- Genau. Es reicht eben nicht, Herr Kollege Neugebauer, an die Bundesregierung zu appellieren. Man könnte sich das eine oder andere Mal auch an die eigene Nase fassen.
- Frau Fröhlich, seien Sie doch nicht so verbissen und maulen Sie mich nicht andauernd von hinten an! Ich wollte nur den Redebeitrag der Kollegin Kolb zu Ende bringen.
Ich finde, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie zur Lösung des Problems wieder über Ihre vermeintlich gerechteren Regelungen im Steuerrecht philosophieren. Sie wissen doch ganz genau, was der Bundeskanzler und was Ihr Bundesparteivorsitzender von den Steuerinitiativen aus Schleswig-Holstein hält.
An einem Punkt sind wir uns sicherlich einig. - An mehreren Punkten, aber an diesem sicherlich auch. - Angesichts leerer Kassen und immer enger werdender Haushaltsspielräume wird es immer schwieriger, tatsächlich noch Handlungsspielräume für die Kinder- und Jugendpolitik zu haben. Tatsächlich müssen Schwerpunkte gesetzt werden, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur verbal hier vorgetragen, sondern wenn sie verwirklicht werden soll.
Ein sinnvoller Beitrag wäre es aus meiner Sicht, die nach wie vor zersplitterte Kindergartenlandschaft neu zu ordnen und den Anforderungen der Arbeitswelt anzupassen. Stattdessen werden die Personalkostenzuschüsse durch das Land nach wie vor gedeckelt und die Kommunen mit diesem Problem allein gelassen.
Der kürzlich von der Bundesfamilienministerin vorgestellte Familienatlas 2005 machte deutlich, dass mehr Betreuungsangebote Spielraum für eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen schaffen würde. Wer die Innovationsfähigkeit und das Wachstum langfristig sichern will, wer Potenziale von Familien erschließen will, der ist gut beraten, sich um die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen Angeboten zur Kinderbetreuung und zur früheren Förderung zu kümmern.
Das, liebe Birgit Herdejürgen, ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass noch so gute Hort-, Kindergarten oder Krippenangebote für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dann wenig Wirkung entfalten, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse in einer Region oder in einem Bundesland nicht stimmen.
Ganz besonders deutlich wird dies bei einem Vergleich mit den süddeutschen Bundesländern. Obwohl dort die Betreuungsinfrastruktur schlechter ist als bei uns, findet eine starke Zuwanderung von Familien statt, sind mehr Frauen erwerbstätig und ist die Geburtenrate höher als bei uns in Schleswig-Holstein. Denn was nutzt die beste Betreuung - schauen Sie sich die östlichen Bundesländer an; dort ist die Betreuung noch besser -, wenn Frauen und Männer keine Arbeit finden?
Hier zeigt sich wahre Familienfreundlichkeit: Familienfreundlich ist eine Region dann, wenn die Menschen in dieser Region Arbeit finden. Sozial gerecht, liebe Birgit Herdejürgen, ist deshalb auch, was Arbeit schafft. Das gilt ganz besonders für die Familienpolitik. In den letzten Jahren ist bedauerlicherweise sowohl auf der Landesebene als auch auf der Bundesebene in diesem Punkt eine ganze Menge versäumt worden.
Nun zu den Anträgen. Dankenswerterweise hat es uns die Kollegin Caroline Schwarz sehr einfach gemacht. Es gibt Punkte in ihrem Antrag, die wir ohne weiteres mitgetragen hätten. Diese kann man unterschreiben, sie machen Sinn.
Nun allerdings zum ursprünglichen Änderungsantrag des SSW. In einer vorherigen Debatte war schon viel die Rede davon, wie ernst man eine solche Debatte nimmt. Liebe Kollegin Spoorendonk, auch die Frage der Hortbetreuung der Null- bis Dreijährigen ist ein ernstes Problem. Ich bin gespannt auf die Haushaltsanträge insbesondere des SSW für die kommende Legislaturperiode, um diesen Anspruch, den Sie hier formulieren, dann auch mit Finanzmitteln zu unterlegen.
Wir werden uns in der alternativen Abstimmung dem CDU-Antrag anschließen. Insofern brauchen wir keine Einzelabstimmung von Punkten zu beantragen.
Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit, auch wenn ich, wie man sieht, nicht die Kollegin Kolb bin.
Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich die letzten Besucherinnen und Besucher dieser Legislaturperiode auf der Landtagstribüne begrüßen. Diese sind das Vorstandsmitglied der Deutschen Freundschaftsgesellschaft Ost-West, Frau Helene Luig-Arlt, und Dozenten und Ingenieure aus Usbekistan. - Herzlich willkommen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland weist im Vergleich mit anderen Ländern noch immer einen Rückstand bei der Erwerbsbeteiligung und beim Beschäftigungsniveau von Frauen auf. Das ist vor allem auf die geringe Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt zurückzuführen.
Dies sagt auch die EU-Kommission in ihrem letzten Bericht ganz deutlich. Er ist uns kurz vor Weihnachten zugeleitet worden und war für uns wichtiger Anlass, einen solchen Antrag mit zu formulieren, weil ausdrücklich gebeten wurde, diesen Bericht in alle Gremien Deutschlands hineinzutragen. Das tun wir hiermit.
Das Beschäftigungsniveau von allein erziehenden Müttern wird als besonders niedrig angesehen, und es werden andere Probleme aufgezeigt, die, was Deutschland betrifft, besonders kritisiert werden. Das, finde ich, müssen wir uns alle anziehen und dürfen nicht zuerst mit dem Finger auf andere zeigen.
