Protocol of the Session on May 17, 2019

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(Beifall FDP, CDU und SSW)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Wenn der Auslöser ein Interview des Wirtschaftsministers Buchholz gewesen ist, kann ich Ihnen sagen - er sagt nichts anderes, und das teile ich -, dass es nachvollziehbar, verbindlich und in Abstimmung mit den europäischen Partnern klare Regeln geben muss. Nur so erreichen wir, dass die Genehmigungspraxis der Bundesregierung transparenter wird und die Unternehmen die Planungssicherheit haben, die sie brauchen. - Ich danke fürs Zuhören.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 3 Minuten und 50 Sekunden überschritten. Gibt es Fraktionen, die davon Gebrauchen machen möchten? - Das ist nicht der

Fall. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/1458, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CDUFraktion, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Stimmenthaltung der Abgeordneten des SSW abgelehnt.

Ich lasse abstimmen über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1480. Wer diesem Antrag zustimmen will, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen der CDU-Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion gegen die Stimmen der Abgeordneten des SSW bei Stimmenthaltung der SPD angenommen.

Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüßen Sie mit mir Gäste auf der Besuchertribüne, und zwar von der Wählergemeinschaft aus Brokdorf, von der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule in Barsbüttel und von der Ricarda-HuchSchule Kiel. - Herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Bericht zum Landesaktionsplan gegen Rassismus Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1435

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dann ist das einstimmig so beschlossen. Ich erteile zur Berichterstattung das Wort dem Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, Hans-Joachim Grote.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wer davon überzeugt ist, dass unsere im

(Minister Dr. Heiner Garg)

Grundgesetz verankerten Grundrechte für jeden Einzelnen von uns notwendig und elementar wichtig sind, der wird niemals ein Rassist oder ein Antisemit sein können. Deshalb muss die Auseinandersetzung mit diesen Grundrechten und Grundwerten möglichst frühzeitig beginnen. Das ist die beste Prävention gegen Vorurteile und gegen Hass. Denn wer versteht, was die Folgen von Hass und Gewalt sein können, wer die Rolle der Opfer nachempfinden kann und die Zusammenhänge erkennt, der entwickelt Verständnis und Offenheit für andere Perspektiven, mit anderen Worten: für Toleranz. Dieses Verständnis erwächst immer auch aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Deshalb werden wir in Schleswig-Holstein diese Auseinandersetzung auch zu einem festen Bestandteil der Polizeiausbildung machen. Zukünftig werden jährlich Delegationen aus Schleswig-Holstein mit Anwärterinnen und Anwärtern im Rahmen der Polizeiausbildung nach Yad Vashem reisen. Über diese Kooperation bin ich sehr glücklich. Ich war selbst vor vielen Jahren dort, und die Eindrücke dieses Ortes haben mich tief bewegt und sind heute immer noch in Erinnerung. Aus meinen Gesprächen mit der Delegation, die gerade wieder zurückgekommen ist, weiß ich, dass die Anwärterinnen und Anwärter dies genauso empfunden haben und nachhaltig geprägt wurden. Ich wünsche mir, dass sich viele junge Menschen diesem schweren Erbe unserer Geschichte stellen. Damit solches nie wieder geschehen kann, wollen wir in Schleswig-Holstein gezielte Maßnahmen ergreifen und uns gemeinsam gegen rassistische Ablehnung und Abwertung anderer, vermeintlich Fremder, engagieren.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Pläne, die ich Ihnen gleich skizzieren werde, fußen auf unserem Koalitionsvertrag. Für dieses Jahr war geplant, eine interministerielle Arbeitsgruppe „Landesaktionsplan gegen Rassismus“ unter Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure ins Leben zu rufen. Damit haben wir nun begonnen.

Die Ausarbeitung des Landesaktionsplanes wird in ressortübergreifender Zusammenarbeit und in fachlicher Federführung des Innenministeriums erfolgen. Grundlage dafür sind der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung gegen Rassismus und die Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung.

In sechs Phasen wollen wir Handlungsfelder und Schwerpunkte identifizieren und spezifische Maß

nahmen und Vorhaben entwerfen. Sicherlich werden auch bisher erfolgreiche Projekte oder Maßnahmen weiterentwickelt oder neu aufgelegt werden. All das soll mit einer breiten Beteiligung der zivilgesellschaftlichen Initiativen gemeinsam erarbeitet werden.

