Protocol of the Session on February 24, 2017

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(Zuruf Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gerade bei der Echauffierung des Herrn Matthiessen vor Schreck verschluckt.

Ich fange mit dem Energiewende- und Klimaschutzgesetz an, dem großen Meilenstein, dessen Erreichung Herr Dr. Stegner gerade verkündet hat. Besonders eilig hatten Sie es mit der Erreichung aber nicht gerade. Im Koalitionsvertrag stand es schon, dann 2013 wurde in einem Landtagsbeschluss die Regierung gebeten, 2014 die Eckpunkte vorzulegen. Im Dezember 2014 kamen die Eckpunkte dann. Der Gesetzentwurf kam dann am 6. Juli 2016. Dann hätte man natürlich denken können: Was lange währt, wird endlich gut. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Der Gesetzentwurf ist kein großer Wurf, sondern an vielen Stellen reine Symbolpolitik, insbesondere was die Landesliegenschaften angeht.

(Beifall FDP)

Problematisch finde ich aber an Ihrem Gesetz, dass Sie als rot-grün-blaue Koalition Ihren planwirtschaftlichen Kurs in der Energiewendepolitik damit wirklich noch einmal gesetzlich untermauern. Energiewende und Klimaschutz sollen den Bürgern aufgedrückt werden. Und trotz des Wegwerfens von Strom im Wert von über 900.000 € täglich in Schleswig-Holstein wird das planwirtschaftliche 300-%- beziehungsweise 37-TWh-Ziel für erneuerbare Energien nun gesetzlich festgeschrieben. Ich frage mich, warum Sie das gesetzlich festschreiben wollen. Die planwirtschaftliche Festschreibung dieses Ziels nimmt uns doch auch die notwenige Offenheit für technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, den man heute noch gar nicht erahnen kann. So herum müssen Sie auch einmal denken, meine Damen und Herren.

(Zuruf Thomas Hölck [SPD])

Für die FDP-Fraktion steht fest: Die Energiewende und der Klimaschutz können nicht ohne die Bürgerinnen und Bürger gelingen. Wir setzen auf mehr

(Detlef Matthiessen)

Freiwilligkeit und stärker auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürger statt auf Vorschriften. Gleichzeitig setzen wir auf die Stärkung des Wettbewerbs. Innovative Ansätze und neue Technologien sind wesentliche Elemente zur Verbesserung des Klimaschutzes. So lassen sich Ressourcen und Energie sparen und Emissionen reduzieren.

(Beifall FDP)

Zweites Thema: die Veränderungssperre im Landesplanungsgesetz. Das haben Sie als SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW heute vorgelegt. Ich wundere mich, dass diesmal die CDU gar nicht mit auf dem Gesetzentwurf steht. Das war vor zwei Jahren noch der Fall.

(Zurufe)

Es könnte zwei Gründe geben,

(Martin Habersaat [SPD]: Fähnchen im Wind!)

einmal den Grund, dass das große Vertrauen von Daniel Günther in Torsten Albig nicht mehr vorhanden ist. Das könnte ein Grund sein.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] - Sandra Redmann [SPD]: Das kann ich mir nicht vor- stellen!)

Oder aber in der CDU gab es noch interne Abstimmungsprobleme zwischen Daniel Günther und Christian von Boetticher. Das könnte natürlich auch ein Grund gewesen sein.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir wissen es nicht!)

Sie wissen, dass wir dem § 18 Landesplanungsgesetz von vornherein skeptisch gegenüberstanden, vor allem, weil wir den Verzicht auf das übliche parlamentarische Beratungsverfahren für falsch gehalten haben, aber auch, weil Sie den Bürgerinnen und Bürgern einen Baustopp zur Verhinderung von Wildwuchs verkauft haben, während in Wahrheit der weitere intensive Ausbau der Windenergie nach den Vorstellungen der Landesregierung und an der Bevölkerung vorbei über die Ausnahmegenehmigung vorangetrieben wird. Wenn ich höre, wie viele Ausnahmegenehmigungen allein im Dezember erlassen worden sind, kann man wirklich nicht mehr von einer Veränderungssperre sprechen.

(Beifall FDP)

Was wir grundsätzlich nicht kritisieren, ist eine Absicherung der Regionalplanung, aber was wir kritisieren, ist die Regionalplanung, weil Sie erstens hier einen planwirtschaftlichen Ausbau der Wind

energie ins Blaue hinein betreiben, statt ihn mit dem Netzausbau zu synchronisieren, zweitens, weil Sie die Belange der Menschen nicht ausreichend berücksichtigen, und drittens, weil Sie die Potenziale des Repowerings komplett ignorieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Genau!)

Kritikwürdig ist auch, dass Sie Ihr selbstgestecktes Zeitziel korrigieren müssen, zum einen, weil das eine weitere Zumutung für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist - Sie haben Rechtsfrieden und Planungssicherheit versprochen, bekommen hat das Land eine Akzeptanzkrise und intransparente Genehmigungsverfahren -, und zum anderen, weil Sie durch Ihre Verzögerung Ihre politische Zielvorgabe weiter zementieren.

Wir alle wissen, dass auch die Verlängerung der Veränderungssperre letztlich begrenzt ist. Jeder gestalterische Wille steht damit unter dem Vorbehalt eines drohenden Rückfalls auf § 14 Raumordnungsgesetz oder sogar auf § 35 Baugesetzbuch.

