Protocol of the Session on January 27, 2005

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Ich habe in der ersten Lesung für die CDU-Landtagsfraktion deutlich gemacht - damals in voller Übereinstimmung mit dem Kollegen Kubicki von der FDP -, dass wir in dieser letzten Sitzung nicht mal so nebenbei einer weiteren Änderung der Landesverfassung und der Aufnahme weiterer Staatszielbestimmungen zustimmen werden, auch nicht der Schaffung eines Landesverfassungsgerichtes. Dazu habe ich die differenzierte Auffassung meiner Fraktion hier schon deutlich gemacht.

Wir werden das in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam erörtern. Das ist auch notwendig, dass das gemeinsam erörtert wird, Herr Kollege Neugebauer, und nicht sozusagen irgendwie, weil man es gerade wieder aufgefunden hat, in eine Form gepackt wird. Wir werden uns mit diesen Fragen sachgerecht auseinander setzen. Wir werden jede einzelne Frage prüfen.

An einem Punkt kommen Sie nach wie vor nicht vorbei. Ich will jetzt gar nicht die theoretische Diskussion aufnehmen, ob es notwendig ist, dass die Dinge, die im Grundrechtskatalog des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland geregelt sind, noch einmal in unserer Landverfassung auftauchen müssen.

Lassen wir es außen vor. Dazu gibt es verschiedene Auffassungen. Herr Kubicki, wir hatten bereits 1998 und auch in der ersten Lesung eine gemeinsame Auffassung dazu. Lassen wir es außen vor, weil wir durchaus die Notwendigkeit sehen, auch landespezifische Dinge zu wiederholen.

Aber an einer Problematik kommen Sie nicht vorbei: Wenn wir weitere Gruppierungen und die Anliegen dieser Gruppierungen auch mit Staatszielbestimmungen versehen, dann ergibt sich daraus natürlich auch eine Haltung, die politisch erfüllt werden muss.

(Zurufe von der SPD)

- Das nützt doch nichts. An dieser Frage werden Sie einfach nicht vorbeikommen. Die Haltung, die dann auch politisch erfüllt werden muss, ist aufgrund Ihrer politischen Bilanz, die Sie am Ende dieser Legislaturperiode hinterlassen, eben nicht zu erfüllen. Denn es

(Klaus Schlie)

gibt 0,00 finanziellen Spielraum, um auch nur ein bisschen in dieser Frage zu bewegen.

(Zurufe von der SPD)

Auch mit dieser Frage werden wir uns inhaltlich auseinander setzen müssen. Wir wollen den Gruppen und den Anliegen, die hier benannt worden sind, wirklich Rechnung tragen und die Anliegen, die wir ernst nehmen, dahingehend prüfen, ob es notwendig und gerechtfertigt ist, sie als Staatszielbestimmung aufzunehmen.

Aber ich sage es noch einmal: Wir gehen nicht deswegen so vor, weil Sie sozusagen am Ende dieser Legislaturperiode der Meinung sind, hier noch einmal in irgendeiner Form öffentlichen Druck aufbauen zu wollen. Nein, das ist unangemessen. Das entspricht auch nicht unserem Verständnis von einer Landesverfassung und deswegen bleiben wir bei dem, an dem Sie sich auch während der Ausschussberatungen haben orientieren können: Wir werden dieser Verfassungsänderung in allen Punkten nicht zustimmen, und zwar aus diesen formalen - und keinen anderen - Gründen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich ihrem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl nicht alle Änderungswünsche der FDPFraktion von der Mehrheit von Rot-Grün übernommen worden sind und obwohl ich mich im Ausschuss deshalb noch der Stimme enthalten habe, werde ich heute meiner Fraktion die Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung empfehlen.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich habe allerdings großes Verständnis und große Sympathie für die Haltung der Union, und zwar aus den Gründen, die wir bereits in der ersten Lesung benannt haben und die der Kollege Schlie noch einmal angesprochen hat. Ich würde es nicht auf die leichte Schulter nehmen, liebe Freunde von den Sozialdemokraten: Wer zwar die Vertretung von Eltern, von Kindertagesstätten mit der Erklärung „Darüber müssen wir ausreichend beraten.“ nicht auf die Reihe bekommt, aber in der gleichen Zeit eine Verfassung in diesen Punkten ändern will, zeigt damit nicht gera

de, dass er die Wertigkeit der unterschiedlichen Regelungsbereiche ordentlich erkannt hat. Insofern habe ich - wie gesagt - großes Verständnis für die Haltung der Union.

