Protocol of the Session on May 17, 2019

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Ich begrüße Sie ganz herzlich zum heutigen Sitzungstag und eröffne die Sitzung. Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, teile ich Ihnen mit, dass die Kollegin Regina Poersch aus der SPD-Fraktion weiterhin erkrankt ist. Außerdem ist von der Landesregierung Herr Minister Dr. Buchholz erkrankt. Wir wünschen beiden gute Besserung!

(Beifall)

Wegen auswärtiger Verpflichtungen sind beurlaubt von der Landesregierung Ministerpräsident Daniel Günther und Finanzministerin Monika Heinold. Die Abgeordnete Fürstin von Sayn-Wittgenstein hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Der Abgeordnete Thomas Rother aus der SPD-Fraktion hat nach demselben Paragrafen mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung ab 10:30 Uhr verhindert ist. Der Abgeordnete Fehrs hat nach § 47 Absatz 2 der Geschäftsordnung mitgeteilt, dass er an der Teilnahme der heutigen Sitzung verhindert ist. Schließlich hat die Kollegin Aminata Touré nach demselben Paragrafen mitgeteilt, dass sie an der Teilnahme der heutigen Sitzung ab 14:40 Uhr verhindert ist. Ich freue mich, dass trotzdem so viele von Ihnen heute Morgen hier sind.

(Heiterkeit und Beifall)

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 21:

Cybercrime effektiv bekämpfen - Vernetzte Sicherheitsarchitektur Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1437

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Jörg Hansen für die FDP-Fraktion.

(Unruhe)

Bevor der Kollege Hansen beginnt, wäre es trotz der Uhrzeit -

(Anhaltende Unruhe)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es wäre wirklich sehr nett von Ihnen, wenn Sie dem Abgeordneten Hansen Ihre Aufmerksamkeit schenkten, denn der hat jetzt das Wort.

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kurz vor meinem Eintritt in den Landtag traf ich einen Kollegen in der Frühlage; den hatte ich eigentlich bei der Kripo bei der Auswertung erwartet. Ich habe ihn gefragt: „Was machst du denn hier?“ Er sagte ganz ruhig: „Ich musste raus aus der Auswertung für die Computerkriminalität.“ Er war bei der Kripo, bei der Bezirkskriminalinspektion in Lübeck. Ich fragte nach: „Was war denn los?“ Er antwortete mir: „Ich habe im Kinderpornografischen ausgewertet und musste raus; denn ich wurde die Bilder in meinem Kopf nicht mehr los.“

Es müssen also nicht nur die großen Tiere sein, die Terrorattacken, Hackerangriffe oder Hackbacks. Cyberkriminalität umfasst mittlerweile nahezu alle Lebensbereiche. Für uns heißt das: Wir wollen vernetzte Kriminalität vernetzt bekämpfen.

(Beifall)

Die Komplexität, die Zuständigkeiten in den horizontalen und vertikalen Ebenen, die Bedrohung, aber auch die Geschwindigkeiten in einem Fünfminutenbeitrag darstellen zu wollen, ist naturgemäß sehr schwierig; denn die Vernetzung im Bereich der Internetkriminalität ist sehr hoch.

Die Jamaika-Koalition hat schon früh wichtige Weichen gestellt. Das Kompetenzzentrum Digitale Spuren ist hier ein wichtiger Baustein im Landeskriminalamt. Diese Regierung weiß also um die Bedeutung dieses Phänomenbereiches.

Aber auch wir als Freie Demokraten wissen, dass wir in diesem Bereich nicht lockerlassen dürfen. Die Handlungsfelder und Strategien der Kriminalität und der Kriminellen sind ständig im Fluss, und die Ermittlungsarbeit ist besonders herausfordernd. Daher hat die Fraktion der FDP diesen Antrag zusammen mit ihren Koalitionspartnern auf den Weg gebracht.

Der Bereich der Cybercrime ist groß, und Grenzen sind schwierig zu definieren. Die angerichteten Schäden sind aber konkret und tauchen mitunter in den klassischen Beschreibungen zum Cybercrime gar nicht auf. Mein Kollege von der Auswertung bei der Kripo zeigt nur eine Facette auf, die ich beschrieben habe.

