Aminata Touré

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich persönlich finde, der schwierigste Ort, um über Rassismus und Rechtsextremismus zu sprechen, ist Politik, gerade wenn es dann auch noch um die Polizei geht. Und das aus zwei Gründen: erstens, weil dann gesagt wird, ja, Aminata, Rassismuserfahrung hast du vielleicht „aus deinen Kreisen“ mitbekommen, aber strukturell gibt es dieses Problem nicht, zweitens, weil gesagt wird, man stelle die Polizei unter einen Generalverdacht.
Diesen Argumenten möchte ich einiges entgegnen: Wenn ich mit 30 schwarzen Frauen zusammensitze und viele davon berichten, Vorverdächtigungen erlebt zu haben, mich eingeschlossen, Schwarze und Männer of Color mir von unschönen Ereignissen berichten, dann kann uns das nicht egal sein. Wir sprechen über Bürgerinnen und Bürger dieses Staates, die rassistische Erfahrung machen. Das ist doch genau der Kern der Debatte.
Das haben wir als Volksvertreterinnen und Volksvertreter ernst zu nehmen und uns darum zu kümmern, weil es um mögliche Grundrechtsverletzungen geht, nämlich rassismusfrei leben zu dürfen.
Wir müssen uns angucken, wo das Problem liegt, wie die Fakten aussehen. Wir müssen wegkommen von den Debatten, die im Ungefähren sind. Das stärkt Bürgerinnen- und Bürgerrechte, so wie es auch die Polizei stärkt.
Wir haben uns die Frage zu stellen, ob nicht wir als Politik es sind, die durch Gesetze Praktiken wie die des Racial Profilings ermöglichen. Deshalb werden wir uns als Grüne massiv dafür einsetzen, dass es Kontrollquittungen geben wird und dass es auch Veränderungen an § 181 unseres Polizeigesetzes geben wird.
Wir Grüne hier unterstützen ausdrücklich den Vorschlag der grünen Bundestagskollegin Irene Mihalic, die Polizei für unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen zu öffnen, und fordern das auch für unseren Aktionsplan gegen Rassismus.
Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von der Polizei erheben wollen, müssen sie diese beim Innenministerium abfragen. Das erschwert die Forschung. Wieso nicht über einen Forschungserlass nachdenken, so wie es einen Medienerlass gibt? Dadurch könnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich direkt an die Polizeidienststellen wenden.
Zum vermeintlichen Generalverdacht gegenüber der Polizei: Wir haben diesen Antrag als Koalition gestellt, weil wir ein hohes Interesse daran haben, unsere Sicherheitsbehörden gegen menschenverachtende Einstellungen zu immunisieren, wie mein Kollege Burkhard Peters immer so schön sagt.
Das geschieht nicht aus einem Misstrauen heraus, sondern aus einem Vertrauen in unsere demokratischen Strukturen.
Vertrauen in unsere demokratischen Strukturen bedeutet aber nicht, einfach wegzusehen. Es bedeutet, sich als Legislative der Verantwortung bewusst zu sein, welchen Rahmen wir für die Exekutive stecken müssen.
Wir tun das nicht im Polizeibereich, wir tun das auch im Justizbereich und haben dort im letzten Haushalt eine Stelle geschaffen. Gemeinsam mit dem Institut für Menschenrechte soll das Projekt
„Rassismus - Stärkung der Strafjustiz“ vollzogen und das Justizpersonal geschult werden. Wir diskutieren das nicht nur selektiv für die Polizei, sondern wollen uns mit allen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft im Rahmen unseres Aktionsplanes gegen Rassismus auseinandersetzen.
Natürlich gibt es Anlass, über Rassismus und Rechtsextremismus zu sprechen. „ARD Monitor“ berichtet über 25 rassistische Berliner Polizistinnen und Polizisten, vier Mitarbeitende im Verfassungsschutz NRW in einer rassistischen Chat-Gruppe. 60 Polizeibeamte aus NRW stehen unter Verdacht, rechtsextreme Inhalte geteilt zu haben. Es gibt sieben Rechtsextremismus-Vorfälle an der Fachhochschule der Polizei in Brandenburg. In Dresden gibt es einen mutmaßlichen rechtsextremen Polizeibeamten.
Das waren nur die Vorfälle aus dem Oktober 2020. Wenn weitere Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus angesprochen werden sollen, dann können wir das tun in Bezug auf NRW, Sachsen-Anhalt, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Brandenburg und Sachsen. Um alle Fälle aus dem Jahr 2020 aufzuführen, reicht meine Redezeit nicht. Was sagt uns das? Es sagt uns, dass wir ein Problem haben. Wir in Schleswig-Holstein sollten nicht auf einen Riesenskandal warten, sondern vorher handeln.
Wir haben in der Polizeischule Eutin einige Vorwürfe bezüglich Rassismus und Sexismus gehabt. Die Polizeischule hat sich zum Glück selbstkritisch auf den Weg gemacht mit dem Projekt „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“.
Ich freue mich, gemeinsam mit unserem Ministerpräsidenten Daniel Günther Patin dafür zu sein. Ich schätze gemeinsame Termine mit den Polizeischülerinnen und Polizeischülern, wie zuletzt bei der Ausstellung #StolenMemory, bei der es um persönliche Besitzstücke ehemaliger KZ-Häftlinge geht.
Danach haben wir über Antisemitismus und Rassismus diskutiert. In einem Gespräch mit dem Leiter der Polizeischule, Herrn Dunka, haben wir über politische Bildung als festen Bestandteil der Aus- und Fortbildung gesprochen. Das ist nun Teil des Antrags geworden.
Teil des Antrags ist außerdem eine Studie geworden, bei der der Arbeitsalltag, das Werteverständnis
und die Widerstandfähigkeit der Polizei gegen menschenverachtende Verhaltensweisen wie zum Beispiel Rassismus untersucht werden sollen.
Abschließend, auch mit Blick auf das, was die GdP heute als Pressemitteilung herausgegeben hat, und das Gespräch, das ich vor der Tür mit Herrn Petersdotter und Herrn Jäger eben gerade geführt habe: Es geht nicht um ein Gegeneinander. Es geht um das Vertrauen und die Stärkung unserer demokratischen Strukturen. Ich bin froh, dass wir uns als Koalition nach vielen intensiven Gesprächen dazu entschlossen haben, diesen Antrag zu stellen, für die Bürgerinnen und Bürger unseres Staates, für die Polizei und damit für die Stärkung unserer demokratischen Institutionen in unserem Bundesland. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Nicht jede Schwangerschaft ist gewollt, und es gibt viele Gründe, weshalb eine Frau eine Schwangerschaft beenden möchte. Diese Entscheidung trifft in letzter Konsequenz die schwangere Person. Es geht um ihr Leben und ihren Körper, und niemand hat das Recht, diese Entscheidung zu bewerten oder zu verurteilen. Das ist und bleibt unsere grüne Überzeugung.
Dafür haben wir seit jeher gekämpft und tatsächlich auch einige Verbesserungen hinbekommen, beispielsweise einen Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Bedingungen straffrei zu lassen.
Zusätzlich gibt es das Schwangerschaftskonfliktgesetz, ein ganz wichtiges Bundesgesetz. Es schafft für die Betroffenen konkret und vor Ort das Recht auf Beratung und auf den Abbruch. Die Bundeslän
der sind in der Verantwortung, dass die Infrastruktur für beides vorhanden ist. Deshalb finde ich es auch richtig und wichtig, dass wir diese Debatte heute hier führen und dort, wo wir Defizite haben, uns ehrlich in die Augen blicken und gucken, wo wir nachbessern müssen.
Flensburg ist ein zentraler Punkt dieser Debatte gewesen. Dort gibt es eine Situation für sich. Es gibt dort Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und beispielsweise das Diakonissenkrankenhaus. Die Malteser verweigern Schwangerschaftsabbrüche aus religiösen Gründen grundsätzlich. Das wollen sie auch im gemeinsamen Zentralkrankenhaus durchsetzen. Aber es gibt deutlichen Gegenwind. Viele Frauen wehren sich an der Stelle. Der Petitionsausschuss hier hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, und auch die grüne Ratsfraktion in Flensburg hat bei der Bürgermeisterin Einsicht in die Vertragsunterlagen gefordert. Das alles ist wichtig und richtig. Die zentrale Frage in dieser Debatte ist für uns: Können sich Schwangere hier in Schleswig-Holstein zeitnah und einfach informieren, wenn sie Hilfe brauchen?
Diese Frage muss man beantworten mit: leider nur bedingt. Über die Beratungsangebote im Schwangerschaftskonflikt gibt es viele Informationen: auf den Seiten der einzelnen Anbieter wie Pro Familia oder der AWO oder auch durch eine zentrale Zusammenstellung auf den Seiten des Ministeriums. Bei den Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sieht es jedoch ganz anders aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung muss nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz eine entsprechende Liste führen. Aber deren Angaben sind leider lückenhaft. Sehr viele Adressen sind in Berlin und Hamburg. Für Schleswig-Holstein gibt es dort nur einige. Das Problem ist, dass die Meldung freiwillig ist. Viele trauen sich nicht, sich dort registrieren zu lassen - aus Angst vor Repressionen. Das ist für die hilfesuchenden Personen eine Katastrophe.
Wir Grüne wollen, dass sich hier etwas ändert. Wir wollen, dass die Landesregierung tätig wird und mit den Ärztinnen und Ärzten spricht, wie wir zu einer realistischen Lösung kommen können. Es darf nicht dabei bleiben, dass sich die Frauen in einer solch schwierigen Situation sozusagen durchtelefonieren müssen. Und wir wollen einen besseren Schutz für die Schwangeren und die Institutionen erreichen, die einen Abbruch vornehmen. Selbsternannte Lebensretter und Lebensretterinnen dürfen keine Möglichkeit haben, Frauen, Ärzte und Ärztinnen
und Berater und Beaterinnen durch Pöbelei, Drohungen und Gewalt einzuschüchtern.
Hessen hat den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, Demonstrationen vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken einzuschränken. Dabei ist eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Schwangeren, der Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit zu treffen. Persönlich halte ich dies für einen sehr guten Weg, den wir hier gehen wollen. Wir bitten deshalb als Koalition die Landesregierung, diese Option auch hier für uns in Schleswig-Holstein zu prüfen.
Abschließend ist es wichtig, dass Personen, die einen Abbruch durchführen wollen, dies tun können. Wir wollen uns deshalb auch nach dieser Debatte weiterhin mit der Situation in Schleswig-Holstein auseinandersetzen. Wir wollen uns vor allen Dingen, wie die Kollegin Katja Rathje-Hoffmann es gerade eben schon gesagt hat, die Situation dahin gehend ansehen, wie das Projekt anläuft, das die Landesregierung auf den Weg bringt, um Beratungsstellen zu ermöglichen, aber auch um es Personen und Ärztinnen und Ärzte zu ermöglichen, diesen Abbruch durchzuführen.
Wir hatten eigentlich geplant, es schon in diesem Jahr zu machen. Coronabedingt mussten wir dieses Projekt jedoch für das nächste Jahr auf den Weg bringen. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch auch die Versorgungssituation in Schleswig-Holstein verbessern werden und bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Herr Stegner, ich habe mich schon gefragt, was die Intention dieses Antrags ist, ob es Ihnen wirklich darum geht, den Begriff im Grundgesetz zu ersetzen, oder ob es um die Frage geht, dass wir als Koaliti
on, dass ich mit meinem eigenen politischen Vorschlag durchkomme.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es Ihnen vor allem um Letzteres geht.
Wenn Sie nämlich ein Interesse daran gehabt hätten, dass es wirklich darum geht, dass wir als Schleswig-Holsteiner ein Signal Richtung Berlin und Bundesrat schicken, hätten Sie im Vorfeld Gespräche gesucht oder versucht, das mit uns gemeinsam zu einen.
Mir ist das Thema viel zu wichtig, um es als politischen Spielball zu nutzen.
Als im Mai dieses Jahres George Floyd von einem weißen Polizisten in den USA erschossen worden ist, ist weltweit eine Debatte um Rassismus entfacht worden, und zwar auch explizit um Anti-Schwarzen-Rassismus, auch hier in Deutschland. Da ging es um die Frage: Wie begegnen wir diesem Thema?
- Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Sie sind jetzt dran, zuzuhören.
Es ging in diesem Kontext darum, sich zu überlegen: Wie positionieren wir uns an dieser Stelle?
In diesem Zusammenhang haben Robert Habeck, mein Bundesvorsitzender, und ich als eine der wenigen schwarzen afrodeutschen Abgeordneten und antirassismuspolitischen Sprecherinnen, einen Gastbeitrag formuliert. Es war uns wichtig, diesen Beitrag gemeinsam zu schreiben. Wir haben in diesem Gastbeitrag unterschiedliche Forderungen gestellt, einerseits die Forderung nach Polizeibeauftragten, andererseits Antirassismustraining in der Polizei.
- Ja, in Schleswig-Holstein, aber bundesweit haben wir das nicht. - Wir haben in diesen Gastbeitrag außerdem geschrieben, dass wir wollen, dass diese Gesellschaft Rassismus verlernt. Eine der Forderungen war auch, das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen und zu ersetzen. Uns war wichtig, das als Grüne, als Partei deutlich zu machen, weil wir den Eindruck hatten, dass sich in der Bundesrepublik in den ersten Wochen wenige Parteien posi
tioniert hatten. Uns war wichtig, dass dieses Signal gesendet wird.
Im Laufe der Zeit haben sich immer mehr Parteien positioniert, das ist wahr; aber zu diesem Zeitpunkt - das weiß ich sehr wohl - gab es keine klare Positionierung. Deswegen haben wir diesen Gastbeitrag geschrieben.
Wir wollten an dieser Stelle ein Signal senden an schwarze Menschen in Deutschland, Menschen, die von Rassismus betroffen sind, dass wir uns mit dieser Thematik auseinandersetzen, dass wir sie hören, dass wir sie vertreten und dass wir politische Antworten darauf haben.
Mit Ersetzung des Begriffs „Rasse“ ist Rassismus definitiv nicht bekämpft.
Aber die Debatte hat gezeigt, dass es viele Menschen bewegt hat. Wir als Grüne verkennen definitiv nicht die Intention der Mütter und der Väter des Grundgesetzes. Sie hatten die richtige Intention. Sie wollten als Lehren aus der deutschen Geschichte der Verfolgung, der Versklavung, der systematischen Ermordung - in Artikel 3 GG einen Diskriminierungsschutz einbauen. Leider haben sie sich einer rassistischen Sprache bedient. Deshalb ist die Debatte darum sehr notwendig.
Unser Grundgesetz ist unser Gesellschaftsvertrag. In diesem Gesellschaftsvertrag kann man aktuelle Debatten darstellen. Das ist der politische Punkt, den wir fordern.
Der Antrag, den wir als Koalitionsfraktion gestellt haben, formuliert ganz klar, dass das Diskriminierungsverbot auf gar keinen Fall abgeschwächt werden darf, wenn es eine Ersetzung gibt.
Wir haben keinen Blankoscheck formuliert, weil es uns wichtig ist, dass die Debatte, die derzeit noch im Deutschen Bundestag läuft, in die Richtung geht, dass der Begriff durch einen vernünftigen Begriff ersetzt wird.
Wir als Grüne haben beispielsweise den Punkt der rassistischen Diskriminierung eingebracht. Man
kann auch über andere Begriffe diskutieren. Uns ist es aber wichtig, keinen Blankoscheck zu erteilen.
Uns ist übrigens bei der Suche nach einem anderen Begriff auch wichtig, den Diskriminierungsschutz definitiv aufrechtzuerhalten, dass die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft, Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtler, Expertinnen und Experten aus der schwarzen Community, der jüdischen Community, der Sinteza- und Roma-Community, migrantische Organisationen einbezogen werden. Die Änderung im Grundgesetz ist ein wichtiges Puzzleteil.
In Schleswig-Holstein gehen wir einen anderen, ganz entscheidend wichtigen Schritt. Das ist der Aktionsplan gegen Rassismus. Mit diesem zeigen wir ganz deutlich, dass wir strukturell gegen das Thema Rassismus vorgehen wollen.
Ich weiß, dass viele sehr gespannt auf das Ergebnis hier in Schleswig-Holstein blicken: Wie wird sich dieser Aktionsplan ausgestalten? Wie werden die konkreten Maßnahmen dieser Landesregierung sein? Was werden wir als Parlament hinzufügen? Ich weiß, dass wir als Parlament etwas Gutes auf den Weg bringen werden.
Zum Schluss: Das entscheidende Signal, das wir heute aus Schleswig-Holstein Richtung Bund senden, ist, dass wir uns für die rechtssichere Ersetzung des Begriffes „Rasse“ im Grundgesetz einsetzen werden. Es hätte nicht anders sein können aus dem Bundesland heraus, das sich so vehement für die Rechte von Minderheiten einsetzt. Ich weiß, dass Ministerpräsident Günther und die Landesregierung sehr stark dafür kämpfen werden. Dafür danke ich den Koalitionspartnern und der Landesregierung. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich habe mich noch einmal im Rahmen eines Kurzbeitrages zu Wort gemeldet, weil ich die Aufregung einfach nicht verstanden habe.
Ich habe die Situation zu dem Zeitpunkt, als George Floyd, ein Afroamerikaner, von einem weißen Polizisten um sein Leben gebracht worden ist, beschrieben, die mir geschildert worden ist.
- Doch, darum ging es.
Ich habe den Kontext beschrieben, zu dem wir überlegt haben, uns zu dem Thematik Anti-Schwarzen-Rassismus zu positionieren.
