Protocol of the Session on February 22, 2002

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Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung. Erkrankt sind die Abgeordneten SchlosserKeichel, Weber, Steincke und Kubicki, denen wir von hier aus gute Besserung wünschen.

(Beifall - Unruhe)

Angesichts der herrschenden Unruhe darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns in einer Plenarsitzung befinden.

Auf der Besuchertribüne begrüße ich die Besuchergruppe der Realschule Pönitz.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1579

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Lehnert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag, den Opferschutz in Schleswig-Holstein zu verbessern, geht die CDU erneut auf die betroffenen Menschen in unserem Land zu. Wir wollen damit nicht nur die bestehenden Lükken schließen, sondern auch ein Signal für mehr Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten setzen.

(Beifall bei der CDU)

Kern dieser Initiative ist die Gründung einer Stiftung „Opferschutz", wie sie bereits in einigen anderen Bundesländern existiert. Opferschutz setzt Normen und Regeln voraus, die helfen, Straftaten zu vermeiden und - wo dies nicht gelingt - die Opfer möglichst effektiv zu schützen. In diesem Sinne ist in den vergangenen Jahrzehnten auch auf Bundesebene einiges geschehen. Stichworte dazu sind das Opferschutzgesetz, das Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, das Jugendschutzgesetz und die Stärkung des Opferanwalts.

Kein Gesetz verändert allerdings von allein die Situation der Opfer von Straftaten. Hinzu kommen muss die praktische Umsetzung, um das Strafverfahren noch stärker an den Bedürfnissen der Opfer auszurichten. Deshalb haben wir zu diesem Punkt bereits im Sommer letzten Jahres einen Antrag gestellt. Leider haben

wir bei der Schlussabstimmung im Landtag trotz vieler freundlicher Worte aus allen Fraktionen nur die FDP auf unserer Seite gehabt.

Opferschutz und Opferhilfe haben aber auch eine materielle Seite. Vieles wird dabei vom Opferentschädigungsgesetz abgedeckt, vor allem soweit es um gesundheitliche Folgen der Tat geht. Nicht selten verursachen Gewalttaten aber auch hohe Sach- und Vermögensschäden, für die keine Versicherung eintritt. Häufig kann zudem der Täter nicht belangt werden oder er erweist sich als zahlungsunfähig.

Die Lücken des Opferentschädigungsgesetzes könnten durch die Leistungen einer Stiftung geschlossen werden. Dazu gehören Schmerzensgeld oder Schadensersatz, wenn das Gesetz keinen Anspruch beinhaltet oder der Täter nicht zahlen kann.

Im Beratungsverfahren unseres Antrages wäre auch zu prüfen, ob eine Kostenerstattung für die nicht streitige Regelung des materiellen Tatfolgenausgleichs durch Rechtsanwälte erfolgen könnte. Dies gilt vor allem für die Regelung von erheblichen Schadensersatzzahlungen über längere Zeit, für die eine rechtskundige Unterstützung unerlässlich ist. Gegebenenfalls könnten auch bestehende Lücken bei der Kostenerstattung für Nebenkläger geschlossen werden.

Eine zentrale Opferstiftung - ergänzt durch private Zustiftungen und Spenden - kann die Grundlage für die Maßnahmen zum Schutz, zur Hilfe und zur Betreuung von Opfern bilden. Durch eine derartige Stiftung soll gewährleistet werden, dass Verbrechensopfer in akuten Notlagen auch über die bisher vorhandenen Möglichkeiten hinaus schnell und unbürokratisch materielle Unterstützung erfahren können. Die gemeinnützige Stiftung wird eng mit den bestehenden Opferschutzorganisationen wie dem „Weißen Ring" zusammenarbeiten.

Neben den individuellen Stiftungsleistungen kann eine derartige Stiftung auch Opfer-Zeugen-Betreuungsprogramme unterstützen. So können auch Leistungen an gemeinnützig oder ehrenamtlich tätige Verbände gewährt werden. Dies wären Einrichtungen, Initiativen und Personen, die ein ausschließlich für Opfer von Straftaten offenes Programm bereithalten. Im Rahmen von Strafverfahren könnten so Zeugenberatung und betreuung gefördert werden.

Das Interesse an einer derartigen Opferschutzstiftung ist die mögliche Vielfalt der Finanzierung. Neben einem Stiftungskapital, das vom Land aufzubringen wäre, könnten vor allem auch private Zustiftungen eingeworben werden.

Über einen Förderverein wäre neben dem Zinserlös aus dem Stiftungskapital auch eine laufende Bezu

(Peter Lehnert)

schussung der Mittelvergabe durch die Stiftung möglich. Dazu könnte auch ein Teil der Geldstrafen und Geldbußen aus Gerichtsverfahren eingesetzt werden.

Wir werden in den weiteren Beratungen in den Fachausschüssen nach weiteren Finanzierungswegen suchen und auf der Grundlage der bereits existierenden Stiftungen in anderen Bundesländern gemeinsam eine entsprechende Stiftungssatzung erarbeiten.

