Protocol of the Session on June 20, 2002

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Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und möchte Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. Zunächst habe ich die erfreuliche Aufgabe, sehr herzlich Herrn Abgeordneten Klaus-Dieter Müller zu seinem Geburtstag zu gratulieren.

(Beifall - Zurufe von der SPD: Bravo! Bra- vo!)

Beurlaubt sind die Abgeordneten Jost de Jager und Dr. Trutz Graf Kerssenbrock sowie Dr. Johann Wadephul. Erkrankt sind die Abgeordneten Rainer Wiegard und Torsten Geerdts, denen wir von hier aus gute Besserung wünschen.

(Beifall)

Auf der Tribüne begrüße ich die Besuchergruppen der Geschwister-Prenski-Gesamtschulde, Lübeck, sowie Teilnehmer eines Workshops für Presse und Öffentlichkeitsarbeit in der Politik der Hermann-Ehlers-Akademie Kiel. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 39 auf:

Konsequenzen aus den Ergebnissen der PISAStudie

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/1946

Änderungsantrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/1978

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach der Veröffentlichung der PISA-Studie haben wir Sozialdemokraten stets drei Dinge unterstrichen:

Erstens. Die Ergebnisse müssen sorgfältig ausgewertet werden. Es darf keine Schnellschüsse geben.

Zweitens. Wir wollen eine ehrliche Defizitanalyse. Eine einfache Übernahme gewachsener Strukturen aus anderen Ländern kann nicht sinnvoll sein.

Drittens. Wir brauchen Diskussionen über grundsätzliche Veränderungen im Schulsystem. Dafür aber

(Jürgen Weber)

brauchen wir Zeit, mehr Zeit, als wir bis zur kurzfristigen Einleitung konkreter Maßnahmen haben.

Deswegen legen wir Ihnen heute ein erstes Maßnahmepaket vor.

Jenseits aller Schulsystemdiskussionen gibt es wirksame Faktoren, die offensichtlich und ganz unzweideutig für die Defizite in unserem Bildungssystem wesentlich sind. Das erste ist die qualitative und quantitative Ausstattung der Primarstufe, also der Grundstufe. Das zweite betrifft die Verknüpfung mit dem vorschulischen Bereich und das dritte sind die Angebote an Ganztagsschulen. Und schließlich gilt das auch für den Bereich der Integration, das heißt insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund.

Genau diesen systemischen Problemen gilt unser Augenmerk und wir tragen diesen Problemen mit unserem Antrag Rechnung.

Da uns heute Morgen nur jeweils fünf Minuten Redezeit zur Verfügung stehen, meine Damen und Herren, will ich Ihnen nur sehr kurz den Inhalt unseres Antrages vorstellen.

Wir wollen erstens eine stärkere Konzentration der Anstrengungen auf die Grundschule. Dabei wollen und werden wir mit dem Einstieg in verlässliche Schulzeiten in der Grundschule mit dem Schuljahresbeginn 2003/2004 beginnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen, dass das ein finanziell ehrgeiziges Vorhaben ist, das die Konzentration aller Kräfte verlangt. Aus pädagogischen und familienpolitischen Gründen ist dies jedoch eine Herausforderung, die wir angehen müssen.

Zweitens wollen wir eine bessere Verzahnung und Abstimmung mit den vorschulischen Aufgaben und wir wollen alle Kinder früher als bisher auf ihre Sprachkompetenz und Defizite in diesem Bereich untersuchen, um entsprechende Maßnahmen dafür erarbeiten zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcro- ne [SPD])

Ein dritter Punkt, über den wir hier schon häufiger gesprochen haben, ist der weitere Ausbau des Systems von Ganztagsangeboten. Und viertens brauchen wir mehr Maßnahmen, um die Bildungschancen für die Kinder ohne hinreichende Deutschkenntnisse bei der Einschulung abzubauen. Das ist der Inhalt des Pakets, das wir Ihnen heute auf den Tisch gelegt haben. Wir rechnen bei diesen Maßnahmen zum einen mit der

Unterstützung des Bundes. Zum anderen wissen wir, dass bereits bestehende Projekte wie die betreute Grundschule mit den entsprechenden Finanztöpfen in diese Maßnahmen integriert werden müssen.

Darüber hinaus werden wir bei der Schulentwicklungsplanung und den organisatorischen Maßnahmen sehen müssen, wo wir noch Erfolge erzielen können. Aber - das unterstreiche ich - ohne zusätzliche Landesmittel wird das nicht gehen.

(Lothar Hay [SPD]: Sehr wahr!)

Deswegen sind wir Sozialdemokraten bereit, der bisher schon hohen Priorität der Schul- und Bildungspolitik noch mehr Priorität einzuräumen und das auch in den Haushaltsberatungen deutlich zu machen.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das wird aber auch Zeit!)

Ich will noch eines deutlich sagen: Es geht nicht darum, das Blaue vom Himmel zu versprechen, sondern seriöse und machbare Vorschläge zu bringen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist und bleibt unsere Politik und das wird uns auch weiterhin von der Opposition unterscheiden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU: Na, na!)

Wie zu befürchten war, ist auch PISA vor den Wahlkampfstrategen nicht sicher. Ich will mich jetzt nicht in Kaffeesatzlesereien im Hinblick auf PISA E begeben, aber eines möchte ich doch ausdrücklich unterstreichen. Wir werden uns die Ergebnisse und Analysen vorurteilsfrei ansehen und sie auswerten.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das wäre das er- ste Mal!)

Und wenn sich Korrekturen als unabweisbar herausstellen - ich betone unabweisbar! -, werden wir den Mut haben und undogmatisch genug sein, diese Korrekturen auf den Weg zu bringen. Wir wünschen uns diesen politischen Mut manchmal auch an anderer Stelle.

(Thorsten Geißler [CDU]: So sagen Sie es schon seit Jahr und Tag! Jetzt tun Sie doch einmal etwas! Das kann doch nicht wahr sein! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, die Diskussion zeigt einmal mehr, dass in Wahlkampfzeiten manchmal die Politik den Verstand ausschaltet.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

(Jürgen Weber)

Da macht zum Beispiel die Diskussion um die 10.000 Ganztagsschulen die Tatsache deutlich, dass das Angebot der Bundesrepublik von der B-Ländern torpediert werden soll.

(Beifall bei der SPD - Zuruf der Abgeordne- ten Sylvia Eisenberg [CDU])

Das ist gefährlich, meine Damen und Herren. Kindern, denen man die Bedeutung von Verstandeskraft beibringen will, darf man nicht mit solchen Beispielen kommen.

(Beifall bei der SPD- Zuruf von der SPD)

Leider ist es so, dass manchmal der Unterschied zwischen Einschalten und Ausschalten von Verstandeskraft - das merkt man an einigen Zwischenrufen keinen so großen Unterschied ausmacht. Kaum einer bemerkt ihn.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Wir werden weiterhin das, was wir von Anfang an gesagt haben, umsetzen und tun. Wir werden die Messlatte internationaler Standards an unsere Schulreformen anlegen. Das heißt, wir werden das soziale Umfeld der Schule und gleichermaßen eine Schüler- wie auch eine leistungsgerechte Lernkultur berücksichtigen. In diesem Sinne und in dieser Philosophie haben wir unsere ersten Vorschläge auf den Tisch gelegt, für die wir uns eine ausführliche Diskussion wünschen. Wir bitten Sie, diesem Antrag heute im Parlament Ihre Zustimmung zu geben.