Wenn bei vielen Schwarzen-Communitys und bei vielen Schwarzen-Organisationen der Eindruck entstanden ist, dass sich keine Partei dazu positioniert hat und wir daraufhin einen Gastbeitrag formulieren und sagen, wir erkennen das an, wir sehen das und werden uns politisch dafür einsetzen, dann ist es das, was ich beschreiben wollte.
Mir ging es zu keinem Zeitpunkt darum zu behaupten, dass es keine andere Partei in Deutschland gibt,
die sich je dazu verhalten hat oder irgendwie antirassistische Positionen hat. Mir ging es aktuell um den Moment der Verzweiflung, die viele Menschen geäußert haben, aufgrund derer ich die Notwendigkeit gesehen habe, mich dazu zu positionieren und das Phänomen zu beschreiben.
- Ja, ich habe an einer anderen Stelle Ihrem Kollegen Herrn Stegner vorgeworfen, dass dieser Antrag durchaus eine Intention hatte. Es ist nun einfach mal so im parlamentarischen Raum, dass wir das dann und wann mal machen. Aber es ist doch auch völlig in Ordnung, es an dieser Stelle zu kritisieren oder zumindest zu problematisieren.
Der Kern der Debatte ist für mich aber nicht dieser Punkt, sondern dass wir es schaffen, gemeinsam als Land Schleswig-Holstein das Signal zu senden, dass es uns wichtig ist, uns gegen Rassismus zu positionieren. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir es schaffen, ein gemeinsames Signal über die demokratischen Parteien hinweg zu senden. Ich glaube, das ist das Entscheidende. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! In ge
wohnter Manier versucht die AfD, mal wieder zu provozieren. Das kennen wir ja schon. Der Gesetzentwurf zeigt im Kern wieder einmal, dass die AfD frauen- und queerfeindlich ist. Jahrzehntelang schon kämpfen Akteurinnen für sprachliche Sichtbarkeit.
Mehr Aufmerksamkeit möchte ich diesem Provokationsversuch jedoch nicht schenken. Ich glaube, die Kolleginnen Rathje-Hoffmann und Raudies haben das eindrücklich getan. Stattdessen werde ich erklären, warum wir Grüne schon lange darauf pochen, geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, und dies auch selbst tun. Wir nutzen das Sternchen. Das ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um Frauen und nichtbinäre Personen sprachlich sichtbar zu machen.
Sprache bildet Realität ab, aber erschafft auch Realität. Das ist keine neue Erkenntnis. Was möchte ich damit konkret sagen in Bezug auf den öffentlichen Dienst? Laut DBB Beamtenbund und Tarifunion waren 2017 56 % der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Deutschland weiblich. Laut Statistischem Bundesamt leben aktuell 41 Millionen Männer und 42,1 Millionen Frauen in Deutschland. Schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland sind intersexuell. Hinzu kommen weitere Menschen, die zwar nicht intersexuell sind, aber trotzdem anderen Geschlechtern als weiblich oder männlich angehören.
Das heißt, dass das generische Maskulinum weder die Realität der Menschen, die diese Sprache benutzen - denn es arbeiten mehr Frauen als Männer im öffentlichen Dienst -, noch die Realität der Menschen ausdrückt, die angesprochen werden, also die Bevölkerung, in der es ebenfalls mehr Frauen und nichtbinäre Menschen als Männer gibt. Geschlechtergerechte Sprache ist also auch im öffentlichen Dienst notwendig, um die gesellschaftliche Realität abzubilden.
Das sogenannte generische Maskulinum wird schon lange von der feministischen Linguistik kritisiert, denn es wird wie folgt benutzt: Das Femininum bezeichnet Frauen, während das Maskulinum entweder Männer oder Männer und Frauen bezeichnen soll. In dieser Logik reicht es, dass ein einziger Mann anwesend ist, um eine Gruppe als „Mitarbeiter“ statt „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ oder „Mitarbeitende“ zu bezeichnen. Gleichzeitig werden Frauen nur dann erwähnt, wenn kein einziger Mann anwesend ist. Dann werden sie als Mitarbeiterinnen angesprochen.
Es gibt viele verschiedene Studien, die bestätigen, dass das generische Maskulinum mit Männern und nicht mit Frauen assoziiert wird. So können sich beispielsweise Mädchen besser vorstellen, bestimmte Berufe auszuüben, wenn weibliche Berufsbezeichnungen benutzt werden, zum Beispiel die Feuerwehrfrau.
Sprache ist im Wandel. Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir noch nicht Wörter wie „Laptop“, „Smartphone“, „posten“, „retweeten“ benutzt. Ich vermute, nur wenige Menschen haben ein Problem damit, solche Wörter zu benutzen. Ich vermute ebenfalls, dass niemand darauf besteht, dass im öffentlichen Dienst lieber von einem „mobilen Handtelefon mit Kamera und Internetfunktion“ oder dem „tragbaren, zusammenklappbaren, internetfähigen Rechner“ gesprochen werden soll. Das wäre ja auch Quatsch, denn wir haben Begriffe dafür: Smartphone und Laptop.
Ebenso haben wir Bezeichnungen für Frauen, die zum Beispiel in Schulen unterrichten: Lehrerinnen. Und noch viel besser: Wir haben sogar Lösungen, um alle Menschen, die an Schulen unterrichten, anzusprechen, auch diejenigen, die sich nicht den binären Geschlechterkategorien zuordnen: Lehrer*innen, Lehrpersonal, Lehrende. Warum also nur einen Teil der Menschen, die Lehrer, ansprechen?
Es heißt immer: „Frauen sind mit gemeint“, man solle sich mit gemeint fühlen. Es geht bei Diskriminierung aber nicht um Gefühle, sondern um Realitäten. Wenn wir doch eh mit gemeint sind, wo ist dann das Problem, uns auch ganz faktisch anzusprechen? Ich möchte nicht mit gemeint, sondern angesprochen werden. Das geht nicht nur mir, sondern auch vielen Frauen und Menschen aus der queeren Community so.
Deshalb schließe ich meine Rede folgendermaßen ab: Danke an all diejenigen, die unermüdlich dafür kämpfen, dass Frauen in Sprache, aber auch in gesellschaftlichen Realitäten wahrgenommen und sichtbar werden, genauso nichtbinäre Menschen. Uns Grüne haben sie auf jeden Fall an ihrer Seite.
Den Gesetzentwurf, den wir zwangsläufig überweisen müssen, werden wir im Nachhinein natürlich ablehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die aktuelle Debatte um Rassismus in Deutschland kann man nicht begreifen, wenn man nicht um die kolonialen Verbrechen von Deutschland weiß. Die Debatte um antischwarzen Rassismus in Deutschland ist so oberflächlich, weil wir so wenig Allgemeinwissen darüber haben. Eine Debatte um Kolonialismus kann man nur führen, wenn benannt wird, wer unter diesen unmenschlichen Verbrechen gelitten hat und bis heute die Auswirkungen dessen spürt: schwarze Menschen.
Um zu begreifen, dass es sich um eine Ideologie handelt, die wissenschaftlich auch hier in Deutschland vorbereitet worden ist, müssen wir zurückblicken. Dass es eben nicht nur um ein rassistisches Momentum geht, sondern auch um koloniale Verbrechen und Kontinuitäten, die bis in das Heute wirken - das ist die Kerndebatte, die wir eigentlich führen müssten.
Deshalb bin ich froh, dass der SSW mit seiner Großen Anfrage hier eine Debatte losgetreten hat. Die Mär von „Deutschland war nur ganz kurz Kolonialmacht im Vergleich zum Beispiel zu Großbritannien, und deswegen war diese Zeit harmlos“ muss heraus aus den Schulen! Das ist nämlich eine Verharmlosung. Diese Behauptung verkennt schlichtweg, dass sich Deutschland an unmenschlichen Verbrechen beteiligt hat. 30 Jahre deutsche Beteiligung sind für mich persönlich keine kurze Zeit.
Mit der deutschen Ausbeutung des afrikanischen Kontinents fing auch die Suche nach evolutionstheoretischen Gründen für die Unterordnung schwarzer Menschen innerhalb des menschlichen Geschlechts an. Eine pseudowissenschaftliche Basis dafür zu schaffen haben unter anderem Kant, Hegel, Winckelmann und viele andere unternommen.
In dieser vermeintlich kurzen Zeit von 30 Jahren hat Deutschland Kolonien im heutigen Togo, in Kamerun, Tansania und Namibia gehabt. Schwarze Menschen wurden entmenschlicht, getötet und versklavt. Weiße Europäerinnen und Europäer verstanden sich als Kulturvölker; Afrikanerinnen und Afrikaner dagegen wurden als kulturlos angesehen und demnach als „Naturvölker“ bezeichnet.
Von 1904 bis 1908 wurde der Völkermord an den Herero und Nama begangen.
In dieser vermeintlich kurzen Zeit wurde eine Rassenideologie verfestigt, um die Verbrechen, die man beging, zu legitimieren.
