Protocol of the Session on January 26, 2005

Login to download PDF

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

„Die DNA-Analyse muss wegen ihrer überzeugenden Bedeutung für die Kriminalitätsbekämpfung zur erkennungsdienstlichen Standardmaßnahme werden.“

Das hat der Innenminister von Schleswig-Holstein mehrmals der Öffentlichkeit kundgetan. Das ist richtig so. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Innenminister,

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

dass Sie seit der Diskussion im SchleswigHolsteinischen Landtag vom 10. März 2004, wo Sie gesagt haben, es gebe noch eine Reihe von Überprüfungsnotwendigkeiten, bis heute zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Diese Aktuelle Stunde machen wir auch deswegen, weil politischer Handlungsbedarf besteht.

Der Erfolg der DNA-Analyse-Methode ist unbestritten vorhanden. 340 Tötungsdelikte, 820 Sexualstraftaten und über 21.000 Diebstahldelikte sind aufgeklärt worden, weil es diese Analysemethode gibt. Sie ist ein hervorragendes Mittel, um Kriminalität in diesem Land zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Gerade weil oftmals - das ist wissenschaftlich nachgewiesen - Sexualstraftäter Folgedelikte auch im Bereich von Diebstahl und Unterschlagung begehen, ist es notwendig, dass wir darüber reden und jetzt handeln.

Werter Herr Kollege Kubicki, wir müssen die jetzigen Regelungen erweitern. Ich glaube, es ist nicht richtig und nicht gut für die Diskussion, die wir in der Öffentlichkeit notwendigerweise zu führen haben, hier die große Keule zu schwingen und zu sagen, wir schafften den „gläsernen Menschen“, wenn wir die weitere Möglichkeit nutzen, die die DNA-Analyse hergibt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch die Erweiterung der DNAAnalyse-Möglichkeiten nicht eingeschränkt. Das wissen all diejenigen, die darüber reden, weil die DNA-Analyse ausschließlich der Identitätsfeststellung dient und wir uns dabei ausschließlich in dem nicht codierenden Teil bewegen. Wir haben in der Strafverfolgung also überhaupt keine Möglichkeiten des Zugriffs auf den codierenden Teil.

Viel problematischer ist - das wissen alle -, dass die Blutentnahmen, die wir heute beispielsweise bei al

(Klaus Schlie)

koholisierten KFZ-Fahrern machen, viel weitergehende Möglichkeiten des Missbrauchs zulassen. Aber auch hier ist der Missbrauch überhaupt nicht an der Tagesordnung.

Gucken Sie sich einmal die jetzigen Regelungen an! Die sind von Bürokratie und Einengung bestimmt. Diejenigen, die in der Strafverfolgung die DNAAnalyse anwenden wollen, müssen, wenn der Tatverdächtige nicht freiwillig die Bereitschaft zur Entnahme einer Speichelprobe zulässt, um richterliche Anordnungen nachsuchen, und zwar in drei Bereichen. Einmal geht es um eine richterliche Anordnung, um eine Speichelprobe entnehmen zu können, dann um eine richterliche Anordnung, um eine Analyse durchführen zu können, und schließlich um eine richterliche Anordnung, um das Ergebnis in die DNA-Datei einspeichern zu können. Das ist ein unnötiger, langwieriger, bürokratischer Prozess, der nicht unserer Sicherheit im Land Schleswig-Holstein und in der Bundesrepublik insgesamt dient, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Es ist also notwendig, die DNA-Analyse zu einer Standardmaßnahme der erkennungsdienstlichen Behandlung zu machen.

Sie wissen - gerade auch diejenigen, die sich gleich zu Wort melden werden und selber in Strafprozessen als Anwälte tätig sind -, dass schon die bestehenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen natürlich der Regelung der Strafprozessordnung unterliegen und selbstverständlich den Grundsätzen der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit entsprechen und von der Polizei nicht willkürlich angewendet werden.

Gerade ist von der GdP eine Pressemitteilung auf den Tisch gekommen, wonach zum Beispiel im Jahr 2003 in Schleswig-Holstein 87.000 Tatverdächtige ermittelt wurden und davon nicht einmal 7.000 erkennungsdienstlich behandelt wurden. Da sieht man, mit welcher Sorgfalt, mit welcher Zurückhaltung unsere Polizei in Schleswig-Holstein gerade in diesem Bereich vorgeht.

(Beifall bei der CDU)

Ich zitiere aus dieser Pressemitteilung mit Genehmigung des Präsidenten:

„Das bedeutet wiederum, dass nicht jeder Laden- oder Eierdieb in diese Datei aufgenommen wird. Vielmehr wird dadurch deutlich, dass die Polizei mit sehr viel Zurückhaltung und unter strengster Beachtung der Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit vorgeht.“

Deswegen müssen wir die Chancen nutzen, um Kriminellen auf die Spur zu kommen, insbesondere denjenigen, die Sexualstraftaten und Kindesentführungen begehen. Zum Teil handelt es sich auch um Prävention.

Deswegen ist es völlig unverständlich, dass wir hier eine Landesregierung haben, in der man sich gegenseitig öffentlich auffordert, nun endlich zu handeln. Der Innenminister fordert auf der Basis dessen, was wir als richtig erkannt haben, die Justizministerin auf, in der Justizministerkonferenz nun endlich die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass die Polizei dieses vernünftige Mittel anwenden kann. Die grüne Justizministerin Lüdtkes schrieb einen offenen Brief an den Innenminister, wonach er die zurzeit geltenden rechtlichen Bestimmungen zur DNA-Analyse noch einschränken sollte. Nein, so geht es nicht weiter!

