Protocol of the Session on May 7, 2003

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Meine Damen und Herren, ich eröffne die 33. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Beurlaubt ist der Herr Abgeordnete Eichelberg.

Die Fraktionen von CDU und SPD haben folgenden Dringlichkeitsantrag eingereicht:

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zur Änderung des SchleswigHolsteinischen Abgeordnetengesetzes

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 15/2650

Wird das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die Dringlichkeit der Drucksache 15/2650 abstimmen. Dabei weise ich darauf hin, dass wir eine Zweidrittelmehrheit benötigen, um diese befürworten zu können. Wer der Dringlichkeit zustimmen will, denn bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich schlage Ihnen vor, dass wir diesen Antrag als Tagesordnungspunkt 13 a in die Tagesordnung einreihen und ihn als ersten Tagesordnungspunkt aufrufen. Darüber ist im Ältestenrat Einigkeit erzielt worden. Dem wird zugestimmt, also werden wir so verfahren.

Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 5, 10, 11, 17 bis 20, 30, 31, 33, 34, 36, 37, 39 und 40 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 7 und 8 - Umsetzung europarechtlicher Vorschriften und Landesnaturschutzgesetz - sowie die Tagesordnungspunkte 5 und 37 - Änderung der Verfassung und Änderung der Geschäftsordnung.

Im Ältestenrat war in Aussicht genommen worden, den Tagesordnungspunkt 38 - Änderung der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages - von der Tagesordnung abzusetzen. Inzwischen haben der Innen- und Rechtsausschuss sowie der Finanzausschuss gemeinsam eine Beschlussempfehlung zu diesem Tagesordnungspunkt vorgelegt. Soll dieser Tagesordnungspunkt nach wie vor abgesetzt werden? - Ein Begehren sehe ich nicht. Wir bleiben - wie ursprünglich vorgesehen - bei dem Tagesord

nungspunkt 38. Ich schlage Ihnen jedoch vor, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln. Auch hier höre ich keinen Widerspruch. Wir werden so verfahren.

Wir müssen jedoch Tagesordnungspunkt 4 von der Tagesordnung absetzen, da der zuständige Ausschuss seine Beratung noch nicht abschließen konnte. Der Tagesordnungspunkt 16 wurde vom Antragsteller zurückgezogen.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 33. Tagung. Unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause werden wir jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Widerspruch höre ich nicht. Wir werden so verfahren.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich Besucherinnen und Besucher begrüßen. Auf der Tribüne haben Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte des Carl-Maria-von-Weber-Gymnasiums, Eutin, Mitglieder der Luftwaffenwerft 71, Husum, sowie Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte der Max-Planck-Schule, Kiel, Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 a auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 15/2650

Antrag der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2660

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD und CDU sind nach eingehender Beratung am Montag zu dem Schluss gekommen, die angestrebte Diätenstrukturreform nicht weiterzuverfolgen. Die anhaltende öffentliche Kritik und die Diskussionen haben gezeigt, dass es nicht gelungen ist, deutlich zu machen, dass es uns im Landtag gemeinsam um eine Diätenstrukturreform mit vielen Bestandteilen - und nicht um eine bloße Diätenerhöhung - ging.

(Lothar Hay)

Viele Menschen haben mit Empörung und Wut reagiert, weil sie reflexartig auf eine Diätenerhöhung um 45 % angesprungen sind. Die meisten übrigen Punkte spielten in der öffentlichen Diskussion keine Rolle mehr. Wir haben versucht, durch Gespräche innerhalb und außerhalb der eigenen Partei Aufklärungsarbeit zu leisten. Dies hat angesichts der aufgeheizten Stimmung nicht geholfen. Wir haben - das muss ich selbstkritisch sagen - offensichtlich zu spät wahrgenommen, dass sehr viele Menschen angesichts hoher Arbeitslosigkeit, zahlreicher Kürzungen auf Bundes- und auf Landesebene und einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht bereit waren, auch nur im Ansatz eine Erhöhung der Grunddiät, wie sie von der Benda-Kommission vorgeschlagen worden ist, zu akzeptieren. Da spielte es dann auch keine Rolle mehr, dass viele Abgeordnete durch die Strukturreform nur einen geringen Zuwachs gehabt hätten. Wir haben die emotionale Stimmung und die Wucht der Reaktionen falsch eingeschätzt. Nach diesen Erfahrungen käme heute sicher niemand mehr auf die Idee, diesen Weg zu gehen. Eine erneute Debatte im Herbst mit dem Ziel der Umsetzung zu Beginn der neuen Legislaturperiode würde eine erneute Protestwelle auslösen. Da bin ich sicher. Wer eine Umsetzung für 2005 ernsthaft ins Spiel bringt, der muss dies wissen und beachten.

