Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass der Bund die Kommunen und Länder, die vom Abzug der Bundeswehr betroffen sind, mit den Folgen allein lässt, ist nicht in Ordnung. Als die Bundeswehr 1956 gegründet wurde, hat man bei der Verteilung der Standorte sehr wohl auf die Wirtschaftskraft der Region geachtet. So ist es auch gekommen, dass das damals finanzschwächste Land Schleswig-Holstein überdurchschnittlich mit Standorten bedacht wurde. Das spielte schon in Hinsicht auf die Kaufkraft vor Ort und die Lebensfähigkeit der Gemeinden eine Rolle.

Wir begrüßen den Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche, aber es muss nun über Alternativen nachgedacht werden. Die Initiative des SSW, die

zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter womöglich in den öffentlichen Dienst zu übernehmen, ist sinnvoll und wird von uns unterstützt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir können uns durchaus vorstellen, dafür zusätzliche Stellen in den öffentlichen Dienst aufzunehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Dies wäre ein guter Beitrag zur Konversion in Schleswig-Holstein.

Darüber hinaus muss der Bund handeln. Schleswig-Holstein braucht Gelder vom Bund, um seinen betroffenen Regionen zu helfen. Auch auf der EUEbene müssen Gelder abgerufen werden können. Ich begrüße sehr, dass in der heutigen Beschlussempfehlung aller Fraktionen die Initiative aufgenommen worden ist, Konversion als Kriterium für die Beantragung von Mitteln aus dem EUKohäsionsfonds aufzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch etwas unglaublich Wichtiges, das hier noch nicht erwähnt worden ist, möchte ich ergänzen. Konversion muss mit den Menschen vor Ort gestaltet werden. In diesem Bereich gibt es noch massive Defizite. Wir sind zum Beispiel vor wenigen Wochen einmal nach Lütjenburg gegangen und haben eine Veranstaltung zum Thema „Konversion“ gemacht. Vorher war ich eher skeptisch, ob sich an einem Samstagnachmittag Einwohnerinnen und Einwohner zu einer Veranstaltung der LINKEN begeben würden. Aber: Der Saal war voll,

(Zuruf von der FDP)

Bürgermeister und Gemeinderäte waren dort ebenso wie interessierte Bürgerinnen und Bürger, weil wir schlicht und ergreifend die Einzigen waren, die überhaupt einmal ein Forum geschaffen haben, um über die Veränderungen vor Ort zu diskutieren.

(Lachen von der CDU)

Es wurde beklagt, dass die Konversion dort an der Bevölkerung vorbei geplant wird. Das kann nicht sein. Bürgerbeteiligung muss bei diesem massiven Umbruch eine sehr große Rolle spielen

(Beifall bei der LINKEN - Christopher Vogt [FDP]: Sie reden mit Soldaten?)

Es ist aber auch in meinen Augen der Ort, um Programmatisches zu sagen.

(Dr. Andreas Tietze)

„DIE LINKE lehnt den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einzusetzenden Kriegsführungsarmee ab. DIE LINKE setzt sich für eine schrittweise Abrüstung der Bundeswehr ein, die kriegsunführungsfähigsten Teile sollen zuerst abgerüstet werden. Die Abrüstung ist zu begleiten durch Konversionsprogramme für die Beschäftigten in der Rüstungsproduktion, für die Soldatinnen und Soldaten und für die Liegenschaften der Bundeswehr.“

So steht es bei uns im Programm.

(Beifall bei der LINKEN)

Die eingesparten Gelder durch Standortschließungen müssen in Konversion investiert werden, nicht in Hightech-Waffen, um die nächsten Auslandseinsätze militärisch effektiver gestalten zu können.

Obwohl der Bund uns und die Kommunen erst einmal hat abblitzen lassen, fordern wir, dass das Konversionsprogramm aus Mitteln des Verteidigungshaushalts finanziert werden muss. Denn wir fragen, angesichts der Schuldenbremse: Wie soll ein solcher Konversionsfonds sonst gespeist werden, wenn nicht aus dem Verteidigungshaushalt?

(Beifall bei der LINKEN)

Zumindest wird dies aus unserem Landeshaushalt oder dem der Kommunen nur sehr schwer möglich sein.

Diese Mittel können dann für Planungs- und Machbarkeitsstudien, Wirtschaftsförderprogramme, Städtebauförderung, weitere Sonderförderprogramme sowie regionale und kommunale Kompensationsprogramme genutzt werden.

