Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

die für mich einer Nötigung von Parlamentariern nahe kommen.

Aber auch gegen die Veruntreuungsvorwürfe aus einem bestimmten Verein, die so nicht hinnehmbar sind, hätte ich mir Unterstützung gewünscht.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP)

Auch dies müssen wir aufarbeiten.

Aber es kam noch schlimmer. Peinlich und schäbig ist für mich das Verhalten der Kollegin Landtagsabgeordneten Simonis. Es ist schon eine ziemliche politische Skrupellosigkeit, hier im Landtag als Abgeordnete für die Diätenstrukturreform zu stimmen, das Gesetz alsdann nach sorgfältiger Prüfung durch die Staatskanzlei als Ministerpräsidentin zu unterzeichnen und dann in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als sei man schon immer dagegen gewesen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dieses Verhalten schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus.

(Beifall bei der CDU)

Aber ich sage Ihnen, Frau Simonis: So dumm sind die Schleswig-Holsteiner nicht. Die Bürger werden sich von Ihrem opportunistischen Verhalten nicht mehr veräppeln lassen. Das hat der Genosse Schröder in den vergangenen Monaten gerade schmerzlich erfahren müssen. Sie werden es nicht schaffen, die Retterin der Enterbten zu spielen und sich einen weißen Fuß zu machen. Sie haben durch Ihr Verhalten Ihre Fraktion, aber auch uns im Regen stehen lassen. Sie wollten sich aus dem Staube machen, als es schwierig wurde. Das passt zu Ihnen: führungsschwach, eingebunkert und nicht zukunftsfähig!

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb sage ich Ihnen noch einmal: Sie, Frau Simonis, haben hier im Landtag der Diätenstrukturreform zugestimmt, haben die Verfassungskonformität geprüft, was Sie im Übrigen auch bei der Ausfertigung des jetzigen Gesetzentwurfes werden machen müssen, Sie haben das Gesetz als Ministerpräsidentin ausgefertigt und Sie müssen sich fragen lassen, warum Sie die Reform nicht offensiv vertreten haben. Wenn es eng wird, versuchen Sie sich herauszumogeln. Aber das werden wir nicht zulassen, Frau Abgeordnete.

(Zuruf von Ministerpräsidentin Heide Simo- nis)

Zusammengenommen haben die Schwierigkeiten, die Fehler und das Versagen Einzelner aber auch Hetz- und Neidkampagnen und schließlich die Kritik der

Bürger, die ich noch am allerehesten nachvollziehen kann, weil sie nicht besser informiert waren, keine Möglichkeit gelassen, die Diätenstrukturreform auf den Weg zu bringen. Ich bedaure dies, weil ich überzeugt bin, dass der Ansatz zukunftweisend war. Leider war er außerhalb des Parlaments nicht mehrheitsfähig.

Nach meiner Überzeugung treffen wir heute eine falsche Entscheidung. Wir verpassen die Chance, das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Wir belassen es bei der Abgeordnetenentschädigung bei einem nicht verfassungskonformen Zustand. Wir verpassen die Chance, die Grundlage für langfristig erhebliche Einsparungen im Landeshaushalt zu schaffen.

Ich selbst habe zu denen gehört, die genau wie Lothar Hay am längsten an der Diätenstrukturreform festgehalten haben, weil ich davon überzeugt bin, dass man als Politiker auch zu seinem Wort stehen muss. Es nützt einem nichts, die Fahne in den Wind zu hängen und heute mit diesem und morgen mit jenem Zug zu fahren. Wir sind aber aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit nicht vom Zug abgesprungen. Wir haben ihn nicht entgleisen lassen, sondern wir, die SPD und die CDU, haben den Zug gestoppt.

Nachdem der Zug aber nun gestoppt ist, bleibt die Frage: Was bedeutet unsere Entscheidung für die Zukunft? Ich will Ihnen auch hier eine klare Antwort geben, eine sachliche Antwort. Nach dem Stopp der Diätenstrukturreform gilt zunächst die alte Rechtslage. Die CDU-Landtagsfraktion verfolgt nicht die Absicht, in das Thema erneut einzusteigen. Jetzt sollte zunächst auf Bundesebene eine Gesetzgebung geschaffen werden, die es uns ermöglicht, die Empfehlung der Benda-Kommission leichter umzusetzen. Das heißt, die Außer-Vollzug-Setzung erfolgt, um in weiteren Verhandlungen mit dem Deutschen Bundestag und den anderen Bundesländern zu erreichen, dass das Bundesverfassungsgerichtsurteil auch im Bundestag und in anderen Bundesländern mit möglichst bundesweit gültigen Einzelregelungen umgesetzt wird.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr richtig! - Beifall bei CDU und SPD)

Unseren Vorschlag, die Diätenstrukturreform teilweise aus dem Einzelplan 01 zu finanzieren, ziehen wir selbstverständlich zurück. Er wird mit der Aufhebung des Gesetzes hinfällig.