Die Geschichte geht weiter und führt uns in den Nationalsozialismus. In jener Zeit bekamen schwarze deutsche Menschen ihre Staatsbürgerschaft entzogen; einige wurden in Konzentrationslagern getötet. Die antischwarze Gesetzgebung reichte aber auch über diesen Zeitraum hinaus.
Deshalb stelle ich mir die Frage: Wieso lesen wir in Schulen nicht Bücher wie „Farbe bekennen: Afrodeutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ von May Ayim und Katharina Oguntoye? Wieso lesen wir in Schulen nicht Bücher wie „Deutsch sein und schwarz dazu: Erinnerungen eines Afro-Deutschen“ von Theodor Michael, einem Zeitzeugen des Nationalsozialismus, der im letzten Jahr verstorben ist? Dort lernen wir all das und beginnen zu begreifen.
Im Aktionsplan gegen Rassismus muss für den Bildungsbereich als Ziel formuliert sein, dass das Bildungsmaterial ausreichend Kolonialismus beinhaltet, um Rassismus und Stereotypenzuschreibungen vorzubeugen und entgegenzuwirken. Natürlich muss dem vorgelagert sein, dass das in der Lehramtsausbildung stattfindet.
Es muss Forschungsprojekte dazu geben sowie Denkmäler für die Opfer der Kolonialzeit. So fordern es auch die Vereinten Nationen im Rahmen der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung weltweit.
Im Bundesland Berlin gibt es schon parlamentarische Beschlüsse dazu, dass man sich seiner kolonialen Verantwortung stellen möchte. Das sollten wir hier in Schleswig-Holstein genauso tun.
Mit Robert Habeck habe ich - unter anderem - außerdem gefordert, dass der Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ersetzt werden soll, zum Beispiel durch den Begriff „rassistische Zuschreibungen“, weil es eben keine unterschiedlichen menschlichen Rassen gibt. Dafür gibt es viel Zuspruch: von der Kanzlerin über den Bundesinnenminister, der Integrationsbeauftragten, der Bundesjustizministerin bis hin zu den Bundestagsfraktionen der Grünen, der FDP, der SPD und der Linken. Ich habe auch einige verwirrende Artikel gelesen, in denen sich viele CDUler, gerade Mitglieder der Bundestagsfraktion, dagegen aussprechen, weil der Begriff „Rasse“ zwar inhaltlich falsch sei, man aber irgendwie trotzdem gegen die Ersetzung sei. Das verstehe ich persönlich nicht. Aber nun gut. Die Debatte im Deutschen Bundestag läuft weiter. Ich bin gespannt, wie sie sich entwickeln wird.
Es wird natürlich auch interessant sein, wie wir uns hier in Schleswig-Holstein positionieren. Ich persönlich hoffe natürlich, dass wir uns für die Ersetzung dieses Begriffs einsetzen und ich Ihre Unterstützung bei diesem Vorhaben haben werde.
Wir müssen weg von den Debatten, Menschen nach ihren persönlichen Rassismuserfahrungen auszuquetschen. Wir haben die Verantwortung, Rassismus zu verstehen und im historischen Kontext unseres Landes zu begreifen. Einzufordern, dass Minderheiten ihre persönlichen traumatischen Erlebnisse darstellen - zum Verständnis der Mehrheit -, wird dabei nicht helfen. Um Kolonialismus aufzuarbeiten, muss man mit schwarzen Akteurinnen und Akteuren zusammenarbeiten. Die Liste der Großen Anfrage beinhaltet gerade einmal eine schwarze Organisation aus Schleswig-Holstein. Ich bin im Austausch mit schwarzen Expertinnen und Experten sowie mit entsprechenden Organisationen in Schleswig-Holstein und bundesweit. Fragen Sie mich!
Abschließend: Es ist wichtig, dass wir über die Verbrechen des Kolonialismus und darüber hinaus gegenüber schwarzen Menschen sprechen. Aber was auch wichtig ist: dass wir über schwarzes Leben in Schleswig-Holstein und Deutschland heute sprechen. Denn wir sind hier, wir sind Teil dieser Gesellschaft und gestalten sie mit. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Große Koalition hat im Juli 2017 das Entgelttransparenzgesetz verabschiedet. Es soll dafür sorgen, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit in Deutschland Realität wird. Hat das funktioniert? - Nein, hat es nicht. Der Gender Pay Gap liegt unverändert bei 21 %.
Das Entgelttransparenzgesetz ist wie ein sehr grobes Sieb; in seinen Maschen bleibt nichts hängen. Alle Betriebe mit weniger als 200 Beschäftigten rauschen direkt durch; sie sind nämlich davon ausgenommen. Aber genau in diesen Betrieben arbeiten fast zwei Drittel der berufstätigen Frauen. Für sie gilt dieses Gesetz überhaupt nicht.
Auch in den verbleibenden Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten hilft das Gesetz wenig. Der fette Brocken Lohndiskriminierung wird auch dort nicht aufgefangen. Denn das Gesetz wird kaum genutzt. An der Lohnlücke von 21 % hat es in den drei Jahren seines Bestehens nichts geändert. Ein Gesetz muss aber seinen Zweck erfüllen. Bei Lohndiskriminierung sollte es die Rechte derer stärken, die diskriminiert werden.
Wir Grünen wollen ein Entgeltgleichheitsgesetz, das etwas bringt. Wir wollen kollektive Rechtschutzmöglichkeiten durch ein Verbandsklagerecht oder durch Gruppenverfahren einführen.
Frauen müssen gemeinsam und nicht nur individuell gegen unfaire Bezahlung wirksam vorgehen können. Das würde wirken. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag haben wir Grünen konkrete Vorschläge eingebracht.
Immer wieder predige ich: Die strukturelle Benachteiligung braucht auch strukturelle Gegenmaßnahmen. Deshalb wollen wir, dass eine Gleichstellungsstrategie für Schleswig-Holstein entwickelt wird. Diese muss verschiedene Punkte umfassen
wie die Entwicklung diskriminierungsfreier Digitalisierungsprozesse und die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die Privatwirtschaft, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie oder Pflege zu erreichen.
Das Gute dabei: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Feministische Akteurinnen kämpfen schon sehr lange für gleichstellungspolitische Maßnahmen. Deshalb soll die Gleichstellungsinitiative der Europäischen Kommission genutzt werden. Außerdem soll explizit auf unsere europäischen Nachbarländer geschaut werden, um zu prüfen, welche ihrer gleichstellungspolitischen Maßnahmen auch in Schleswig-Holstein anwendbar sind.
Besonders wichtig ist uns dabei, dass alle Ressorts der Landesregierung in die Erarbeitung der Gleichstellungsstrategie einbezogen werden. Gleichstellung darf nicht nur als Thema des Gleichstellungsministeriums betrachtet werden; denn damit wäre nicht alles getan. Es handelt sich um ein Querschnittsthema. Alle Frauen im öffentlichen Dienst haben das Recht auf diskriminierungsfreies Arbeiten. Alle Frauen haben das Recht auf diskriminierungsfreies Leben, sowohl in den Lebensbereichen, deren Alltag durch das Verwaltungshandeln des Gleichstellungsministeriums beeinflusst wird, als auch in den Lebensbereichen, deren Alltag durch das Verwaltungshandeln aller anderen Ministerien beeinflusst wird. Die Idealvorstellung ist, dass jede Maßnahme durch eine gleichstellungspolitische Brille betrachtet wird. Dafür gibt es schon lange einen Begriff: Gender Mainstreaming.
Besonders wichtig ist uns außerdem, dass die Gleichstellungstrategie unter Einbezug zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure erstellt wird. In den Vereinen, Verbänden und Initiativen sitzt wichtige gleichstellungspolitische Expertise. Ohne diese geht es nicht. Wir wollen keine Gleichstellungsstrategie, die an den gesellschaftlichen Realitäten vorbeigeht. Deshalb freue ich mich, dass wir als Koalition uns darauf geeinigt haben, eine Gleichstellungsstrategie auf den Weg zu bringen. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.
Sehr geehrte Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hanau ist elf Wochen her, und Hanau war definitiv kein Einzelfall. Unser Antrag ist als Reaktion darauf entstanden.
Der Verfassungsschutzbericht aus dieser Woche hat gezeigt, dass es auch in Schleswig-Holstein notwendig ist, sich mit Rechtsextremismus und Rassismus auseinanderzusetzen. Gerade in Krisen wittern Rechtsextreme und Rassisten ihre Chance.
Für Menschen, die genauso Opfer dieser Tat hätten werden können, war Hanau ein Einschnitt. Viele haben sich die Frage gestellt: Wie sicher sind wir in diesem Land, das wir unser Zuhause nennen? Deshalb bricht es mir das Herz, dass vor Synagogen oder Moscheen Polizei stehen muss. Es bricht mir das Herz, dass kurz nach Hanau das Kollektiv afrodeutscher Frauen hier in Kiel eine Abschlussveranstaltung organisiert hatte und die Sicherheitslage polizeilich geprüft werden musste - aus Angst. Wir wollen nicht in einer Gesellschaft leben, in der das notwendig ist. Wir wollen angstfrei leben können.