Diese Situation ist aus zwei Gründen problematisch. Einerseits ist die Diskrepanz zwischen gewünschtem und ausgeübtem Erwerbsmuster in Deutschland eine der größten, andererseits ist die stärkere Mobilisierung des Arbeitskräftepotenzials der Frauen, insbesondere der Mütter, volkswirtschaftlich notwendig, um künftig Fachkräfteengpässe und die Folgen der demographischen Verschiebungen zu lindern. Außerdem kann es sich keine Dienstleistungsgesellschaft leisten, auf die besonderen Kompetenzen und Fähigkeiten von Frauen und Männern mit Familienerfahrung zu verzichten. Dass die Geburtenrate in Deutschland eine der niedrigsten ist, ist ohnehin als Problem erkannt.
Der internationale Vergleich der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liefert ein differenziertes Bild. Die vorhandenen Freistellungsregelungen sind in Gestalt von Mutterschutz und
Elternzeit, so wird gesagt, ebenso wie der Beitrag der Unternehmen zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit in Deutschland relativ großzügig. Gleiches gilt für die materielle Förderung der Familien über staatliche Transfers.
Herr Garg, das soll uns erst einmal jemand nachmachen, das Kindergeld tatsächlich real zu erhöhen. Das hat die schwarz-gelbe Koalition zum Beispiel nicht geschafft.
Die Berücksichtigung von Ehepartnern und Kindern bei der Einkommensteuer ist ebenfalls ein Punkt, der hier mit anzusprechen ist. Diese reicht, wie die Praxis deutlich zeigt, nicht aus. Deutschland weist erheblichen Nachholbedarf in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und in Bezug auf die Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt auf. Auch dies mahnt die EU an.
Zum einen sind die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren in Deutschland unterentwickelt. Deswegen bin ich aber trotzdem nicht für einen Rechtsanspruch in dieser Altersgruppe. Ich bin wohl dafür, ein bedarfgerechtes Angebot zur Verfügung zu stellen, aber der Rechtsanspruch sollte wirklich mit drei Jahren beginnen, wenn Kinder auch wirklich Kinder brauchen und die heutigen Ein-Kind- oder Ein-Eltern-Familien dringend auf die Betreuung außerhalb der Familie angewiesen sind.
Dieses Problem haben wir in Schleswig-Holstein erkannt und wir sind dabei, die Betreuungssituation zu verbessern.
Die finanziellen Anreize zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit durch den zweiten Elternteil sind im deutschen System mit der Einkommenbesteuerung nun allerdings deutlich unterentwickelt. Ich meine das Ehegattensplitting. Ein weiterer Grund liegt in der nach wie vor bestehenden Steuerfreiheit einer geringfügigen Beschäftigung von verheirateten Zweitverdienern. Zusammen mit der gegenwärtigen Ausgestaltung des Erziehungs- und des Kindergeldes stellt dieses System einen Anreiz für Mütter dar, kürzer oder meistens auch länger aus dem Berufsleben auszuscheiden.
Das, liebe Caroline, ist ein Leck, ein Fehler im System, der vermieden werden sollte. Natürlich sollte man gut ausgebildete, gut qualifizierte Frauen nach Möglichkeit im Berufsleben halten, so wie das zum Beispiel in Frankreich ganz selbstverständlich ist. Darum stimme ich an diesem Punkt zum Beispiel
Ich werde mich, um dich, Caroline, zu würdigen, jetzt noch speziell mit dem CDU-Antrag auseinander setzen. Ich bin ein bisschen enttäuscht. Formal stimme ich dir zu: Es wäre schön, wir könnten das zusammen machen. Inhaltlich und von den Werten her klaffen wir weit auseinander. Das finde ich sehr bedauerlich, gerade weil wir uns sympathisch sind.
Die CDU sagt: Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner sollen dazu ermutigt werden, sich für ein Leben mit Kindern und Familie zu entscheiden. Nicht die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner müssen ermutigt werden, sondern die CDU muss ermutigt werden, endlich die Zeichen der Zeit zu erkennen und den Ausstieg von Frauen aus dem Beruf zu vermeiden.
- Wenn es denn von den Frauen gewünscht ist. Das ist klar. Im Moment haben sie nicht die Wahlfreiheit. Das ist der Punkt. Sie sollen dieselbe Wahlfreiheit haben wie die Männer. Erst dann haben wir Gleichberechtigung, erst dann haben wir es so organisiert, wie es sein muss.
Ich muss aber jetzt zum Schluss kommen, denn die Lampe vor mir blinkt. Das ist meine letzte Rede in diesem Landtag gewesen. Ich habe die Grünen gegründet, damit die Ideen der Frauenemanzipation, der Integration von Migrantinnen und Migranten sowie der Minderheiten in die Gesellschaft und das Wirtschaften im Einklang mit der Natur und den natürlichen Lebensgrundlagen in die Parlamente Einzug hält. Dies ist mir ganz persönlich, aber auch meiner Partei, gelungen. Ich habe hier gute, anstrengende und sehr ernsthafte Jahre erlebt und bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich hier gemacht habe. Ich möchte sagen, ich fühle mich noch immer - wie am ersten Tag -, wenn ich hier zum Landtag herunterkomme und auf dem Dach die Schleswig-HolsteinFahne weht, persönlich begrüßt.