische Fingerabdruck Unschuldige vor polizeilicher Verfolgung und sogar vor Justizirrtümern.“
Das ist nach meiner Ansicht nicht richtig. Denn auch DNA-Spuren können - wie viele andere Spuren - von jemand anders falsch gelegt werden. Deshalb halte ich gerade diese Schlussfolgerung für wirklich falsch.
Für uns bleibt es dabei, dass wir abwarten möchten, was die Justizministerkonferenz vom Strafrechtsausschuss zu hören bekommt, und es gibt noch viele weitere Dinge, die vom Strafrechtsausschuss geklärt werden sollten. Uns interessiert insbesondere die Überarbeitung der Vorschrift über die Löschung der gespeicherten Daten. Denn das ist zurzeit ein Problem, dass nämlich die Gen-Datei bei der Löschung nicht funktioniert. Die Klärung dieser Frage würde uns sehr freuen. Das sind weitere Probleme, die mit der Ausweitung der DNA-Analyse verbunden sind.
Aber ganz wichtig ist, noch einmal festzustellen: Es ist ein Irrtum, wenn man sagt, die Ausweitung der DNA-Analyse schützt vor einem Verbrechen in drei Tagen. Das ist leider nicht richtig. Die DNA-Analyse hilft bei der Aufklärung. Ich finde, das sollte man hier wiederholen, weil das anscheinend bei Ihnen nicht angekommen ist.
(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich hat die DNA-Analyse auch präventiven Charakter. Das wissen Sie doch, Frau Kollegin Hinrichsen, das ist doch gar keine Frage.
Die Zahl der bisher aufgeklärten Fälle, die mit der DNA-Analyse aufgeklärt wurden, sind ein Beweis dafür, wie wichtig sie ist. Diese Zahl kann natürlich gesteigert werden. Das ist doch das Entscheidende. Es geht nicht darum, auf dem jetzigen Stand zu verharren. Das ist ja auch in Ordnung.
Frau Ministerin Lütkes, ich habe sehr wohl wahrgenommen, dass jetzt auch die Justizministerin eingesehen hat, dass es unsinnig ist, dass Spuren, die von einer Person am Tatort aufgenommen werden sollen, die anonym sind, dem Richtervorbehalt unterliegen sollen. Das ist doch schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Das steht aber genau dem entgegen, was die Landtagsfraktion der Grünen fordert, die darauf hinweist, dass die jetzigen erkennungsdienstlichen Maßnahmen - Fingerabdruck, Foto, Video - eben nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Das steht doch in ihrem offenen Brief: