Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 41., außerordentliche, Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich heute gleich zwei Abgeordneten herzlich zum Geburtstag gratulieren: der Kollegin Anita Klahn und dem Kollegen Ole-Christopher Plambeck. Beiden herzlichen Glückwunsch und alles Gute!
- Wenn die Verabredungen zur Geburtstagsparty erledigt sind, können wir mit unserer Sitzung beginnen. Ich habe Ihnen die im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnungspunkte 1 und 2 gemeinsam zu beraten. Weitere Tagesordnungspunkte liegen nicht vor. Wir werden heute ohne Mittagspause bis circa 13 Uhr tagen. Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Ich begrüße die vier Besucher auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
a) Regierungserklärung zu „Aktuelle Herausforderungen meistern - Perspektiven für den Frühling schaffen“
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich erteile für die Landesregierung dem Ministerpräsidenten, Daniel Günther, das Wort.
Herr Landtagspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hatten wir eine Ministerpräsidentenkonferenz. Ich bedanke mich an dieser Stelle zuerst bei den Fraktionsvorsitzenden der Opposition für das Verständnis dafür, dass wir entgegen den sonstigen Gepflogenheiten die Regierungserklärung vorher nicht im Wortlaut zur Verfügung gestellt haben. Ich räume ein: Die Zeit war ein bisschen knapp. Wir haben gestern, wie Sie gesehen haben, über sieben Stunden getagt. Ich habe Sie gestern Abend über die Ergebnisse informiert und Ihnen heute Morgen zumindest die wesentlichen Stichworte meiner Rede noch zur Verfügung gestellt, damit Sie ungefähr wissen, was auf Sie zukommt.
Ich weiß, dass das alles nicht selbstverständlich ist. Wir haben eigentlich andere Gepflogenheiten. Uns gemeinsam war es aber wichtig, dass wir so schnell wie möglich auch im Parlament über die Beschlüsse beraten und unsere Konsequenzen daraus ziehen. Trotz alledem meinen Dank für das Verständnis für dieses Verfahren.
Wir hätten uns etwas anderes als eine vorgezogene Ministerpräsidentinnen- und Ministerpräsidentenkonferenz gewünscht. Ich nehme mich selbst davon nicht aus, dass es mir wie vielen in unserem Land so geht, dass man in dieser Pandemie immer wieder Frusterlebnisse hat, weil man glaubt, man kann bestimmte Pfade einschlagen und bestimmte Perspektiven aufzeigen. Immer wieder kommt aber etwas Neues, womit man nicht gerechnet hat.
Jetzt ist es die Virusmutation. Ich räume offen ein: Der Grund für die vorgezogene Ministerpräsidentenkonferenz war nicht etwa eine Entwicklung von Fallzahlen, die uns überrascht hätte, sondern in der Tat einzig die Frage: Was kann diese Mutation für
unser Land bedeuten, was kann uns das für Schwierigkeiten bereiten? - Ich bitte alle um Verständnis, die andere Hoffnungen hatten. Es wäre nicht darstellbar gewesen. Deswegen sage ich: In diesen Zeiten ist es wichtig, vorsichtig zu bleiben und die Lage zu analysieren. Dieser Weg war bisher richtig und bleibt auch für die Zukunft richtig.
Gucken wir uns die Lage in den Ländern an, die von dieser Mutation besonders betroffen sind, zum Beispiel Großbritannien und Irland: Dort sind innerhalb von Wochen die Inzidenzen auf bis zu 1.000 hochgegangen. Daher müssen wir aufpassen, dass wir nicht in eine solche Lage geraten. Gucken wir uns die Lage bei uns in Schleswig-Holstein an: Auch bei uns gibt es in Rendsburg, Flensburg, im Kreis Pinneberg und in Dithmarschen Verdachtsfälle oder bestätigte Fälle. Daher war die eindringliche Empfehlung auch unserer Expertinnen und Experten: kein Grund zur Panik - das will ich deutlich sagen -, aber Grund, extrem vorsichtig zu sein und unser Land bestmöglich vor dieser Situation zu bewahren! - Das werden wir tun; darauf können die Menschen in Schleswig-Holstein sich verlassen.
Ich betone an dieser Stelle trotzdem, dass es für mich nach der Ministerpräsidentenkonferenz einen ebenfalls extrem wichtigen Punkt gegeben hat, und zwar die Frage: Können wir den Menschen wieder Perspektiven geben? - Es geht um einen Stufenplan; Herr Stegner, Sie nennen es Ampel. Der Begriff ist am Ende egal, aber uns eint, dass wir den Menschen wieder verlässliche Perspektiven geben wollen.
Was passiert eigentlich, wenn wir bestimmte Inzidenzwerte unterschreiten? Hätte ich im Moment einen Friseursalon in Schleswig-Holstein - ich habe keinen
dann hätte auch ich keinen Anhaltspunkt, wann ich wieder die Möglichkeit hätte, Frau Midyatli zu einer vernünftigen Frisur zu verhelfen.