Erlauben Sie mir aber auch den Hinweis, dass einige Kolleginnen und Kollegen - einschließlich ihrer Familien - einem Druck ausgesetzt waren, der einem Spießrutenlauf durchaus ähnlich war. Das gilt nicht nur für die CDU- und die SPD-Fraktion, sondern auch für die anderen Fraktionen des hohen Hauses. Ich weiß aus Gesprächen mit vielen Mitgliedern des Landtages, unter welchem Druck sie gestanden haben. Dies kann ich nachvollziehen. Es ist auch an mir nicht spurlos vorübergegangen.

Ausgangspunkt der Diätenstrukturreform war ein Verfassungsgerichtsurteil und nicht der Wunsch der Abgeordneten nach einer Diätenerhöhung. Wir haben die Vorgaben des Verfassungsgerichts ernst genommen und wollten sie nach der Vorlage des Gutachtens der Benda-Kommission als erstes Bundesland umsetzen. Wir wollten Vorreiter sein. Dies sah auch die Kommission so. Wir wollten eine völlige Systemumstellung bei der Alterssicherung und wir wollten die Diäten auf eine Summe erhöhen, die von der Kommission für angemessen gehalten wurde. Die Frage der Angemessenheit wird uns auch in Zukunft beschäftigen.

Es muss doch das Ziel sein, dass im Parlament ein Querschnitt der Bevölkerung vertreten ist. Dies ist aber nur möglich, wenn die Höhe der Entschädigung

nicht vielen die Mitarbeit aus Einkommensgründen als inakzeptabel erscheinen lässt. Und dabei denke ich nicht an hoch bezahlte Spitzenmanager.

Auf der anderen Seite müssen wir akzeptieren, dass vielen Menschen mit einem geringeren Einkommen allein schon die Höhe einer Grunddiät als unwahrscheinlich erscheinen muss. Hier müssen wir sehr viel Aufklärungsarbeit leisten. Aber dies muss insgesamt für die parlamentarische Demokratie gemeinsam auch mit den Medien geschehen. Unsere Argumentation wird auch dadurch nicht erleichtert, dass in den Medien die Debatte ebenfalls nur auf einen Punkt reduziert wurde und dass viele vielleicht nicht gerade traurig darüber waren, dass es dabei blieb.

Natürlich gab es Punkte im Konzept, über die man kritisch diskutieren konnte, ja musste. Aber letztlich läuft es doch auf die Frage hinaus: Was ist uns die Demokratie, was ist uns das Parlament, was sind uns die Menschen, die dort arbeiten, wert? Diese Frage stellt sich bei jeder Diätenerhöhung und noch mehr bei einer umfassenden Diätenstrukturreform.

„Die Abgeordneten vertreten das ganze Volk. Bei der Ausübung ihres Amtes sind sie nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden.“

So lautet Artikel 11 unserer Landesverfassung. Viele der Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion hat es sehr getroffen, dass Kreisvorsitzende meiner Partei recht unverhohlen damit gedroht haben, diejenigen nicht wieder aufzustellen, die weiterhin an der Einführung der Diätenstrukturreform zum 1. Juni dieses Jahres festhalten wollen. Ich persönlich führe diese Reaktion auf die aufgeladene Stimmung innerhalb meiner Partei, zahlreiche angedrohte und vollzogene Austritte und einen immensen Druck von innen und außen zurück. Aber eines ist für mich klar und das sage ich mit aller Deutlichkeit: Hier ist eine Grenze überschritten worden, die ich als Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender nicht akzeptieren kann.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und eine zweite Bemerkung, die natürlich in erster Linie an die eigene Partei gerichtet ist: Ich will Brücken bauen. Wir haben dringenden innerparteilichen Diskussionsbedarf. Wer Abgeordnete will, die selbstbewusst ihre Position vertreten, der darf bei Abgeordneten keine Existenzängste erzeugen.

Der Auftrag zur Diätenstrukturreform bleibt erhalten. Wir bleiben dabei, dass die Strukturreform in den wesentlichen Punkten richtig ist. Doch wir werden dieses konkrete Vorhaben in dieser Legislaturperiode,

(Lothar Hay)

der 15. des Landtages, nicht mehr verfolgen. Die SPD-Fraktion wird in den nächsten Monaten das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Vorschläge zur Strukturreform und die aufgeworfenen Fragen sowie viele andere Fragen, die das Grundverständnis der parlamentarischen Demokratie in Schleswig-Holstein berühren, suchen. Wir werden uns nicht wegducken, wir werden uns dieser Diskussion auch weiterhin stellen.

