Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 22. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig.
Erkrankt sind die Kolleginnen und Kollegen Regina Poersch und Eka von Kalben und seitens der Landesregierung Minister Dr. Buchholz. Wir wünschen ihnen gute Genesung.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln:
Zu den Tagesordnungspunkten 5 bis 7, 11 bis 15, 28, 31, 39 bis 42, 46 und 49 ist eine Aussprache nicht geplant.
Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 8, 17, 18, 25, 34, 43, 44, 50 und 51.
Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 10 und 29, Gesetz zur Änderung der Landesbauordnung und steuerliche Förderung des Wohnungsbaus erweitern, die Tagesordnungspunkte 19 und 24, Erasmus+ ab 2021 und Resolution des Landtages Schleswig-Holstein zur Europawahl 2019, und die Tagesordnungspunkte 36 und 38, Landesentwicklungsstrategie 2030 voranbringen und Beteiligung des Landesplanungsrats bei Grundsatzfragen der Raumordnung gewährleisten.
Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 22. Tagung.
Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause längstens bis 18 Uhr tagen und Freitag um 9 Uhr beginnen und ohne Mittagspause bis circa 14:30 Uhr tagen. Ich bitte, das zu berücksichtigen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.
Auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages begrüße ich Schülerinnen und Schüler des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums aus Halsten
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf der Regierungsbank begrüße ich die neue Staatssekretärin Frau Dr. Dorit Kuhnt im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eine ganze Weile in den USA gelebt, und trotzdem bleiben mir manche Teile der amerikanischen Mentalität ein Rätsel. Dazu gehören das Verhältnis der Amerikaner zu ihren Schusswaffen, zum Waffenbesitz und dem Umgang damit. Jeder Versuch einer vernünftigen Reglementierung sorgt für Proteststürme und heftigsten Gegenwind - eine Debatte, die in Deutschland oft Fassungslosigkeit hervorruft. Aber wir sollten nicht übertrieben hochmütig über den Atlantik schauen, denn solche Debatten haben wir auch, insbesondere dann, wenn es um das Thema Auto geht. Ich will dies jetzt nicht mit Waffen gleichsetzen, aber das Verhältnis ist durchaus ähnlich.
Wer heute etwa Beiträge aus der Zeit der Einführung der Anschnallpflicht liest, kann nur den Kopf schütteln, und ich bin sicher, in einigen Jahren wird man über die Argumente gegen die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen ähnlich denken. Schon heute ist nur noch eine Gruppe, nämlich Männer zwischen 40 und 65 Jahren - ich bin da übrigens offenkundig in der Minderheit -, mehrheitlich gegen ein solches Tempolimit. Ich bin da nicht repräsentativ, andere Redner heute vermutlich schon, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber aus rationalen Gründen spricht kaum etwas gegen das Tempolimit.
Wie die Diskussionen der vergangenen Wochen gezeigt haben, gibt es eine Reihe von Politikern in Schleswig-Holstein, die sich eher im Racingteam Scheuer verorten und Tempolimits als Repressalien gegen den gesunden Menschenverstand auffassen. Deswegen freue ich mich, dass wir heute darüber reden.
Übrigens finde ich Ihr Argument, das ich heute gehört habe, man dürfe in einer Aktuellen Stunde nicht über Autobahnen reden, ein bisschen albern. Wir reden hier oft über Dinge, die den Bund betreffen, und wir wirken über den Bundesrat ja auch an der Gesetzgebung mit.
Zunächst einmal möchte ich sagen: Das Tempolimit ist ein Beitrag zur Verkehrssicherheit. Wir dürfen alle froh sein, dass die Autounfälle weniger geworden sind und dass Unfälle heute glimpflicher ausgehen. Das ist das Ergebnis verbesserter Technik, eines anderen Verantwortungsbewusstseins, eines anderen Umgangs mit dem Thema Alkohol und Fahrtüchtigkeit sowie gesetzlicher Rahmenbedingungen. Dennoch ist es so, dass jedes Unfallopfer eines zu viel ist und dass es in unserer Verantwortung liegt, Verkehrssicherheit ganz oben anzusetzen.
