Meine Damen und Herren! Ich eröffne unsere heutige Sitzung. Erkrankt sind die Kolleginnen und Kollegen Hauke Göttsch, Sandra Redmann, Kirsten Eickhoff-Weber, Jan Marcus Rossa und Claus Schaffer. Wir wünschen ihnen beste Genesung.
Seitens der Landesregierung wird Ministerin Heinold ab circa 11:30 Uhr aufgrund anderer Verpflichtungen nicht anwesend sein können, und auch Minister Dr. Buchholz ist für die heutige Sitzung entschuldigt. Die Abgeordneten Dirschauer und von Sayn-Wittgenstein haben nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert sind. Der Abgeordnete von Pein hat ebenfalls gemäß § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Nachmittagssitzung verhindert ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider kann in diesem Jahr das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und den Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz nicht in der Form stattfinden, wie es dieser wichtige Tag ganz gewiss verdient hat. Angesichts der aktuellen Entwicklung der Coronapandemie und speziell mit Blick auf die rasante Verbreitung der Omikronvariante haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, die geplante Gedenkfeier, die im Anschluss an die heutige Plenarsitzung geplant war, abzusagen.
Der Landtag ist sich seiner Verantwortung bewusst und leistet seinen Beitrag, das Infektionsgeschehen zu unser aller Schutz weiter einzudämmen. - Dieser Tag, der 27. Januar, ist ein Schicksalsdatum unserer Geschichte, ein Bezugspunkt für all das, was uns als freiheitlich-demokratische Gesellschaft ausmacht. Es ist ein Tag, der uns für alle Zeit ethischmoralische Richtschnur sein wird. Die heutige Form des Gedenkens im Plenum, eines demokratischen Parlaments, ist bereits Ausdruck dieser immerwährenden Verpflichtung, die Millionen von Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des industriell betriebenen Völkermordes nicht zu vergessen und an sie zu erinnern.
Denn, meine Damen und Herren, ein demokratisch gewähltes und den Prinzipien der Menschen- und Grundrechte verpflichtetes Parlament ist der entschiedenste politische und gesellschaftliche Gegenentwurf zu allen Formen der Diktatur und der Unterdrückung von Menschen.
Die Shoa, der millionenfache Mord an Juden, die Ermordung Homosexueller, von Sinti und Roma, von Menschen mit Behinderungen und politisch Andersdenken war menschengemacht und menschenerdacht.
Vor wenigen Tagen war der 80. Jahrestag der sogenannten Wannsee-Konferenz. Damals versammelten sich nicht nur exponierte Vertreter der NSDAP und ihrer verbrecherischen Organisationen, sondern auch Vertreter der deutschen Verwaltung, der Behörden, um den bereits begonnenen Massenmord an Juden und anderen Verfolgten noch systematischer zu gestalten. Es war eine Konferenz von Mördern. Dieses Ereignis, die sogenannte Wannsee-Konferenz, gehört untrennbar zu Auschwitz und den vielen anderen Konzentrationslagern und Haftanstalten der Nazis dazu. Denn an ihr wird in aller Abscheulichkeit deutlich, wie grundlegend, wie berechnend und skrupellos hier im Mantel eines bürokratischen Aktes der Bruch mit allen bisher gültigen Werten und Normen der Zivilisation vollzogen wurde.
Meine Damen und Herren, die Generation der Opfer, die uns heute noch aus erster Hand berichten kann, wird bald für immer verstummen. Die Erinnerungen dieser Menschen weiterzutragen und sie für die künftigen Generationen erfahrbar zu machen, wird deshalb eine immer wichtigere Aufgabe, der wir uns natürlich insbesondere auch als Parlament stellen. Einer von vielen dieser Wege, die Verbrechen der NS-Zeit nicht zu vergessen, ist die Beschäftigung mit dem jüdischen Leben und seiner herausragenden Bedeutung für unsere Kultur und unsere Gesellschaft in seiner Gesamtheit.
Wir haben im vergangenen Jahr an diese 1.700-jährige Geschichte in verschiedenen Veranstaltungen immer wieder erinnert. Zu 1.700 Jahren jüdischer Geschichte in Deutschland gehört ganz entscheidend aber auch die jüdische Gegenwart, nicht nur die Vergangenheit. Seit vielen Jahrzehnten gibt es glücklicherweise wieder jüdisches Leben in Deutschland, auch bei uns in Schleswig-Holstein. Aber ist dieses jüdische Leben im Bewusstsein der Menschen in unserem Leben verankert? Ist es schon im Bewusstsein aller Generationen fest verankert? Ist es eine Selbstverständlichkeit? Ich denke, hier müssen wir sehr selbstkritisch sein.
Die Zeichen eines um sich greifenden Antisemitismus sind nicht allein Warnzeichen, sondern eine direkte Handlungsaufforderung an alle Demokratinnen und Demokraten, ja, an alle Menschen, die auch nur einen Funken Anstand und Feingefühl im Leib haben.