Aus all diesen Gründen muss hier endlich gehandelt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile dem Abgeordneten Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer Bauchthemen differenziert behandelt, verursacht am Stammtisch allenfalls ein Rülpsen. Ich will es trotzdem versuchen.

Erstens. Der Mord an dem Modeschöpfer Rudolph Moshammer kann unseres Erachtens nicht für die Forderung nach einer Ausweitung der DNA-Analyse genutzt werden, um nicht zu sagen: missbraucht werden. Denn bei der Aufklärung des Mordfalles Moshammer sind die nach geltendem Recht längst gegebenen Möglichkeiten der DNA-Analyse ja gerade konsequent und erfolgreich genutzt worden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Der Täter ist mit vorhandenem DNA-Material aus einer vorangegangenen strafrechtlichen Ermittlung überführt worden.

Zweitens. Der Vorwurf, den die CDU-Fraktion in ihrer Presseerklärung zum Fall Moshammer öffentlich gemacht hat, Herr Kollege Schlie, Rot-Grün verzögere die konsequente Nutzung der DNA-Analyse, ist polemisch-populistischer Unsinn. Die DNAAnalyse wird selbstverständlich im Rahmen der zurzeit bestehenden rechtlichen Möglichkeiten auch in Schleswig-Holstein konsequent genutzt. Erweiterte Möglichkeiten ihrer Anwendung als erkennungs

(Klaus-Peter Puls)

dienstliche Maßnahmen werden allerdings nur dann unsere Zustimmung finden, wenn die Missbrauchsvorsorge gesetzlich geregelt und die Einhaltung rechtsstaatlicher Grenzen in der Weise gesichert ist, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Zum Stichwort Missbrauch ist unsere These: Gentests dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Betroffenen wirksam einwilligen oder eine gerichtliche Anordnung auf der Basis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vorliegt. Wir können uns in diesem Zusammenhang ein allgemeines Missbrauchsvorsorgegesetz, ein Gendiagnostikgesetz vorstellen, wie es im Zusammenhang mit heimlichen Vaterschaftstests aktuell ja auch in Rede ist.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Wir wollen nicht nur Schwer- und Schwerst-, sondern auch Kleinkriminalität wirksam bekämpfen. Die Frage, ob bei leichten Straftaten DNA-Tests gemacht werden sollten, ist nun allerdings vom Bundesverfassungsgericht bereits verbindlich entschieden worden. Ein DNA-Test ist rechtlich unzulässig, wenn die Schwere der Tat in keinem Verhältnis zu dem damit verbundenen Eingriff steht.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zudem muss die DNA-Maßnahme geeignet und erforderlich sein, um ihren Zweck, die aktuelle oder künftige Identifizierung eines Täters, erreichen zu können. Damit fällt eine Vielzahl von Delikten der so genannten Kleinkriminalität auch für erkennungsdienstliche Maßnahmen aus dem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen heraus. Für „Eierdiebe“ darf der Gesetzgeber die DNA-Tests gar nicht zulassen. Wir sollten deshalb die „Eierdieb“-Diskussion im Zusammenhang mit DNA ein für alle Mal beenden.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ein letztes Stichwort - fünftens -: erkennungsdienstliche Standardmaßnahme. Wenn es so ist, dass in der polizeilichen Praxis - Sie haben eben wieder darauf hingewiesen, Kollege Schlie - ohnehin nur bei 10 bis 15 % aller Straftaten erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen werden, dann kann doch eigentlich auch nichts dagegen sprechen, entsprechend der polizeilichen Praxis die gesetzlichen Voraussetzungen für erkennungsdienstliche Maßnahmen konkret zu formulieren und damit ausdrücklich und für jeden Polizisten nachvollziehbar zu definieren, bei welcher Straftat eine erkennungsdienstliche Behandlung möglich, zulässig und verhältnismäßig ist und bei welcher nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unter diesen so konkretisierten und gesetzlich formulierten Voraussetzungen könnten wir auch der Aufnahme des Instruments DNA-Analyse in den Katalog erkennungsdienstlicher Standardmaßnahmen näher treten. Denn selbstverständlich wollen wir, dass unsere Polizei bei ihrer verantwortungsvollen Arbeit für das Wohl und die Sicherheit von uns allen die wirksamsten Mittel an die Hand bekommt, die verfügbar sind.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Art und Weise, wie mit diesem wichtigen Thema insbesondere in den letzten Tagen, nach dem Verbrechen an dem prominenten Münchner Geschäftsmann Rudolph Moshammer, umgegangen wurde, war und ist aus Sicht meiner Fraktion unangemessen und verfehlt, wie übrigens auch diese Aktuelle Stunde, Herr Kollege Schlie.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die DNA-Analyse als wichtiges Instrument zur Aufdeckung von Straftaten wurde und wird quasi als biblisches Heilmittel der Verbrechensbekämpfung dargestellt. Diejenigen, die vor juristischen Schnellschüssen warnten und auf das verfassungsmäßig garantierte Abwehr- und Freiheitsrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinwiesen, wurden fast schon als Blockierer in die Ecke der Täter, also von Schwerverbrechern, gestellt.

Wir sollten uns davor hüten, mit dem Finger auf diejenigen zu zeigen, die darauf hinweisen, dass es so etwas wie Grundrechte und einen Rechtsstaat gibt, dessen Aufgabe es im Übrigen nicht nur ist, die Bevölkerung vor Straftätern zu schützen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger vor unbegründeten Eingriffen durch Strafverfolgungsorgane.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um was geht es bei der DNA-Analyse? - In jeder Zelle tragen wir unsere komplette Erbinformation, doch in circa 5 % der DNA steckt der gesamte Bauplan unseres Körpers. 95 % sind sozusagen „geneti