DIE LINKE steht für Frieden und die Bürgerbeteiligung bei der Konversion ein. Wir werden dem gemeinsamen Antrag heute selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN - Christopher Vogt [FDP]: Was?)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Landtags am 17. November zeigte sich bereits, dass sich alle Fraktionen darüber einig sind: Es ist eine überaus große Herausforderung für Schleswig-Holstein, die durch die Stationierungsentscheidung des Bundesministers für Verteidigung betroffenen Menschen und ihre Kommunen insgesamt zu begleiten und dafür zu sorgen, dass es erträgliche Übergangsregelungen gibt.

Es freut mich sehr, dass diese Gemeinsamkeit nach den Beratungen im Wirtschafts- sowie im Innenund Rechtsausschuss nicht nur weiter besteht, sondern sich nun in einer von allen Fraktionen getragenen Entschließung niederschlägt. Ein solches Ausmaß an Gemeinsamkeit ist selten, ist jedoch ein wichtiges Signal des Landtags an alle betroffenen Kommunen und an alle betroffenen Menschen hier im Land.

Die Landesregierung hatte umgehend auf die Stationierungsentscheidung reagiert und am 1. November den Aktionsplan Konversion verabschiedet. Ich danke den Fraktionen sehr, dass sie diesem Aktionsplan zustimmen. Auch das dient dem Interesse Schleswig-Holsteins.

Die Landesregierung hatte noch im November einen intensiven Dialog mit den betroffenen Kommunen begonnen. Wir haben eine Fachtagung zu dem Thema veranstaltet und sind in einem ständigen Dialog mit den betroffenen Kommunen, um die weiteren Schritte anzukündigen.

Selbstverständlich geht auch die Diskussion mit der Bundesregierung weiter. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat noch einmal die Kernforderungen an die Bundesregierung festgeschrieben, die sich zum Teil übrigens auch in der gemeinsamen Entschließung wiederfinden. Das sind zusätzliche Konversionshilfen für die betroffenen Kommunen sowie eine - fast noch wichtiger - verbilligte und altlastenfreie Abgabe der frei werdenden Liegenschaften.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat mit der Bundeskanzlerin verabredet, dass geprüft wird, ob und wie diese Punkte auf gegriffen werden können. Mit der gebotenen Zurückhaltung möchte ich sagen, dass die Reaktion der Bundesregierung bisher auch zurückhaltend war. Umso wichtiger ist es, dass wir gemeinsam eine Position Schleswig-Holsteins vertreten.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Björn Thoroe)

Auch sonst haben wir alles Notwendige zügig in den Griff genommen. Herr Kollege Schlie zum Beispiel hat sich gegenüber dem Bundesbauminister und seinen Länderkollegen dafür eingesetzt, im Zuge der anstehenden Novellierung des Bundesbaugesetzes einen Vorrang der Nutzung von Konversionsflächen von neu auszuweisendem Bauland festzuschreiben, sofern hierdurch keine unerwünschte Zersiedlung auftritt.

(Beifall bei CDU und FDP - Christopher Vogt [FDP]: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, das ist auch ein Punkt, der in der Debatte eine besondere Rollen gespielt hat. Es geht jetzt darum, den vorgesehenen Personalabbau von Soldatinnen und Soldaten, mitunter auch von Zivilbeschäftigten bei der Bundeswehr zu flankieren. Das Bundeswehrreformbegleitgesetz des Bundestags sieht eine Reihe solcher Maßnahmen vor, die bereits bestehenden Maßnahmen wie etwa Job Coaching, Qualifizierungsmaßnahmen oder Stellenbörse. Ergänzend vorgesehen sind darüber hinaus zum Beispiel Ausgleichszahlungen, Vorruhestandsregelung, die Anhebung der Hinzverdienstgrenze für ausscheidende Soldaten und Beurlaubungssregelungen.

Hier im Landtag sollte noch einmal klar darauf hingewiesen werden, dass die Verantwortung für solche Dinge beim Bund liegt. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass wir unsererseits alles tun sollen, um einen solchen Übergang, gerade der Zivilbeschäftigten in andere Beschäftigungsverhältnisse, zu unterstützen.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt beim SSW)

Wir haben erste Gespräche sowohl mit der Bundeswehr wie übrigens auch mit der Bundesagentur für Arbeit begonnen; denn es geht aus unserer Sicht nicht nur darum - auch das ist sehr wichtig -, den Beschäftigten eine Perspektive zu geben, sondern es geht auch darum, dass wir verhindern müssen, dass es eine Abwanderung von Fachkräften gibt, die wir in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in Schleswig-Holstein noch gut gebrauchen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Auch in diesem Sinne haben wir Anlass, uns nicht allein auf die Aktivitäten des Bundes zu verlassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 17/2255 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Die Gegenprobe. Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Mit der Drucksache 17/2269 haben die Mitglieder des Innen- und Rechtsausschusses dem Landtag einen Entschließungsantrag mit der Bitte um Übernahme vorgelegt. Wer dieser Entschließung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.