Eine letzte Bemerkung: Ich darf mich im Namen der gesamten SPD-Fraktion ausdrücklich bei Ihnen, Herr Kayenburg, und allen Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion für die vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit beim Thema Diätenstrukturreform bedanken. Das hat uns allen auch in schwierigen Zeiten gut getan.

(Beifall bei SPD und CDU)

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, freue ich mich besonders, Gäste auf der Tribüne begrüßen zu können. Es haben dort Abgeordnete und Mitarbeiter der Verwaltung unseres Partnerschaftsparlaments, der Gebietsduma in Kaliningrad, Platz genommen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile nun Herrn Oppositionsführer Kayenburg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2003 hatten wir heute auch die Diätenstrukturreform endgültig auf den Weg bringen wollen. Ich kann mich in diesem Zusammenhang den Äußerungen des Kollegen Hay inhaltlich nur voll anschließen.

Die großen Fraktionen hatten einen überzeugenden und in sich schlüssigen Vorschlag vorgelegt und in der April-Tagung auch bereits beschlossen. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass dieser Beschluss richtig war und bereits in der nächsten Legislaturperiode den Steuerzahler erheblich entlastet hätte.

Wir haben versucht, das in sich schlüssige Gesamtkonzept mit zahlreichen Argumenten und eigenen Berechnungen überzeugend darzulegen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist uns leider nicht gelungen. Unstreitig sind aber auch Fehler, Pannen und Vermittlungsprobleme entstanden. So war es sicherlich falsch, die Zusatzkosten für 2003 über eine höhere Neuverschuldung finanzieren zu wollen. Das haben wir zu vertreten. Genauso müssen wir zugestehen,

dass die interne Kommunikation bei einem Teil der Einführungsregelungen nicht funktioniert hat. Gleichfalls gebe ich zu, dass einige Lösungsansätze wie zum Beispiel der anteilige Rentenanspruch für die Abgeordneten der 15. Legislaturperiode anders und eventuell auch mit mehr Einfühlungsvermögen für die öffentliche Akzeptanz hätte geregelt werden können.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies alles sind ausgemachte Schwachpunkte, die wir uns zurechnen lassen müssen. Aber es gab auch externe Wahrnehmungsdefizite. So waren viele von vornherein überhaupt nicht bereit zuzuhören. Aus den Parteien heraus sind zum Teil üble Spiele betrieben worden. Aber es wurde auch zum Beispiel durch bestimmte Medien öffentlicher Druck erzeugt, der schließlich zur Aufgabe unserer Pläne geführt hat. Und ein ganz übles Spiel haben die Funktionäre eines bestimmten Verbandes betrieben.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Wir haben die Situation ausgewertet, analysiert und die Konsequenzen gezogen, als wir erkennen mussten, dass sich die Entwicklung einer rationalen Kontrolle entzog, die Reform tatsächlich nicht mehr vermittelbar war und auch die Parteigremien ihre Unterstützung versagten. Ich bin dennoch der Überzeugung, dass unser Weg der richtige war, und wir müssen uns nicht vorwerfen lassen, wir hätten nicht versucht, den Parteiwillen umzusetzen, und wir hätten kein machbares Konzept vorgelegt. Im Gegenteil, ein Grund für das Scheitern liegt offensichtlich darin, dass sich viele vor der Umsetzungsforderung überhaupt nicht klargemacht haben, welche Kostenfolgen die Realisierung der Benda-Vorschläge haben würde. Das gilt für Parteien genauso wie für Einlassungen von Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaften, Verbänden und sogar früheren Kommissionsmitgliedern.

(Beifall bei CDU und SPD)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine kritische Analyse verlangt auch die Auseinandersetzung mit der Rolle, die die Verwaltung gespielt hat. In der Einführungsphase gab es unzureichende Informationen für Journalisten und Öffentlichkeitsarbeit. Es fehlten konkrete Berechnungen, die zum Teil heute noch nicht vorliegen. Später herrschte Sprachlosigkeit und für die jüngste Zeit muss ich mit Enttäuschung feststellen, dass sich der Landtagspräsident leider erst heute geäußert hat, aber nicht zu dem Zeitpunkt, als manche Medien die Abgeordneten teilweise gewissermaßen an den Pranger stellten. Ich erinnere nur an die steckbriefhafte Aufmachung mancher Abzockervorwürfe oder auch an Aktionen aus Parteien heraus,

(Martin Kayenburg)