Protocol of the Session on December 15, 2016

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Von einer Verspargelung kann man auf jeden Fall nicht reden.

Ich stelle weiter fest: Diese Zahlen unterliegen keinem willkürlichen Findungsprozess. Sie basieren auf objektiven Kriterien, die vorher festgelegt und in einem ausführlichen Abwägungsprozess ermittelt wurden. Sie sind sachlich und fachlich begründet. Das allein ist ausschlaggebend. Das allein ist - auch vor dem Hintergrund des OVG-Urteils - handlungsleitend.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Neuaufstellung der Pläne wurde anhand der Kriterien auf das ganze Land geschaut. Damit war die Landesplanungsbehörde auch rechtlich dazu verpflichtet, landesweit einheitlich nach den raumverträglichsten Standorten zu suchen, wobei Altstandorte nicht ausgelassen werden durften.

Das soll heißen: Es wurden planerische Fehler der Vergangenheit korrigiert. Diese Fehler kennen wir. Wir kennen die Gegenden, wo wir regional wirklich von Verspargelung sprechen müssen. Auch die Weiterentwicklung der Technologie konnte berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass von den derzeit bestehenden 3.060 Anlagen heute rund 1.300 Anlagen außerhalb der Vorranggebiete liegen. Sofern es so bleibt, heißt das, dass diese Anlagen zwar einen Bestandsschutz genießen, aber nur, bis sie ihre technische Lebenserwartung erreicht haben. Danach müssen sie abgebaut werden.

Faktisch bedeutet das, dass es langfristig einen massiven Rückbau von Anlagen geben wird. Das gilt insbesondere für bestehende siedlungsnahe Windkraftstandorte oder Standorte, die nicht mehr die Planungskriterien erfüllen. Das gehört dazu, denn damit wird jetzt die Landschaft etwas aufgeräumt, wenn man so will. Es werden Fehler der Vergangenheit korrigiert. Das versucht man so vorsichtig wie möglich hinzubekommen.

Das Repowering ist durch die neuen Pläne klar geregelt. Dies darf künftig nur in Vorranggebieten durchgeführt werden und nur dann, wenn zwei Altanlagen im Gegenzug verschwinden. Das soll dazu beitragen, dass unkontrollierter Windenergieausbau an bestimmten Standorten wieder rückgebaut wird. Neben den Repowering-Anlagen wird es trotzdem weiter möglich sein, Windkraftanlagen zu bauen. Schließlich wollen wir auch künftig unseren Beitrag zur Energiewende leisten. Das ist als Küstenkoalition unser politisches Ziel.

Nach derzeitigen Plänen soll die produzierte Strommenge aus Windenergie von derzeit 6,5 GW auf insgesamt 10 GW steigen. Das bedeutet: Bis 2025 wird es einen rechnerischen Zuwachs von rund

(Lars Harms)

500 Windkraftanlagen geben. Ich denke, dass das eine gute Nachricht für die Windbranche ist, die ein erheblicher wirtschaftlicher Faktor mit vielen qualifizierten Arbeitsplätzen bei uns im Land ist. Auch daran haben wir in der heutigen Debatte zu denken.

Kaum eine Diskussion wird derzeit landauf, landab so emotional geführt wie die über die Ausgestaltung der Windenergie. Dazu muss ich sagen: Der Prozess ist nicht abgeschlossen. Ab jetzt sind wir für die nächsten Monate in der Anhörungsphase. Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, sich am laufenden raumordnerischen Verfahren zu beteiligen. Sie können sich die Flächen ansehen und flurstückscharf ein Bild davon machen, welche Gebiete künftig für den Ausbau der Windenergie vorgesehen sind.

Voraussichtlich ab dem 27. Dezember können die Bürger dann ihre Stellungnahmen zu jeder einzelnen im Rahmen der Regionalpläne für Windkraft berücksichtigten oder nicht berücksichtigten Fläche abgeben. Ob Für oder Wider: Alle Argumente und Stellungnahmen werden gewissenhaft geprüft und im Rahmen der Planung abgewogen.

Ich möchte deutlich sagen: Das ist das größte Beteiligungsverfahren, dass es je in Schleswig-Holstein gegeben hat.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Das macht es aber nicht besser!)

Der Bürger bekommt die Möglichkeit, sich zu jeder Fläche zu äußern. Sie muss im Übrigen nicht mehr in seiner eigenen Gemeinde oder der unmittelbaren Umgebung liegen. In der Vergangenheit war es so, dass man sich als Bürger maximal in seiner eigenen Gemeinde äußern konnte, mehr war nicht drin. Schon die Mühle in der Nachbargemeinde war nicht mehr die Zuständigkeit des Bürgers. Jetzt ist es so: Jeder Schleswig-Holsteiner kann sich zu jeder Windmühle in diesem Land äußern. Das finde ich gut, meine Damen und Herren.