Wenn man solche Sätze sagt, dann kriegt man noch Applaus - in diesem Fall auch nur von einem Teil des Publikums hier -, aber wenn es dann um das Thema Autobahn geht, dann wird gesagt, Autobahnen seien doch viel sicherer als Landstraßen. Das mag ja stimmen, aber der Vergleich der Unfallopfer auf der Autobahn mit denen auf der Landstraße hilft den Opfern auf der Autobahn überhaupt nicht. Reden Sie einmal mit Rettungskräften darüber, was von Menschen übrig bleibt, die bei Tempo 140, 150, 160 und mehr in Unfälle verwickelt sind. Es sind unsere freiwilligen Feuerwehrleute und andere, die dort helfen und sich das angucken müssen. Von den Familien will ich gar nicht reden. Es sind in aller Regel übrigens unschuldige Opfer, weil häufiger nicht die Unfallverursacher ums Leben kommen, sondern diejenigen, die unschuldig in solche Situationen hineingeraten sind.
In Brandenburg wurde auf einem Teilstück der A 24 die Anzahl und Schwere von Unfällen vor und nach einer Tempobeschränkung auf 130 h/km gemessen. Vergleicht man die Zahlen von den drei Jahren vor der Einführung mit denen der drei Jahre danach, dann stellt man fest, die Unfallzahlen haben sich knapp halbiert und die Zahl der Verletzten und Getöteten sank sogar noch stärker. - Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, und es widerspricht den
Selbst auf sechsspurig ausgebauten Autobahnen, wie übrigens auch auf der A 7, bleibt es dabei, dass auf relativ engem Raum ein enormes Geschwindigkeitsgefälle herrscht zwischen 80 km/h fahrenden Lkw auf der rechten Spur und den bis zu 250 km/h fahrenden Sportwagen auf der linken Spur. Egal, wie geübt man als Autofahrer ist: Physik lässt sich nicht überwinden. Schon bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h wird das Auto auf der linken Spur für das Bremsen im Ernstfall einen Viertelkilometer brauchen, bis es steht - wohlgemerkt bei sofortiger Reaktion, und wer hat die schon!
Deswegen wundere ich mich, wenn Kollegen wie Herr Arp sagen, ein Tempolimit sei Quatsch; man habe die A 7 schließlich so geplant, dass auf ihr möglichst schnell gefahren werden könne; wir müssten sogar Geld zurückzahlen, wenn wir ein Tempolimit einführten. Was für ein Unfug ist denn das, meine sehr verehrten Damen und Herren? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht.
Übrigens ist auch die Lärmbelästigung bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h ganz schön heftig. Das ist doch richtiger Unfug, dass die Anwohner sagen würden, wir müssten hier zurückbauen.
Verkehrssicherheit ist das überzeugendste Argument, aber nicht das einzige; denn das Tempolimit hat auch etwas mit dem Klimaschutz zu tun. Das Umweltbundesamt hat sich mit den Folgen eines allgemeinen Tempolimits auf den CO2-Ausstoß beschäftigt. Bei einem Tempolimit von 120 km/h würden demnach von heute auf morgen die CO2-Emissionen der Pkw auf deutschen Autobahnen um 9 % sinken. Man darf schon fragen, welche andere Maßnahme sofort einen solchen Effekt hätte.
Natürlich kann man sagen: Was sind schon 9 % Pkw-Emissionen im Vergleich zum gesamten Verkehrssektor? Was ist der Verkehrssektor im Vergleich zum Energiesektor, bei dem die Emissionen doppelt so hoch sind? Dann kann man auch noch argumentieren wie Kolleg Kubicki: In China verbrauchen die viel mehr. - Das alles stimmt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber diese Logik ist doch fatal. Wenn wir hier nichts tun, wenn wir bereits bei so einfachen Dingen versagen, wie sollen wir dann die schwierigen Probleme beim Klimaschutz lösen?
