Wenn wir über mehr Ganztagsbetreuung und vielleicht ja auch über mehr Ganztagsschulen im Lande reden
wollen, so müssen wir folgende drei Punkte berücksichtigen: die Frage der Finanzierung, die Fragen der inhaltlichen Ausstattung und der Unterschied zwischen dem, was Sie wollen - die Ganztagsangebote -, und dem, was wir wollen - die Ganztagsschulen.
Lassen Sie mich mit den Finanzen anfangen. Nach dem Konzept der Landesregierung liegt die wesentliche Verantwortung für die Ganztagsangebote bei den Schulträgern und damit bei den Kommunen. Die Träger der Jugendhilfe haben auch noch ihr Päckchen mitzutragen. Die Landesregierung - so sagt es das Konzept, das am Dienstag vergangener Woche vorgestellt wurde - gibt bis zu 60.000 DM dazu, allerdings und das ist für die weiteren Schritte von erheblicher Bedeutung - in einem gedeckelten Topf. In der Pressemitteilung der vorvergangenen Woche heißt es, dass für dieses Konzept bis zu 3,7 Millionen DM vorgesehen seien. Es sind eben nur „bis zu“ 3,7 Millionen DM, und zwar bis zum Jahr 2005. Im Entwurf für den Haushaltsplan für das Jahr 2002 - so wie er uns bisher vorliegt - sind lediglich 560.000 DM vorgesehen. Das reicht nicht einmal aus, um zehn mal den Höchstsatz von 60.000 DM auszuschütten.
Das, meine Damen und Herren, ist ein tolles Landeskonzept! Es wird nicht einmal ausreichen, um die Bezuschussung der im Lande bereits bestehenden Angebote an Ganztagsbetreuung tatsächlich durch das Land kozufinanzieren. Spätestens bei diesem Punkt schleicht sich Skepsis ein. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Zahlen aus dem Bericht, den Sie vorgelegt haben. Ich meine das Kapitel über die betreuten Grundschulen. Die Skepsis rührt daher, dass die Finanzierung der zusätzlichen Ganztagsbetreuungsangebote aus dem gleichen Titel erfolgen soll wie die Finanzierung der betreuten Grundschulen; dazu ist die Systematik die gleiche. Das ergibt auch inhaltlich eine Analogie, die einem ein wenig Sorge bereitet, denn der Bericht ist aufschlussreich: Auf Seite 18 wird in diesem Bericht gesagt, dass lediglich 370 von den 690 Grund- und Sonderschulen im Land eine betreute Grundschule mit verlässlichen Betreuungszeiten anbieten. Das ist mitnichten eine Leistungsbilanz; nach meiner Lesart ist es vielmehr eine Defizitbeschreibung. Dabei geht es um mehr als um die Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Es geht vor allem um die Erkenntnis, dass an fast jeder zweiten Schule des Landes verlässliche Betreuungszeiten in einer Grundschule nicht angeboten werden.
Wenn man zudem bedenkt, dass von diesen 370 betreuten Grundschulen, die verlässliche Betreuungszeiten anbieten, wiederum nur 115 - also ein Drittel
vom Land auch tatsächlich bezuschusst werden, dann muss man hellhörig werden. Das bedeutet nämlich, dass nur ein Sechstel der Grundschulen insgesamt vom Land Zuschüsse bekommen. Wenn dies das Muster für die Ganztagsbetreuung sein soll, die Sie jetzt insgesamt planen, dann kommen auf die Kommunen in der Tat schwere Zeiten zu. Aber haargenau so wird es kommen, meine Damen und Herren! Die allermeisten Schulen und Schulträger werden mit Ihrem Landeskonzept im Wesentlichen alleingelassen.
Das gilt aber nicht nur für die Finanzierung, sondern auch für die Inhalte. Denn nach Ihrem Konzept ist es so, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Ganztagsbetreuungsangebots im Wesentlichen vor Ort selber organisiert beziehungsweise geschnitzt werden soll. Nach welchem Motto das geschehen soll, hat die Ministerpräsidentin uns im Sommer in einem Interview verraten. In diesem Interview hat sie als grobe Richtung vorgegeben, dass die Ganztagsbetreuung nach dem Motto „Fahrradflicken mit Opa am Nachmittag“ erfolgen soll. Wenn das aber das Ergebnis diesen dikken Berichtes, den Sie vorgelegt haben, und wenn das das Ergebnis Ihres Konzeptes für eine Ganztagsbetreuung an Schulen ist, dann handelt es sich in der Tat um eine verpasste Chance, Schule und Betreuung in diesem Lande vernünftig zusammenzuführen.
