Protocol of the Session on December 13, 2001

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Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung, bitte Sie, Platz zu nehmen und die Gespräche in der Pause oder draußen fortzusetzen.

Erkrankt ist die Frau Abgeordnete Brita SchmitzHübsch, der wir von hier aus herzliche Genesung wünschen.

(Beifall)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Werner Kalinka und Bernd Schröder.

Auf der Tribüne möchte ich Besuchergruppen der Theodor-Mommsen-Schule aus Bad Oldesloe begrüßen.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 40 auf:

Zukunft der Schiffbauindustrie - Zukunft der maritimen Wirtschaft

Landtagsbeschluss vom 11. Mai 2001 Drucksache 15/910 (neu)

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/1414

Ich erteile dem Minister für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, Herrn Professor Dr. Rohwer, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht zur maritimen Wirtschaft, der an diesem Morgen vielleicht eine schwere Lektüre und ein schweres Thema ist, ist es wert, aufmerksam gelesen zu werden. Er ist etwas Besonderes. Er geht auf Wünsche aller Fraktionen in diesem hohen Haus zurück, was übrigens zeigt, dass alle hier das Thema für außerordentlich bedeutsam für die zukünftige Entwicklung unseres Landes halten.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Der Bericht bietet - das ist ein Novum - erstmals eine Gesamtschau aller Aspekte der maritimen Wirtschaft. Als erstes Küstenland legen wir eine umfassende und alle Facetten der maritimen Wirtschaft beleuchtende Analyse vor. Wir greifen damit die Aufbruchsignale auf, die vom Bundeskanzler auf der 1. Maritimen Konferenz kürzlich in Rostock ausgegangen sind.

Der Bericht beschränkt sich nicht auf eine Momentaufnahme, sondern macht deutlich, was es in Schleswig-Holstein schon alles an positiven Entwicklungen gibt. Er belegt die Vernetzungen der Bereiche Technik, Industrie, Handel und Gewerbe, maritime Dienstleistungen, Wissenschaft und Forschung und er macht deutlich, dass es sowohl um den Schiffbau als den Kernbereich der maritimen Wirtschaft als auch um ganz neue, besonders wachstumsträchtige technologieund dienstleistungsintensive Sektoren geht. Er zeigt neben bereits laufenden Maßnahmen und positiven Ergebnissen Perspektiven und Handlungsoptionen auf und er macht deutlich, dass die maritime Wirtschaft für Schleswig-Holstein im Verbund mit den anderen norddeutschen Ländern ein überaus chancenreiches Cluster ist. Schleswig-Holstein braucht solche Cluster, wenn es im schärferen Standortwettbewerb mithalten will.

Die maritime Wirtschaft - das gilt ganz besonders auch für die Aquakultur, „blaue“ Life Science, wie wir sagen - ist neben dem Bereich Life Science, Gesundheit generell, Medizintechnik, Gesundheit et cetera und dem Bereich IT, Multimedia, Mikroelektronik sicherlich eines der für Schleswig-Holstein besonders chancenreichen Cluster, das wir gezielt weiter ausbauen müssen.

Mein Dank für diesen sehr umfassenden Bericht gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Ministeriums und der anderen beteiligten Ressorts, die in einer hervorragenden Kooperation diesen Bericht in einer bemerkenswerten Art und Weise zusammengestellt haben.

(Vereinzelter Beifall)

Ich möchte einige Kernaussagen zusammenfassen.

Der Schiffbau in Schleswig-Holstein ist hoch innovativ und besitzt weltweit einen guten Ruf. Viele neue Schiffstypen wurden hier in Schleswig-Holstein geboren, neue RoRo-Frachtfähren von Flender, Doppelhüllentanker von Lindenau, das erste Katalysatorschiff von Peters und im Marineschiffbau hat HDW immer Standards gesetzt, wie wir wissen. Noch immer ist der Schiffbau - was gelegentlich übersehen wird - ein bedeutender und in Teilbereichen wachsender Sektor in Schleswig-Holstein.

Sechs Werften mit rund 6.600 Beschäftigten sowie 109 Firmen der Zulieferindustrie mit ihrerseits 11.200 Beschäftigten repräsentieren knapp 20 % der deutschen Schiffbauindustrie mit 25 % Marineaufträgen als eine tragende Säule. Hinzu kommen 100 Bootswerften mit 900 Mitarbeitern.