Sehr geehrte Damen und Herren, um welche Herausforderungen geht es hier konkret? Die Herausforderungen sind natürlich in der Digitalisierung begründet und in dem, was sie ist, nämlich ein alle

Lebensbereiche erfassender radikaler, vielleicht auch manchmal brutaler Prozess der Modernisierung.

Die Folgen der Digitalisierung haben unser aller Leben umgekrempelt. Wir nutzen Festplatten, Speichersticks und Clouds. Hier delegieren wir unser Wissen. Daten sind zum Teil das Privateste, das wir haben. Wir würden ansonsten der Informationsflut gar nicht Herr werden. Das ist Segen und Fluch zugleich; denn hier sind wir verwundbar, weil sich Straftäter Zugang zu diesen Speicherorten ergaunern.

Wir müssen also der Realität ins Auge sehen, dass Cybercrime schnell, vor allem aber auch komplex ist. Wissen wir heute schon, welche Möglichkeiten in zwei oder in fünf Jahren bestehen? Durch die Komplexität wird es unmittelbar schwerer, den Schutz auf der Höhe der Zeit zu organisieren. Hier müssen wir uns als lernende Organisation begreifen.

Sehr geehrte Damen und Herren, zwei Polizeikongresse, an denen ich teilnehmen konnte, beschäftigten sich intensiv mit dem Thema. Dort ist man sich so einig wie hoffentlich wir alle hier in diesem Hause. Wir müssen enger und koordinierter zusammenarbeiten. Vernetzte Kriminalität muss vernetzt bekämpft werden; sonst werden wir den Herausforderungen nicht standhalten.

Zwei Anfragen der SPD-Fraktion zum Beispiel machen deutlich, dass zwar Ausschnitte beleuchtet werden können, wir aber komplexer denken müssen, um Automatismen zu erkennen.

Unsere Aufgabe wird es auch sein, nicht nur auf die Bedrohung durch die neuen Instrumente des digitalen Zeitalters zu reagieren, sondern diese auch für die Ermittlungsarbeit nutzbar zu machen, etwa bei der Auswertung. Im Polizeijargon würde man jetzt sagen: „Wir müssen vor die Lage kommen.“ Das ist schwer genug.

Unser Antrag zielt erstens auf eine verbesserte Zusammenarbeit und Koordinierung von Bund und Ländern. Dort, wo der Bund schon Initiativen ergriffen hat, wollen wir als Land andocken und umgekehrt. Hierzu soll das bestehende vernetzte IT-Sicherheitsmanagement des Bundes besser mit der polizeilichen Arbeit im Lande verzahnt werden. Im Falle eines Angriffs sind entsprechende Mechanismen vorzuhalten, die ein gemeinsames und vor allem abgestimmtes Vorgehen gewährleisten. Der Ermittlungserfolg darf nicht an fehlender Vernetzung scheitern.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweitens wollen wir die Personalstrategie vor allen im Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen evaluieren.

Besonders hervorheben möchte ich drittens die Wichtigkeit der Information für Bürger und Unternehmen.

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit?

Wissen ist oft die beste Prävention, und im Schadensfall ist kompetente Unterstützung unerlässlich.

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag; denn wir wollen vernetzte Kriminalität vernetzt bekämpfen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Vielen Dank. - Bevor wir zur nächsten Rednerin kommen, habe ich noch einen Nachtrag zu machen. Auch die Kollegin von Kalben ist weiterhin erkrankt. Auch ihr wünschen wir natürlich gute Besserung.

(Beifall)

Jetzt hat das Wort für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Wagner-Bockey.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen alle um die Bedeutung des Deliktbereiches Cybercrime. Internetkriminalität hat viele Gesichter: die junge Frau, deren FacebookAccount gehackt und mit einem Prostituiertenprofil versehen wurde, der Rentner, dem widerrechtlich 10.000 € vom Konto abgebucht wurden und die spurlos verschwinden, dazu kommen Wirtschaftsspionage mit Milliardenschäden, Cyberterrorismus und Angriffe auf unsere kritischen Infrastrukturen wie Wasserwerke, Stromerzeuger oder auch die Bahn. Nicht zu vergessen die klassischen Deliktfelder und Einsatzlagen aus dem weltlichen Leben. Umfangreiche digitale Spurensuche finden wir bei Großlagen wie G 20 ebenso wie bei Vermisstensuchen. Bei nahezu jeder Durchsuchung werden heute Datenträger, Smartphones, Tablets und vieles mehr

(Jörg Hansen)

sichergestellt. Bei der Rekonstruktion von Tatabläufen wird oft auf Handydaten zurückgegriffen.