(Lars Winter [SPD]: Hervorragend! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Was hat er davon?)

Mit der Neuausrichtung der Windplanung schaffen wir neue Rechtssicherheit nicht nur für Investoren und Antragsteller, sondern eben auch für die betroffenen Gemeinden und die Bürger. Darauf kommt es an.

Die Kampagne der CDU gegen die Pläne der Landesregierung ist reine Angstmache. Sie ist weder von Fachlichkeit noch von Sachverstand geprägt.

Anders kann ich mir die Diskussion dort nicht erklären.

Wie wollen Sie die Energiewende schaffen, wenn Sie fordern, die Abstände zu Einzelhäusern und Splittersiedlungen im Außenbereich im Regelfall auf 500 m und im Innenbereich sowie in Siedlungsbereichen mit Wohn- und Erholungsfunktion im Regelfall auf 1.200 m zu erhöhen? Was bedeutet überhaupt „Regelfall“? Das ist nicht definiert. Wo sollen denn Ausnahmen zugelassen werden? Das wissen wir bis heute nicht.

Mit Ihrem Antrag streuen Sie den Menschen in der Tat nur Sand in die Augen. Die von der Landesplanungsbehörde gewählten Mindestabstände zur Wohnbebauung zum Schutz der Bevölkerung sind die Tabukriterien mit der größten Flächenwirksamkeit. Das heißt, das harte Tabukriterium Wohnbebauung hat eine Tabuzone von rund 46,7 % der Landesfläche. Dieser Teil der Landesfläche ist danach bereits jetzt ausgeschlossen.

Das Tabukriterium Siedlungsabstände hat in der Überlagerung eine Tabuzone von noch einmal rund 31 %. In der Summe machen also Wohnbebauung und Siedlungsabstände rund 78 % der Landesfläche aus. Die ist schon einmal komplett weg. Zurückzuführen ist dies auf die starke Zersiedlung des Landes Schleswig-Holstein. Das ist auch logisch nachvollziehbar.

Würde man der Abstandsregelung der CDU folgen, bedeutet dies faktisch, dass ab sofort keine Windkraftanlagen mehr gebaut werden dürfen. Weite Teile der Bestandsanlagen hätten nur noch Bestandsschutz und müssten sukzessive abgebaut werden. Ist es das, was die CDU will? Oder will die CDU auf andere Kriterien verzichten? Herr Günther hat das vorhin schon einmal angedeutet. Wenn ja, auf was soll verzichtet werden? Ich bitte um konkrete Benennung. Nicht einfach nur raushauen: „Ich finde Denkmäler blöd“, sondern ganz genau sagen, wo man ansetzen will! Dann kann man gern darüber diskutieren. Aber solch eine Pauschalgeschichte, wie es sie am Anfang der Debatte gab, hilft uns nicht weiter. Wir wollen es wirklich genau wissen.

Es gibt zum Beispiel die wunderbare Umzingelungsregelung. Das ist ganz interessant. Wir können das natürlich aufheben. Dann ist Morgen Wanderup von Windmühlen umzingelt. Ich weiß nicht, was Frau Nicolaisen dazu sagen würde. Aber wenn die CDU das fordert, damit man anderenorts Abstände vergrößern kann - bitte schön. Man kann gern dar

(Lars Harms)

über diskutieren. Aber Sie haben eben nicht den Mut, genau das zu fordern.

Wenn es um Denkmalschutz-, Landschaftsschutz-, Naturschutzgebiete geht, ist es einfach wichtig zu wissen, was genau Sie ändern wollen. Lauter Fragen also, auf die die CDU keine Antworten gibt. Für uns sind die Punkte Ehrensache - das sage ich gleich im Vorwege. Es sind keine nicht relevanten Kriterien, denn wir wollen nicht, dass unser heimatliches Landschaftsbild zerstört wird. Auch das ist für die Menschen in diesem Land wichtig.

Deshalb sind Gebiete, die pauschal von Windenergie freigehalten werden, die sogenannten Landschaftsschutzgebiete, die neu eingerichtet wurden, genauso wichtig wie Abstände zu den wichtigsten Naturschutzräumen oder Denkmälern. Diese Bestätigung haben wir beispielsweise von der IGBaupflege aus Nordfriesland bekommen, die den Gesetzentwurf begrüßt, weil wir das Landschaftsbild sowie die Denkmale schützen und weil sie sehen, dass das quasi Menschenschutz ist.