Zunächst jedoch geht es in einer ersten Phase um eine Bestandsaufnahme von bisherigen und geplanten Maßnahmen in Schleswig-Holstein sowie ihre deskriptive Darstellung. In mehreren Arbeitsschritten werden dann die erarbeiteten Ergebnisse wiederholt, mit den zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen besprochen und optimiert. Bevor der Landesaktionsplan gegen Rassismus als Positionsdokument abschließend zusammengeführt wird, erfolgt eine ressortübergreifende Abstimmung und Ausarbeitung, und zum Herbst des nächsten Jahres rechnen wir mit der endgültigen Fertigstellung.

Meine Damen und Herren, auf dieser gemeinsam erarbeiteten Grundlage werden wir an die Umsetzung gehen können, mit einem differenzierten Inventar an Maßnahmen und Strategien, um auf Herausforderungen der heutigen Zeit angemessen reagieren zu können. Das ist nur mithilfe der zivilgesellschaftlichen und ehrenamtlich tätigen Menschen in unserem Land möglich. Lassen Sie uns gemeinsam gegen Rassismus arbeiten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Aminata Touré.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich habe die Wohnung nicht bekommen, weil der Vermieter keine schwarzen Personen in seinem Haus haben wollte. Zu dem Zeitpunkt war ich Abgeordnete im Schleswig-Holsteinischen Landtag. In der U-Bahn sagt jemand zu mir: Hoffentlich macht der Bundesinnenminister mit seiner Politik so weiter, damit keine Afrikaner mehr in Deutschland leben. Zu dem Zeitpunkt bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag. Ich laufe mit einer Freundin durch die Straßen Kiels, und eine Gruppe von Menschen beleidigt uns mit dem N-Wort. Zu dem Zeitpunkt bin ich Studentin an der Kieler Uni.

(Minister Hans-Joachim Grote)

Ich höre, wie meine Eltern darüber sprechen, wie despektierlich sie behandelt werden, weil sie mit Akzent Deutsch sprechen und schwarz sind. Das widerfährt ihnen bei einem Versuch, für einen Aufenthalt für sie und ihre Kinder in Deutschland zu kämpfen. Zu dem Zeitpunkt gehe ich zur weiterführenden Schule. Ich spiele mit meiner Schwester draußen, und ein erwachsener Mann beleidigt uns mit dem N-Wort und spuckt uns an. Zu diesem Zeitpunkt bin ich vier und meine Schwester fünf. Wir dürfen nicht in den Kindergarten, wir sind Asylbewerberinnen. - Ein minimaler Bruchteil von Erfahrungen.

Erzählen Sie doch einmal von Ihren rassistischen Erfahrungen, bittet man mich oft, und ich habe in der Regel absolut keine Lust, darüber zu sprechen, und das aus zwei Gründen. Der erste Grund: Viele glauben, dass diese Erlebnisse individuell sind. Die Relativierung beginnt, und man erklärt mir, es sind Zufälle; Zufälle, die sich seit 26 Jahren aneinanderreihen. Rassismus erfahren viele Menschen, die nicht die Hautfarbe der Mehrheitsgesellschaft haben, die an einen anderen Gott glauben als die Mehrheitsgesellschaft, die eine andere Herkunftsgeschichte haben als die Mehrheitsgesellschaft. Ich will deutlich machen: Es sind kollektive Erfahrungen und keine individuellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Das zeigen wissenschaftliche Studien wie die Mitte-Studie, das zeigen die Zahlen des Bundesinnenministeriums über die gestiegenen antisemitischen und rassistischen Straftaten. Der zweite Grund: Ich habe keine Lust, in mitleidige Gesichter zu blicken. Mitleidige Gesichter ändern nichts. Politische Maßnahmen sind es, die verändern. Sie sind notwendig, weil es nicht um Befindlichkeiten geht, sondern um das Grund- und Menschenrecht, rassismusfrei zu leben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Es geht um nichts weniger, als diese demokratischen Grundfesten zu verteidigen. Deshalb gilt: Wenn diese Grundfesten strukturell angegriffen werden, sei es im Beruf, in der Bildung, bei der Wohnungssuche oder im Zusammenleben, dann müssen sie verteidigt werden. Deshalb finde ich, es ist ein starkes Signal von unserer Koalition, sich dieses Themas anzunehmen. Ich freue mich, dass Innenminister Grote und sein Haus bereits an der Ausarbeitung des Aktionsplans arbeiten. Ich finde es richtig, dass in diesem Plan die Beteiligung der

Zivilgesellschaft geplant ist und dass dies auch in Zusammenarbeit mit allen Ministerien und mit weiteren staatlichen Institutionen stattfinden wird.

