Protocol of the Session on May 8, 2003

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Guten Morgen, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung. Zunächst möchte ich auf der Tribüne eine Besuchergruppe begrüßen, die Senioren-Union Lübeck. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 21 auf:

Bericht zur Umsetzung des „Girls Day“ am 8. Mai 2003

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/2641 (neu)

Bericht der Landesregierung

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Herdejürgen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Kommt nicht erst der Bericht?)

- Ja, Entschuldigung. Es wird ein Bericht in dieser Tagung beantragt, sodass ich vorschlage, dass wir zunächst den Bericht hören. Frau Ministerin Lütkes hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Berichtsantrag kommt genau passend zum diesjährignen Girls Day, der heute am 8. Mai 2003 stattfindet. Insofern bin ich gern bereit, heute mündlich einen Bericht über den Stand, beziehungsweise darüber, was heute abläuft, zu geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestern haben Sie sich mit verfassungsrechtlichen Fragen beschäftigt. Heute steht die Verfassungswirklichkeit zur Diskussion. Sowohl bundes- als auch landesverfassungsrechtlich wissen wir, dass die Gleichberechtigung zwar festgeschrieben ist, aber die Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere im Erwerbsleben, durchaus nicht so durchgesetzt ist, dass wir von einer Normalität bei der Berufswahl und einer Alltagsgleichberechigung ausgehen können. Deshalb haben wir dankenswerterweise in Übereinstimmung mit dem Landtag und durch aktive Unterstützung durch die Landesregierung zum

(Ministerin Anne Lütkes)

zweiten Mal den bundesweiten Girls Day - ich möchte es einmal salopp sagen - mitgemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir haben ein breites Spektrum von Unternehmen, die bereit sind, an dieser Grundsatzidee - ich glaube, ich muss sie in diesem Kreis nicht erneut erläutern - teilzunehmen. Organisiert wird der Girls Day durch das Kompetenzzentrum „Frauen in Informationsgesellschaft und Technologie“ bundesweit. Hier für Schleswig-Holstein haben das Ministerium und die Vereinigung der IHK eine landesweite Informationskampagne gestartet, bei der insbesondere Unternehmen mit technischen Abteilungen, Bereichen und Produkten, die sich gerade auf die Informations- und Kommunikationsbranche beziehen, angesprochen wurden. Ich kann Ihnen mitteilen, dass mit Stand von heute Morgen sich auf der so genannten Aktionslandkarte im Internet, die jeder einsehen kann, für Schleswig-Holstein 110 Anbieter eingetragen haben und 1.472 Schülerinnen einen Platz für den Girls Day anbieten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Der Beifall ist berechtigt, denn diese Zahlen bedeuten eine Verdoppelung. Im vergangenen Jahr hatten wir genau 52 Anbieter und Anbieterinnen und 700 Plätze. Ich denke, wenn die Entwicklung so weitergeht, kommen wir irgendwann zur Gleichsetzung von Verfassung und Verfassungswirklichkeit.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hinzu kommt, dass sich viele Unternehmen aufgrund ihres hohen regionalen Bekanntheitsgrades nicht in die Aktionslandkarte eingetragen haben, sodass sich die gerade genannte Zahl noch etwas erhöht, denn diese Unternehmen planen Aktionen vor Ort und sind für die Mädchen ebenfalls gut erreichbar.

Eine aktive Unterstützung des Girls Day hat sich auf regionaler Ebene durch Arbeitskreise entwickelt. Darüber hinaus haben wir eine vorbereitende Fachtagung durchgeführt. Wir haben in vielen einzelnen Öffentlichkeitsaktionen auf den Tag hingewiesen und - das möchte ich wiederholen - sehr gut in der Öffentlichkeit mit der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein zusammengearbeitet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Die einzelnen Mitglieder haben darüber hinaus einzelne Aktionen und zum Teil richtige Werbekampagnen für den Tag durchgeführt, die ich jetzt nicht im Einzelnen aufführen möchte.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass dieser Tag zum einen deshalb wichtig ist, weil Mädchen ein Angebot gemacht wird, zum anderen aber auch wegen der Debatte über die grundsätzlichen Fragen der Gleichstellung im Erwerbsleben. Wir haben auf der eben erwähnten Fachtagung in Neumünster 140 Pädagoginnen und Pädagogen für diesen Tag vorbereitet. Das Ministerium von Frau Kollegin Erdsiek-Rave hat in ihrem Nachrichtenblatt ausdrücklich auf diesen Tag hingewiesen und wir haben Anfang März eine landesweite Pressekonferenz zu diesem Thema durchgeführt. Ich glaube, das ist ganz gut in den Alltag der Unternehmen und Behörden hineingesickert. Heute Mittag wird es noch einmal eine gemeinsame Veranstaltung mit den IHK geben.

Ich kann feststellen, dass - vielleicht in einem noch zu steigernden Maße - die Behörden und Verwaltungen sich der Idee des Girls Days annehmen. In meinem eigenen Ministerium und soweit ich weiß auch in einigen Fraktionen hier im Landtag sind heute Mädchen zu Gast, die in die Arbeit hineinschnuppern. Ich möchte mir für das nächste Jahr den Hinweis erlauben - ich denke, wir werden diese Aktion weiterführen -, dass da noch sehr viel mehr Elan möglich ist, um das einmal sehr vorsichtig zu sagen. Aber wir sind auf dem richtigen Weg, uns hier immer weiter in Bewegung zu setzen.

