Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung auch gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig.
Für die Berichterstattung erteile ich der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Frau Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. September 2016 gilt in Schleswig-Holstein das Landesstrafvollzugsgesetz. Dies ist die Grundlage für unsere JVA-Bediensteten, wie die eingehende Post zu kontrollieren ist. Das Landesstrafvollzugsgesetz beinhaltet im Vergleich zu dem bis dahin gültigen Bundesstrafvollzugsgesetz einige Änderungen. Nach § 29 des Bundesstrafvollzugsgesetzes war es erlaubt, eingehende Post in der Regel zu kontrollieren. Verteidigerpost war hiervon ausgenommen.
Da der frühere § 29 mit Kontrolle sowohl eine Sichtkontrolle meinte, also die Absuche von verbotenen Gegenständen, als auch eine Kontrolle des textlichen Inhalts von Schreiben, gingen in der Rechtsprechung die Meinungen darüber auseinander, in welchem Ausmaß Verteidigerpost kontrolliert werden durfte. Zudem gab es Meinungsverschiedenheiten über die Abgrenzung zu den Regeln der Strafprozessordnung. Auch hier war vieles umstritten. Daher hat sich der Landesgesetzgeber - also Sie, meine Damen und Herren - nach der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder für eine klarere gesetzliche Regelung entschieden.
Die Sichtkontrolle im § 49 des Landesstrafvollzugsgesetzes und die inhaltliche, also die textliche Kontrolle im § 50 des Landesstrafvollzugsgesetzes werden nunmehr ausdrücklich getrennt voneinander geregelt. Diese Regelungen orientieren sich an dem Musterentwurf der zehn Länder zur Regelung des Strafvollzugs. Staatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer hat im Innen- und Rechtsausschuss zur Auslegung dieser beiden Paragrafen bereits ausführlich Stellung genommen. Das werde ich jetzt nicht wiederholen.
Alle eingehenden Schreiben werden einer Sichtkontrolle unterzogen, sei es durch Abtasten, Durchleuchten oder Öffnen im Beisein der Gefangenen. Anders als bei der Textkontrolle nach § 50 sieht § 49 für die bloße Sichtkontrolle keine Ausnahmen für bestimmte Gruppen von Absendern vor. Art und Umfang der Sichtkontrolle, insbesondere ob der Brief geschlossen oder offen geprüft wird, sind durch § 49 nicht näher bestimmt. Hierfür können im Einzelfall viele Aspekte eine Rolle spielen: die Identität des Absenders, eventuell vorliegende Warnungen, Hinweise oder Erkenntnisse aus vorhergehenden Haftraumrevisionen, die konkrete Ausgestaltung der Briefsendung und so weiter.
Meine Damen und Herren, nicht nur die Juristinnen und Juristen unter Ihnen wissen, was unter einer verhältnismäßigen Ausübung der Ermessensentscheidung zu verstehen ist und wie viele unterschiedliche Dinge dabei jeweils zu berücksichtigen sind.
Sehr geehrter Herr Abgeordneter Breyer, entgegen Ihrer Behauptung in der besagten Ausschusssitzung haben weder Sie noch andere Fraktionen im damaligen Gesetzgebungsverfahren Änderungsanträge zum § 49 des Landesstrafvollzugsgesetzes gestellt.
Nein, bitte nicht. - Ich möchte daher die Worte meines Staatssekretärs wiederholen und klarstellen: Verteidigerpost wird nicht generell und anlasslos geöffnet. Jedes Schreiben wird zunächst geschlossen kontrolliert und nur bei konkreten Anhaltspunkten für verbotene Einlagen im Beisein des Gefangenen geöffnet. Die Anwesenheit des Gefangenen soll gerade gewährleisten, dass der mögliche Verdacht, diese sensible Post würde durch Bedienstete gele
sen, von vornherein ausgeräumt wird. Das ist ja auch etwas, was nicht behauptet worden ist. Gerade bei Verteidigerpost ist das Öffnen die Ausnahme. Das hat Staatssekretär Dr. Schmidt-Elsaeßer bereits ausdrücklich so dargestellt, und dies haben die Justizvollzugsanstalten noch einmal bestätigt.
Ganz deutlich möchte ich ergänzen: Keinesfalls werden diese Brief gelesen. Dies gilt sowohl für die Verteidigerpost als auch für die Post von Mandatsträgern. § 50 Landesstrafvollzugsgesetz ist da ganz eindeutig, und daran halten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der JVAs natürlich auch.
Wie bei dieser Sachlage der Herr Abgeordnete Dudda in seiner Pressemitteilung von der Schaffung eines rechtsfreien Raumes sprechen kann, leuchtet mir nicht ein. Ich erwarte in diesem Zusammenhang, das muss ich auch noch einmal sagen, eine Entschuldigung für die herabwürdigenden Bemerkungen, die in dieser Pressemitteilung über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im allgemeinen Vollzugsdienst gemacht wurden.