Digitale Spurensuche und Sicherung ist vielfältig und dabei gleichzeitig sehr speziell. Sie erfordert hochqualifizierte Computerspezialisten in den Reihen der Polizei und der Staatsanwaltschaft, Menschen, die auch am freien Markt sehr gefragt sind.

Ich komme nun zum vorliegenden Antrag. Natürlich werden auch wir von der SPD diesem Antrag zustimmen; denn er ist nicht falsch, und die Zielrichtung ist richtig. Schauen wir also, was sich aus diesem Stück Papier herausholen lässt. Die Landesregierung wird gebeten, auf eine bessere Zusammenarbeit und Koordination zwischen Bund und Ländern hinzuwirken. Das ist gut. Ich hoffe im Interesse unseres schönen Bundeslandes allerdings, dass das in irgendeiner Art und Weise auch ein Selbstgänger ist; denn es gibt bereits Schnittstellen des Landes zum BKA, aber auch zum Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Wenn sich da insgesamt etwas verbessern lässt, bitte gern.

Die Landesregierung wird auch gebeten, die Bürger und Bürgerinnen auf bestehende Beratungsangebote besser hinzuweisen. Wenn sich da etwas verbessern lässt, bitte gern.

Ferner - das ist der dritte Punkt - wird die Landesregierung darum gebeten, die Personalstrategie der Landespolizei und der Justiz zu evaluieren und weiterzuentwickeln.

Meine Damen und Herren, jetzt wird es interessant, und ich wage dazu eine Prognose. In der Einleitung zur Evaluation wird stehen, dass Cybercrime eine hohe Dynamik hat, dass Internetkriminalität immer neue Aufgaben mit sich bringt und dass sich die Grundvoraussetzungen ständig ändern, weil sich die Technik jeden Tag weiterentwickelt und - da lehne ich mich nicht wirklich weit aus dem Fenster - dass riesige komplexe Datenmengen erhoben und ausgewertet werden müssen. Die Fallzahlen sind auch hier steigend, und es liegt in der Natur der Sache, dass Personalumverteilungen aus den Reihen der Polizei in diesen Bereich nicht so einfach darstellbar sind. Das ist so.

Wenn wir uns der momentanen Situation zuwenden, muss man ganz deutlich sagen, eine Datensicherung ist nichts wert, wenn die Auswertung nicht zeitnah vorgenommen werden kann. In vielen Fällen sind hier sehr spezielle Informatikkenntnisse nötig. Daran hapert es in vielen Bundesländern, und auch Schleswig-Holstein nimmt hier nicht immer eine Vorreiterrolle ein. Viel zu oft sind die Kollegen und Kolleginnen in der Fläche mit der Auswertung

der Daten auf sich allein gestellt, und ich kann Ihnen versichern, das kostet Zeit, Nerven, und es geht zulasten der Alltagsarbeit. Das ist etwas, was wir alle für unsere Polizei nicht wollen.

Unsere Forderung lautet deshalb: Gebt mehr Auswerter in die Fläche, und da wird es nun tatsächlich spannend; denn in meinen Augen stehen die wichtigsten Worte aus diesem Antrag in seiner Begründung. Wir von der SPD nehmen es als Versprechen, dass Sie von zusätzlichen Stellen für Informatikerinnen und Informatiker und Ingenieurinnen und Ingenieure im dualen Studiengang sprechen.

(Beifall SPD)

Sie verweisen auf zusätzliche Stellen, und wir machen darauf aufmerksam, dass „zusätzlich“ eben nicht bedeutet, an anderer Stelle Ermittler wegzunehmen. Der duale Studiengang für Computerspezialisten der Polizei ist gut. Er ist richtig. Nun kommt es darauf an, den Köpfen Stellen zuzuordnen, und da nehmen wir Sie gern beim Wort. Herzlichen Dank.