Protocol of the Session on January 28, 2005

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Die Verwaltungsstrukturreform ist angesprochen worden. Ich freue mich, dass es in SchleswigHolstein Bewegung gibt, nicht nur in den Gemeinden, sondern inzwischen auch in den Kreisen Segeberg und Neumünster. Hier spielt die CDU eine ausgesprochen gute Rolle vor Ort, weil sie die Gebietsreform nicht als Schreckgespenst hinstellt, sondern weil sie sehr deutlich sagt, dass größere Kreise, dass das Zusammenschließen von kreisfreien Städten und Kreisen zu einer deutlichen Entlastung auf der Verwaltungsebene führen wird. Ich freue mich, dass sich diese Erkenntnis Stück für Stück durchsetzt. Ich möchte aber auch sehr deutlich sagen, dass die Freiwilligkeit, die von Ihnen an dieser Stelle gepriesen wird, durchaus dazu führen könnte, dass wir relativ unstrukturiert eine Gebietsstrukturreform in Schleswig-Holstein haben. Deshalb bitte ich Sie - auch bei Ihren Diskussionen vor Ort -, in Ihrem Konzept mit zu bedenken, dass wir, wenn wir insgesamt eine Entlastung der kommunalen Ebene bei den Verwaltungskosten haben wollen, ein Gesamtkonzept für Schleswig-Holstein brauchen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Natürlich würde ich es begrüßen, wenn die kommunalen Landesverbände eine solche Konzeption federführend gestalten. Ich halte es nicht für optimal, wie es in Niedersachen läuft. Dort schneidert das Land - CDU - die Gebietsreform. Die Kreise rufen: Wir wollen nicht. Herr Wulff sagt: Mir ist egal, was

(Monika Heinold)

die Kreise sagen. Das war im NDR live zu hören. So agiert die CDU in Niedersachsen.

Deshalb sage ich: Die Bewegung, die jetzt von unten kommt, die Diskussion vor Ort um Zusammenschlüsse auf kommunaler Ebene, ist absolut wichtig. Haben Sie den Mut, haben Sie die Größe, gemeinsam mit uns eine Gebietsreform, eine Kreisstrukturreform, eine Verwaltungsstrukturreform für das Land konzeptionell zu erarbeiten, damit wir vorankommen. Damit tun wir den Kommunen sehr viel mehr Gutes, als wenn wir uns hier darüber streiten, wie sich Hartz IV - das wir gemeinsam beschlossen haben - in jeder einzelnen Gemeinde auswirkt. Das wissen wir noch nicht. Darüber werden wir spätestens Ende des Jahres gemeinsam Bilanz ziehen müssen.

Ein Letztes zur Gewerbesteuerumlagenabsenkung vor einigen Jahren. Wenn ich mich recht erinnere - ich frage dazu meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU -, war es nicht Rot-Grün allein, die die Absenkung der Gewerbesteuerumlage beschlossen haben - Sie haben das immer heftig polemisch kritisiert -, sondern im Rahmen der Steuerreform war das die Kompensation, die die Kommunen erbringen sollten. Die CDU, aber auch die FDP haben im Vermittlungsausschuss mit ihren Regierungen zugestimmt. Sollte ich da falsch liegen, benennen Sie es bitte nochmals.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich seiner Sprecherin Anke Spoorendonk. Ich begrüße gleichzeitig neue Gäste auf der Tribüne, und zwar die Damen und Herren der Volkshochschule Krempe. - Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einem Jahr debattierten wir hier im Landtag das Ergebnis der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss auf Bundesebene. Es ging damals um ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform und auch um eine Änderung der Gewerbesteuer, die ausschließlich den Kommunen zufließt. Damals hieß es, dass das Vermittlungsergebnis und die beschlossenen Änderungen für die schleswig-holsteinischen Kommunen bedeuten würden, dass es 2004 zu einer finanziellen Entlastung von fast 100 Millionen € und für 2005 sogar zu 135 Millionen € mehr kommen würde.

Wir haben schon damals gesagt, dass auch diese positiven Zahlen angesichts der verheerenden Situation der kommunalen Finanzen leider nur ein kleiner Schritt nach vorn sind. Der SSW hätte sich deshalb gewünscht, dass die CDU der von der Landesregierung in den Bundesrat eingebrachten umfassenden Änderung der Gewerbesteuer zugestimmt hätte. Denn dieser Vorschlag hätte den Kommunen in SchleswigHolstein finanziell wirklich geholfen und war ja auch von den kommunalen Landesverbänden massiv befürwortet worden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider ist diese notwendige Modernisierung der Gewerbesteuer von der CDU auf Bundes- und auch auf Landesebene im Dezember 2003 verhindert worden. So viel zur Geschichte.