Ich sage an der Stelle deutlich: Natürlich ist ein Perspektivplan mit Risiken verbunden, aber in dieser Phase, in der wir Menschen mitnehmen und überzeugen müssen, ist es unfassbar wichtig, dass die Menschen eine Perspektive haben, dass sie wissen, worauf sie hinarbeiten müssen, um entsprechende Öffnungsschritte zu erleben. Deswegen bin ich extrem stolz darauf, dass unsere aus SchleswigHolstein kommende Idee für einen solchen Perspektivplan gestern beschlossen worden ist. Ich weiß, das ist erst einmal eine Arbeitsgruppe, aber diese Arbeitsgruppe hat einen ganz klaren Auftrag. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz haben wir einen Perspektivplan und einen Stufenplan. Das ist ein großartiger Erfolg dieser Ministerpräsidentenkonferenz, meine Damen und Herren.
Damit ist aber kein Automatismus verbunden, denn - seien wir ehrlich miteinander - selbst wenn wir im Moment in Schleswig-Holstein ein Ampelsystem hätten, stünden im Moment noch alle Ampeln auf Rot. Deswegen ist es wichtig, dass wir für die Zukunft Perspektiven aufzeigen.
Wenn man uns fragt, warum wir im Moment so vorsichtig sind, dann will ich allen sagen: Was sind denn eigentlich unsere Pläne? - Wir wollen im Frühling, nach Ostern, möglichst Schritte in die Normalität ermöglichen. Viele erinnern sich an das letzte Jahr. Sie erinnern sich an den Mai, als die Inzidenzen deutlich niedriger waren. Ich sage aber sehr deutlich: Das ist mitnichten eine Selbstverständlichkeit. Zu glauben, das Wetter wird dann besser und die Inzidenzen gehen automatisch nach unten, ist trügerisch. Das wird nicht passieren. Der Grund dafür, dass die Zahlen so niedrig waren, lag in dem Lockdown im letzten Jahr. Durch die Effekte des schöneren Wetters und dadurch, dass die Menschen mehr draußen waren, sind keine Neuinfektionen entstanden. Deswegen muss unser absolutes Ziel in der nächsten Zeit sein, nie die Kontrolle zu verlieren und nie in eine solche Situation wie in Sachsen zu geraten.
Ich spreche offen aus: Wir alle wissen, was wir in den letzten Wochen allein schon beim Thema Impfen und den damit zusammenhängenden Problemen aushalten mussten. Entstehen Probleme wie in Sachsen, sodass Menschen sich Sorgen machen, frage ich: Was glauben Sie, was in diesem Land los war, als die Zahlen hochgingen, die Krankenhäuser immer stärker überlastet waren und es nicht mehr möglich war, der Lage Herr zu werden? - Unser aller Ziel muss sein, vorsichtig zu bleiben, die Zahlen
niedrig zu halten und immer mit Augenmaß zu arbeiten, um wirklich in die Lage zu kommen, dass die Zahlen an Ostern so niedrig sind, dass wir echte Öffnungsschritte machen. Das ist unsere Zielsetzung. Ich bitte Sie bei diesem Weg herzlich um Ihre Unterstützung.
(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Jörg Nobis [AfD]: Das ha- ben wir schon so häufig gehört!)
Wie kommen wir dahin, und was sind die Risiken? Ein Risiko ist die Mutation. Ich hoffe, dass wir Anfang Februar verlässlichere und klarere Zahlen haben werden, um die Situation besser beurteilen zu können. Ich sage aber auch: Das größte Risiko, das wir auf der Wegstrecke haben, ist, dass die Akzeptanz der Menschen nachlässt und dass Menschen die Regeln nicht mehr einhalten. Deswegen sage ich an der Stelle ausdrücklich - das ist auch eine wichtige Erkenntnis der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz -: Wir dürfen bei unseren Maßnahmen Maß und Mitte nicht verlieren.
Ich bin froh darüber, dass bei diesem Beschluss das Wort Ausgangssperren nicht einmal im Beschlusstext steht. Ich hätte diese für Schleswig-Holstein ohnehin für falsch gehalten. Ich will nicht mit erhobenem Zeigefinger herumlaufen und auf andere Länder zeigen, die dieses Instrument nutzen, denn ich glaube, wir müssen miteinander feststellen: Wenn die Inzidenzen in eine unermessliche Höhe wachsen, dann werden auch wir über Maßnahmen beraten, die härter als all das sind, was wir im Moment beschlossen haben.
Ich glaube aber: Wenn wir immer mehr an der Schraube drehen, wenn wir den Menschen immer mehr Freiheiten nehmen und nicht mehr darauf achten, dass unsere Maßnahmen zielgerichtet sind, um Neuinfektionen zu verhindern, werden wir Akzeptanz verlieren. Ich glaube, der Grund dafür, warum die Infektionszahlen mancherorts hochgehen, liegt nicht darin, was wir beschlossen haben, sondern darin, dass Menschen sich nicht an Regeln halten. Deswegen muss unser aller Interesse sein, das Regelwerk klar verständlich zu machen, aber nicht zu überdrehen. Dann machen die Menschen in Schleswig-Holstein so gut mit, wie sie es bisher getan haben. Ich bitte Sie herzlich darum, diesen Weg zu unterstützen, meine Damen und Herren.