Sie verabschieden sich mit solch einem mageren Konzept auch von der schulpolitischen Verantwortung, die Sie für die Betreuungszeiten an den Schulen in Schleswig-Holstein haben. Das ist das Hauptdefizit dieses Regierungskonzeptes, das Sie vorgelegt haben. Es beinhaltet eine mangelnde Verlässlichkeit von Betreuungsangeboten sowohl für die Eltern als auch für die Schulträger.
Das möchte ich anhand von ein paar Stichworten festmachen. Eines der Stichworte ist die Ehrenamtlichkeit. Nach Ihrem Konzept ist auch vorgesehen, dass ein Teil der Nachmittagsbetreuung an Schulen auf ehrenamtlicher Basis durch Vereine und Initiativen realisiert werden soll. Die Erfahrungen aus der Praxis und die Erfahrungen derjenigen, die jetzt schon Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen anbieten, belegen, dass sich das auf Dauer nicht aufrechterhalten lässt. Planungssicherheit ist so nicht herzustellen. Im Übrigen ist das auch nicht fair gegenüber dem Ehrenamt. Vereine und Ehrenamtler sind nicht die Lückenbüßer einer zu kurz gesprungenen Schulpolitik.
(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordneten Christel Aschmoneit-Lücke [FDP] und Dr. Heiner Garg [FDP])
Nächstes Stichwort: Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Nach den Vorstellungen der Landesregierung kann ein solches Angebot ganztägiger Betreuung an den Schulen je nach Schule und - salopp gesprochen je nach Lust und Laune entweder zwei Nachmittage die Woche oder auch fünf Nachmittage die Woche umfassen. Gerade aber für berufstätige junge Mütter ist ein so schwankendes Angebot überhaupt keine Planungsgröße und damit auch keine Grundlage für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit bleiben die drei Ministerinnen hinter dem selbst gesteckten Ziel zurück,
denn gerade in der Phase des beruflichen Wiedereinstiegs junger Mütter - das sage ich auch als Vertreter einer Generation, die nun wirklich Erfahrung mit dieser Phase hat - ist es zwingend erforderlich, dass der Wiedereinstieg durch verlässliche Betreuungsangebote begleitet wird. Das ist nicht nur für die berufliche Komponente wichtig, sondern es ist für die Mütter auch mental wichtig zu wissen, dass ihr Kind dauerhaft, verlässlich und gut aufgehoben ist. Hier bleiben Sie hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück.
Nächstes Stichwort: Gleiches Recht für alle Schularten! Es stellt sich die Frage, warum nach dem Konzept das Angebot im Wesentlichen auf die Hauptschulen, die Sonderschulen und die Gesamtschulen beschränkt bleiben soll.
- Gut, wir haben dem nicht zugestimmt. Sie haben da eine andere Auffassung, entschuldigen Sie. Das ist erlaubt.
- Frau Heinold, ich weiß doch auch aus den Erfahrungen im Bundestag, dass die Grünen Schwierigkeiten haben, ihre eigene Meinung zu artikulieren. Wir können es noch!
Wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, Frau Heinold, dann macht es keinen Sinn, einige Schularten von diesem Angebot auszuschließen, schon gar nicht, wenn aus dem Bericht hervorgeht, dass einige der ausgeschlossenen Schularten ein durchaus beträchtliches Angebot unterhalten. Laut dem statistischen Anhang auf Seite 82 ist es so - das
hat mich selbst überrascht-, dass 20 % der Gymnasien immerhin Mittagsangebote vorhalten. Im Vergleich dazu sind es nur 15 % der Hauptschulen. Berücksichtigt man, dass immerhin 9,3 % der Gymnasien jetzt schon Nachmittagsbetreuung anbieten, so ist das prozentual gesehen immerhin halb so viel wie an Hauptschulen. Insofern gibt es aus systematischer Sicht keinen Grund, irgendwelche Schularten davon auszuschließen. Es gibt auch keinen Grund dafür, die freien Schulen von den Segnungen dieses Konzeptes auszuschließen. Wir haben gestern schon eine Fragestunde zur Finanzierung der freien Schulen geführt. Ihnen jetzt noch etwas vorzuenthalten, nämlich Finanzmittel für die Teilnahme an der ganztägigen Betreuung zu erhalten, ist doppelt unfair.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit dem Punkt über den Unterschied zwischen Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuungsangeboten schließen und lassen Sie mich zu dem vielleicht interessantesten Satz kommen, den dieser Bericht enthält. Der Bericht widmet sich über lange Phasen dem Thema der Schulsozialarbeit. Das ist ein Punkt, der von Rot und Grün intendiert war, als dieser Bericht geschrieben wurde. Das Kapitel mündet in dem Satz auf Seite 31: „Schulsozialarbeit wird in Schleswig-Holstein nahezu ausschließlich an Ganztagsschulen geleistet.“ - Quod erat demonstrandum.