Eine weitere Bemerkung zur Geschichte. Auch wir vom SSW treten für eine Konnexität auf Bundesebene ein. Das haben wir 1998 bei der großen Verfassungsreform alle gemeinsam beschlossen. Ich habe aber noch - gerade hielt Uschi Kähler ihre letzte Rede - genau im Ohr, was die Kollegin Kähler damals sagte, nämlich: Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der CDU, dass hättet ihr auch in den vielen Jahren der Kohl-Regierung gut machen können; da hattet ihr alles in der Hand. Jetzt, wo es die Kohl-Regierung nicht mehr gibt, kommt ihr mit diesem ganz wichtigen Vorschlag.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unter dem Strich betrachtet wäre es vielleicht ganz gut - das sage ich ganz allgemein, auch in Richtung von Rot-Grün -, wenn solche Entscheidungen nicht davon abhängen, ob man in der Regierung oder in der Opposition ist. Das sollte man ehrlicherweise sagen.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Noch etwas! Wir haben die Steuerreform bekommen. Ich kenne noch die Diskussion dazu. Ich weiß auch, wie weitere Diskussionen zum Thema Steuerreform auf Bundesebene gefolgt sind, von wegen Bierdeckelniveau. Wenn man sagt, für die Menschen sei es das Beste, wenn sie das Geld in der eigenen Tasche haben, wenn man immer noch der Meinung ist, dass Steuersenkung in dieser Situation angebracht ist, dann sollte man sich hier hinstellen und das sagen, wenn es um die Finanzen der Kommunen geht.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Wir können keine Diskussion führen, in der wir uns scheibchenweise aussuchen, was uns gerade passt.

Dann noch diese Bemerkung, um den Zusammenhang zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik zu verdeutlichen. Die Arbeitslosigkeit ist das größte Problem überhaupt, ist der gesellschaftliche Skandal überhaupt. Wenn es um Arbeitslosigkeit und um die Bewältigung dieses Problems geht, wird über alles mögliche geredet. Aber wir müssen sagen: Wenn wir die Situation der Kommunen verbessern wollen, dann müssen wir auch die Einnahmesituation insgesamt verbessern. Dann müssen wir alles daran setzen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Nur so wird ein Schuh daraus.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das auch, weil an anderer Stelle gesagt wird: keine Nettoneuverschuldung und Streichung von 2.000 Stellen, und was weiß ich nicht alles. Ein bisschen Redlichkeit in dieser Debatte wäre schon ganz gut.

Richtig ist allerdings, dass die Entwicklung der kommunalen Finanzen leider nicht so positiv ist, wie wir es im Januar 2004 noch erwartet haben. Zum einen hat die Landesregierung in ihrer Kabinettspressekonferenz vom Dienstag klargestellt, dass die Einnahmen Schleswig-Holsteins in 2004 unter den Erwartungen der November-Steuerschätzung blieben. Dieses Ergebnis des Landes für 2004 färbt natürlich auch auf die Kommunen ab. Wenn der Finanzminister erklärt, die geringe Investitionsquote des Landes von nur 8,4 % sei darauf zurückzuführen, dass von den Kommunen Mittel in Höhe von 84 Millionen € nicht abgerufen worden sind, dann spricht das wirklich Bände. Denn diese Nichtabrufung der Mittel liegt auch daran, dass die Kommunen bei vielen Investitionen nicht mehr über die notwendigen Komplementärmittel zur Kofinanzierung verfügen.

Zum anderen sieht die Situation für das Jahr 2005 nicht viel besser aus. Wir wissen alle, dass der Haushaltsvollzug des Landes für 2005 mit großen Unsicherheiten, insbesondere auf der Einnahmeseite, behaftet ist. Deshalb begrüßen wir es natürlich - es ist auch unumgänglich -, dass wir für 2005 einen Nachtragshaushalt beschließen.

Für die Kommunen in Schleswig-Holstein gilt, dass sowohl die Einnahmeerwartung als auch die Ausgabensituation für 2005 wirklich sehr unsicher sind. So hat der Schleswig-Holsteinische Gemeindetag vor wenigen Tagen in einer Pressemitteilung drastische Sparmaßnahmen in den Haushalten für 2005 angekündigt. Zwar sind laut Schleswig-Holsteinischem

Gemeindetag die Einnahmen der Gewerbesteuer für 2004 etwas angestiegen, aber die ebenso wichtigen Einnahmen aus dem Anteil der Einkommensteuer sind deutlich weiter gesunken. - Ich zitiere nur den Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag und lasse mich gerne belehren, falls das eine falsche Information ist.