Das Gute ist, dass wir in einem demokratischen System auf den Staat zurückgreifen können. Dafür müssen aber unsere Institutionen fit sein: Polizei, Justiz, Schulen, Gesundheitswesen, Kitas - alle. Dafür haben wir den Aktionsplan gegen Rassismus verabschiedet. Jedes Ministerium ist in der Verantwortung, ins Handeln zu kommen, und ich bin auf die Ergebnisse gespannt, die sie erbringen werden.
Manchmal bin ich müde, darüber zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass wir - verdammt nochmal ein Problem mit Rassismus in unserer Gesellschaft haben, weil politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, die das beschäftigen sollte, oft negieren, dass Rassismus existiert. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger nicht einmal das Wort Rassismus in den Mund nehmen können, weil es zu hart klinge, dann weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mal rassistische Politik machen und sich zwei Monate später als Anti-Rassismus-Politikerinnen oder Anti-Rassismus-Politiker aufspielen, ist dies nicht vertrauenserweckend, sondern schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger nicht wahrnehmen, dass ein Viertel in dieser Gesellschaft von regelmäßigen Attacken berichten und davon, dass ein anhaltender Rassismus existiert, dann weiß ich nicht, wie wir dieses Problem im Kern ersticken können.
Deshalb bin ich der Meinung, dass es nicht reicht, immer und immer wieder als Zeichen seiner Positionierung gegen Rassismus und Rechtsextremismus auf die AfD zu verweisen und zu denken, damit habe man sein Soll erfüllt. Jeder - wirklich jeder weiß, dass sie es ist.
Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen nicht mit Rechtsextremen sympathisieren oder zu ihnen werden. Außerdem müssen alle, jeder Einzelne und jede Einzelne, sich mit Rassismus auseinandersetzen.
Die Anti-Rassismus-Expertin Tupoka Ogette beschreibt den Zustand, bei dem Teile der Mehrheitsgesellschaft nicht verstehen, dass wir ein Problem mit Rassismus haben, als „Happyland“. Sie sagt, dass man da rausgeholt werden müsse und erst beginne zu verstehen, wenn man anfange, zuzuhören und sich damit auseinanderzusetzen. Ich stimme ihr zu: Wir müssen in unserer Gesellschaft ein ernsthaftes Gespräch führen und festhalten, dass es Rassismus gibt. Wir müssen aufhören, Rechtsextremismus und Rassismus als Synonyme zu verwenden. Es gibt die Springerstiefel-Nazis, aber auch den rassistischen Kollegen oder die rassistische Tante. Das zeigen uns die Mitte-Studien aus Leipzig immer und immer wieder.
Wir als Politik und Gesellschaft können dagegen etwas tun: Bildung, Aufklärung, Dagegenhalten und es Menschen zutrauen, dass sie bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Nicht immer gleich von Überforderung sprechen. Wir schaffen es als Gesellschaft, hochkomplexe Diskussionen über den Klimawandel oder über ein Virus zu führen, aber Herbert, 58 Jahre alt, trauen wir nicht zu, dass er sich mit dem Ursprung rassistischer Sprache auseinandersetzen kann. Warum? Was ist falsch daran, dass wir uns auf ein Grundgesetz und eine Menschenrechtscharta geeinigt haben, die uns zusichern, diskriminierungsfrei zu leben?
Ein weiterer Punkt, den ich gerade jetzt gern hervorheben möchte, ist: In unserem Antrag fordern wir gemeinsam mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung, ein landesweites Projekt und Unterrichtsmaterial zur Aufklärung über Verschwörungsideologien zu entwickeln. Katharina Nocun und Pia Lamberty klären in ihrem neuen Buch „Fake Facts“ zu Verschwörungserzählungen oder Mythen auf. Sie sprechen bewusst nicht von „Verschwörungstheorien“, weil der Begriff aufwertet, was sie nicht sind: belegbare Theorien. Man kann sich darüber lustig machen, dass Leute auf sie hereinfallen, das ist aber zu kurz gedacht. Warum tun sie das, was ist die Erklärung dafür, und was ist politisch geboten, um dem Einhalt zu bieten? - Darauf geben sie Antworten.
Zum Schluss: So oft mich der Mut verlässt, so froh bin ich darüber, dass wir hier heute am 8. Mai in Schleswig-Holstein ein solches Maßnahmenpaket beschließen, das neben den vorhin genannten Punk
ten noch viele weitere vorsieht: die Verschärfung des Waffenrechts, Hass im Netz entgegenzutreten, Demokratiebildung zu fördern, einen Pakt für Demokratie mit dem Landtagspräsidenten und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zu schaffen, plurale Gesellschaft und Migrantinnen- und Migrantenselbstorganisationen zu fördern, Unterstützung und Einbindung in anti-rassistische Konzepte, Opfer rechtsextrem und rassistisch motivierter Gewalt zu unterstützen und rechtsextremistische Gewalt und Strukturen zu bekämpfen.
Damit ist nicht alles getan, aber es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Deswegen danke ich Ihnen allen hier im Haus, dass wir diesen gemeinsamen Antrag heute auf den Weg gebracht haben. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Vorweg möchte ich sagen, dass ich sehr froh darüber bin und war, dass wir als Koalition uns immer wieder darüber ausgetauscht haben, wie wir aktiv werden können, wie wir gemeinsam Humanität zeigen können, dass das auch oft gemeinsam gelungen ist und beschlossen werden konnte. Ich bin auch froh, dass die Landesregierung wiederholt deutlich gemacht hat, dass wir bereit sind, Menschen aufzunehmen. Ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist, auch nicht, das immer wieder zu wiederholen. Wenn man zu den wenigen Bundesländern gehört, die das überhaupt machen, ist es schon etwas Besonderes. Deshalb möchte ich hier am Anfang sagen: Vielen Dank dafür.
Wir haben es als Bundesland für notwendig gehalten, in Richtung Bund deutlich zu machen, dass wir bereit sind, Menschen von den griechischen Inseln aufzunehmen, weil die Zustände vor Ort unmenschlich sind. Es ist kaum auszuhalten, sich die Berichte anzusehen, weil man sich dafür eigentlich nur schämen kann. Das ist nicht nur zum Schämen, sondern auch der Europäischen Union nicht würdig.
Die Evakuierung von 47 Kindern nach Deutschland hat sich im Nachhinein als faktische Familienzusammenführung herausgestellt. Ich glaube, es ist in den letzten Wochen ein wenig untergegangen, dass die humanitäre Aktion, die von der Bundesregierung gestartet worden ist, so oder so in Europa eigentlich hätte stattfinden müssen. Das ist problema
tisch, weil man auf der einen Seite deutlich macht, dass man Dinge, die man eigentlich hätte tun müssen, versäumt hat zu tun, auf der anderen Seite ist es natürlich gut und richtig, dass diese 47 Kinder dort herausgeholt wurden. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Insgesamt zeichnet sich da aber ein merkwürdiges Bild ab.
Wenn man sich Berichte dazu anhört, wie die Auswahl der Minderjährigen und Kinder vor Ort stattgefunden hat, stellt man fest, griechische NGO berichten, dass es chaotisch zuging. Weil man schnell Bilder produzieren wollte, dass Minderjährige nach Deutschland kommen, hat man einfach schnell und chaotisch Kinder ausgesucht. Man hat sich keine Gedanken darüber gemacht, wen man genau da eigentlich herholt.
Dabei haben wir immer wieder besprochen, dass gerade vulnerable Gruppen als Erstes hergeholt werden sollten. Das ist völlig richtig, und das muss auch der Anspruch sein. Der Koalitionsbeschluss der Großen Koalition hat aber formuliert, dass man vor allem minderjährige Mädchen, 14 Jahr maximal, herholen möchte. Das wurde mit der Zahl von 1.600 Personen unterlegt.
Die NGO vor Ort in Griechenland sagen aber ganz klar, dass es völlig unrealistisch ist, diese Zahl zu realisieren, weil nur 7 % der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge überhaupt Mädchen sind. Das heißt, man hat ein falsches Bild erzeugt. In den Tagen und Wochen darauf hat man sich massiv darüber geärgert, dass so wenige Mädchen hergekommen sind, sondern vor allem Jungen. - Ja, das passiert nun einmal, wenn man ein falsches Bild zeichnet und das mit der Situation vor Ort, der Realität, nicht abgleicht. Deshalb gab es im Nachgang völlig populistische und problematische Diskussionen, warum man sich denn nicht um Mädchen gekümmert habe.
Dieses Hintergrundwissen ist durchaus wichtig für die Situation, die wir da geschaffen haben.
Von was für einer Situation sprechen wir? - In dem Lager Moria auf Lesbos sieht es wie folgt aus. Das ist ein Lager, das für 3.000 Menschen geplant war, in dem inzwischen 20.000 Menschen leben. Man spricht dann immer wieder von Zahlen wie 5.000 Personen, 1.600 Personen, 50 Menschen, was auch immer. Die Debatte bewegt sich zunehmend dahin, die Zahl immer weiter zu reduzieren, obwohl die Zahl der Menschen, die dort leben, 20.000 umfasst.