Ja, ich bin dabei. - Wir haben die Debatte über Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen als CDU-Fraktion durch einen eigenen Antrag angestoßen. Gerade nach der Kenntnisnahme von dem Bericht und der Rede der Ministerin bin ich davon überzeugt, dass unser Angebot der Ganztagsschulen das inhaltlich bessere ist. Es ist das ehrlichere, es ist ein echtes Landesangebot. Was Sie machen, ist ein Landesangebot, das die Kommunen bezahlen und die Schulen erarbeiten müssen. Das ist unfair.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr de Jager, eine Bemerkung vorweg: Wir diskutieren über das Thema der Vernetzung von Schule und Jugendhilfe, Jugendhilfe, die zurzeit zum großen Teil auch ehrenamtlich organisiert ist. Ich denke, dabei wollen wir auch bleiben.
Der vorliegende Bericht über die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe bestätigt im Wesentlichen das, was wir als SPD-Fraktion in den Gesprächen und Veranstaltungen zu diesem Thema mit Elterninitiativen, Schulen und anderen Fachleuten erfahren haben. Die positiven Erfahrungen von Kooperation, aber auch die Schwierigkeiten und Hemmnisse in der Zusammenarbeit bislang weitgehend getrennter Bereiche haben uns bereits in der Diskussion über die Einbringung des Berichtsantrages beschäftigt.
Grundsätzlich begrüße ich es sehr, dass sich der Bericht nicht an den Problemen, sondern an den Chancen orientiert, die eine stärkere Vernetzung von Schule und Jugendhilfe bieten können.
Die Beispiele gut funktionierender Projekte, die systematisch aufgearbeitete Darstellung der unterschiedlichen möglichen Handlungsfelder bieten eine gute Grundlage für die Initiierung weiterer Kooperationen. Dieser positive Ansatz des Berichtes schließt natürlich nicht aus, auf der Grundlage von Erfahrungen Störungen und Hemmnisse zu benennen und Möglichkeiten zu deren Überwindung zu suchen.
Im Rahmen der Auswertung bisheriger Projekte wurden als zentrale Probleme, die in engem Zusammenhang stehen, die finanzielle Ausstattung und die mangelnde personelle Kontinuität genannt. Welchen Beitrag können wir leisten, um hier Abhilfe zu schaffen? Wir wissen alle, dass weder Kommunen und Kreise noch das Land zusätzliche Mittel in entscheidender Höhe für freiwillige Leistungen zur Verfügung stellen können. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben im Bereich der Hilfen zur Erziehung. Handlungsbedarf ist also dringend gegeben. Unrealistische Forderungen helfen uns jedoch nicht weiter. Es geht vielmehr darum - das gilt sowohl für die Landesebene als auch für die
kommunale Ebene -, vorhandene Töpfe so zu nutzen, dass den aktuellen Problemen und den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung getragen wird.
Phantasievolle Ansätze, neue Strukturen und ein hohes Maß an Engagement sind in Schleswig-Holstein vorhanden. Darauf können wir aufbauen. Hier ist bereits in der Vergangenheit versucht worden, durch gezielten innovativen Einsatz gegebener Kapazitäten Jugendund Bildungsarbeit zu entstauben. Dies ist in vielen Fällen mit Erfolg gelungen. Daher noch einmal ein Dank an alle, die sich zum Teil auch ehrenamtlich eingesetzt haben. Durch diese Vorarbeit ist eine Sammlung von Beispielen zustande gekommen, die in diesem Bericht zusammengefasst - Praxisleitfaden für andere sein kann.
Bevor wir jedoch Appelle an die Kommunen richten, die in erster Linie gefragt sein werden, wenn es um die Finanzierung geht, sollten wir von Landesseite ein Zeichen setzen. Ich gehe mit der Erwartung in die Ausschussberatungen, dort Informationen darüber zu erhalten, wie vorhandene Mittel aus den verschiedenen Ministerien, aber auch zum Beispiel Mittel der Arbeitsverwaltung gebündelt werden können.
Bestehende und künftige Projekte sind sehr unterschiedlich gestrickt. Wie können auf den Einzelfall zugeschnittene Pakete geschnürt werden? Wir brauchen keine neuen Förderrichtlinien, sondern Flexibilität bei der Verwaltung bestehender Förderungen. Inwieweit können andere Finanzierungsquellen, zum Beispiel Stiftungsgelder, für andere Projekte herangezogen werden? Können Unternehmen zu Kooperationen - nicht nur finanzieller Art - bewegt werden? Das Interesse der Wirtschaft dokumentiert sich bereits in der Beteiligung von Firmen und Kammern an Projekten, denn letztlich profitiert auch die Wirtschaft von einer Jugend, die vielseitig interessiert, engagiert und damit gut vorbereitet auf eine erfolgreiche berufliche Zukunft ist.