Am Ende bleibt, dass die SPD - und das ist der entscheidende Beweggrund für die FDP - mit den Grünen zusammen mit ihrer Mehrheit einen Gesetzentwurf vorlegt, der exakt der Gesetzesinitiative von FDP, Grünen und SSW aus dem Mai 2003 entspricht.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sind wir!)

Damals, Frau Kollegin Heinold, im Mai 2003 haben die Sozialdemokraten genau diesen Gesetzentwurf abgelehnt. Für uns ist das der sichtbare Beweis dafür, dass es der SPD in erster Linie nicht darauf ankommt, ob ein Antrag oder Gesetzentwurf Sinn macht, sondern wer im Briefkopf als Antragsteller aufgeführt ist. Das ist in der Tat ein sehr interessantes parlamentarisches Verhalten. Nun denn, sei es drum.

Durch eine Änderung der Landesverfassung im Sinne der Antragsteller wird künftig der Schutz und Förderungsanspruch nationaler Minderheiten auf die Sinti und Roma deutscher Nationalität erweitert. Wir werden den besonderen Schutz sozialer Minderheiten wie beispielsweise Menschen mit Behinderung und insbesondere Pflegebedürftige in die Landesverfassung aufnehmen und geben dem Schutz und der Förderung von Kindern und Jugendlichen Landesverfassungsrang.

Wir möchten aus unserer Sicht lobend erwähnen, dass auch der besondere Schutz der Tiere nunmehr Eingang in den Gesetzentwurf von Rot-Grün gefunden hat. Insbesondere unser tierschutzpolitischer Sprecher, Herr Dr. Garg, hat hier anscheinend wertvolle Überzeugungsarbeit bei SPD und Grünen geleistet. Damit wurde zumindest ein Teil unseres Änderungsantrages aufgenommen.

Der andere Teil des FDP-Änderungsantrages im Ausschuss befasste sich mit der Einführung des so genannten ruhenden Mandates für Kabinettsmitglieder. Für Mitglieder der Landesregierung, die zugleich auch Abgeordnete sind, sollte das Abgeordnetenmandat für den Zeitraum ihrer Tätigkeit im Kabinett ruhen. Für diesen Zeitraum sollte die nächste Bewerberin/der nächste Bewerber von der Landesliste ins Parlament nachrücken. Kurzum: Wir wollten die Einführung der Trennung von Amt und Mandat. Dies ist übrigens bei den Grünen und der FDP seit unendlichen Jahren Programmbestandteil und von dem glaube ich, dass wir beide es ernst meinen.

(Wolfgang Kubicki)

Diese Trennung macht Sinn. Sie macht aus grundsätzlichen Erwägungen Sinn, weil sich Mitglieder der Landesregierung dann nicht als Abgeordnete im Landtag durch ihr Abstimmungsverhalten quasi selbst kontrollieren können.

Ich gebe aber zu, dass diese Trennung auch eine kleine Trennung von finanziellen Bezügen von Ministerpräsidentinnen, Ministerpräsidenten beziehungsweise Ministerinnen und Ministern bedeutet. Diese erhalten ja heute neben ihrem Ministergehalt noch 25 % ihrer Abgeordnetenbezüge.

Da in den letzten Monaten immer in den Medien von Nebentätigkeiten geredet wurde, muss doch auch einmal die Frage danach erlaubt sein, was eigentlich mit Kabinettsmitgliedern ist, die im Nebenjob Abgeordnete sind.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind ja bereits im Dezember 2003 mit einer Initiative gescheitert, das Abgeordnetengesetz dahin gehend zu ändern, die Abgeordnetendiäten für Landesminister und die Ministerpräsidentin zu streichen. Damals stimmten Grüne, SPD und SSW gegen unseren Gesetzentwurf.

Man kann die Sache aber auch andersherum angehen. Wenn Kabinettsmitglieder nicht gleichzeitig Abgeordnete sein können, dann entfallen eben auch die Abgeordnetenbezüge. Also: Auch dies hätte Vorteile.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben vernommen, dass wir uns unabhängig von der Haltung der Union in der neuen Legislaturperiode noch einmal mit dieser Frage befassen müssen. Es gibt auch in anderen Landesparlamenten entsprechende Regelungen. Diese Trennung von Amt und Mandat macht wirklich über den heutigen Tag hinaus Sinn.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl er nach unserer Auffassung weitreichender sein könnte. Aber wir sind sicher, dass damit die Debatte über die Änderung der Verfassung noch nicht zu Ende ist.