Noch schwerer wiegt aber der Anstieg der Ausgaben der Kommunen, und zwar insbesondere im Sozialbereich. Hier besteht eine erhebliche Unsicherheit über die Kosten von Hartz IV. Bundeswirtschaftsminister Clement hat der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass er bundesweit von Mehrkosten von 6 Milliarden € ausgehe, weil es mehr Bezieher von Arbeitslosengeld II gebe, als ursprünglich berechnet. In diesem Zusammenhang kritisiert der Gemeindetag, dass die für die Gemeinden beabsichtigte Entlastung der Hartz-IVReform noch nicht für alle Kommunen in SchleswigHolstein sichergestellt sei.

(Beifall des Abgeordneten Claus Hopp [CDU])

Aus Sicht des SSW steht die Landesregierung daher in der Pflicht, die versprochene finanzielle Entlastung verbindlich zu sichern. Dies ist auch deshalb wichtig, weil die angeblichen Einsparungen von Hartz IV aus Sicht der Bundesregierung für die Finanzierung des Ausbaus von Kinderkrippen benutzt werden sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss wirklich nicht Adam Riese sein, um festzustellen, dass diese Milchmädchenrechnung angesichts der großen finanziellen Probleme der Kommunen nicht aufgehen wird. Deshalb fordert der SSW, dass die Bundesregierung für die Betreuungsplätze der unter Dreijährigen, die wir ja aus gesellschaftlicher Sicht dringend brauchen, eine solidere Finanzierung vorlegt.

Noch eine Bemerkung zur Situation der Kommunen! Mit uns wird es keinen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich geben. Wir haben früher dagegen gestimmt und werden es weiterhin tun.

(Beifall des Abgeordneten Claus Hopp [CDU])

Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Keine staatliche Ebene darf sich zulasten einer anderen sanieren.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Denn unabhängig von allem Getöse - wir haben heute sehr viel Getöse gehabt - gibt es nicht zweierlei Bürger in Schleswig-Holstein, nicht Kommunalbürger und Landesbürger. Also müssen wir bei künftigen Konzepten, bei künftigen Einsparungen und Ein

(Anke Spoorendonk)

schnitten wirklich von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehen. Nur so, denke ich, wird wirklich ein Schuh daraus. Es wird noch ganz schrecklich werden; aber alle Entscheidungen - darauf werden wir Wert legen - müssen transparent und nachvollziehbar sein. So wird man nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf kommunaler Ebene planen können, nur so werden wir überhaupt weiterkommen.

Darum auch noch eine Bemerkung zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Ich finde es immer sehr interessant, wenn gesagt wird: Jetzt machen wir erst einmal eine Aufgabenkritik und führen dann auf Landesebene eine Verwaltungsstrukturreform durch und schauen, was überhaupt noch wichtig ist. Ich vermisse in dieser Diskussion wirklich die andere Seite: Wie soll eigentlich die Gesellschaft aussehen, in der wir künftig weiterleben wollen und die wir uns für unsere Kinder wünschen? Diese Diskussion findet nirgends statt.

(Vereinzelter Beifall bei SSW und SPD)

Da wird nur hin und her geschoben und gesagt: Diese Ausgaben wollen wir nicht mehr und wir können sie uns nicht mehr leisten.

Wir wollen also auf jeden Fall eine andere Form von Diskussion. Man mag es eine Wertediskussion nennen. Wir müssen uns damit beschäftigen, wie eigentlich unsere Gesellschaft in zehn Jahren aussehen soll. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, dass wir nicht nur auf der einen Seite sagen können: Jetzt legen wir einmal schnell ein paar Verwaltungen zusammen, sondern dass wir auch auf der anderen Seite dafür sorgen müssen, dass die politische Gemeinde auf gleicher Augenhöhe mit der Verwaltung reden und beschließen kann. Nur so wird man künftig Kommunalpolitik auch ernst nehmen können, nur so wird es einen Gestaltungsspielraum für die Kommunen geben.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Wir müssen also diese Diskussion versachlichen. Wir wissen alle, dass dies nicht einfach ist. Aber wir müssen dafür sorgen, dass nicht mit zweierlei, dreierlei oder fünferlei Maß gemessen wird.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Holger Astrup das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie viel Fehlinformation im Rahmen einer solchen Debatte in kurzer Zeit über das Mikrofon gebracht werden kann. Deshalb will ich einige Dinge richtig stellen und bitte um Nachsicht, wenn ich die Vorurteile einiger durch Fakten zu ersetzen versuche.

Erstens. Brutaler Eingriff ins FAG. Kollege Klaus Schlie, ich bin, wie Sie auch, lange genug, nämlich seit über 30 Jahren, kommunalpolitisch tätig und kann das nur mit Grinsen hören. Die CDU war es, die in ihrer Regierungszeit bis 1985 - danach hatte sie keine Gelegenheit mehr; Gott sei Dank gab es dann keine Chancen mehr - siebzehnmal in erheblicher Höhe, in erheblich größerem Umfang, in das FAG eingegriffen hat.