Unsere Werften haben - ich habe es eben schon angedeutet - in vielen Bereichen die Technologieführer

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

schaft errungen und dies trotz schwieriger Wettbewerbslage.

Dabei kommt es entscheidend auf Forschung und Entwicklung und auf weitere Kooperationen an. Auch im Werftbereich wird der Konzentrationsprozess unaufhaltsam weitergehen. Deshalb ist die Strategie von HDW richtig, einen starken Werftenverbund unter Führung von HDW aufzubauen, einen Werftenverbund, der neben norddeutschen auch nordeuropäische Werften einbeziehen sollte. Und es ist auch wichtig, dass die anderen Werften verstärkt auf Kooperation setzen. Denn nur wenn die schleswig-holsteinischen Werften untereinander verstärkt kooperieren, wahren sie ihre Chance, dass der neue Werftenverbund hier in Schleswig-Holstein aufgebaut wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man darf nicht verschweigen, dass sich der internationale Schiffbaumarkt aktuell in nahezu allen Marktsegmenten in schwerem Fahrwasser befindet. Bei rückläufigem Welthandel sind die Frachtraten weiter zurückgegangen. Hinzu kommt, dass durch die koreanischen Dumpingpreise Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Aus diesem Grund verfolgt die EUKommission bekanntlich eine Doppelstrategie. Sie will einerseits Klage führen, andererseits nur für einen Übergangszeitraum Hilfen für bestimmte Marktsegmente zulassen. Leider hat der EU-Ministerrat am 5. Dezember keine weiteren Anschlusshilfen beschlossen. Entscheidend war hier, dass sich Frankreich in der Frage der Einbeziehung von Gastankern nicht durchsetzen konnte. Ich halte die Entscheidung für falsch, weil die Werften durch den verfälschten Markt trotz eines noch relativ soliden Auftragsbestandes jetzt in eine noch schwierigere Situation geraten. Brüssel bleibt in der Verantwortung, für die Werften verlässliche Perspektiven aufzuzeigen. Vorgesehen ist, bis zum Frühjahr eine neue EU-Studie zur Konkurrenzsituation in den einzelnen EU-Ländern zu erstellen. Damit bleibt die Tür noch ein Stück offen. Ich hoffe, dass im Frühjahr eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann.

Die Landesregierung wird ungeachtet der Entscheidungslage auf EU-Ebene versuchen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Werften auch weiterhin mit Bürgschaften zu unterstützen, und damit Hilfestellung bei der Akquisition von Anschlussaufträgen leisten. Voraussetzung ist natürlich, dass es sich um wirtschaftlich tragfähige Objekte handelt. Wenn im Frühsommer 2002 über weitere Schiffbauhilfen positiv entschieden werden sollte, dann wird das Land zu entscheiden haben, in welcher Höhe Kofinanzierungsmittel bereitgestellt werden können. Bisher hat das Land

Schleswig-Holstein in allen Jahren den Schiffbau in Schleswig-Holstein mit hohen Mitteln unterstützt,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

seit 1988 mit insgesamt 461,9 Millionen DM. Kein anderer Wirtschaftszweig in Schleswig-Holstein hat ähnlich hohe Unterstützungen vom Land erhalten. Für die bislang letzte, achte Fortsetzung haben wir den bisher höchsten Betrag, nämlich 96 Millionen DM, bereitgestellt und dies bei einer schwierigen Haushaltslage.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Würde sich der Bund seiner Verpflichtung stellen, zumindest 50 % der Schiffbauförderung zu übernehmen, könnte damit der weit überwiegende Teil der Kontingente ausgeschöpft werden. Von der Wertschöpfung und von der Beschäftigung her profitiert ganz Deutschland vom Schiffbau, gerade auch die süddeutschen Länder. Ich bitte Sie daher alle, unsere Forderung nach hälftiger Bundesförderung auch weiterhin zu unterstützen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Schiffbau und Häfen sind gesamtwirtschaftlich von ähnlich hohem Gewicht. Rund 70 Reeder mit Sitz in Schleswig-Holstein betreuen 16 % der deutschen Schifffahrt. Lübeck ist mit 25 Millionen t Umschlag pro Jahr der größte deutsche Ostseehafen,

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

während Kiel seine Spitzenposition im Verkehr mit der östlichen Ostsee weiter ausbaut und Brunsbüttel in privater Trägerschaft ein moderner Industrie- und Massenguthafen am Schnittpunkt von Elbe und NOK geworden ist. Ein breites Spektrum von Dienstleistern wie Maklern und Agenturen auch im Umfeld des NOK sind der Schifffahrt zuzurechnen.