(Beifall bei der FDP)

Nun spricht Frau Abgeordnete Irene Fröhlich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Anliegen, die wir mit diesem Antrag verfolgen - sehr geehrter Herr Schlie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU -, beschäftigen diesen Landtag schon

sehr lange. Sie wurden bereits mehrfach erläutert und in öffentlichen Veranstaltungen dargestellt. Herr Schlie, vielleicht erinnern Sie sich: Wir haben darüber schon 1996 oder 1997 hier verhandelt, als sich hier noch nicht der Plenarsaal, sondern ein Sitzungssaal befand. Das war eine unserer ersten Aktionen hier im Hause.

Von „Im Vorübergehen“ kann überhaupt nicht die Rede sein. Bis auf die Frage hinsichtlich des Tierschutzes und der Trennung von Amt und Mandat ist alles mehrfach geprüft, mehrfach angehört und mehrfach vom wissenschaftlichen Dienst erörtert worden; dies gilt ebenfalls für die Befassung durch die Fachöffentlichkeit.

Die in Schleswig-Holstein seit dem 15. Jahrhundert lebenden Sinti und Roma sind eine regionale Minderheit - das wissen wir alle -, die in der europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten als Minderheit neben den Dänen und Friesen steht, nur leider - noch - immer nicht in der schleswigholsteinischen Verfassung.

Auch die besondere Verantwortung für Kinder und Jugendliche sowie der Schutz von pflegebedürftigen und behinderten Menschen müssen Staatsziel werden.

Herr Schlie, nur zu Ihrer Information: Trotz der Haushaltsenge sind wir bundesweit führend, was die Pflegequalität in diesem Lande angeht und das hat etwas mit unserem Pflegegesetz zu tun. Insofern stimme ich Ihnen zu: Nicht alles, was in der Verfassung steht, begründet einen Anspruch auf entsprechende finanzielle Ausstattung; da haben Sie völlig Recht. Tatsächlich machen wir das aber seit einiger Zeit und wir machen das mit großen Erfolg.

Mit der Festschreibung des Antidiskriminierungsgrundsatzes kann der Landtag ein wichtiges Signal für ein demokratisches, weltoffenes und solidarisches Schleswig-Holstein setzen. Dieses Signal würde ich mir ganz besonders vor dem Hintergrund wünschen, dass übermorgen hier in Kiel Rechtsextremisten für das genaue Gegenteil marschieren.

Ein Landesverfassungsgericht ist auch eine Einrichtung, die der demokratischen Kultur dient. Es hat negative Auswirkungen auf Schleswig-Holstein, wenn beispielsweise die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Volksinitiative erst Jahre nach der Abstimmung im Landtag fällt und die öffentliche Auseinandersetzung über das Thema längst gelaufen ist.

Das von uns vorgeschlagene Modell ist auch mit relativ geringen Kosten umzusetzen. Vorstellbar ist der Einsatz von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern und eine organisatorische Anbindung an die Ge

(Irene Fröhlich)

schäftsstelle eines bestehenden Gerichts. Die Richterinnen und Richter werden wir aus den Reihen der Professoren und der oberen Landesgerichte gewinnen können; davon sind wir überzeugt.

Dem Antrag, den Schutz der Tiere als Staatsziel aufzunehmen, Herr Garg, kann ich zustimmen; das ist schon okay. Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass seine Wirkung äußerst begrenzt wäre: Der Artikel 20 a Grundgesetz definiert bereits jetzt den Tierschutz als Staatsziel und bindet die Gesetzgebung in Bund und Ländern gleichermaßen.

Hilfreicher im Sinne der Sache wäre es gewesen, wenn die FDP für die Bundesratsinitiative SchleswigHolsteins getrommelt hätte:

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Landesregierung hat dort den Antrag auf Einführung eines Verbandsklagerechts eingebracht. Dies würde Umweltverbänden und Tierschutzvereinen die Befugnis verschaffen, die Verletzung von Tierschutznormen in gerichtlichen Verfahren geltend zu machen. Dieses dann bundesweite eingeführte Verbandsklagerecht wäre sicherlich die bislang schärfste Waffe im Tierschutz gewesen, konnte die Mehrheit im Bundesrat aber leider nicht überzeugen.