Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind beurlaubt Minister Albrecht und Minister Dr. Buchholz. Die Abgeordneten Dr. Bohn und Ostmeier haben nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert sind.
Gestern Nachmittag haben wir die Nachricht erhalten, dass unser ehemaliger Abgeordnetenkollege Konrad Nabel verstorben ist. Zu Beginn dieser Sitzung wollen wir uns gemeinsam an ihn erinnern.
Konrad Nabel wurde am 23. Juli 1950 im heute zu Wolfenbüttel gehörenden Fümmelse geboren. Nach seinem Zivildienst und dem Studium der Erziehungswissenschaften und der Soziologie in Hamburg war er als Haupt- und Realschullehrer in Ahrensburg und Bargteheide tätig. Konrad Nabel war ein durch und durch politischer Mensch, der sich bereits früh engagierte, ab 1966 bei den Jungsozialisten, später dann in der SPD, der er mehr als 50 Jahre angehörte. Über Jahrzehnte hinweg gestaltete er die politische Arbeit der SPD im Kreis Stormarn, insbesondere die seines Ortsvereins Ahrensburg, dessen Vorsitzender er über viele Jahre war.
1987 zog Konrad Nabel erstmals in den SchleswigHolsteinischen Landtag ein, zunächst für ein knappes halbes Jahr als Nachrücker für den ausgeschiedenen späteren Landrat des Kreises Pinneberg, Berend Harms. Bei der Landtagswahl 1988 wurde Konrad Nabel erneut Mitglied des Landtages, dieses Mal als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Ahrensburg. In den nun folgenden 21 Jahren seiner Parlamentszugehörigkeit von 1988 bis zum Ende der 16. Wahlperiode am 27. Oktober 2009 gehörte Konrad Nabel dem Eingabenausschuss und dem Sozialausschuss an. In der 14. und 15. Wahlperiode war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.
Für seine parlamentarische Arbeit und auch für ihn ganz persönlich prägend war jedoch sein Wirken im
Umwelt- beziehungsweise im Umwelt- und Agrarausschuss. Konrad Nabel war, das bleibt festzuhalten, über viele Jahre das Gesicht sozialdemokratischer Umweltpolitik in Schleswig-Holstein, ein entschiedener und furchtloser Streiter für den so wichtigen Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, die Artenvielfalt und für soziale Gerechtigkeit. Konrad Nabel scheute, wo nötig, niemals davor zurück, um der guten Sache willen den Konflikt zu suchen, mit der politischen Konkurrenz, aber auch innerhalb der Koalition oder im eigenen Lager. Dies war die logische Konsequenz für einen Menschen, der auch in stürmischen Zeiten aufrecht, ja, unbeugsam blieb.
Das Motto der Schleswig-Holsteinischen SPD „links, dickschädelig und frei“ entsprach voll und ganz der Lebenseinstellung Konrad Nabels, der Bestehendes immer wieder hinterfragte, der auf Veränderungen und Modernisierung drängte und stets ungeduldig zum Aufbruch in die Zukunft aufforderte. Das bleibende Vermächtnis Konrad Nabels, der auch Vorstandsvorsitzender der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein war, blüht und gedeiht heute im wahrsten Sinne des Wortes an vielen Stellen unseres Landes, nicht nur auf dem Stiftungsland, sondern auch überall da, wo seit Jahren ein moderner und erfolgreicher Naturschutz und Artenschutz gelingt.
Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um Konrad Nabel und ist dankbar für die von ihm geleistete Arbeit. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere Anteilnahme gilt seinen Angehörigen, insbesondere seiner Frau und seinen Töchtern. Ich bitte Sie, einen Moment innezuhalten im Gedenken an den früheren Abgeordneten Konrad Nabel. - Sie haben sich zu Ehren Konrad Nabels erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, bevor wir wieder in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Minister und Abgeordneten Claus Christian Claussen herzlich zum Geburtstag gratulieren und ihm alles Gute für das neue Lebensjahr wünschen.
