Protokoll der Sitzung vom 18.11.2011

Die Forderungen aus den Umlandgemeinden an die Politik sprechen eine deutliche Sprache. So hat die Arbeitsgemeinschaft der Umlandgemeinden ,,AKN -Linie 1“ mittlerweile einen umfangreichen Katalog erarbeitet, der Forderungen von der Vervollständigung des zweigleisigen Ausbaus, der Verdichtung des Fahrplantaktes über die Ausdehnung der Tarifzonen bis hin zur Schaffung einer S-BahnLinie in die Hamburger Innenstadt vorsieht. Das sind alles Punkte, die wir voll unterstützen können. Auch wir sehen die Notwendigkeit, entsprechende Maßnahmen voranzubringen. Auch wir wollen mehr Pendler von der Straße auf die Bahn bringen. Das ist es auch, was die Pendler wollen. Aber dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen. Das ist der Knackpunkt. Wer soll es bezahlen? Denn das Ganze ist nämlich nicht zum Nulltarif zu bekommen.

Ich möchte auch auf eine andere Problematik im Zusammenhang mit dem ÖPNV im Bereich der Metropolregion hinweisen. Das Land SchleswigHolstein hat bereits in weiten Teilen seine Hausaufgaben gemacht. Bereits seit 15 Jahren erstellt das Land einen Landesweiten Nahverkehrsplan, der alle fünf Jahre erneuert wird. Hamburg hat nichts dergleichen. Aus diesem Grund wäre eine aufeinander abgestimmte Nahverkehrsplanung - zumindest für die Metropolregion - durchaus sinnvoll. Dies würde insbesondere auf Hamburger Seite die Notwendigkeit verdeutlichen, dass dort etwas geschehen muss. Wenn solche Planungen nicht machbar oder gewollt sind, dann sollte zumindest eine bessere Ressortabstimmung angestrebt werden.

Wir werden unseren Landesweiten Nahverkehrsplan bis Ende 2012 fertig haben. Bis dahin muss dann aber auch eine Abstimmung mit den Hamburgern stattgefunden haben. Das ist allemal wichtiger als einen gemeinsamen Ausschuss für was auch immer einzusetzen und ihn auch noch verfassungsmäßig abzusichern. Ich finde, das ist wieder ein typisches Beispiel dafür, was man mit einer konkreten

(Christopher Vogt)

Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein machen kann. Das ist besser, als irgendwelche Anträge zu stellen, die im Parlament höchstwahrscheinlich sowieso keine Mehrheit finden werden.

Um nochmals auf die kommunale Ebene zurückzukommen: Dort hat man bereits die Hausaufgaben gemacht, um den ÖPNV attraktiver zu machen. Ich nenne nur Park-and-Ride-, oder Fahrradparkplätze. Mit weiterer Unterstützung von der kommunalen Ebene ist zu rechnen. Doch im Gegenzug erwarten die Gemeinden entsprechende Signale, dass sich endlich etwas bewegt. Das heißt, dass sich das Land Schleswig-Holstein schon bewegt hat und auch die anliegenden Kommunen schon ihre Arbeit gemacht haben, ist richtig. Es fehlen aber noch der Hamburger Senat und die AKN.

Die AKN glänzte in der Vergangenheit immer mal wieder mit einzelnen Projekten, insbesondere dann, wenn es um den Ausbau von Bahnhöfen ging. Jetzt haben wir ausgebaute Bahnhöfe, die auf das vorhandene Wagenmaterial ausgerichtet sind. Würden solche Wagen wieder bestellt werden, hätten wir hier kein Problem. Da aber die Forderung im Raum steht, auf S-Bahn-Verkehre umzusteigen und die Strecken zu elektrifizieren, brauchen wir unter Umständen völlig andere Strukturen. Denn eine elektrifizierte S-Bahn-Linie ist keine Regionalbahnlinie. Es wären große Umbaumaßnahmen notwendig, und neues Wagenmaterial wäre dann auch angesagt.

Bevor man sich aber über diese Schritte und deren Finanzierung unterhält, wäre es endlich einmal an der Zeit, einen Gesamtplan seitens der AKN aufzustellen, wie die AKN in die Linien der Metropolregion und in den Hamburger Verkehrs-Verbund integriert werden kann. Dieses Konzept fehlt völlig. Und dabei ist es dann schon verwunderlich, dass die Bezuschussung seitens des Landes Schleswig-Holstein fast 16 Millionen € jährlich ausmacht und die Landesregierung anscheinend keinen Finger rührt, um endlich ein solches Gesamtkonzept einzufordern. Solange das nicht geschieht, wird es immer nur Ad-hoc-Lösungen wie in der Vergangenheit geben. Das heißt, es gibt hier und da ein kleines Ausbauprojekt, und wenn dann doch noch Kosten entstehen, sind ja unsere Bürgerinnen und Bürger da, die das über den Landeshaushalt finanzieren.