Wir stehen zur Energiewende und dem Ausbau der Windenergie. Das trägt maßgeblich zur Wertschöpfung bei uns bei. Durch die Windenergieindustrie werden weitere hochqualifizierte Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen. Es prägt unser verantwortungsvolles Handeln, dass wir dies in den Gedankengang mit hineinnehmen. Wer die Energiewende nicht haben will, soll dies bitte schön klar sagen oder sagen, nach welchen Kriterien der Ausbau der Windenergie vonstattengehen soll, und zwar ganz konkret. Ich kann nur feststellen, dass das, was die CDU hier vorgelegt hat, die Windbranche in unserem Land definitiv abwürgt. Das ist wirtschaftsfeindliche Politik, die den großen Energiekonzernen in die Karten spielt, aber keine Politik, die Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein schafft oder absichert. Eine solche Politik, die gegen Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein gerichtet ist, ist jedenfalls mit uns als SSW nicht zu machen.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wären wir auch schon bei dem Punkt der Netzkapazitäten. Immer wieder wird in dem Zusammenhang darauf hingewiesen - heute auch wieder -, dass die Netzkapazitäten nicht ausreichten und der Ausbau der Netze mit dem Ausbau der Energieproduktion besser verzahnt werden müsse.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Stimmt!)

Dazu kann ich nur sagen: Ja, die Netzkapazitäten reichen nicht aus, weil sie voll mit Strom aus fossi

len Kraftwerken sind und weil nicht alle Länder den Ausbau der Netze mit gleichem Elan vorangebracht haben wie wir. Im Gegenteil, der Ausbau wurde von einigen Bundesländern sogar teilweise blockiert.

Statt also von „Wegwerfstrom zu sprechen, weil Windenergieanlagen abgeregelt werden, sollte man stärker das Abriegeln von Atom-, Gas- und Ölkraftwerken in den Fokus nehmen. Das ist nämlich der wahre „Wegwerfstrom“. Wir bringen mit unserer Planung die Energiewende voran. Wir beteiligen die Bürger breit. Wir legen unsere Planungen transparent vor. Wir sorgen für Klimaschutz. Wir unterstützen einen wichtigen Wirtschaftszweig in unserem Land. Darüber hinaus haben jetzt wirklich alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich an diesem Prozess zu beteiligen. In eineinhalb Jahren werden wir sehen, was dabei herausgekommen ist.

Das ist ein klasse Bürgerbeteiligungsverfahren. Ich bin richtig froh darüber, dass wir das so gut hinbekommen haben. Eigentlich muss man sagen: Besser geht’s nicht.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das waren die Beiträge der Fraktionen. - Jetzt kommen wir zu den Dreiminutenbeiträgen. Zunächst der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Bemerkungen! Die Energiewende ist eine großartige Wertschöpfungschance für Schleswig-Holstein. Sie ist, was den Ausstieg aus der Atomenergie und den Abschied von den fossilen Energieträgern angeht, notwendig und alternativlos. Deswegen wird sie auch durchgeführt und ist bei uns in den allerbesten Händen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Alles ist alterna- tivlos!)

Ich füge hinzu, dass der Ministerpräsident unmittelbar nach dem OVG-Urteil, das uns wirklich nicht gefallen hat, klargestellt hat, dass wir trotzdem glauben, dass die Energiewende mit den Menschen umgesetzt werden muss, und wir es für falsch halten, sie nicht zu berücksichtigen. Das ist das eine.

Das andere ist, dass wir Planungsrecht zur Kenntnis nehmen müssen, dass uns das in Teilen nicht erlaubt. Deswegen war die Antwort die schnelle Re

(Lars Harms)

aktion, die notwendig war, um hier keinen Wildwuchs entstehen zu lassen. Da muss man die Kollegen der CDU wirklich in Schutz nehmen.

Notwendig ist das anschließende Beteiligungsverfahren. Ich will den Ministerpräsidenten, Thomas Losse-Müller und die Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich loben. Eine solche Form von Beteiligung hat es in Schleswig-Holstein noch nie gegeben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist hervorragend. Das kann man nämlich wirklich machen. Man darf nicht Dinge versprechen, die man nicht einhalten kann.

Ich schaue mir an, wie das bei der Union ist. Bei der Union ist es so: Sie gibt im Grunde immer dem Letzten recht, der gerade zur Tür hereinkommt. Sie gibt denjenigen recht, die mehr Windenergie wollen, und sie gibt denjenigen recht, die größere Abstände wollen. Wenn wir das zusammenrechnen, stellen wir fest, das ginge nur, wenn wir die Landesfläche vergrößerten - es fragt sich nur, ob zulasten von Mecklenburg-Vorpommern oder zulasten von Niedersachsen. Sie müssen uns schon sagen, wie sie das machen wollen. Auf friedlichem Wege geht das jedenfalls nicht.

(Zurufe CDU und FDP)

Zwei und zwei ist vier und nicht fünf. Ich kann sagen: Solch eine Einschätzung, wie Sie sie vorgenommen haben, kann man sich wirklich nur leisten, wenn man sicher ist, dass man in der Opposition bleibt. Dann kann man das machen. Als Regierungsfraktion geht das nicht.