Ich darf darauf hinweisen, dass viele Schulen entweder für sich Aktionspläne entwickelt haben oder aber Mädchen auf jeden Fall auf ihre Möglichkeiten hingewiesen haben. Die Hauptschule Kellinghusen nimmt in diesem Jahr leider nicht am Girls Day teil, aber ich gehe davon aus, dass dort die Debatte im Unterricht geführt wird. Dagegen sind die Hauptschule in Schenefeld mit 71 Schülerinnen und das KaiserKarl-Gymnasium in Itzehoe mit 20 Schülerinnen dabei. Es gibt eine lange Liste, deren Aufzählung meine Redezeit überschreiten würde.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass der Girls Day eine immer noch notwendige, aber so, wie er jetzt in Schleswig-Holstein läuft, für die Mädchen eine sehr spannende und weiterführende Institution ist und wir vielleicht auch den Jungen damit noch einiges beibringen können.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Herdejürgen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich die Teilnehmerinnen ganz herzlich begrüßen, die wir heute in unserer Fraktion zum Girls Day haben. Auch die anderen Fraktionen haben sich bereit erklärt, heute Mädchen in das Berufsfeld Politik einzuführen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind auch da!)

Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)

Wir haben im Oktober 2001 hier im Landtag schon einmal über den Girls Day gesprochen. Damals war die Beteiligung der Wirtschaft noch sehr zurückhaltend. Der Bericht hat gezeigt, dass sich das jetzt, zwei Jahre später, glücklicherweise geändert hat. Überhaupt – das kann man auch der regionalen Presse entnehmen – fasst der Girls Day in der Öffentlichkeit langsam Fuß. Sogar die Kollegen Astrup und Müller haben schon davon gehört.

(Lachen bei der FDP)

2001 wurde der Girls Day von der CDU noch als Projektwoche oder als eine Art von Praktikum bezeichnet. Es war die Rede davon, dass wir keinen neuen Begriff bräuchten, der nur nette Glanzbroschüren nach sich ziehe. Von den Grünen wurde die Rede der CDU ausdrücklich gelobt. Für den Kollegen Greve war der Tagesordnungspunkt Anlass, uns mit einigen Ausführungen zum Thema Sprache im Parlament zu beglücken und damit das Thema ein gutes Stück voranzutreiben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich hoffe, inzwischen ist bei allen ein gewisser Lerneffekt eingetreten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Um ein Praktikum geht es nämlich keineswegs. Schon lange gibt es sinnvollerweise Berufspraktika. Sie haben aber wenig Einfluss auf das Berufswahlverhalten, zumindest ohne flankierende Beratung, die zum Ausprobieren ungewöhnlicher Berufsfelder anregt. Mädchen können, wenn sie die entsprechenden Fähigkeiten mitbringen, bereits jetzt jeden Beruf erlernen, an dem sie interessiert sind. Bislang sind die meisten Mädchen jedoch leider nicht an sehr vielen Berufen interessiert. Drei Viertel aller Mädchen ent

scheiden sich für einen von nur 20 verschiedenen Berufen, die häufig niedrig bezahlt sind, ein geringes Sozialprestige aufweisen, wenig Entscheidungskompetenzen und nur geringe Aufstiegschancen bieten.

Es geht beim Girls Day darum, Interesse zu wecken, neugierig auf Naturwissenschaft und Technik zu machen und zukunftsträchtige Berufsfelder als realistische, dem weiblichen Rollenbild nicht widersprechende Chance zu sehen. Rollenbilder sind – das merken wir immer wieder – langlebig. Aber sie sind nicht für alle Zeiten und zwangsläufig festgeschrieben. Mit dem Girls Day soll ein erster Impuls gegeben werden, auch einmal in eine andere Richtung zu denken, durch Vorbilder und Kontakte, durch Gespräche. Damit verbunden ist eine neue Offenheit: Diejenigen Jungen und Mädchen, die unsere Gesellschaft der Zukunft gestalten werden, sollen alle beruflichen Möglichkeiten und Chancen betrachten und beurteilen, bevor sie ihre Entscheidung treffen.

Mädchen und Jungen wünschen sich eine Zukunft, in der sie Familienleben und Beruf miteinander vereinbaren können. Das hat unter anderem die letzte ShellJugendstudie ergeben. Sie wünschen sich eine Zukunft, in der die Gesetze des Arbeitsmarktes nicht automatisch eine geringere Leistungsbereitschaft aktiver Eltern unterstellen.

Der Schlüssel ist die Flexibilisierung der Rollenbilder. Es kommt uns darauf an, den Mädchen schon frühzeitig berufliche Alternativen aufzuzeigen. Von daher ist der Ansatz, den Girls Day möglichst frühzeitig laufen zu lassen – wir machen das ab der fünften Klasse, wenn ich das richtig weiß -, folgerichtig.

Der Girls Day bietet Chancen für die Mädchen ebenso wie für die Betriebe. Beide Seiten können für sich überprüfen, ob sie bereit sind, ihre alten Vorstellungen über Bord zu werfen und ihren Horizont zu erweitern: die Mädchen, indem sie Interesse für Technik, für Leitung und für Macht zeigen, die Betriebe, indem sie die Potenziale und besonderen Fähigkeiten von Mädchen erkennen und nutzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der Girls Day erlaubt beiden Seiten, den Perspektivenwechsel zu üben. Mit etwas Glück wird in dem einen oder anderen Fall daraus eine langfristige Erweiterung des eigenen Horizonts.

Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen von morgen wagen, das Unwahrscheinliche zu denken und das Unmögliche zu verlangen. Ein kleiner Schritt hierhin ist der Girls Day 2003. Ich wünsche den Teilnehmerinnen in diesem Sinne einen aufregenden und auf

(Birgit Herdejürgen)