Das ist keine nachhaltige Politik. Wir müssen erst die Strukturen planen, und dann kann man gegebenenfalls auch einmal den großen Wurf landen. Aber eine solche Flickschusterei wie bisher darf es nicht mehr geben. Deshalb muss die Landesregierung

hier endlich einmal die Zügel in die Hand nehmen, damit wir endlich ein Gesamtkonzept bekommen, das auch mit den Hamburgern abgestimmt ist.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit den Anträgen, „AKN zur S-Bahn ausbauen!“, rennen Sie bei mir offene Türen ein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie unterstützen genau das, was wir als Landesregierung schon lange wollen und machen. Denn unter dem zugegebenermaßen etwas sperrig klingenden Begriff „Achsenkonzept für den Ausbau des Schienenverkehrs in der Metropolregion Hamburg“ hat sich die Landesregierung die Weiterentwicklung der heute unter ihren eindeutigen Möglichkeiten bleibenden Bahnverbindung von Hamburg nach Kaltenkirchen auf die Fahnen geschrieben. Weil damit - wie immer bei großen Infrastrukturprojekten ein bisweilen mühsamer und steiniger Weg beschritten werden muss, ist jede Unterstützung dieses Hauses willkommen.

Wenn diese Gesamtkonzepte jetzt eingefordert werden, muss man schon darauf hinweisen, dass wir hier nicht über kleine kosmetische Maßnahmen reden, sondern wir reden über ausgesprochen große Investitionen. Das kann man an dem Beispiel der S 4 deutlich machen. Einige von Ihnen waren bei der Präsentationsfahrt, die ich zusammen mit dem Hamburger Wirtschaftssenator Horch gemacht habe, mit dabei. Für die völlig neu zu bauende SBahn-Strecke zwischen Hamburg und Bargteheide veranschlagen wir 350 Millionen €. Hierzu lassen wir gerade mit Hamburg eine detaillierte Vorentwurfsplanung erstellen, mit der wir dann den Bund überzeugen können, seinen Teil zur Finanzierung beizutragen. So nah an einer Realisierung wie jetzt sind wir bei der S 4 zuvor noch nicht gewesen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ist auch dem Umstand zu verdanken, dass die Parlamente - zumindest, was die S 4 anbelangt, beide Parlamente; zur S 21 komme ich gleich noch - geschlossen dahinterstehen. Das ist wichtig, weil

(Lars Harms)

wir bei der S 4 über ein Projekt reden, das zu 80 % auf Hamburger Gebiet stattfindet. Insofern geht es nicht um einseitige Würfe, sondern es geht darum, die Dinge abzustimmen.

Bei dem AKN-Ausbau verhält es sich so: Um die hier wirklich noch nicht attraktive Schiene auf der Strecke Hamburg-Kaltenkirchen zu einer vernünftigen Alternative zum Auto auszubauen, sieht das Achsenkonzept hier ebenfalls die Errichtung einer S-Bahn vor. Es hat auch vor zwei Jahren einen Vororttermin dort in Hasloh gegeben.

Ziel ist, regelmäßig und umsteigefrei zwischen dem Umland und der Hamburger Innenstadt zu verkehren. Dafür muss der bereits begonnene Ausbau der AKN-Stammstrecke - in den letzten Jahren immerhin mit 250 Millionen € finanziert - weiter ausgebaut werden. Hierzu läuft aktuell das Verfahren für eine standardisierte Bewertung an - das ist schon gesagt worden -, die hoffentlich das von uns erwartete positive Ergebnis bringen wird. Liegt dieses hoffentlich zu erwartende positive Ergebnis dann vor, das sollte im Jahr 2012 sein, werden wir auch auf dieser Strecke Hamburg mit im Boot haben. Wir werden dann gemeinsam die Finanzierung einwerben. Das ist wichtig, weil Hamburg immerhin 50 % der Anteile der AKN hält. Nach unseren Vorstellungen soll das ja sogar noch mehr werden.

Bei der AKN reden wir über ein Investitionsvolumen in Höhe von 50 Millionen € für die Elektrifizierung und für neue Züge, die dafür angeschafft werden sollen. Zum Achsenkonzept gehört bei der AKN aber auch die Frage, was mit dem nicht zu elektrifizierenden Restnetz, also der Strecke Norderstedt-Neumünster und der Strecke ElmshornBarmstedt-Ulzburg, geschehen soll. Ich meine, dass ein Teil der Strecke erst einmal mit modernen Dieselzügen ausgestattet werden sollte, die auch zukünftig für das AKN-Dieselnetz benötigt werden. Die anderen AKN-Züge - viele sind heute gerade einmal 18 Jahre alt, was für Eisenbahnzüge noch nicht alt ist - können wahrscheinlich noch im Einsatz bleiben, bis die Pläne zur S-Bahn Kaltenkirchen tatsächlich umgesetzt worden sind.