Ich finde es an der Stelle sehr wichtig zu betonen, dass es wichtig ist, das gesamte Lager zu evakuieren.
Es kann nicht darum gehen, nur für Einzelne eine sichere Situation zu schaffen, sondern es muss darum gehen, für alle eine sichere Situation zu schaffen.
Das ist auch keine Position, die nur wir als Grüne vertreten. Der CDU-Bundesentwicklungsminister, der vor Ort war und sich Moria angeguckt hat, wurde mit den Worten zitiert:
„Wir müssen allen Menschen im Lager helfen. Ich empfinde es als Schande, welche Zustände mitten in Europa akzeptiert werden.“
Er hat recht: Das ist eine Schande.
Schaut man sich an, wie die Menschen vor Ort dort leben und was sie darüber berichten, hält man es nicht aus, sich das länger als ein paar Minuten anzuschauen. Die Bilder von Gesichtern von jungen Mädchen, von jungen Personen, die davon erzählen, dass sie nicht die Möglichkeit haben, Wasser zu benutzen - mitten in einer Gesundheitskrise, die uns weltweit betrifft -, dass sie keine sanitären Anlagen haben, dass sie vor Ort vergewaltigt werden, dass sie keine Schutzräume haben, dass sie in Orten leben, die man den „Dschungel“ nennt - mitten in Europa -, sind beschämend.
Deshalb möchte ich zum Schluss noch einmal betonen: Es ist nicht genuin Aufgabe der Bundesländer, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Ich finde es aber richtig, dass wir uns als Bundesland genau diese Frage gestellt und gesagt haben: Wir sind Teil der Europäischen Union, wir können nicht wegsehen, sondern wir müssen auch selbst handeln. Wenn wir den Eindruck haben, dass auf der Ebene der Bundesregierung nicht genügend getan wird, dann ist es richtig, dass wir als Bundesländer Druck erzeugen.
Deshalb möchte ich noch einmal - zum dritten oder vierten Mal in dieser Rede - betonen, dass ich weiß, dass es für Konservative und Liberale mit uns zusammen als Grüne nicht selbstverständlich ist, solche Forderungen zu formulieren. Deshalb bin ich umso dankbarer dafür, dass Sie die Situation ähnlich wie wir einschätzen und wir gemeinsam immer wieder Position beziehen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wie oft habe ich schon gehört: Mir ist es egal, wie du aussiehst, wen du liebst, wo du herkommst oder an welchen Gott du glaubst. - Menschen denken in der Regel, sie seien mit dieser Aussage besonders weltoffen oder besonders fortschrittlich. Es ist im Kern aber eine ignorante Aussage, weil sie verkennt, dass
es in unserer Gesellschaft Menschen gibt, denen es sehr wichtig ist, wie man aussieht, wen man liebt, woher man kommt oder an welchen Gott man glaubt.
Die Frage ist insofern relevant, als dass Menschen bereit sind, schwarze Menschen zu beleidigen, Menschen mit Migrationsgeschichte zu degradieren, homosexuelle Menschen, Inter- und Transpersonen Gewalt zuzufügen, Menschen muslimischen Glaubens die Daseinsberechtigung abzusprechen und jüdische Menschen zu verletzen. Genau das war in den letzten Tagen Thema: eine rechte Terrorzelle, die Anschläge auf Moscheen, Asylsuchende und auch auf Politikerinnen und Politiker plante. Das ist die Realität, in der wir uns bewegen. Diejenigen, die Aussagen treffen wie: „Es ist mir egal, wo du herkommst“, sind dazu aufgefordert, mehr zu tun, als diese halbherzige Aussage zu treffen. Es ist notwendig, für diese Menschen einzustehen.
Ja, auch in Schleswig-Holstein, wo wir uns so gerne als weltoffen bezeichnen, ist es notwendig. Das zeigt der Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle.
Folgende Situation: Samstagabend, irgendwo in Schleswig-Holstein, möchten Jasmin und Lena auf den Jahrmarkt gehen, denn heute ist Date Night, bei der alle Paare 50 % Rabatt bei allen Fahrgeschäften bekommen. Das klingt super - doof nur, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fahrgeschäfts den Aktionstag ausschließlich auf heterosexuelle Paare bezogen haben. Daraufhin recherchierte die Antidiskriminierungsstelle, und es wurde deutlich, dass mehreren homosexuellen Paaren dieses Recht verwehrt worden ist.
Ein Szenenwechsel - wieder Samstagabend in Schleswig-Holstein -: Amir und Farid, zwei geflüchtete Männer aus Afghanistan, wollen feiern gehen. Als sie eine Disco betreten wollen, sagt der Türsteher: Nein, ihr seid Ausländer. Ihr kommt nicht rein. Heute könnte Barack Obama kommen, selbst der käme nicht rein.
Die Antidiskriminierungsstelle wird wieder aktiv, recherchiert und stellt fest, dass es bereits einige Zeitungsartikel zu Rassismusvorwürfen gegen die Disco gibt. Außerdem gibt es zahlreiche FacebookPosts, in denen Personen ähnliche Erfahrungen schildern.
Was machen die zwei Beispiele deutlich?
Erstens. Diskriminierung - in diesem Fall Rassismus und Homofeindlichkeit - sind in SchleswigHolstein leider etwas Alltägliches.
Zweitens. Diskriminierung findet in der Mitte unserer Gesellschaft statt, von ganz normalen Menschen, die auf dem Jahrmarkt oder als Türsteherinnen oder Türsteher arbeiten. Dafür muss man nicht an den sogenannten rechten Rand unserer Gesellschaft blicken.
Drittens - ich werde nicht müde, das in meinen Reden immer wieder zu betonen - handelt es sich bei Diskriminierung nicht um gefühlte Wahrheiten. Es sind auch keine traurigen Einzelfälle. Es geht um strukturelle Diskriminierung. Schon die einfache Online-Recherche der Antidiskriminierungsstelle in diesen beiden Fällen machte deutlich: Es handelte sich nicht um Einzelfälle, sondern um kollektive Erfahrungen.
Um strukturelle Probleme zu bekämpfen, braucht es strukturelle Maßnahmen. Eine Antidiskriminierungsstelle ist unter anderem eine solche Maßnahme. Ich danke an dieser Stelle der Bürgerbeauftragten und ihrem Team, die mit dem, was sie tun, eine wichtige Arbeit leisten.
Wir als Politik, wir als Politikerinnen und Politiker sind gefragt. Der Landesaktionsplan gegen Rassismus, der Aktionsplan „Echte Vielfalt“ für die Akzeptanz vielfältiger sexueller Identitäten, der Vertrag zur Förderung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein, der Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - das alles ist kein Selbstzweck. Wir müssen unsere Gesellschaft gegen Diskriminierung immunisieren. Das ist Sinn und Zweck solcher Aktionspläne.
Wir führen in Deutschland auf der einen Seite Debatten darüber, ob es bestimmte Formen von Menschenfeindlichkeit tatsächlich gibt, während es auf der anderen Seite an der Tagesordnung ist, dass Menschen Diskriminierung erfahren.
Wir müssen dringend wegkommen von dem Modus des Zweifelns. Wir müssen anerkennen, dass Rassismus, Sexismus und viele andere Diskriminierungsformen gesellschaftliche Realitäten sind. Wir müssen aktiv werden in unserem Handeln, in unserer Politik. Wir müssen vor allem die Zusammen
hänge unseres politischen Handelns verstehen und dürfen sie nicht losgelöst voneinander betrachten.
Ich will das einmal beispielhaft anführen. Schauen wir uns einmal an, dass restriktive Asylpolitik immer angeführt wird, sobald es gesellschaftliche Konflikte gibt! Führen wir uns die immer wieder neuen leidigen Debatten über Leitkultur vor Augen! Das führt dazu, dass in unserer Gesellschaft natürlich auch rassistisches Denken und Handeln wieder auf der Tagesordnung stehen.
Ich erwarte von uns mehr als Lippenbekenntnisse. Ich erwarte von uns politisches Handeln mit größter Überzeugung. Das ist es, was uns dieser Tätigkeitsbericht zeigt. Der Bericht ist eine Anforderung und eine Aufforderung an uns in der Politik. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Vorweg erst einmal vielen Dank für den Bericht, Herr Minister Garg. Meine Vorredner haben es bereits gesagt: Eine solche Kur sollte eigentlich etwas Gutes sein. Am besten kommt man gesund zurück von so einer Kur.
Wenn Kinder auf Kur geschickt werden, sind in der Regel Pro und Contra gut abzuwägen. Eine Trennung von den Eltern und Geschwistern kann durchaus schwierig sein. Die Herausnahme aus Kita, Schule und Freundeskreis birgt natürlich Unsicherheiten. Heute werde deshalb aus gutem Grund in der Regel Eltern-Kind-Kuren gemacht.