Ich beantrage Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Eichstädt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch kein Jahr her, dass wir uns mit einem Antrag der CDU fast zum gleichen Thema beschäftigt haben.

(Zurufe von der CDU)

Herr Lehnert, schon damals wurde Ihnen von den Rednern aller Fraktionen berichtet - ich störe Sie ungern, vielleicht hören Sie mir einen Augenblick zu -, in welch umfassender Weise Opferschutz in der Gesetzgebung, in der Rechtspflege und in ehrenamtlichen Diensten entwickelt ist. Die für mich wichtigste Feststellung der damaligen Debatte war: Die wesentlichen Probleme des Opferschutzes sind nicht fehlende rechtliche Voraussetzungen oder Hilfen, das Problem ist, dass nur 12 % der Bevölkerung von solchen Hilfen wissen und es große Hindernisse gibt, diese Informationen an die Betroffenen heranzubringen.

Natürlich begrüßen wir mit Ihnen die Arbeit zahlreicher freier Träger und Ehrenamtlicher, die Opfern von Straftaten Hilfen gewähren. Ich füge hinzu: Wir wären mit dem Opferschutz und der Opferhilfe heute nicht so weit, wenn nicht vor 25 Jahren der „Weiße Ring“ gegründet worden wäre. Er hat das Thema Opferschutz in das öffentliche Interesse gebracht. Die ehrenamtlich hier und in anderen Organisationen Tätigen sorgen dafür, dass Opfer seitdem zunehmend materielle und psychologische Hilfe erhalten. Dafür sei ihnen an dieser Stelle ausdrücklich gedankt.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Lehnert, aber dann kommen Sie in Ihrem Antrag wieder mit der Forderung, die Landesregierung solle den Schutz und die Hilfe für Opfer von Straftaten zukünftig stärker fördern. Sie vermitteln so den Ein

druck, als sei hier in der Vergangenheit nichts geschehen. Herr Lehnert, so geht es natürlich nicht.

(Beifall des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Ich wundere mich darüber, dass offensichtlich aus der Beratung Ihres letzten Antrages nichts bei Ihnen in Erinnerung geblieben ist. Ich will deshalb in Erinnerung rufen:

Erstens. Der Opferschutz ist seit langer Zeit Arbeitsschwerpunkt der Landesregierung und das wird auch so bleiben.

Zweitens. In den vier Landesgerichtsbezirken wurde ein Prozessbegleitprogramm für Kinder etabliert. Kindliche Zeugen erhalten so Sicherheit und Stabilität.

Drittens. Die Gerichte wurden mit zeugen- und besonders kindgerechten Vernehmungsräumen ausgestattet.

Viertens. Frauen und Kindern als Gewaltopfern stehen flächendeckend Frauenberatungsstellen, Frauennotrufgruppen, Frauenhäuser und Kinderschutzzentren zur Verfügung.

Fünftens. Das Kooperations- und Interventionskonzept entwickelt zurzeit die Zusammenarbeit von Kommunen, Polizei und Beratungsstellen, auch Justiz, um sie in einem landesweiten Opferschutz zu vernetzen.

Sechstens und last, but not least - Entschuldigung, Herr Greve - leistet die Beratungsstelle „Contra“ für Opfer von Frauenhandel wertvolle Arbeit.

Auch auf Bundesebene hat es zahlreiche gesetzliche Weiterentwicklungen gegeben. Opfer von Straftaten haben nun auch Zugriff auf Geld, das Straftäter für Vermarktung ihrer Taten in Medien erhalten. Durch das wichtige Zeugenschutzgesetz kann per Videoaufzeichnung die Wiederholung von Zeugenvernehmungen und die damit verbundene Konfrontation mit dem Täter vermieden werden. Hinzu kommt die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für Opfer bestimmter Straftaten auf Staatskosten.

Hilfsprogramme und rechtliche Rahmen sind also vorhanden. Aber die entscheidende Frage ist: Wie gelingt es, die Opfer von Straftaten mehr in die Wahrnehmung und Verantwortung unserer Gesellschaft zu führen? Wie erreichen wir, dass Hilfen bei mehr Opfern überhaupt bekannt und wahrgenommen werden?

Ihr Antrag, Herr Lehnert, fordert dann im einzig substanziellen Teil, eine Landesstiftung zu gründen, die Opfern eine respektvolle Unterstützung gewährt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Und ist das nicht gut?)

(Peter Eichstädt)

Ob eine Stiftung dazu notwendig ist, kann meinetwegen im Ausschuss erörtert werden. Aber Sie müssen den Organisationen, die jetzt diese Mittel für ihre Arbeit zur Verfügung haben, auch erklären, warum statt ihrer diese in Zukunft eine Stiftung erhalten soll.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben mal wieder nichts verstanden!)

Grundsätzlich unterstützen wir natürlich die hinter Ihrem Antrag erkennbaren Forderungen des Weißen Ringes: