Protocol of the Session on April 27, 2022

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.

Nach Mitteilung der Fraktionen sind erkrankt die Abgeordneten Katja Rathje-Hoffmann, Klaus Schlie, Tim Brockmann, Sandra Redmann, Anita Klahn und Stephan Holowaty. Von der Landesregierung erkrankt ist Ministerpräsident Daniel Günther. Wir wünschen von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen abwesend ist von der Landesregierung Frau Ministerin Dr. Sütterlin-Waack.

Der Abgeordnete Voß hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Sitzung verhindert ist. Der Abgeordnete Dr. Brodehl hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme an der heutigen Nachmittagssitzung verhindert ist.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um seinen früheren Abgeordneten, den Parlamentarischen Staatssekretär a. D. Eckart Kuhlwein, der am 19. April im Alter von 84 Jahren verstorben ist.

Unser ehemaliger Kollege, der 1938 in Schleswig geboren wurde und seinen Lebensmittelpunkt in Ammersbek fand, studierte Wirtschaftswissenschaften und politische Wissenschaften. Nach dem Abschluss als Diplomvolkswirt war er ab 1961 als Journalist tätig: zunächst als Korrespondent in der Landeshauptstadt, von 1962 bis 1964 dann als politischer Redakteur der „Lübecker Nachrichten“. Von 1964 an war Eckart Kuhlwein als Chefredakteur für eine Publikation der politischen Öffentlichkeitsarbeit, von 1969 bis 1971 dann bei einer bildungspolitischen Fachzeitschrift verantwortlich. Danach arbeitete er als freiberuflicher Journalist.

Die Jahre des gesellschaftspolitischen Aufbruchs, der mit der Kanzlerschaft Willy Brandts begann, waren prägend auch für Eckart Kuhlwein, der seit 1965 der SPD angehörte, oder genauer: Sie markierten den Augenblick im Leben Eckart Kuhl

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weins, in dem dieser aus der Rolle des Beobachters von Politik in jene des politischen Gestalters wechselte. Von 1969 bis 1971 hatte er den Landesvorsitz der Jungsozialisten Schleswig-Holstein inne. 30 Jahre, von 1973 bis 2003, gehörte Eckart Kuhlwein dem Landesvorstand seiner Partei an, unter anderem als stellvertretender Landesvorsitzender.

1971 wurde Eckart Kuhlwein, der der dynamischen Gruppe um den legendären „Roten Jochen“ Steffen angehörte, in den Schleswig-Holsteinischen Landtag gewählt und blieb dessen Mitglied bis zu seinem Einzug in den Deutschen Bundestag Ende 1976.

Hier, im Landtag, gehörte er dem Jugendausschuss an, dessen stellvertretender Vorsitzender er in der 8. Wahlperiode war, und machte sich einen Namen als jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Überdies wirkte er im Volksbildungsausschuss, im Landesplanungsausschuss sowie im Ausschuss für die Wahrung der Rechte der Volksvertretung mit.

Mitglied des Bundestages, in den Eckart Kuhlwein übrigens gemeinsam mit Heide Simonis einzog, war er von 1976 bis 1998. Auch hier engagierte sich der Verstorbene stark in der Bildungspolitik vor allem im Bildungsausschuss, an dessen Spitze Eckart Kuhlwein von 1990 bis 1994 stand. Erwähnung finden soll an dieser Stelle aber auch sein großes Engagement in der 1988 eingesetzten Enquetekommission „Zukünftige Bildungspolitik - Bildung 2000“, der er vorsaß.

Dass Eckart Kuhlwein ein bildungspolitisches Schwergewicht war, wird nicht zuletzt darin deutlich, dass ihn der damalige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Björn Engholm, 1981 als Parlamentarischen Staatssekretär berief.

Meine Damen und Herren, Eckart Kuhlwein war ein ausgesprochen tatkräftiger und scharfsinniger Politiker, der unbeirrbar seinem klaren Werte- und Überzeugungskanon folgte. Gerade deshalb strahlte er zwar eine unaufgeregte Selbstsicherheit aus, war aber nichtsdestotrotz ein in der Sache völlig klarer, entschiedener und vor allem unbeugsamer Streiter, der sich mit großer Souveränität im Spannungsfeld zwischen politischer Gestaltung und parlamentarischer Kontrolle bewegte. Links, dickschädelig und frei - dieser Leitspruch der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bringt die Haltung Eckart Kuhlweins exakt auf den Punkt. Auch wenn der Begriff des „politischen Urgesteins“ ein viel gebrauchter ist - Eckart Kuhlwein war für die SPD im Lande genau dies.

Und er war mehr als das. Er war ein realpolitischer Visionär, der weit früher als andere erkannte, dass die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, der Schutz von Klima, Umwelt und Biodiversität bedeutende, ja entscheidende Faktoren für unser politisches Handeln und eine erfolgreiche und vor allem gerechte Wirtschafts- und Arbeitspolitik sein müssen.

Der Himmel über dem Ruhrgebiet muss wieder blau werden - die Idee, die hinter dieser 1961 von Willy Brandt erhobenen Forderung steht, beflügelte den tief in der NaturFreunde-Bewegung verwurzelten Eckart Kuhlwein, der gemeinsam mit seinem Freund und parlamentarischen Mitstreiter Konrad Nabel zum Architekten sozialdemokratischer Umweltpolitik in Schleswig-Holstein wurde. Dass seine Stimme, sein beständiges Mahnen verstummt ist, bedeutet einen großen Verlust - nicht nur für seine Partei, sondern auch für uns alle.

Für seine Verdienste um unser Land wurde Eckart Kuhlwein 2015 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt. Im selben Jahr verlieh ihm die SPD ihre höchste Auszeichnung, die Willy-BrandtMedaille in Gold.

Meine Damen und Herren, der Schleswig-Holsteinische Landtag trauert um Eckart Kuhlwein. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor seinem jahrzehntelangen parlamentarischen Schaffen und vor seinem politischen Lebenswerk. Sein Andenken werden wir stets in Ehren halten. Unser ganzes Mitgefühl gilt seiner Familie.

Ich bitte Sie, einen Moment innezuhalten in Gedenken an den früheren Abgeordneten, Herrn Parlamentarischen Staatssekretär a. D. Eckart Kuhlwein. - Sie haben sich zu Ehren Eckart Kuhlweins erhoben. Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln:

Zu den Tagesordnungspunkten 2, 4 bis 8, 11, 13, 19, 29, 32 bis 37 und 40 ist keine Aussprache geplant.

Von der Tagesordnung abgesetzt werden soll der Tagesordnungspunkt 31.

Zu gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 3, 38 und 44 - Gesetzentwurf zur Änderung des Jugendförderungsgesetzes und des Kinderschutzgesetzes sowie Berichte zu Kin

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(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

dern und Jugendlichen -, 9 und 24 - zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes sowie Geflüchtete ukrainischer Familien mit Kleinkindern in gemeinsamer Verantwortung unterstützen - niedrigschwellige, frühpädagogische Betreuungsangebote schaffen sowie eine Betreuung in Kindertageseinrichtungen ermöglichen -, 12, 21 und 25 - Bericht zu den PerspektivSchulen sowie Anträge zu Gleichwertigkeit von Abschlüssen an den Schularten und Sofortprogrammen zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei psychosozialen Folgen von Pandemie und Krisen -, 14 und 17 - Anträge zu Gesundheitsberufe brauchen Freiheit - Einrichtungsbezogene Impfpflicht zurücknehmen und Sektorenverbindende medizinische und pflegerische Versorgung in Schleswig-Holstein für die Zukunft sichern - Versorgungssicherungsfonds als landesspezifisches Innovations- und Erfolgsmodell ausbauen -, 15 und 20 - Gute Arbeit und faire Löhne mit Tarifbindung in Schleswig-Holstein stärken und Fachkräftesicherung im Handwerk - Klimaschutz wird vom Handwerk gemacht -, 26, 27 und 28 - Notkredite zur Abfederung der finanziellen Herausforderungen in Folge des Krieges in der Ukraine und Schleswig-Holstein übernimmt Verantwortung! und 30, 39 und 43 - Berichte der Landesregierung über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission 2022, Europapolitische Schwerpunkte und Ostseeaktivitäten der Landesregierung 2021/2022.

Ein Antrag zu einer Fragestunde oder einer Aktuellen Stunde liegt nicht vor.

Zu den Tagesordnungspunkten 8 - Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages 2021 -, 9 Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes - und 10 - Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landeswassergesetzes -, ist vorgesehen, die erste und zweite Lesung in dieser Tagung durchzuführen. Die zuständigen Ausschüsse werden hierfür zur Beratung am Mittwoch zusammenkommen. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.

Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 59. Tagung. Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause voraussichtlich bis 18 Uhr tagen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schüler und Schülerinnen der Immanuel-Kant-Schule aus Neumünster und Studierende der CAU Kiel. - Herzlich willkommen heute hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26, 27 und 28 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Notkredite zur Abfederung der finanziellen Herausforderungen in Folge des Krieges in der Ukraine

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/3818 (neu) - 2. Fassung

b) Absenkung der Corona-Notkredite zum Ausgleich des strukturellen Defizits

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/3819 (neu)

c) Schleswig-Holstein übernimmt Verantwortung!

Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/3820

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Ole-Christopher Plambeck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Angriffskrieg durch Putin auf die Ukraine ist auf das Schärfste zu verurteilen. Er bringt nur Tod und Leid mit sich, und das mitten in Europa. Viele Menschen, vor allem Frauen und Kinder, aber auch Alte und Kranke, fliehen aus der Ukraine, um ihr Leben zu schützen. Man kann sich dieses Leid kaum vorstellen.

(Vizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber)

Wir, das Bundesland, werden daher alles tun, um den vertriebenen und geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern Schutz zu gewähren. Damit sind große Herausforderungen auch für Schleswig-Holstein verbunden. Diese Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen, ist ein wichtiger Beitrag zur Solidarität mit den Menschen aus der Ukraine.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Dabei ist klar, dass wir diese Herausforderungen nur gemeinsam im Zusammenwirken von Bund, Land und Kommunen bewältigen können. Wir stellen heute fest, dass es sich hierbei um eine außergewöhnliche Notsituation handelt. Die Folgelasten des Krieges entziehen sich dem Einfluss SchleswigHolsteins, aber wir werden die Aufgaben erfüllen, die damit einhergehen. Es geht dabei um Aufnahme, Unterbringung, Verpflegung, Betreuung, medizinische Versorgung und vieles mehr. Dabei leisten vor allem die Kommunen vor Ort, also die Gemeinden, Städte und Kreise einem enormen Beitrag für die Bewältigung dieser Situation.

Immerhin müssen wir mit mehreren Tausenden, ja über 35.000 Personen rechnen. Auch das Ehrenamt leistet einen sehr wichtigen Beitrag vor Ort, welches wir niederschwellig unterstützen werden.