Zu der weitergehenden Frage, in welchen Fällen Verteidigerpost wie kontrolliert wurde, lieber Herr Kollege Kubicki, führen wir keine Statistik.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber eine weitere Ergänzung machen. Sowohl nach alter bundesweiter Rechtlage des § 29 und der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung wie auch nach jetziger Rechtslage war und ist es erlaubt, bei sogenannten Haftraumrevisionen auch solche Umschläge, die als Verteidigerpost gekennzeichnet sind, einer Sichtkontrolle zu unterziehen. Es versteht sich für mich von selbst, dass es nicht ins Belieben des einzelnen Strafgefangenen gestellt sein kann, Gegenstände in seinem Haftraum einer Kontrolle zu entziehen, indem er sie mit der Aufschrift „Verteidigerpost“ oder Ähnliches kennzeichnet oder indem er alte Umschläge von Verteidigerpost gewissermaßen zum Safe für die Lagerung unerlaubter Gegenstände umfunktioniert. Es braucht in diesen Fällen die Möglichkeit einer Sichtkontrolle immer - ich habe es mehrfach betont - im Beisein des Gefangenen, ob sich in dem Umschlag verbotene Gegenstände wie Handys, SIMKarten, Geld, Waffen oder Drogen befinden.
Meine Damen und Herren, die Arbeit in unseren Justizvollzugsanstalten ist anspruchsvoll, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gut ausgebil
det. Sie können ihre Arbeit aber nicht durchführen, wenn rechtmäßiges Verhalten zum Skandal erklärt wird; denn das ist unverantwortlich und verunsichert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, erst recht, wenn es ohne Kenntnis oder ohne fundierte Bewertung der Fakten geschieht, so wie es zuletzt auch bei dem Thema Einschluss der Fall war. Darum erlauben Sie mir zuletzt noch einmal zu erwähnen, dass das OLG Schleswig gestern entschieden hat, dass die bisherige Handhabung der Einschlüsse auf der Station G1 der JVA Lübeck rechtmäßig ist und den Vorgaben entspricht. Es entspricht den Vorgaben der §§ 12 und 13 des Landesstrafvollzugsgesetzes. Also auch hier, meine Damen und Herren, gibt es keinen Skandal.
Aber dennoch ist in den letzten Wochen jede Menge Theaterdonner losgelassen worden. Darum als Letztes: Verantwortungsbewusste Politik geht anders, und verantwortungsbewusste Politik sind wir, meine Damen und Herren, dem Strafvollzug schuldig. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Die Ministerin hat die vereinbarte Redezeit um gut 2 Minuten überzogen. Wir werden daher jetzt die Redezeiten auf 7 Minuten einstellen. Bevor ich Ihnen das Wort erteile, Herr Kubicki, möchte ich darauf hinweisen, dass mir mitgeteilt wurde, dass die Kollegen von der SPD-Fraktion und die Abgeordneten des SSW ihre Reden zu Protokoll geben werden.
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich meine Rede nicht zu Protokoll gebe, weil ich keine schriftliche vorliegen habe, sondern erst den Bericht abwarten wollte. Ich denke, dass es wichtig ist, einige Punkte hier im Plenum darzustellen, denn die Ausführungen der Ministerin machen doch etwas besorgt, insbesondere die Ausführungen des Staatssekretärs Schmidt-Elsaeßer im Innen- und Rechtsausschuss, den ich sonst persönlich sehr schätze und den man vielleicht auf die geltende Rechtslage und auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung hinweisen muss, dass das, was in der JVA Lübeck passiert ist, verfassungs- und
Ich bin froh, dass mich Kollegen von mir aus der Strafverteidigung darüber unterrichtet haben, dass es mehrfach, nicht nur in der JVA Lübeck, sondern landesweit vorkommt, dass ohne konkreten Anlass Verteidigerpost geöffnet wird und dass es mehrfach vorgekommen ist, dass sogar Briefe von Abgeordneten geöffnet wurden. Ich will auf die Rechtslage hinweisen.
Denn, Frau Ministerin, im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen ist die Sichtkontrolle grundsätzlich untersagt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2011 - Aktenzeichen 2 BvR 979/10 - ausdrücklich auf die Sichtkontrolle abgehoben und ab Randnummer 22 ausdrücklich ausgeführt, dass die Sichtkontrolle grundsätzlich untersagt ist, es sei denn, es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass mit dem Schreiben verbotene Gegenstände in die Anstalt eingeschmuggelt werden sollen.
Jetzt stellt sich für uns die spannende Frage - Frau Ministerin und Herr Staatssekretär, das gilt nicht nur für Verteidigerpost, sondern das gilt auch für die Schreiben von Abgeordneten, des Petitionsausschusses oder des Bundesverfassungsgerichts -, welche konkreten Anhaltspunkte bestanden, in einem kleinen DIN-A4-Umschlag festzustellen, ob darin verbotene Gegenstände wie Handys, Waffen was auch immer - eingeschmuggelt werden sollten. Ist das durch Abtasten erfolgt, ja oder nein? Was war die Feststellung dieser Veranlassung, um dann zu dem Ergebnis zu kommen, es war zulässig, die Geschichte in Anwesenheit des jeweils Betroffenen zu öffnen?
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2003 im Übrigen Folgendes erklärt:
„Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit eine Verletzung des Brief- und Postgeheimnisses,“
„kann allerdings auch bei einer zulässigerweise angeordneten Überwachung darin liegen, dass die konkrete Durchführung in ihrem eingreifenden Gehalt über das notwendige Maß hinausgeht.“
Deshalb ist auch hier die Frage: Was war der Anlass, die Post des Kollegen Dudda zu öffnen? Was war der Anlass, meine Post zu öffnen, und zwar
zweimal, wie ich von den Gefangenen mitbekommen habe? Und noch einmal: Wir werden ja sehen, wie die gerichtlichen Entscheidungen ausfallen, die zu treffen sind. Ohne konkreten Anlass, ohne dass jemand gefühlt hat, dass überhaupt etwas drin ist, was nicht hineingehört, ist es - noch einmal grundsätzlich unzulässig und durch das Strafvollzugsgesetz des Landes Schleswig-Holstein auch nicht gedeckt; denn auch diese Normen müssen verfassungsgemäß ausgelegt werden und dürfen nicht als Begründung dafür dienen, anlasslose Sichtkontrollen von fast allen Schreiben vorzunehmen.
Ich will zum Schluss noch einmal darauf hinweisen, weil das auch wichtig ist - Sie haben ja bisher von der Rechtsprechung geredet -, dass sowohl das Kammergericht Berlin - 2 Ws 300/13 vom 31. Juli 2013 - als auch das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 17. November 2010 - 2 Ws 423/10 ich empfehle vielleicht auch einmal dem Justizministerium die Lektüre - ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass bei dem Öffnen von Verteidigerpost, von Post von Abgeordneten, des Bundesverfassungsgerichts und anderen eine äußerste Zurückhaltung an den Tag zu legen ist und dass, ohne dass Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt vorliegen, eine Öffnung unzulässig ist und deshalb mit der Norm nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Ich wäre dankbar, wenn wir keine Schattendiskussion führten; denn noch einmal: Kleine DIN-A4-Umschläge zum Einschmuggeln von Handys zu benutzen, ist schon absurd.
- Dann müssen Sie aber jeden Brief öffnen, und das wäre unverhältnismäßig. Diese Überlegung, es könnte eine SIM-Karte drin sein, daher müssen wir Sichtkontrollen durchführen, weil das die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet, ist so was von absurd. In einem Land, das sich - wie wir rühmt, eines der modernsten Strafvollzugsgesetze zu haben, hinter die bisherigen Regelungen des Bundesstrafvollzugsgesetzes zurückzufallen, ist ja geradezu absurd. Der politische Wille war doch nicht, dass wir die verfassungsmäßigen Rechte der Strafgefangenen weiter beeinträchtigen, sondern dass wir sie im Zweifel ausbauen. Wenn ich jetzt höre, dass diese Koalition dahintersteht, Herr Kollege Rother, dass man solche Eingriffe, die bisher unzulässig waren, auf der Grundlage eines modernen Strafvollzugsgesetzes machen darf, dann haben Sie wirklich komplett auf der ganzen Linie versagt.
Dann will ich einmal wissen, was meine Freunde von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, insbesondere der Kollege Peters, dazu sagen. Noch einmal: Das Verhalten in Lübeck war rechtswidrig, und das wird durch Gerichte auch festgestellt werden. Herzlichen Dank.
Die Kollegin Ostmeier hat deutlich gemacht, dass auch sie ihre Rede zu Protokoll geben wird. - Deshalb erteile ich jetzt für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Abgeordneten Burkhard Peters das Wort.
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal vielen Dank, liebe Anke Spoorendonk, für den Bericht; er hat ja einiges klargestellt, vor allen Dingen: Die JVAs müssen ein- und ausgehende Post kontrollieren dürfen. Das ist völlig richtig so und wird auch in diesem Haus wahrscheinlich nicht bestritten.
Wir wollen Sicherheit in unseren Justizvollzugsanstalten. Deshalb heißt es in § 49 Absatz 2 unseres Landesstrafvollzugsgesetzes kurz und eindeutig:
Und das unter der Normüberschrift „Sichtkontrolle“, ich wiederhole: „Sichtkontrolle“. Diese Formulierung entspricht dem Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz, den zehn Bundesländer im Jahr 2011 erarbeitet haben. Gegen diese Regelung hat sich niemand im Rahmen der umfangreichen Anhörung zu unserem Landesstrafvollzugsgesetz ausgesprochen, auch die Schleswig-Holsteinische Strafverteidigervereinigung nicht. Genauso wenig gab es dazu irgendwelche Änderungsanträge, weder von den PIRATEN noch von der FDP-Fraktion noch von sonst jemandem.