Vor drei Monaten habe ich zusammen mit meiner Fraktion eine Antirassismus-Konferenz im Landtag stattfinden lassen mit Workshops, mit Podiumsdiskussionen, mit Musik, und über den Tag verteilt haben 500 Personen daran teilgenommen. Es war der Wahnsinn, wie viele unterschiedliche Menschen zusammengekommen sind; von jung bis alt, schwarz bis weiß, wissend und aufgeklärt bis hin zu unwissend und interessiert war die Bandbreite sehr groß. Wir haben mit Expertinnen und Experten Maßnahmen, die Bundesländer konkret in Angriff nehmen können, besprochen. Es gibt einen nationalen Aktionsplan gegen Rassismus der Bundesregierung, und wir haben unsere Konferenz mit dem selbigen Schwerpunkt ausgerichtet: Rassismus gegen schwarze Menschen, Rassismus gegen Roma und Sinti und Rassismus gegen muslimische Menschen. Ich werde die Ergebnisse mit in den Prozess des Landesaktionsplans einbringen.

In den letzten zwei Jahren war ich viel zu diesem Thema unterwegs, in Schleswig-Holstein und auch außerhalb, und ich habe vieles lernen und mitnehmen können. Was mich immer wieder bestärkt hat, ist die Offenheit, die ich erlebt habe, wenn ich über dieses Thema gesprochen habe; sei es mit der Polizei, sei es mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte, sei es mit der Justiz, sei es mit Bildungseinrichtungen, sei es mit der öffentlichen Verwaltung und natürlich auch mit Selbstorganisationen. Es passiert zum Glück viel in diesem Bereich, und zum Glück können wir daran anknüpfen und weitermachen.

Wir haben in den letzten Jahren extrem viel über Rechtsextreme gesprochen. Lassen Sie uns das auch weiterhin tun und sie weiter in den Blick nehmen, aber lassen Sie uns doch den Blick schärfen und dies gar nicht erst zustande kommen lassen. Lassen Sie uns in die Mitte der Gesellschaft blicken und dort solche Einstellungen im Keim ersticken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD und FDP)

Es geht im Kern natürlich auch um die Deutungshoheit: Wer darf Teil dieser Gesellschaft sein, und was heißt deutsch sein eigentlich? Deshalb zitiere ich zum Schluss eine afrodeutsche Dichterin, May Ayim, die nicht mehr fragt, sondern einfach feststellt:

ich werde trotzdem afrikanisch

(Aminata Touré)

sein auch wenn ihr mich gerne deutsch haben wollt und werde trotzdem deutsch sein auch wenn euch meine schwärze nicht paßt ich werde noch einen schritt weitergehen bis an den äußersten rand wo meine schwestern sind wo meine brüder stehen wo unsere FREIHEIT beginnt ich werde noch einen schritt weitergehen und noch einen schritt weiter und wiederkehren wann ich will wenn ich will grenzenlos und unverschämt bleiben.“

Danke.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, SPD, FDP und SSW)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Tobias von Pein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Meine Damen und Herren! 75 Jahre nach dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft sollten Rassismus und Antisemitismus und andere Dinge im Land der Täter eigentlich nur noch Erinnerung sein. Sie sollten präsent sein, aber als Teil der Vergangenheit und nicht der Gegenwart.

Leider ist das Gegenteil der Fall. Rassismus ist bei einem großen Teil der Bevölkerung nach wie vor verfestigt. Die Mitte-Studie hat dies vor Kurzem wieder dargelegt: 54 % der Befragten - und damit eine steigende Anzahl - haben eine negative Haltung gegenüber Geflüchteten. Eine große Anzahl

von Bürgerinnen und Bürgern hat ein geschlossenes rechtes, rechtsextremes Weltbild. Jede fünfte befragte Person neigt deutlich zu rechtspopulistischen Einstellungen, bei 42 % gibt es eine Tendenz dazu.

Also, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass jeder von uns mindestens einen oder zwei kennt. Diese Einstellungen haben sich in den letzten Jahren stabil verfestigt, und das heißt, sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Dazu gibt es eine steigende falsche Toleranz gegenüber rassistischen Bemerkungen; oft auch in der Öffentlichkeit, nicht erst nach dem fünften Bier. Oftmals gilt: Stumpf ist Trumpf, und das sind Dinge, die man nicht stehen lassen darf.

Menschen werden als fremd abgestempelt, nur weil sie anders aussehen oder sprechen. Schnell wird dabei die Gesellschaft aufgeteilt in wir und die, und das ist nicht neu. Neu ist aber, dass das Ganze immer offener ausgeübt wird - im Netz, auf der Straße, auch politisch scheinbar legitimiert von einer Partei, die selbst immer noch rassistisch und islamfeindlich auffällt. Das ist geistige Brandstiftung.