Ferner möchte ich Ihnen mitteilen, dass der Europaausschuss mit der Drucksache 19/2895 eine Beschlussempfehlung zum Thema „Ökologische und soziale Nachhaltigkeit als Fundament bei der Mittelvergabe aus den EU-Fonds zur Bewältigung der Pandemie- und der Klimakrise“ mit der Bitte um Beratung noch in dieser Tagung vorgelegt hat. Ich schlage Ihnen daher vor, die Ausschussempfehlung
als Punkt 41 A in die Tagesordnung einzureihen und heute gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 9, 36, 39 und 46, Europabericht und europapolitische Anträge, aufzurufen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
a) Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2558
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2790
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Da sowohl der Vorsitzende als auch die stellvertretende Vorsitzende gerade nicht anwesend sind, darf ich als Dienstältester im Ausschuss den Bericht vortragen.
Zum Gesetzentwurf zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften hat der Innen- und Rechtsausschuss schriftliche Stellungnahmen angefordert. Ein interfraktioneller Änderungsantrag wurde beraten und einstimmig angenommen.
Nach der Beschlussfassung des Ausschusses ist ein redaktioneller Fehler im Änderungsantrag aufgefallen und bei der Erstellung der Beschlussempfehlung, Drucksache 19/2859 (neu), berichtigt worden. Unter Artikel 4 muss der neu eingefügte fünfte Satz des Absatzes 2 a) beginnen mit:
Zum Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung hat der Ausschuss schriftliche Stellungnahmen angefordert und eine mündliche Anhörung durchgeführt. Auf der Grundlage der wertvollen Anregungen der Sachverständigen wurde dann ein interfraktioneller Änderungsantrag erarbeitet und einstimmig angenommen. Dieser Änderungsantrag hat die Bestimmung zum Notausschuss vollkommen neu gefasst, wie Sie an der Synopse in der Beschlussempfehlung sehen können.
Da der ursprüngliche Gesetzentwurf keine Begründung enthielt, wurde die Begründung für diese Neufassung in den Bericht an das Plenum aufgenommen und liegt Ihnen nun in der Drucksache 19/2777 vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Stellen Sie sich einmal einen Augenblick lang vor, die Notkredite in Milliardenhöhe hätten im letzten Jahr vom Landtag nicht bewilligt werden können. Welche schwerwiegenden Folgen hätte das für alle Betroffenen gehabt? Und überlegen Sie einmal, was es für die kruden Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern bedeutet hätte, wenn das Ammenmärchen einer Coronadiktatur nicht durch die Debatten und Beschlüsse dieses Parlaments widerlegt worden wäre. Schon allein an diesen beiden Fragen merken Sie sofort, wie wichtig es ist, die Handlungsfähigkeit dieses Landtages zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren, deshalb haben sich alle Fraktionen dieses Hohen Hauses gemeinsam auf den Weg gemacht, um mit einer Verfassungsänderung und mit einer Änderung des Landeswahlgesetzes die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu jedem Zeitpunkt sicherzustellen. Kein Virus, keine Naturkatastrophe und keine andere Notlage gleich, welcher Art - dürfen jemals dazu führen, dass dieses Parlament daran gehindert ist, die not
Dabei stellte sich sofort - schon im März letzten Jahres - die Frage der Beschlussfähigkeit des Landtags. Laut unserer Verfassung ist der Landtag nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Was also, wenn durch Erkrankungen oder Quarantänemaßnahmen diese Zahl unterschritten wird und der Landtag somit nicht beschlussfähig ist, aber unaufschiebbare Entscheidungen getroffen werden müssen? Die Antwort auf diese Frage ist der nun in zweiter Lesung vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung.
Nicht in Betracht kam dabei eine - auf den ersten Blick vielleicht naheliegende - Absenkung der Beschlussfähigkeitsgrenze. Die Folge davon wäre nämlich die Möglichkeit von Zufallsmehrheiten gewesen, und das kann wirklich niemand wollen, erst recht nicht mitten in einer Krise. Die Lösung hierfür ist die Einführung eines Notausschusses, der unter ganz bestimmten Voraussetzungen die Funktion des Landtags vorübergehend übernehmen kann. Wie bei allen Ausschüssen des Landtages, so erfolgt auch bei dem Notausschuss die Zusammensetzung spiegelbildlich zu den Mehrheitsverhältnissen im Landtag. Zusammen mit den für Ausschüsse geltenden Vertretungsmöglichkeiten ist damit die Gefahr eines Zustandekommens von Zufallsmehrheiten gebannt.