Wir müssen natürlich über den Gesetzentwurf mit Ihnen im Ausschuss diskutieren. Dort wollen wir Ihnen auch gern die Hand reichen. Apropos die Hand reichen: Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, dass sich die Landesregierung der alten FDP-Forderung aus Drucksache 18/2090 vom 26. Juni 2014 angeschlossen hat und im Bundesrat für ein bundeseinheitliches Netzentgelt eingetreten ist.

(Zurufe SPD)

Robert Habeck verdient da ein ganz großes Lob. Gut so!

(Beifall FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Spät, aber immerhin!)

- Ja, er lernt spät, ist aber auf dem richtigen Weg. Natürlich müssen die Infrastrukturkosten im Bereich Energie bundesweit gerecht verteilt werden. Es kann nicht sein, dass in bevölkerungsarmen Regionen das Entgelt höher ist als beispielsweise in den großen Ballungszentren im Westen Deutschlands.

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir werden dem Antrag daher zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Groß- artig, Herr Kollege!)

(Oliver Kumbartzky)

Das Wort für die Piratenfraktion hat jetzt die Kollegin Angelika Beer.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Tagesordnung: Wir haben alle die Meldungen über das meldepflichtige Ereignis im Kernkraftwerk Brokdorf mitbekommen. Robert Habeck hat zu Recht darauf hingewiesen, dass unter diesen Umständen ein Weiter-so oder ein Wiederanfahren nicht verantwortbar ist.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Der Beschluss zum Atomausstieg kam spät. Störfälle wie dieser zeigen aber deutlich, wie notwendig dieser Beschluss war und weiterhin ist. Aus diesem Grund ist die Energiewende nicht nur eine ideologische Utopie, sondern dringend notwendig. Wir PIRATEN begrüßen grundsätzlich das Engagement für den energiepolitischen Wandel unserer Gesellschaft und der Energiewirtschaft.

Leider findet diese Energiewende ohne die Menschen statt. Es werden sehr ambitionierte Ziele ohne Rücksicht auf Menschen, Tierwelt und unsere Kulturlandschaft vorgegeben. Statt die Menschen aktiv in die Diskussion über den Ausbau erneuerbarer Energien einzubeziehen und mitbestimmen zu lassen, werden im Rahmen der Landesplanung Tatsachen geschaffen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Matthiessen?

Nein. - Wir PIRATEN wünschen uns mehr Bürgerbeteiligung bei der Landesplanung. Wir unterstützen deshalb auch die Volksinitiative „Mitbestimmung“, die sich klar und deutlich gegen eine Energiepolitik mit der Brechstange ausspricht.

Die Energiewende ist ein Mammutprojekt. Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, damit es ein wirklicher Erfolg werden kann. Aus diesem Grund begrüßen wir, dass das im Landesplanungsgesetz eingefügte Moratorium bis zum 1. Oktober 2018 verlängert werden soll.

Eine erfolgreiche Energiewende bedarf einer konsequenten Energiewendestrategie, wie sie zum Beispiel Dänemark hat, aber in unserem Land fehlt. Auch die hier vorliegenden Entwürfe enthalten kei

ne solche Strategie. Das starre und dogmatische Festhalten an theoretischen Ausbauzielen, die im Gesetz stehen, lehnen wir ab.

Der Bedarf an erneuerbaren Energien wird sich in den nächsten Jahren gravierend ändern. Derzeit kann Schleswig-Holstein 100 % seines Strombedarfs selbst decken. Wie hoch wird aber der Bedarf sein, wenn erneuerbare Energie auch in die Wärmesysteme übertragen wird, wie es das Ministerium will? Wie sieht der Energiebedarf aus, wenn die Energiewende beim ÖPNV und Individualverkehr - Stichwort E-Mobilität - stattfindet und die Menschen Strom statt fossiler Brennstoffe brauchen? Ist dann das Ziel von 300 % überhaupt noch realistisch?

Wir sehen noch einen Punkt sehr kritisch: Der Emissionshandel führt nicht zu einer Reduktion der CO2-Einspeisung, im Gegenteil: Die von uns allen begrüßte Energiewende führt nur dazu, dass auf dem Markt ein Überschuss an preisgünstigen CO2Zertifikaten existiert. Derzeit kostet ein Zertifikat 5,09 €. Glauben Sie wirklich, dass dies ein Anreiz für die CO2-intensive Industrie ist, den Ausstoß zu reduzieren? Uns fehlt dieser Glaube vollständig.

(Beifall PIRATEN)

Ein Wort zu Europa: Auch das Europäische Parlament hat es versäumt, dieses Instrument zu optimieren. Statt dem Markt jährlich 4,7 % der Zertifikate zu entziehen, einigten sich die Parlamentarier auf einen Wert von nur 2,2 %. So ist der Emissionshandel ein klimapolitischer Ablasshandel und weit davon entfernt, eine europaweite Energieunion auf den Weg zu bringen.

Dieses Vorhaben sollte nicht durch den massiven und rücksichtslosen Ausbau der Windkraft forciert werden. Wir sehen Optimierungspotenzial und erwarten, dass die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger nicht nur angehört und wahrgenommen, sondern auch umgesetzt und berücksichtigt werden.

Wir werden dem Gesetzentwurf aufgrund der kritischen Punkte nicht zustimmen, sondern uns enthalten. Bei der Verlängerung des Moratoriums haben Sie hingegen unsere volle Unterstützung. - Danke für die Aufmerksamkeit.