In den 50er- bis 80er-Jahren sah das noch ganz anders aus. Hatte ein Kind ein Problem, dann war das Kind das Problem. Den ganzheitlichen Blick auf die Familie, auf somatische und psychologische Faktoren gab es kaum. Die einfache Lösung: Wir schicken das Kind für ein paar Wochen möglichst weit weg. Im Kurheim wird das Kind geheilt. Es fährt nach Hause, und alles wird gut.
Gern wurden Kinderkuren bei vermeintlich zu dünnen Kindern eingesetzt, die nicht essen wollten. Leider kamen sie ganz oft noch dünner zurück. Warum das so war, hat uns unter anderem die Berichterstattung des NDR vor Augen geführt. Es kamen Betroffene zu Wort. Sie hatten sich im November letzten Jahres auf Sylt zu einem Kongress der Verschickungskinder getroffen.
Der Minister hat von den schrecklichen Ereignissen, unter denen die Kinder gelitten hatten, berichtet. Eltern durften außerdem ihre Kinder nicht besuchen, denn dann bekämen sie Heimweh. Briefe wurden kontrolliert. Deshalb malte eine Zeitzeugin Häuser an den Rand: dunkle für schlechte und bunte für gute Tage. Die Briefe waren ganz und gar mit schwarzen Häusern umrandet.
Dass die Betroffenen traumatisiert sind, ist deshalb natürlich nicht verwunderlich. Dass sie sich eine Aufarbeitung wünschen, ist richtig und nachvollziehbar. Es ist Unrecht geschehen. Es wurde Gewalt angewendet. Dass die Betroffenen eine Entschädigung einfordern, liegt auf der Hand. Viele leiden noch heute an den Folgen dieser Kuren. Erlittene Traumata und langfristige Schädigungen müssen anerkannt und ausgeglichen werden.
Für andere Zielgruppen konnte dies bereits erreicht werden mit dem sogenannten Heimkinderfonds, dem ergänzenden Opferhilfesystem und im Rahmen der Stiftung Anerkennung und Hilfe. Was für die einen notwendig und richtig ist, darf den Opfern der Kinderkuren nicht verwehrt werden.
Zum Schluss: Vielen Dank an die SPD-Fraktion für die Initiative, diese Debatte auf die Tagesordnung zu bringen. Ich bin froh, dass wir als Koalition, SPD und SSW gemeinsam weiter an diesem Thema arbeiten und arbeiten werden. Vielen Dank auch an die Landesregierung, namentlich an den Minister, für die Bereitschaft, sich mit den Betroffenen auseinanderzusetzen, sie zu unterstützen und sie auch bei der Aufklärung zu unterstützen. Vielen Dank auch dafür, dass er bereits tätig geworden ist. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Schleswig-Holstein hatte die erste Gleichstellungsministerin bundesweit, Gisela Böhrk. Schleswig-Holstein
hatte die erste Ministerpräsidentin bundesweit, Heide Simonis. Wir sind mit gutem Beispiel vorangegangen.
Heute sprechen wir über den Fünften Gleichstellungsbericht und den Zweiten Gremienbericht. Ein Gleichstellungsbericht in jeder Legislaturperiode seit 1994, seit 25 Jahren. Viele Aspekte wurden schon von meinen Kolleginnen genannt. Ich werde mich auf die Punkte konzentrieren, die ich in diesem Bericht spannend und wichtig finde.
Wie ernst nimmt Schleswig-Holstein die Gleichstellung von Frauen und Männern wirklich? Wie sieht es in der Landesverwaltung konkret aus? Wo arbeiten Männer, wo arbeiten Frauen, und wie werden sie bezahlt? Sind unsere Gremien paritätisch besetzt, wie es das Gesetz vorsieht? Auch das ist eine Frage, die man sich stellen muss.
Ein wirklich gleichberechtigtes Bild zeichnen die Berichte leider nicht, auch nicht nach 25 Jahren, seit es ein Landesgleichstellungsgesetz gibt. Nach 25 Jahren Gleichstellungsgesetz gibt es durchaus eine positive Entwicklung, aber wir sind noch lange nicht am Ziel angekommen.
Der Bericht zeigt: Die obersten Führungsebenen bleiben fest in Männerhand. Dort wird keine Teilzeitarbeit umgesetzt. Es ist gut, dass die Landesregierung dies erkennt und mit konkreten Maßnahmen vorangehen möchte. Es ist gut, dass Teilzeitarbeit als gleichwertiges Modell anerkannt wird und für alle Ebenen akzeptiert und gefördert werden soll, und das ausdrücklich auch und gerade, wie meine Kollegin es eben gesagt hat, für Männer.
Es gibt eine Überrepräsentanz von Frauen im Bildungsbereich. Aus meiner Sicht ist die einseitige geschlechtliche Verteilung bei Bildung und Schule in erster Linie durch traditionelle Rollenbildung zu erklären. Mehr Männer in die Grundschulen zu bringen, finde ich sehr gut, genauso in die Kitas.
Die nach Geschlechtern umgekehrte Verteilung von Männern und Frauen finden wir - auch das haben meine Kolleginnen vorher gesagt - vor allem im Bereich Inneres und Polizei. Dort dominieren nach wie vor Männer. Auf der Innenministerkonferenz gibt es keine einzige Ministerin. Auch hier gibt es noch eine Menge zu tun.
Bei der Gremienbesetzung sieht es nicht anders aus: Der Anteil weiblicher Geschäftsführungen bezie
hungsweise weiblicher Vorstände bei bedeutenden Landesbeteiligungen liegt bei 9,5 %. Das ist mies, das muss sich ändern.
Die weibliche Besetzung kommunaler Gremien ist ebenfalls schlecht. Ursächlich begründet sei dies durch die wenigen weiblichen Mandatsträgerinnen, so der Bericht. Ja, es ist schlecht, dass wir gerade in der Kommunalpolitik wenig Frauen haben.
Ich kann das Argument ehrlich gesagt nicht mehr hören, dass man Frauen überzeugen müsse, dass man Frauen supporten müsse. Ja, man muss das auf der einen Seite natürlich tun, auf der anderen Seite muss man sich aber vor allem die Frage stellen, warum das so ist, warum die Strukturen so sind, warum ganz viele Gespräche in politischen Strukturen männlich dominiert sind, in der Art und Weise, wie gesprochen wird und so weiter. Ich finde, dass man auch in dieser Debatte merkt, wie nervös alle immer werden, wenn es darum geht, dass mehr Frauen in die Politik oder in bestimmte Verantwortungspositionen sollen und Männer ein Stück weit raus sollen.
Das merkt man sehr deutlich, gerade bei einer rein männlichen Fraktion auf der rechten Seite.
Aus grüner Sicht ist es problematisch, dass in der Kommunalpolitik relativ wenig Frauen vertreten sind. Das ist eine absolute Steilvorlage für ein Paritätsgesetz. Ich glaube, in dieser Frage unterstützen uns auch die SPD und der SSW. Sie wissen, wir hatten dazu im vergangenen Monat eine Konferenz in Berlin, auf der wir mit unterschiedlichen Vertreterinnen und Vertretern von Landes- und Bundesebene über diese Frage diskutiert haben. Wir setzen uns mit dieser Frage auseinander. Es gibt Beispiele in Brandenburg und in anderen Bundesländern. Unsere Justizministerin hat auch ein Beispiel genannt. Wir finden, dass man sich mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Freiwillig passiert hier rein gar nichts.
Abschließend möchte ich dazu sagen: Meine persönliche Bilanz zu den beiden Berichten ist gemischt. Wir haben einiges erreicht, aber es gibt noch viel zu tun, um einer wirklichen Gleichstellung näherzukommen. Daran müssen wir gemeinsam arbeiten, und ich bin mir sicher, dass die Frauen in diesem Parlament zusammen mit allen anderen diese Politik ebenso wie die Gleichstellung un
terstützen, und darauf freue ich mich. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Es ist notwendig, das Thema Gewalt gegen Frauen immer wieder auf die Tagesordnung zu rufen. Meine Kollegin hat es Ihnen gerade gesagt, die Zahlen für 2018, die das Frauenministerium im November 2019 veröffentlicht hat, besagen Folgendes: An jedem dritten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. Mehr als einmal pro Stunde wird eine Frau durch ihren Partner gefährlich verletzt. Jede dritte Frau ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen.
Schleswig-Holstein muss sich nicht verstecken, wenn es darum geht, welche Maßnahmen wir ergriffen haben, sei es die Finanzierung, um die Istanbul-Konvention als bislang einziges Bundesland umzusetzen, oder die Investition in Frauenhäuser mit über 6 Millionen €. Da kommt sicher noch mehr.
Die Ministerin hat eben berichtet, welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden. Ich finde, wir als Frauenpolitikerinnen und -politiker aus Koalition und Opposition sind mit der Ministerin in der Zusammenarbeit außerordentlich konstruktiv.