Das Ziel der Landtagsverkleinerung auf 69 Abgeordnete und der Rückführung der Zahl der Wahlkreise auf 40 werden wir jedoch weiter mit der SPD verfolgen, weil es immer, und zwar bereits vor dem Vorschlag der Diätenstrukturreform, unsere Absicht war,

(Martin Kayenburg)

den Landtag zu verkleinern und damit langfristig den Steuerzahler zu entlasten.

Wir würden uns freuen, wenn auch die kleinen Parteien mit auf diesen Zug aufspringen würden.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich will nicht schließen, ohne einen Dank an die SPDFraktion zu sagen, mit der wir in wirklich vertrauensvoller Zusammenarbeit dieses ganze Paket auf den Weg gebracht und auch in gemeinsamer Verantwortung zeitgleich wieder aufgehoben haben. Das war vertrauensbildend und sollte für die Zukunft der Parlamentsarbeit bedeutsam sein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Fahrtrichtung ist klar. Auch nach der Aufhebung des Gesetzes müssen wir weiter daran arbeiten, dass Schleswig-Holstein zukunftsfähig wird. SchleswigHolstein braucht Reformen.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich weiter das Wort erteile, verweise ich auf den Ihnen mittlerweile vorgelegten Antrag von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 15/2660.

Ich erteile jetzt Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist angesichts der Kehrtwende der beiden großen Fraktionen und der gerade dafür gegebenen Begründungen und angesichts der Tatsache, was in den letzten Wochen und Monaten außerhalb dieses hohen Hauses geschehen ist, schwer, eine rationale, nicht von Emotionen getragene Rede zu halten.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

An die Fraktionsvorsitzenden der beiden großen Fraktionen appelliere ich von dieser Stelle aus, wirklich intensiv darüber nachzudenken, ob nicht eine gute Sache, für die wir gemeinsam in diesem hohen Hause gestanden haben - alle Fraktionen! -, durch ein teilweise miserables Handling bei der Umsetzung in Verruf geraten ist.

Diese Form von Einsichtsfähigkeit wäre notwendig, um den Scherbenhaufen, der in der Öffentlichkeit angerichtet worden ist, wieder einigermaßen zu flicken.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie sollten zuhö- ren!)

- Ich habe zugehört, Herr Kollege Kayenburg. Ich komme gleich darauf noch zurück, weil ich gleichzeitig begründen will, warum FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW dieses Parlament darum bitten, sich bei der Frage, wie man jetzt einen ordnungsgemäßen Zustand wieder herstellen kann, bei der parlamentarischen Beratung etwas mehr Zeit zu nehmen, um etwas mehr Fragen stellen zu dürfen und Antworten zu erhalten, als das bisher geschehen ist und offensichtlich auch in dieser Plenartagung geschehen soll. Es ist dies übrigens auch beim parlamentarischen Verfahren und bei der Diskussion um die Diätenstrukturreform nicht ordnungsgemäß geschehen. Ich weise nur darauf hin, dass dem Innen- und Rechtsausschuss drei Vorlagen präsentiert wurden, die inhaltlich falsch waren, und dass im Finanzausschuss eine Vorlage präsentiert wurde, die inhaltlich ebenfalls falsch war und die dann auch noch mit einem weiteren Fehler für die Vorlage für den heutigen Tag übernommen wurde.

Ich weise also einfach darauf hin, dass nach meiner Auffassung die Beratungszeit zu kurz war, um auch der Öffentlichkeit in einem sehr transparenten Verfahren deutlich zu machen, dass die Abgeordneten dieses hohen Hauses das wert sind, was die BendaKommission vorgeschlagen hat, nämlich vergleichbar einem Richter beim OLG in Schleswig.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

- Herr Kollege Wiegard, diese Auffassung haben wir immer vertreten, sind aber leider nicht durchgekommen.

In der „Süddeutschen Zeitung“ von heute steht der entscheidende Satz: „Gut gemeint, schlecht gemacht.“

(Beifall bei der FDP)

Schlecht gemacht haben Sie es, meine Damen und Herren von den beiden großen Fraktionen. Das muss einmal gesagt werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe Ihnen am 13. Dezember 2002 in der Plenartagung bei der Vorlage Ihres Entwurfes erklärt - ich zitiere -:

„Ich werde Ihnen sagen, warum Sie die Diätenstrukturreform nicht zum 1. Juni 2003 umsetzen werden: Rechnen Sie einmal aus, was das den Landtag ab 1. Juni 2003 mehr kosten wird, wenn wir nicht gleichzeitig die

(Wolfgang Kubicki)

Reduzierung der Abgeordnetenzahl erreichen. Dann erklären Sie der schleswigholsteinischen Bevölkerung, dass Sie mit einem Betrag von mehreren Millionen den Landeshaushalt in dieser Frage zusätzlich belasten wollen, während Sie gleichzeitig bei Initiativen sparen. Ich sage Ihnen: Das werden Sie nicht hinbekommen!“

(Konrad Nabel [SPD]: Machen Sie aber!)

- Herr Kollege Nabel, ich habe sehr viel Verständnis dafür, dass Ihre Seele aufgeraut ist.

(Heiterkeit und Zurufe)

- Ja, ich habe sehr viel Verständnis dafür.