Insofern glaube ich, dass wir gut sortiert und vorbereitet sind für das, was dort ansteht. Es ist ein mühseliger Prozess, zum einen deshalb, weil wir eine Bundesfinanzierung einwerben müssen, aber zum anderen auch deshalb, weil wir hier über ein Grenzgebiet zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und Schleswig-Holstein reden. Deshalb sind diese Dinge schwierig. Aber wir haben sie auf dem Radarschirm.

(Heiterkeit)

Weil ich nur noch 19 Sekunden Redezeit übrig habe, will ich die Wahlkampfgemeinheiten, die in meiner Rede auch stehen, nicht vortragen.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Lehnert das Wort. Es steht der Fraktion noch eine Restredezeit zur Verfügung.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Jetzt kommen die Wahlkampfgemein- heiten! - Zuruf von der CDU: Abwarten!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt zeigt es sich einmal wieder, dass es gut ist, sparsam mit seinen Ressourcen umzugehen - auch an dieser Stelle.

Ich wollte mich ausdrücklich bei den anderen Fraktionen für die konstruktive Debatte bedanken. Wir hatten ursprünglich vor, in der Sache abzustimmen. In Anbetracht der Debatte halte ich es aber jetzt für sinnvoller und zielführender, dass wir alle Anträge an den Fachausschuss überweisen, um zu versuchen, dort einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, um gegenüber Hamburg und dem Bund unsere Geschlossenheit deutlich zu machen. Deshalb beantragen wir Ausschussüberweisung.

(Beifall im ganzen Haus)

Vielen Dank. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Angst,

(Heiterkeit)

ich will diese Sternstunde der Harmonie des Hohen Hauses nicht stören, sondern einige Ausblicke industrie- und technologiepolitischer Art machen.

(Minister Jost de Jager)

Herr Minister, es ist zu überlegen, ob man wirklich Dieselfahrzeuge anschaffen soll. Zweifellos ist es das Billigste, wenn ich mit einem Lkw-Motor von der Stange in einem Triebwagen fahre. Es ist richtig, was der SPD-Kollege und die anderen Fraktionen gesagt haben, dass die Zukunft der Antriebstechnologie im Schienenverkehr stromgebunden sein muss. Da wir - wie Sie schon sagten - das Schienennetz in Schleswig-Holstein nur sehr lückenhaft elektrifiziert haben, plädiere ich dafür, im Bereich der dieselelektrischen Antriebe, die später mit Fahrdraht oder bei der S-Bahn mit dem Abnahmepunkt an der Schiene für die Elektrizität verbunden werden, Dieselelektrik mit dem Ausblick auf Akkus nachzurüsten und gleichzeitig Fahrdrahtströme für diese Technik zu nutzen.

Diese Überlegung ist hier im Hohen Haus ein bisschen neu; darum war es mir ein Bedürfnis, das einmal vorzutragen. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass es, wenn sich Hamburg als WindHauptstadt bezeichnet und wir uns als die Region der regenerativen Energien verstehen, natürlich gut ist, wenn wir mit Strategien der Verstetigung der fluktuierenden Energieerzeugung aus dem Regenerativbereich solche Technologien im Verkehrssystem verbinden, die als gezielte Lastsenkung einsetzbar sind.

Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass wir in Schleswig-Holstein keineswegs arm an Kompetenzen in der Industrie sind. Wir haben die Firma Voith in Kiel, wir haben die Firma Vossloh, die Antriebstechnologie machen, die Hersteller von Triebwagen und Lokomotiven sind. Wir haben die Firma Dispatch in Itzehoe, und wir haben die Firma o.m.t. in Lübeck, die mit Akkutechnik Weltspitze sind. Wir haben die Firma Weier, die Generatoren und Motoren herstellt und bereit ist, sich an einem solchen FuE-Verbund zu beteiligen.

An der Frage AKN-Elektrifizierung hängt eine ganze Menge an technologiepolitischen und industriepolitischen Aufgaben. Ich wollte mit diesem ersten Aufschlag darauf aufmerksam machen, dass sich das Hohe Haus auch in dieser Richtung technologiepolitisch engagiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die Anträge Drucksachen 17/1920 und 17/1976 sowie den Änderungsantrag Drucksache 17/2002 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so be

schließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 und 62 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Personenbeförderungsgesetz nachhaltig gestalten

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/1949

Personenbeförderungsgesetz nachhaltig gestalten - Sozial-ökonomisches Nahverkehrskonzept für Schleswig-Holstein entwickeln

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/2010