Von der Einbringung des Antrags bis zur heutigen Debatte sind etwas mehr als ein Jahr vergangen. Wir haben uns als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Zeit Gedanken gemacht und uns die Frage gestellt, wie dieses Thema eigentlich noch einmal anders diskutiert werden müsste. Bislang ist es so, dass das Thema ausschließlich als frauenpolitisches Thema behandelt wird. Wir haben uns die Frage gestellt: wieso eigentlich? Wir haben uns gedacht, es braucht eigentlich einmal einen Perspektivwechsel in dieser Frage.
Meine Kollegen Lasse Petersdotter, Burkhard Peters und ich haben zusammen mit zwei Polizistinnen und Polizisten und einer Juristin eine Veranstaltung im Rahmen meines Jour fixe Frauen- und Gleichstellungspolitik ausgerichtet. Meine These: Gewalt gegen Frauen muss mehr als Thema der inneren Sicherheit diskutiert werden. Weshalb? - Gucken wir uns die Zahlen noch einmal ganz genau an: 81,3 % der Opfer von Gewalt sind Frauen, 18,7 % sind Männer. Übrigens: Da es mehr als zwei Geschlechter gibt, muss man an dieser Stelle in der BKA-Statistik noch einmal nachsteuern. In Partnerschaften betrifft Gewalt zu 98,4 % Frauen. Bei Mord und Totschlag sind 77 % der Opfer Frauen. Die Täter sind in über 80,5 % der Fälle Männer.
Da kommt bei mir schon die Frage auf, warum dieses Thema allein als frauenpolitisches Thema verbucht wird.
Ja, einerseits ist es absolut richtig und wichtig hervorzuheben, dass es in einem sehr hohen Maße Frauen sind, die es betrifft und die sich um das Problem kümmern, in den Frauenhäusern, in den Beratungsstellen, in der Prävention und so weiter und so fort. Es ist absolut notwendig, mit einer sozialpolitischen Brille auf dieses Thema zu blicken. Mir ist auch völlig klar, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei durchaus sehr gut funktioniert. Mir ist auch bewusst, dass die Zahlen bereits differenziert in der polizeilichen Kriminalstatistik aufgeführt werden. - Aber ehrlich gesagt, reicht mir das nicht.
Mein Punkt ist folgender: Wir alle hier wissen am besten, welchen fachpolitischen Bereichen welche Bedeutung zugemessen wird - politisch wie auch gesellschaftlich. Deshalb denke ich: Warum das Thema nicht einmal als Top-1-Thema bei einer Innenministerkonferenz oder einer gemeinsamen Konferenz zusammen mit den Frauenministerinnen und -ministern?
Wenn man das alles nebeneinanderlegt: Im Schnitt sind über 80 % Frauen von unterschiedlichen Gewaltformen betroffen; Männer, die zu über 80 % der Fälle Täter sind, knapp 35 % sind Ehepartner, knapp 30 % sind nichteheliche Partner, knapp 40 % sind ehemalige Partner. Das bedeutet wiederum: Selbst das Sich-lösen aus einer Beziehung bedeutet nicht, dass man dann in Sicherheit ist. Orte, an denen Frauen Zuflucht suchen, weil sie um ihre Sicherheit bangen, sind die Frauenhäuser. Frauenhäuser haben wiederum nicht genügend Plätze, um Sicherheit zu bieten. - Wenn man das alles nebeneinanderlegt, dann fragt man sich doch: Warum wird dieses Thema nicht gesamtgesellschaftlich gedacht und diskutiert?
Ich habe darüber mit unterschiedlichsten Personen gesprochen und viel Zustimmung bekommen, das Thema anders zu diskutieren, um dadurch beispielsweise auch andere Maßnahmen zu diskutieren und zu entwickeln. Natürlich gibt es auch Menschen, die das nicht richtig finden. Eine Aussage, die mir sehr in Erinnerung geblieben ist, ist, es sei zu alarmistisch, das als innenpolitisches Thema zu diskutieren. Wenn ich das einmal sagen darf - mit aller Ernsthaftigkeit und Deutlichkeit -: Alarmistisch ist nicht, dieses Thema innenpolitisch zu diskutieren
oder ihm diese Bedeutung beizumessen, sondern die Zahlen sind alarmierend.
Zum Schluss möchte ich noch einmal wiederholen: Wir glauben, dass dieses Thema aus zwei Perspektiven betrachtet werden muss, einerseits aus einer frauenpolitischen Perspektive, andererseits aber auch aus einer innenpolitischen Perspektive. Daran wollen wir arbeiten - und das vor allem im Sinne der betroffenen Frauen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Die erste Frage, die man sich stellen muss, ist: Warum bedarf es überhaupt besonderer Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Zuwanderungsbiografie? Weil sie mit enormen Zugangsbarrieren zu kämpfen haben, egal, ob sie seit einem Jahr oder seit Jahrzehnten hier leben.
Das Problem liegt nicht etwa darin, dass Geflüchtete grundsätzlich nicht in den Arbeitsmarkt integrierbar sind oder schlichtweg keine Lust haben zu arbeiten, sondern dass Bundesgesetze den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren oder gar verhindern. Das problematisieren die Betroffenen selbst, aber auch die Unternehmen.
Immer wieder werde ich gefragt: Warum darf ich nicht arbeiten? Warum ist es so schwer für mich, einen Job zu bekommen? Warum wird mein Abschluss nicht anerkannt, werden meine Erfahrungen nicht wertgeschätzt? In meiner Heimat war ich Bäcker, Ärztin, Krankenpfleger, Lehrerin.
Es macht nicht nur etwas mit der Biografie derer, die direkt davon betroffen sind, sondern auch mit den nachfolgenden Generationen, sprich den Kindern. Ich will das einmal anhand meiner eigenen Biografie deutlich machen. Dann wird das deutlich und plastisch. Ich habe persönlich habe nie begriffen, weshalb der deutsche Staat es sich leistet, auf Fachkräfte zu verzichten. Später schon. Das Motiv lautet: Es muss für euch schwerer sein, hier anzukommen.
Ich persönlich bin in die Politik gegangen, weil ich es nicht begreifen konnte, dass meine Eltern, die beide studiert haben, hier in Deutschland nur Helfertätigkeiten machen konnten. Sie sind etlichen Berufen nachgegangen. Sie haben als Reinigungskräfte gearbeitet, als Küchenhilfe, als Helfer in der Fleischerei oder als Pflegehelferin. Das Studium meiner Mutter wurde erst vor einigen Jahren als Abitur anerkannt. Vorher war es quasi so, als hätte sie nie einen Tag in einer Schule besucht. Meine Mutter lebt seit 27 Jahren in Deutschland.
Die meisten Eltern wünschen sich für ihre Kinder, dass sie es irgendwann einmal besser haben werden. Andere wünschen sich, dass ihre Kinder einfach nur die gleichen Startbedingungen haben wie alle anderen Kinder um sie herum. Deshalb hat meine Mutter immer gesagt, dass sie sich nicht beschwert und es darum geht, dass wir vier Töchter einmal studieren oder eine Ausbildung machen können. Aber ich beschwere mich.
Die meisten von Ihnen kennen vielleicht die Geschichte des Taxifahrers, der zuvor in einem anderen Land studiert hat. Viele migrantische Familien kennen das aus ihrer eigenen Biografie.
Es geht mir nicht darum, dass Helfertätigkeiten nicht wertzuschätzen sind. Ganz im Gegenteil. Ohne sie ginge es in dieser Gesellschaft nicht. Es geht darum, dass man als Mensch mit Fluchtgeschichte
nicht die Wahl hat, dem Beruf nachzugehen, für den man qualifiziert ist.
In den letzten Jahren hat sich eine Menge in der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen getan, und das vor allem, weil politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger den Bedarf gesehen haben. Fachkräfte fehlen überall. Aber ich sage auch ganz klar: Es darf nicht nur davon abhängen, dass der Staat gerade einen Mangel erkennt und deshalb im eigenen Interesse handelt.
Es muss auch im Interesse derer geschehen, die sich etwas Besseres hätten vorstellen können, als ihre Heimat verlassen zu müssen.
Zeitgleich zu den Verbesserungen gibt es politische Entscheidungen in Berlin, die eine Integration wieder erschweren. Auch deshalb beschwere ich mich noch einmal.
Das Migrationspaket des Bundes mit dem Geordnete-Rückkehr-Gesetz besagt, dass Asylsuchende und Geduldete sehr viel länger in Landesaufnahmeeinrichtungen leben müssen als bisher. Dadurch können viele über Monate oder sogar Jahre hinweg keine Arbeitsförderungsleistungen erhalten.
Seit dem 1. August 2019 werden nur noch Syrien und Eritrea als „Länder mit guter Bleibeperspektive“ definiert. Mit schlechter Bleibeperspektive lässt es sich viel schwerer arbeiten. Nur 16 % der Asylsuchenden in Schleswig-Holstein stammen in diesem Jahr aus Syrien oder Eritrea, also Menschen mit einer pauschal guten Bleibeperspektive. Der Rest hat eine schlechte Bleibeperspektive.