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ihre Koalition behauptet, die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie darzustellen; bei den wirklich schwierigen Klimaschutzthemen ist bei Ihnen tote Hose. Die Windenergie und die Arbeitsplätze haben Sie auch nicht im Blick. Sie müssten doch wenigstens bei Themen mitmachen, bei denen man mit einer relativ einfachen Entscheidung etwas für den Klimaschutz unternehmen könnte, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das passiert meiner Meinung nach aber eben nicht.
Ich habe heute Morgen gelesen, dass Herr Buchholz gesagt habe - er wird ja heute vom Kollegen Garg, wenn ich es richtig weiß, vertreten -, man arbeite an klimafreundlichen Energieträgern und Motoren. Das finde ich wunderbar. Ich glaube auch, dass die Automobilindustrie Feuer unter dem Hintern braucht, damit sie daran arbeitet; sonst entstehen die entsprechenden Arbeitsplätze nämlich in Japan oder China. Aber diese Entwicklung ändert nichts daran, dass wir die Probleme lösen müssen, die wir haben. Fromme Appelle nützen gar nichts.
Wer mit einem Elektroauto die Fahrstrecke von Ladestation zu Ladestation plant, wird über die Reichweite des Autos ein direktes Feedback zu seinem Fahrstil bekommen, weil man beim Elektroauto nämlich sieht, dass die verbleibende Restenergie schneller sinkt, wenn man stärker auf die Tube drückt. Also kann ich nur sagen: Wir müssen hier etwas tun, auch aus Klimaschutzgründen.
Ein weiterer Punkt: Das Tempolimit ist ein Beitrag zum Verkehrsfluss. Es ist nämlich falsch zu glauben, mit Bleifuß fahre man besser. Im Gegenteil, man fährt besser, wenn man nicht mit Richtgeschwindigkeit fährt. Das kann man übrigens in anderen Ländern sehen. Dort kommt man damit komfortabel von A nach B.
Lieber Lars Harms, natürlich können wir auch darüber reden, ob man nicht bei den Lkw etwas tun müsste; denn die sogenannten Elefantenrennen auf den Autobahnen sind auch ein Problem. Wir sind bereit, dazu miteinander über neue Regelungen zu reden. Trotzdem ist das eine nicht die Alternative zum anderen.
Ich glaube übrigens, ein Tempolimit ist zumutbar; denn nur eine Minderheit von Menschen glaubt, dass in der Bundesrepublik Deutschland das Rasen
auf der Straße der Ausdruck von Freiheit ist. Raserei führt übrigens selten zu guten Ergebnissen. Wie in der Politik ist es auch beim Verkehrsfluss.
Ich muss Ihnen noch sagen: Es gibt kein anderes Industrieland, das auf seinen Autobahnen den ungebremsten Geschwindigkeitsrausch toleriert. Wir sind da in einer sehr exklusiven Ländergemeinschaft mit Afghanistan, Bhutan, Burundi, Haiti, Mauretanien, Myanmar, Nepal, Nordkorea, Somalia und Vanuatu. Keinerlei Tempobeschränkung gibt es sage und schreibe in zehn von 200 Ländern. Ich finde nicht, dass diese Länder ein Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland sein sollten.
Selbst die USA - Land der Freiheit, wo über solche Fragen sehr ernsthaft debattiert wird - denkt überhaupt nicht daran, das Rasen auf den Autobahnen zuzulassen. Auch dort fährt man mit einer Geschwindigkeit, die ähnlich hoch ist wie die in unserem Vorschlag.
Kurzum, wenn man alles zusammenfasst, kann man sagen: Erstens ist die Verkehrssicherheit und damit das Leben und die Gesundheit von Menschen ein wesentliches Argument für die Einführung eines Tempolimits.