Meine Damen und Herren, es gibt gerade in Schleswig-Holstein gute Beispiele, wie sich vor allem die junge Generation mit sehr viel Engagement in die Erinnerungskultur einbringt. In Neustadt in Holstein etwa erinnert ein Netzwerk aus Schulen, Gedenkinitiativen der Stadt sowie Bürgerinnen und Bürgern vor Ort mit einer Vielzahl von Projekten an die Opfer des Untergangs der „Cap Arcona“ und der „Thielbek“.
Über 7.000 - über 7.000! - KZ-Häftlinge wurden kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs am 3. Mai 1945 von der SS an Bord der beiden Schiffe in der Lübecker Bucht gepfercht und durch von uns Deutschen provozierte Angriffe britischer Flugzeuge, aber auch durch deutsche Mordkommandos an Land ermordet. Dieses Verbrechen fand damals eben nicht hunderte Kilometer entfernt in Vernichtungslagern und Konzentrationslagern Osteuropas statt, sondern buchstäblich vor der eigenen Haustür, mitten in Deutschland, hier bei uns in SchleswigHolstein, sichtbar für die Menschen.
Das Erinnern an die Opfer dieses grausamen Geschehens sollte im Zentrum der diesjährigen Gedenkfeier des Landtags stehen, und sie soll daher auch an dieser Stelle einen ganz besonderen Raum einnehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Energie, die viele Bürgerinnen und Bürger und speziell viele Jugendliche in Neustadt einbringen, um die Erinnerung wachzuhalten, die Gedenklandschaft vor Ort auszubauen und ein neues, zeitgemäßes Gedenkzentrum einzurichten, ist bewundernswert. Ich bin gespannt darauf, Anfang Mai dieses Jahres an den zum Jahrestag in Neustadt geplanten und vom Landtag unterstützten Gedenkinitiativen und -aktivitäten teilzunehmen - möglichst zusammen mit vielen von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Diese Projekte, die in Neustadt und in der Region umgesetzt werden, sind viel mehr als bloße Form des Gedenkens und Erinnerns an die Vergangenheit. Denn gerade die jungen Menschen, die sich - wie in Neustadt - aktiv mit den NS-Verbrechen auseinandersetzen, tun dies ganz bewusst als Menschen der Gegenwart, als aktive Demokratinnen und Demokraten, die die Zukunft gestalten wollen - eine Zukunft ohne Hass, ohne Gewalt, ohne Rassismus, ohne Antisemitismus und ohne Ansätze von Rechtsextremismus.
Viele mittlerweile verstorbene Zeitzeugen der NSVerbrechen haben immer wieder betont, wie wichtig es ihnen ist, dass das Leid nicht vergessen wird und dass vor allem die Lehren aus der Vergangen
heit an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Das ist ein demokratischer Grundauftrag an uns - an uns Parlamentarierinnen und an Parlamentarier und jede Demokratin und jeden Demokraten in diesem Land.
Die Schülerinnen und Schüler und alle an dem Projekt in Neustadt Beteiligten helfen mit, diesen wichtigen Wunsch der letzten Überlebenden des Holocaust zu erfüllen, sie zu ehren und den zahlreichen und namenlosen Opfern ihre Würde zurückzugeben. Das erfüllt mich mit großer Freude und mit tiefer Dankbarkeit. Das macht mich gerade an einem Gedenktag wie heute zuversichtlich: Die demokratischen Kräfte, die Anständigen - hier im Landtag, wie auch in unserer gesamten Gesellschaft - sind stärker als ihre hasserfüllten Gegner und die Verirrten, die es hin und wieder auch in unserer demokratischen Gesellschaft heute noch gibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gedenktag, der 27. Januar, lässt es nicht zu, einfach zur Tagesordnung überzugehen. Wir wollen deshalb innehalten und uns an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern. Dazu bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Wir gedenken der Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.
Wir erinnern uns an all jene, die der totalitären Staatsgewalt zum Opfer fielen, weil sie Juden waren oder Sinti und Roma oder weil sie sich aus religiösen, politischen oder ethischen Beweggründen dem verbrecherischen Treiben und dem Rassenwahn der Nazis widersetzten.
Wir erinnern uns an die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, an die von Deutschen der Willkür und dem Tod preisgegebenen Kriegsgefangenen, an die Opfer der Euthanasie, an Homosexuelle, Deserteure und Angehörige anderer Minderheiten.
Wir gedenken der Millionen Frauen, Männer und Kinder aller Völker, die von Deutschen und ihren Verbündeten ausgegrenzt, entrechtet, gequält und ermordet wurden.