In der Energie- und Rohstoffgewinnung verfügt das Land im Feld Mittelplate über mindestens 35 Millionen t gewinnbares Erdöl, das zugleich der Versorgung der Raffinerie Heide mit 600 Arbeitsplätzen dient. Eine neue Offshore-Gaslagerstätte wird zurzeit erschlossen. Die Offshore-Windenergie tritt als echte Zukunftsindustrie mit guten Exportchancen hinzu und hat mit der Messe in Husum eine eigene international bekannte Plattform.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Fischwirtschaft mit rund 5.000 Arbeitsplätzen und 1,2 Milliarden DM Umsatz ist immer noch bedeutsam.

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Aquakultur und maritime Bioressourcen bieten zukünftige Anwendungs- und Betriebsformen. Die maritimen Dienstleistungen wie Messtechnik, Labore, Ingenieurbüros lassen sich zwar statistisch nicht greifen, sind aber mit 60 überwiegend jungen Hightechfirmen in Schleswig-Holstein mit einem breiten Dienstleistungs- und Produktspektrum relativ gut vertreten. Mit Blick auf globale Klimaveränderungen, Küstenschutzmanagement, Meeresforschungstechnik und so weiter liegen hier erhebliche Entwicklungsmöglichkeiten. Wer die „InWaterTec“ vor einigen Monaten hier in Kiel besucht hat, wird davon einen Eindruck bekommen haben.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die maritime Freizeitwirtschaft, die unter den Stichworten Sportschifffahrt, maritime Veranstaltungen et cetera ebenfalls wächst und neue Arbeitsplätze schafft. Der Bericht stellt auch die vielseitigen maritimen Angebote der Hochschulen, der Fachhochschulen und der Forschungseinrichtungen im Lande dar. Wir haben in SchleswigHolstein ein hervorragendes Forschungs- und Entwicklungspotenzial, das wir industriell noch mehr nutzen müssen. Dies gilt insbesondere für das, was bei GEOMAR und dem Institut für Meereskunde passiert.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Beifall bei der FDP)

Die vielseitigen Fördermöglichkeiten für die maritime Wirtschaft bilden in dem Bericht einen weiteren Abschnitt, auf den ich nicht weiter eingehen werde. Ich möchte auch nicht im Einzelnen auf die Ergebnisse der Konferenz in Rostock weiter eingehen, die Ihnen bekannt sind. Ich bin der Ansicht, dass diese Konferenz in Rostock wiederum die Aufbruchstimmung erheblich unterstützt hat. Wir haben dort konkrete Maßnahmen für die Seeschifffahrt, aber auch mit Blick auf die maritime Wirtschaft insgesamt beschlossen. Ich werde mich dafür einsetzen - es gibt gute Chancen -, dass die nächste Nationale Maritime Konferenz in Schleswig-Holstein stattfinden wird. Das wird ein Signal auch für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort der maritimen Technologie hier sein. Wir werden damit die Aufbruchstimmung weiter erhöhen. Wir bereiten schon jetzt konkrete Projekte vor, die auf dieser Nationalen Maritimen Konferenz dann auch eine Rolle spielen werden. Auch hierbei bitte ich Sie um Unterstützung.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich fasse zusammen: Die maritime Wirtschaft hat trotz aktueller Probleme hervorragende und immer noch vielfach unterschätzte Zukunftsperspektiven. Gerade das Küstenland Schleswig-Holstein muss diese Chan

cen nutzen. Wir brauchen dafür eine Art Doppelstrategie. Wir müssen einerseits die klassischen Bereiche Schifffahrt und Schiffbau weiter unterstützen und wir tun dies, wir müssen andererseits auch die Chancen in den neuen technologischen Bereichen stärker nutzen. Deswegen muss das Standbein hier breiter werden. Wir müssen die Bereiche Meerestechnik, Biotech, Offshore-Wind, Aquakultur, maritime Dienstleistungen stärken. Das erfordert eine langfristige Orientierung und Ausdauer, aber es wird sich lohnen. Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen. Es ist zu wünschen, dass der Bericht auch unter den Akteuren in Wirtschaft, Forschung und Politik breite Beachtung findet und neue zusätzliche Energien freisetzt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Strauß.