Dafür taucht mit der geringen Anzahl von nur elf Abgeordneten eines Ausschusses gleich das nächste Problem auf. Eine solch deutliche Absenkung der stimmberechtigen Abgeordneten erscheint bei einer möglicherweise nur geringfügigen Unterschreitung der Beschlussfähigkeitsgrenze von derzeit 37 Abgeordneten nicht angemessen. Deshalb ist die Größe des Notausschusses als atmendes System konzipiert. Die Anzahl der stimmenberechtigten Abgeordneten ist in Abhängigkeit von der Anzahl der anwesenden Mitglieder des Landtags erhöhbar, wobei allerdings sichergestellt sein muss, dass die Mehrheitsverhältnisse jeweils spiegelbildlich zum Landtag dargestellt werden.
Meine Damen und Herren, neben diesen beiden skizzierten Regelungsproblemen gab es eine ganze Reihe weiterer höchst schwieriger Fragestellungen zu klären, angefangen bei der Definition der Notlage über die Kompetenzen eines Notausschusses bis hin zu der Bestätigung der Beschlüsse des Notausschusses, sobald der Landtag wieder in normaler Besetzung zusammentritt. Wir haben außerdem dafür Sorge getragen, dass jeder einzelne Abgeordne
te, der sich für die Einberufung des Notausschusses möglicherweise in seinen Rechten verletzt fühlt, die Rechtmäßigkeit des Zusammentretens des Notausschusses durch einen Antrag beim Landesverfassungsgericht überprüfen kann, bevor die Beschlüsse des Notausschusses in Kraft treten. Gemeinsam mit der umfassenden Wahrung der Antrags-, Frage- und Äußerungsrechte aller Abgeordneten im Notausschuss, also auch derjenigen, die nicht im Notausschuss sind, wird so den Statusrechten aller Abgeordneten umfassend Rechnung getragen.
Schließlich gab es noch die Anregung aus der Anhörung, quasi als milderes Mittel vor Einberufung des Notausschusses digitale Möglichkeiten zu nutzen, um die Beschlussfähigkeit des Landtags herzustellen. Auch diesen Hinweis haben wir aufgegriffen, indem hybride Sitzungen mit einer Onlinezuschaltung von abwesenden Abgeordneten ermöglicht werden. Allerdings sind wir uns auch darüber bewusst, dass die technischen Möglichkeiten für eine rechtssichere, geheime Stimmabgabe derzeit noch nicht gegeben sind.
Es handelt sich also eher um eine Option für die Zukunft als um eine schon morgen umsetzbare praktische Möglichkeit. Ich will außerdem betonen, dass aus Sicht meiner Fraktion ein solches Digitalformat nur im Ausnahmefall einer Notlage in Betracht kommt. In allen anderen Fällen ist die Debatte hier im Plenum von Angesicht zu Angesicht unverzichtbarer Bestandteil unserer parlamentarischen Demokratie. Sie kann deshalb auch nicht durch eine Videokonferenz oder einen Onlinechatroom ersetzt werden.
Meine Damen und Herren, diese Verfassungsbestimmungen für den abstrakten Fall einer Notlage so zu formulieren, dass sie sich im Fall der Fälle als belastbar und anwendbar erweisen, war alles andere als trivial. Das waren schwierige Diskussionen, die sich jetzt über ein Jahr hingezogen haben, heute aber zu einem erfolgreichen Abschluss kommen. Dafür sage ich Dank im Namen meiner Fraktion an alle Beteiligten in allen Fraktionen dieses Hauses, die daran mitgewirkt haben, insbesondere aber auch an den Wissenschaftlichen Dienst, der uns hierbei mit Formulierungshilfen und rechtlicher Beratung zur Seite stand.