Meine Damen und Herren, gemeinsam stehen wir vor der Aufgabe, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Unser Auftrag ist es, die Mitmenschlichkeit zu schützen und die Würde, aber auch die Rechte eines jeden Menschen zu wahren. Das ist der Auftrag des Grundgesetzes, unserer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, und wir sind diejenigen, die gemeinsam mit den Bürgerinnen und
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nun steigen wir in die Arbeit dieses Parlaments ein. Wir widmen uns der Gegenwart und der demokratischen Erfüllung unserer Aufgaben. Deshalb rufe ich Tagesordnungspunkt 27 auf:
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle zusammen wissen, dass die Lehrkräftegewinnung in den kommenden Jahren die größte Herausforderung in der Bildungspolitik ist. Der Verband Bildung und Erziehung hat mithilfe von Professor Klemm, den wir in Schleswig-Holstein gut kennen, in dieser Woche eine neue Studie veröffentlicht: Deutschlandweit fehlen in den kommenden Jahren über 80.000 Lehrkräfte. - Nach den Zahlen der KMK sind es 13.000 Lehrkräfte.
Aber unabhängig von dieser Diskussion ist heute schon klar, dass es viele weitere Einflussfaktoren gibt. Dazu gehören natürlich die gestiegene Geburtenrate und die Zuwanderung, aber auch viele bildungspolitische Maßnahmen, über die wir diskutieren. Der Ganztag, aber auch unser PerspektivSchulProgramm seien hier genannt. Das findet auch auf Bundesebene Unterstützung; aber für die Umsetzung braucht man zusätzliche Lehrkräfte.
In dieser Legislaturperiode haben wir zahlreiche Maßnahmen für die Lehrkräftegewinnung eingeleitet: Wir haben A 13 für die Grundschule auf den Weg gebracht. Wir haben uns das Thema Gesundheitsmanagement genau angeschaut; denn je mehr Lehrer gesund sind, desto mehr sind auch in der Schule. Wir haben den Vorbereitungsdienst ausgebaut. Noch nie gab es im Vorbereitungsdienst so viele Stellen wie in dieser Legislaturperiode.
Gerade für den ländlichen Raum haben wir viel getan, etwa durch die Einführung einer Zulage für den Vorbereitungsdienst dort. Damit motivieren wir Lehrer, dort tätig zu werden.
Wir haben eine Hotline eingerichtet, bei der jeder, der sich für ein Lehramt interessiert, sofort anrufen und Informationen bekommen kann. Ihm oder ihr werden Wege aufgezeigt, wie er oder sie Lehrer oder Lehrerin wird.
Wir haben Modelle für erste Berufserfahrungen auf den Weg gebracht. Dazu gehören das Freiwillige Pädagogische Jahr, „Teach First“ an Berufsschulen und Hospitationsmöglichkeiten. Zudem haben wir die Studienkapazität ausgebaut.
Ich fasse zusammen: Wir haben in dieser Legislaturperiode schon sehr viel für die Lehrergewinnung getan.
Klar ist aber auch: Diese Maßnahmen allein werden nicht ausreichen. Das wissen wir unter anderem aus dem Lehrkräftebedarfsprognosetool, das wir auf den Weg gebracht haben. Es ist eigentlich ein Skandal, dass wir erst in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal strukturiert und auf wissenschaftlicher Basis diese Zahlen ausgewertet haben und damit wissen, wie viele Lehrkräfte wir in Zukunft brauchen. Auf dieses Thema haben wir als Politik - vielleicht alle zusammen - bisher nicht genau genug geschaut. Das ist aber entscheidend für das, was ansteht.
Der Befund ist einfach: Wir bilden an unseren Hochschulen zu viele Gymnasiallehrer, aber deutlich zu wenig Grund- und Gemeinschaftsschullehrer aus. Zudem haben wir erhebliche zusätzliche Bedarfe - das wissen wir schon lange - an den berufsbildenden Schulen.
Also: Unsere Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen passen nicht mit unseren Bedarfen zusammen. Damit wird offensichtlich, dass unsere heutigen Instrumente für eine Abstimmung zwischen dem Land und den Hochschulen nicht funktionieren. Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen; alle, die sich in den letzten Jahren mit Bildungs- und Hochschulpolitik beschäftigt haben, wissen, dass es hoch politisch ist. Hier geht es um vorhandene Strukturen, die sich aber verändern müssen, und am Ende natürlich auch um Ausbildungsstandorte Stichworte: Kiel und Flensburg. Dieses Thema packen wir jetzt umfassend an.
Ich sage in Richtung SPD: Verlieren Sie sich nicht in Verfahrensfragen! Ja, der Fraktionsantrag zum Hochschulgesetz kam kurzfristig; aber das ist kein
ungewöhnlicher Vorgang. Ich habe mir aus der vergangenen Legislaturperiode berichten lassen, dass die Küstenkoalition mittels Tischvorlagen direkt vor Ausschusssitzungen Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht hat.